Baurecht

Erledigung einer Baugenehmigung durch neue Sachentscheidung

Aktenzeichen  9 B 17.1245

Datum:
15.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16354
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 43 Abs. 2
ZPO § 256

 

Leitsatz

1. Auf andere Weise erledigt ist ein Verwaltungsakt, der seine regelnde Wirkung wegen einer inhaltlichen „Überholung“ des früheren Verwaltungsakts durch eine neue Sachentscheidung verliert (vgl. BVerwG, BeckRS 2011, 52923 Rn. 13). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine neue Sachentscheidung liegt vor, wenn die Behörde auf der Grundlage eingereichter neuer Bauvorlagen, die sich auf das Gesamtvorhaben in seiner geänderten Gestalt beziehen und damit in der Sache einen neuen Bauantrag darstellen, dieses Gesamtvorhaben auf seine bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit im Ganzen geprüft hat. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 5 K 15.587 2016-02-18 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Von den Kosten des für die Berufungsverfahren 9 B 17.1240 bis 9 B 17.1245 gemeinsam eingeholten Sachverständigengutachtens vom 14. August 2019 tragen die Kläger ein Sechstel als Gesamtschuldner.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist sowohl hinsichtlich des Hauptantrags als auch hinsichtlich des Hilfsantrags unzulässig.
1. Der Hauptantrag kann nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Bescheids der Beklagten vom 22. Mai 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 27. Juli 2015 („Ursprungsbescheid“) führen, weil die von den Klägern dagegen erhobene Anfechtungsklage durch den Erlass des späteren Bescheids vom 6. Juni 2018 mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig (geworden) ist.
a) Das Rechtsschutzinteresse der Kläger für die Anfechtung des Ursprungsbescheids ist hier allerdings nicht schon deshalb entfallen, weil dieser Bescheid durch den späteren Bescheid vom 6. Juni 2018 lediglich modifiziert worden wäre und der spätere Bescheid mit dem Ursprungsbescheid eine untrennbare Einheit bilden würde, so dass der Ursprungsbescheid keinen eigenständigen Regelungsgehalt mehr besitzen würde (vgl. OVG RhPf, B.v. 26.7.2017 – 8 B 11235/17 – juris Rn. 33; BayVGH, U.v. 22.3.1984 – 2 B 82 A. 301 – BayVBl 1984, 596/597; NdsOVG, B.v. 14.9.2017 – 12 LA 15/16 – juris Rn. 9). Der spätere Bescheid stellt insbesondere mit einer Erweiterung der Stadionkapazität auf eine Besucherzahl von 13.090 Personen gegenüber dem Ursprungsbescheid mit einer dort festgelegten zulässigen Personenzahl von 10.006 Besucherplätzen nicht nur eine Genehmigung für eine geringfügige oder kleinere, das Gesamtvorhaben in seinen Grundzügen nur unwesentlich berührende Änderung („Tekturgenehmigung“) dar (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 23.10.2019 – 15 ZB 18.1275 – juris Rn. 12 m.w.N.). Er bezieht sich vielmehr auf ein Vorhaben, das sich von dem ursprünglich genehmigten Vorhaben in Bezug auf baurechtlich relevante Kriterien wesentlich unterscheidet („aliud“). Dies gilt hier insbesondere im Hinblick darauf, dass durch die Erhöhung der Zuschauerkapazität von 10.006 auf 13.090 Besucherplätze neuerlich Belange in nachbarrelevanter Weise so erheblich berührt werden, dass sich die Frage der baurechtlichen Genehmigungsfähigkeit des Gesamtvorhabens insgesamt neu stellt (vgl. BayVGH, B.v. 23.10.2019 a.a.O. Rn. 12 m.w.N.; VGH BW, B.v. 16.2.2016 – 3 S 2303/15 – juris Rn. 19; OVG NRW, B.v. 13.12.2012 – 2 B 1250/12 – juris Rn. 15 m.w.N.).
b) Den Klägern fehlt aber das Rechtsschutzinteresse für das Klageverfahren gegen den hier angefochtenen Ursprungsbescheid, weil sich dieser Bescheid mit Erlass des Bescheids vom 6. Juni 2018 auf andere Weise im Sinn des Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG erledigt hat und damit das Rechtsschutzinteresse für die erhobene Anfechtungsklage entfallen ist (vgl. BayVGH, U.v. 20.12.2019 – 9 B 12.940 – juris Rn. 20 m.w.N.).
aa) Gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Auf andere Weise erledigt ist ein Verwaltungsakt, der seine regelnde Wirkung verliert, was unter anderem auch bei einer inhaltlichen „Überholung“ des früheren Verwaltungsakts durch eine neue Sachentscheidung der Fall ist (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.2011 – 6 C 3.10 – juris Rn. 13; U.v. 9.5.2012 – 6 C 3.11 – juris Rn. 21; BayVGH, U.v. 20.12.2019 – 9 B 12.940 – juris Rn. 21). So liegt der Fall hier. Aus dem Gesamtkontext des Bescheids vom 6. Juni 2018 ergibt sich bei verständiger Würdigung seines Regelungsgehalts, wie ihn der Beigeladene als Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte, dass es sich hierbei um eine neue Sachentscheidung handelt, durch die ein neuer Verfahrensgegenstand entstanden und der Ursprungsbescheid „überholt“ worden ist.
aaa) Der Bescheid betrifft nach seinem Betreff das Bauvorhaben „Erweiterung der Stadionkapazität für eine Besucherzahl von 13.090 Personen“, unter dem vier verschiedene Bauanträge des Beigeladenen zusammengeführt werden. Neben dem Neubau einer Stahltribüne als Bauwerk mit Prüfbuch, dem Neubau einer Schallschutzwand, der Erweiterung der Alarmierungsanlage, der Containerstellung (WC, Gastro, Polizei), der Befestigung des Besprechungsplatzes und der Errichtung eines zusätzlichen Rettungsstegs in Block 1 (Antrag Nr. 1, Az. 1889 – 2016), werden von der Baugenehmigung die Ertüchtigung und Überdachung der bestehenden Tribüne für 232 Sitzplätze in Block Z (Antrag Nr. 2, Az. 1913 – 2016), die Umnutzung des bestehenden Nebenplatzes in einen Behandlungsplatz (Antrag Nr. 3, Az. 1924 – 2016) sowie die Nutzungsänderung und der Umbau des Geschäftsstellengebäudes, die Errichtung eines Löschwassertanks mit 200 m³, die Errichtung von Containern für Feuerwehr und BRK, die Erweiterung der Schiedsrichterkabine, die Ertüchtigung des Brandschutzes und die Errichtung von Schallschutzwänden (Antrag Nr. 4, Az. 2184 – 2016) umfasst. Die Baugenehmigung enthält eine Vielzahl von unter anderem bauteilbezogenen, technischen und wasserwirtschaftlichen Nebenbestimmungen.
In der immissionsschutzrechtlichen Betriebsauflage Nr. 2040 werden verschiedene Betriebsbeschränkungen für den Stadionbetrieb festgelegt. Neben einem Ausschluss der Nutzung des Stadionareals für den Spielbetrieb zur Nachtzeit (22:00 Uhr bis 6:00 Uhr) wird die spätest mögliche Anstoßzeit im Freundschafts- und Ligaspielbetrieb auf 19:30 Uhr festgesetzt; für Spiele mit der Möglichkeit einer vergleichsweise längeren Spieldauer als im Ligaspielbetrieb auf 18:30 Uhr. Für Spiele innerhalb der sonn- und feiertäglichen Mittagsruhezeit (13:00 Uhr bis 15:00 Uhr) beträgt die zulässige Kapazität bei Anstoß nach 13:44 Uhr 13.090 Besucher, bei Anstoß vor 13:45 Uhr 10.000 Besucher. Die zulässige Anzahl von Spielanteilen innerhalb der mittäglichen und abendlichen Ruhezeiten wird auf 10 Spiele im Kalenderjahr beschränkt. In dieser Auflage wird zusätzlich darauf verwiesen, dass für den Stadionbetrieb das Schallgutachten der Firma W. … GmbH vom 22. März 2018 zugrunde gelegt wird, das Bezug nimmt auf die vom Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Verfahren gegen den hier angefochtenen Ursprungsbescheid für gebietsverträglich erachtete Mittelwerte. Soweit für Spiele mit Spielanteilen innerhalb der mittäglichen und abendlichen Ruhezeiten nach den gutachterlichen Ausführungen die Mittelwerte des Verwaltungsgerichts zum Teil überschritten würden, seien die um 10 dB(A) erhöhten Grenzwerte für seltene Ereignisse gemäß § 5 Abs. 5 Nr. 1 in Verbindung mit Anhang 1 Ziffer 1.5 der 18. BImSchV eingehalten.
Nach der brandschutztechnischen Auflage Nr. 2070 ist der Brandschutznachweis des Ingenieurbüros M. vom 15. Januar 2018 Bestandteil dieser Baugenehmigung und zu beachten. Dieses Brandschutzkonzept soll den Nachweis des vorbeugenden Brandschutzes für die Sanierung und den Ausbau des Stadions am D. für eine Zuschauerkapazität von 13.090 Personen führen (Nrn. 1.1 und 1.2 Abs. 1 des Konzepts). Der Nachweis befasst sich hierbei mit der Gesamtanlage und dem eigentlichen Geschäftsstellengebäude mit integrierter Vereinsgaststätte, der Mixed-Zone und der Presseflächen in Verbindung mit der angrenzenden Boxhalle der W.er K.s am Mittleren D. Hellipweg in W. (Nr. 1.2 Abs. 2 des Konzepts).
Nach der weiteren Auflage Nr. 2035 ist beim Betrieb des Stadions das Sicherheitskonzept vom 18. Januar 2018 und in Folge in der jeweils gültigen Fassung zu beachten. Dieses Sicherheitskonzept zur Durchführung von Fußballspielen in der F.-Arena W. enthält neben den Anlagen SIKO 1-3 siebzehn weitere im Inhaltsverzeichnis aufgeführte gesonderte Anlagen, u.a. eine Stadionordnung (A 1), ein Verkehrs- und Parkkonzept (A 6) und einen Stadionplan (A 7), die Teil dieses Sicherheitskonzepts sind. Sein Geltungsbereich erstreckt sich nach Nr. 2 des Konzepts auf alle Fußballspiele des FC W.er K.s (AG und e.V.) in der vereinseigenen F.- Arena (ehemaliges K.s-Stadion am D.). Das Konzept geht „vorbehaltlich des positiven Bescheids des laufenden Genehmigungsverfahrens“ von einem Fassungsvermögen von 13.900 Besuchern aus und enthält eine genaue Verteilung dieser Besucher auf die Haupttribüne und die Blöcke 1, 2, 3a, 3b, 4a, 4b, 5 und 6.
Eine Aussage zum Verhältnis dieser Baugenehmigung zum hier angefochtenen Ursprungsbescheid enthält der Bescheid vom 6. Juni 2018 nicht. Im Gegensatz dazu war der Bescheid vom 27. Juli 2015 ausdrücklich als Ergänzungsbescheid zum Baugenehmigungsbescheid vom 22. Mai 2015 bezeichnet worden, der diesen um bestimmte Pläne vom 21. Juli 2015 ergänzt und teilweise ersetzt. Im Bescheid vom 6. Juni 2018 findet sich lediglich der Hinweis, dass bis zur plangemäßen, voll umfänglichen Fertigstellung der beantragten Schallschutzwände für die Nutzung des Stadions die bauaufsichtliche Anordnung der Beklagten vom 28. Juli 2017 in der jeweils geltenden Fassung zu beachten ist und diese bauaufsichtliche Anordnung durch die Baugenehmigung vom 6. Juni 2018 nicht ersetzt wird.
Wie sich dem späteren Bescheid vom 6. Juni 2018 damit eindeutig entnehmen lässt, hat die Beklagte auf der Grundlage der vom Beigeladenen eingereichten neuen Bauvorlagen, die sich – wie oben bereits ausgeführt wurde – auf das Gesamtvorhaben in seiner geänderten Gestalt beziehen und damit in der Sache einen neuen Bauantrag darstellen (vgl. BayVGH, B.v. 23.10.2019 – 15 ZB 18.1275 – juris Rn. 14 m.w.N.), dieses Gesamtvorhaben auf seine bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit im Ganzen geprüft und nicht nur im Hinblick auf die geänderten Bestandteile des Stadions einschließlich dessen Besucherkapazität. Andernfalls wäre nicht nachvollziehbar, warum insbesondere auf das Schallgutachten, das Sicherheitskonzept und den Brandschutznachweis ohne jegliche Einschränkungen Bezug genommen wird und diese zum Bestandteil der Baugenehmigung vom 6. Juni 2018 erklärt werden. Auch hinsichtlich der zugelassenen Abweichung von der nach § 2 der Stellplatzsatzung der Beklagten vom 25. März 2014 geforderten Anzahl der Stellplätze für Pkw, Motorräder und Fahrräder stellt der Bescheid im Ergebnis auf den rechnerischen Bedarf für das Gesamtvorhaben und nicht nur für die beantragte Mehrung der Besucherplätze ab (vgl. Abweichung Nr. 2030). Lediglich die Anzahl der (zusätzlich) erforderlichen Toilettenräume wird nach der beantragten Mehrung der Besucherplätze berechnet (vgl. Nebenbestimmung Nr. 2032). Der Regelungsgehalt dieses Bescheids bezieht sich im Vergleich zum Regelungsgehalt des Ursprungsbescheids auf ein neues, selbständiges Vorhaben und stellt damit eine neue rechtlich unabhängige Baugenehmigung dar („aliud“).
bbb) Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Baugenehmigung vom 6. Juni 2018 als Alternativbaugenehmigung neben den hier angefochtenen Ursprungsbescheid treten und diesem weiterhin ein eigenständiger Regelungsinhalt zukommen soll. Bei verständiger objektiver Würdigung ihres Regelungsgehalts kann die Baugenehmigung vom 6. Juni 2018 vielmehr nur dahingehend verstanden werden, dass sie den Ursprungsbescheid nachträglich ersetzt und insgesamt an seine Stelle tritt. In der Bau-/Betriebsbeschreibung des Beigeladenen vom 15. Januar 2018, die der Baugenehmigung vom 6. Juni 2018 zugrunde liegt, wird die historische Entwicklung des Stadions des Beigeladenen am D. skizziert. Danach war es durch den Aufstieg der W.er K.s in die 3. Liga im Jahr 2015 notwendig, dem DFB gegenüber eine Gesamtkapazität von über 10.000 Zuschauern nachzuweisen. Deswegen wurden im Jahr 2015 diverse Sanierungs-, Umbau- und Neubaumaßnahmen in die Wege geleitet, welche zum einen die Gesamtkapazität des Stadions auf 10.006 Besucher erhöhten und zum anderen in punkto Stadionsicherheit die gesetzlichen und verbandsrechtlichen Vorgaben umsetzten. Diese Maßnahmen sind Regelungsgehalt des hier angefochtenen Ursprungsbescheids. Durch den Aufstieg in die 2. Bundesliga sind nach dieser Betriebsbeschreibung erneut weitreichende Sanierungs- und Umbaumaßnahmen nötig geworden, um die Vorgaben der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zu erfüllen. Es musste ein Kapazitätsnachweis von mindestens 15.000 Besucherplätzen erbracht werden, zudem waren einige Auflagen im Zusammenhang mit Medienarbeitsplätzen- und Stellflächen zu erfüllen. Wie sich den behördlichen Aktenzeichen der Beklagten zu den vier Bauanträgen entnehmen lässt, die von der Beklagten im Bescheid vom 6. Juni 2018 zusammengeführt wurden und die alle aus dem Jahr 2016 stammen, wollte der Beigeladene damit wohl diesen zusätzlichen Anforderungen der DFL Rechnung tragen.
Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass sich diese Bauanträge allein auf die Nutzung des Stadions für den Spielbetrieb in der 2. Bundesliga beziehen sollten. Wie sich vielmehr der Bau-/Betriebsbeschreibung vom 15. Januar 2018, die letztlich der Baugenehmigung vom 6. Juni 2018 von der Beklagten zugrunde gelegt wurde, in Ermangelung einer diesbezüglichen Einschränkung entnehmen lässt, wurde die geforderte Gesamtkapazität nach DFL-Regularien zunächst ausgesetzt und war nach dem zwischenzeitlich erfolgten Abstieg in die 3. Liga eine weitere Anhebung der Kapazität zunächst nicht gefordert. Dessen ungeachtet hat der Beigeladene mit seinem zuletzt gestellten Bauantrag vom 15. Januar 2018 – zum Zeitpunkt seiner Zugehörigkeit zur 3. Liga – eine Gesamtkapazität von 13.090 Besucherplätzen beantragt. Dies spricht dafür, dass er damit den Kapazitätsanforderungen der DFL – unabhängig von seiner Zugehörigkeit zur 2. Bundesliga oder 3. Liga – soweit als bautechnisch möglich nachkommen wollte, weil er die F.-Arena auch weiterhin uneingeschränkt für seinen Spielbetrieb nutzen wollte und mit einem jederzeit möglichen Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga rechnete, was ihm im Jahr 2020 auch tatsächlich gelang. Die Beklagte und der Beigeladene haben zudem im Erörterungstermin vor dem Senat vom 29. Januar 2020 erklärt, dass eine weitere bauliche Erweiterung der derzeit vorhandenen Anlage F.-Arena derzeit nicht denkbar sei. Wie sich der Beigeladene zur Frage der Fortgeltung des Ursprungsbescheids neben der Baugenehmigung vom 6. Juni 2018 später geäußert hat, ist demgegenüber unerheblich.
Ob der Beigeladene mit dieser neuen Antragstellung auf den hier angefochtenen Ursprungsbescheid mit einer festgelegten zulässigen Kapazität von 10.006 Besucherplätzen womöglich (konkludent) verzichtet hat (vgl. BayVGH, B.v. 23.10.2019 – 15 ZB 18.1275 – juris Rn. 14 m.w.N.) kann dahinstehen. Jedenfalls lassen sich daraus keine Anhaltspunkte dafür ableiten, dass er den Ursprungsbescheid alternativ neben dem späteren Bescheid bestehen lassen wollte, um etwa zu einem späteren Zeitpunkt von einem Wahlrecht zwischen diesen Genehmigungen Gebrauch machen zu können. Ebenso wenig ist erkennbar, dass er die spätere Genehmigung nur vorsorglich für den Fall einholen wollte, dass der Ursprungsbescheid sich im hier anhängigen Verfahren nicht als von Bestand erweisen sollte. Gegen ein Bestehen von zwei Alternativbaugenehmigungen spricht zudem, dass die bereits erfolgte Umsetzung des späteren Bescheids mit baulichen Änderungen am vorhandenen und genehmigten Baubestand verbunden war, die nicht ohne weiteres rückgängig zu machen sind, und eine Nutzung dieses Neubestands unter Berufung allein auf den Ursprungsbescheid nicht genehmigungskonform mit diesem Bescheid wäre. Schließlich enthält die Baugenehmigung vom 6. Juni 2018 für Spiele innerhalb der sonn- und feiertäglichen Mittagsruhezeit (13:00 Uhr bis 15:00 Uhr) eine Beschränkung der zulässigen Kapazität, die unter der mit dem Ursprungsbescheid genehmigten Kapazität liegt (vgl. immissionsschutzrechtliche Betriebsauflagen Nr. 2040, Nr. 3). Wenn die Beklagte vom Fortbestand des Ursprungsbescheids ausgegangen wäre, hätte insoweit eine Aussage im späteren Bescheid nahegelegen, ob oder warum diese Beschränkung nicht auf den Ursprungsbescheid übertragen werden kann. Dies gilt umso mehr im Hinblick darauf, dass im Schallgutachten der Firma W. … GmbH vom 22. März 2018 darauf hingewiesen wird, dass bei einem Spielbetrieb mit 10.006 Zuschauern im bisherigen Ausbauzustand die vom Verwaltungsgericht für zulässig erachteten und dem Bescheid vom 6. Juni 2018 zugrunde gelegten Mittelwerte für einige Immissionsorte auch dann innerhalb der Ruhezeit überschritten werden, wenn die Regelung über seltene Ereignisse gemäß § 5 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Nr. 1.5 der Anlage zur 18. BImSchV zugrunde gelegt wird. Um in dem mit dem Ursprungsbescheid genehmigten Ausbauzustand auch an diesen Immissionsorten die Richtwerte für selten Ereignisse einhalten zu können, ist nach Einschätzung dieses Gutachtens eine maximale Zuschauerzahl von 7.400 Zuschauern erforderlich (vgl. S. 31 des Gutachtens).
Für die rechtliche Einordnung des späteren Bescheids vom 6. Juni 2018 als Alternativbaugenehmigung spricht schließlich auch nicht, dass sich in diesem Bescheid keine Ausführungen über eine Rücknahme oder einen Widerruf des Ursprungsbescheids finden. Solche Ausführungen waren vielmehr dann nicht veranlasst, wenn die Beklagte davon ausgegangen ist, dass der Ursprungsbescheid durch den „überholenden“ späteren Bescheid gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG erledigt worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.2011 – 6 C 3.10 – juris Rn. 13).
bb) Mit der nachträglichen Ersetzung des Ursprungsbescheids durch den späteren Bescheid vom 6. Juni 2018 hat der Ursprungsbescheid seine Wirksamkeit verloren (Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG). Diese Folge tritt zugleich mit dem Erlass des Ersetzungsbescheids ein und nicht erst dann, wenn er bestandskräftig wird. Unerheblich ist deshalb, dass die Kläger den Ersetzungsbescheid ebenfalls angefochten haben. Das Prozessrecht führt nicht dazu, dass der Ersetzungsbescheid seine Wirkungen nur auflösend bedingt entfaltet (vgl. BVerwG, U.v. 21.6.2007 – 3 C 11.06 – juris Rn. 19). Die Klage gegen den Ursprungsbescheid kann auch nicht unter der Bedingung fortgeführt werden, dass die ursprüngliche Regelung wieder in Geltung tritt. Bedingte Klagen sind unzulässig (vgl. BVerwG, B.v. 9.9.2008 – 3 B 37.08 – juris Rn. 3).
Der Einwand der Kläger, ihr Rechtsschutzinteresse bleibe bestehen, weil der Ursprungsbescheid wiederaufleben könne, verfängt nicht. Ob mit der etwaigen Aufhebung des Ersetzungsbescheids die Wirksamkeit des ursprünglichen Verwaltungsakts wieder auflebt, bestimmt sich nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.2011 – 6 C 3.10 – juris Rn. 18; U.v. 19.4.2011 – 1 C 2.10 – juris Rn. 17 und U.v. 21.6.2007 – 3 C 11.06 – juris Rn. 18 f.). Nur dies führt zu sachgerechten Ergebnissen, weil der häufig im jeweiligen Fachrecht verortete Grund der Erledigung und die Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets berücksichtigt werden können (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2011 a.a.O. Rn. 17). Ist Erledigung eingetreten, kommt hinsichtlich der Wiederherstellung der Wirksamkeit eines Verwaltungsakts mangels besonderer Regelungen nur der Neuerlass eines entsprechenden Verwaltungsakts in Frage (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 43 Rn. 190).
Das einschlägige materielle Bauordnungsrecht ist hier dadurch gekennzeichnet, dass die Bauaufsichtsbehörde gemäß Art. 54 Abs. 2 Satz 1 BayBO bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen hat, dass die öffentlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind. Dieses bauordnungsrechtliche Grundanliegen des Bauordnungsrechts schließt die Annahme aus, eine frühere Baugenehmigung, die durch eine spätere Genehmigung überholt ist, könnte im Falle deren nachträglicher Aufhebung gewissermaßen automatisch wiederaufleben und erneut Grundlage für die weitere Nutzung einer baulichen Anlage sein. Hier ist zu berücksichtigen, dass der Beigeladene die vom späteren Bescheid vom 6. Juni 2018 umfassten Änderungsmaßnahmen für die F.-Arena bereits vollständig umgesetzt hat und ein Rückbau dieser Änderungsmaßnahmen nicht ohne weiteres erfolgen kann, weil diese Maßnahmen in unmittelbarem bautechnischen Zusammenhang mit dem durch den Ursprungsbescheid genehmigten baulichen Bestand des Stadions stehen und nicht ohne Eingriffe in diese bauliche Substanz rückgängig gemacht werden können. Die weitere Nutzung des Fußballstadions unter Einbeziehung dieser Änderungsmaßnahmen allein auf der Grundlage des „wiederaufgelebten“ Ursprungsbescheids würde damit aber zwingend zur Folge haben, dass die bauliche Anlage formell illegal genutzt und der Erlass einer Nutzungsuntersagung gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO gerechtfertigt wäre. Die Beklagte als Bauaufsichtsbehörde könnte auch nach Art. 76 Satz 3 BayBO verlangen, dass ein Bauantrag gestellt wird. Die Kläger wären in diesem Fall auch nicht rechtlos gestellt. Denn bei einer Untätigkeit der Beklagten käme die Geltendmachung eines Anspruchs der Kläger auf bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten gegen diese formell illegale Nutzung in Betracht.
2. Die mit dem Hilfsantrag erhobene Feststellungsklage ist ebenfalls unzulässig.
a) Mit ihrem Begehren festzustellen, dass die Genehmigung vom 22. Mai 2015 in Gestalt des Ergänzungsbescheids vom 27. Juli 2015 inhaltlich überholt sei, haben die Kläger ihren Klageantrag im Berufungsverfahren abgeändert. Nach § 91 Abs. 1 VwGO ist eine solche Klageänderung zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Hier ist davon auszugehen, dass die übrigen Beteiligten der Klageänderung durch rügeloses Einlassen auf die geänderte Klage zugestimmt haben (§ 91 Abs. 2 VwGO).
b) Bei dieser Feststellungsklage handelt es sich der Sache nach um eine Zwischenfeststellungsklage (§ 173 VwGO i.V.m. § 256 Abs. 2 ZPO). Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde. Zweck der Zwischenfeststellungsklage ist die Ausdehnung der Rechtskraft auf das dem Anspruch zugrundeliegende Rechtsverhältnis, das sonst von der Rechtskraftwirkung nicht erfasst würde. Sie ist ein Ersatz dafür, dass die Elemente der Entscheidung zum Grund der Klage nicht in Rechtskraft erwachsen. Voraussetzung ist daher, dass die Entscheidung des Rechtsstreits von dem Bestehen des Rechtsverhältnisses abhängt (vgl. BVerwG, U.v. 12.1.2012 – 7 C 5.11 – juris Rn. 12 m.w.N.). Dieser Feststellungsantrag kann auch hilfsweise für den Fall der Abweisung des Hauptantrags erhoben werden (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 6 m.w.N.).
Hier fehlt es aber am allgemeinen Rechtsschutzinteresse für diese Klage, weil sich die begehrte Feststellung auf einen Gegenstand bezieht, der nicht über den der Rechtskraft fähigen Gegenstand des Rechtsstreits hinausgeht (vgl. BVerwG, U.v. 12.1.2012 – 7 C 511 – juris Rn. 14 m.w.N.). Zwar erfasst die materielle Rechtskraft von Prozessurteilen nur diejenigen Sachurteilsvoraussetzugen, auf die das Gericht die Abweisung der Klage als unzulässig gestützt hat (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.1998 – 8 B 218.98 – juris Rn. 5 m.w.N.). Wie sich obigen Ausführungen zum Hauptantrag der Kläger entnehmen lässt, ergibt sich die Unzulässigkeit dieser Klage aus deren fehlendem Rechtsschutzinteresse, weil sich die hier angefochtene Baugenehmigung vom 22. Mai 2015 in Gestalt des Ergänzungsbescheids vom 27. Juli 2015 durch den Erlass des Bescheids vom 6. Juni 2018 auf andere Weise im Sinn des Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG erledigt hat. Damit wird von der Rechtskraft dieses Urteils auch erfasst, dass der Ursprungsbescheid durch den späteren Bescheid inhaltlich „überholt“ worden ist und damit seine Wirksamkeit verloren hat (vgl. BVerwG, U.v. 10.4.1968 – IV C 160.65 – juris Rn. 15; Kilian/Hissnauer in Sodan/Zichow, VwGO, 5. Aufl. 2018 – § 121 Rn. 69).
Soweit der Hilfsantrag dahingehend verstanden werden kann (§ 88 VwGO), dass er sich darauf bezieht, festzustellen, dass ein künftiges Wiederaufleben des Ursprungsbescheids nicht in Betracht kommt, ist er auf die Feststellung eines zukünftigen Rechtsverhältnisses gerichtet, das aufgrund eines in der Zukunft möglicherweise eintretenden Sachverhalts eintreten kann. Zum jetzigen Zeitpunkt fehlt damit ein aktueller Sachverhalt als Tatsachenbasis für Rechte und Pflichten. Hierauf bezogene – positive wie negative – Feststellungsklagen sind Formen vorbeugenden Rechtsschutzes (vgl. Wysk in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 43 Rn. 16). Wie sich obigen Ausführungen entnehmen lässt, fehlt es hier an der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit dafür, dass der behauptete normausfüllende Sachverhalt – das „Wiederaufleben“ des Ursprungsbescheids bei Erfolg der Anfechtungsklage gegen den späteren Bescheid vom 6. Juni 2018 – Realität gewinnen wird, das heißt bereits „überschaubar“ ist (vgl. Wysk a.a.O. Rn. 17).
Im Übrigen unterliegen solche – nur ausnahmsweise zulässigen – vorbeugenden negativen Feststellungsklagen dem Erfordernis eines qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses, wie es bei einer begründeten Besorgnis für die Rechtsstellung des Klägers gegeben ist. Daran fehlt es, wenn es dem Betroffenen zuzumuten ist, die befürchteten Maßnahmen der Beklagten abzuwarten und er unter dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auf einen als ausreichend anzusehenden nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2016 – 2 C 18.15 – juris Rn. 19, Wysk in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 43 Rn. 58 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 32 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, warum es den Klägern hier nicht zumutbar sein sollte, sich gegen das von ihnen befürchtete „Wiederaufleben“ des Ursprungsbescheids mit einem nachträglichen Rechtsschutz zur Wehr zu setzen, lassen sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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