Baurecht

Formerfordernis für Übertragung des Grabnutzungsrechts unter Lebenden

Aktenzeichen  Au 7 K 18.1158

Datum:
28.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 29722
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 48

 

Leitsatz

1. Bestimmt die Friedhofssatzung, dass die Übertragung des Grabnutzungsrechts unter Lebenden sowohl einer schriftlichen Erklärung des Berechtigten über den Verzicht als auch einer Genehmigung der Gemeinde bedarf, kommt es auf einen entgegenstehenden, lediglich mündlich geäußerten Willen des Berechtigten nicht an.  (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein personengebundenes, hoheitlich verliehenes Sondernutzungsrecht nichtvermögensrechtlicher Art (hier: Grabnutzungsrecht) kann nicht durch ein bloßes privates Rechtsgeschäft übertragen werden.  (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verpflichtet, die Übertragung des Grabnutzungsrechts an der Grabstätte Nr. * auf dem städtischen Friedhof von * auf die Beigeladene zurückzunehmen und die der Beigeladenen erteilten Graburkunden vom 6.2.2014 und 31.8.2017 einzuziehen.
Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin im Wege der Umschreibung das Grabnutzungsrecht an der genannten Grabstätte bis 30.11.2037 zu übertragen, hierüber eine Graburkunde auszustellen und diese der Klägerin auszuhändigen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Da es vorliegend um eine Grabstätte auf dem städtischen Friedhof der Beklagten selbst geht, ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne weiteres eröffnet.
Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere statthaft. Für den Fall, dass das streitige Grabnutzungsrecht bereits durch die Bezahlung der Gebühren entsprechend dem Gebührenbescheid eingeräumt worden ist, ist eine allgemeine Leistungsklage gerichtet auf Aushändigung einer entsprechenden Graburkunde als Realakt, ansonsten eine Verpflichtungsklage gerichtet auf Einräumung des Grabnutzungsrechts als Verwaltungsakt verbunden mit der Aushändigung der entsprechenden Graburkunde als Annex hierzu statthaft. Die Klagebefugnis ergibt sich in beiden Fällen aus der Möglichkeit eines Anspruchs der Klägerin.
II.
Die Klage ist auch begründet, da die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ausstellung und Übergabe einer Graburkunde für die streitgegenständliche Grabstätte im Friedhof der Beklagten hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), da die Klägerin an dieser Grabstätte ein Nutzungsrecht erworben hat und die Nicht-Aushändigung der entsprechenden Graburkunde sie daher in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Anspruchs ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, sodass die aktuelle Friedhofssatzung (FS) der Beklagten in der Fassung vom 28. Oktober 2010, seit 1. September 2010 in Kraft getreten, zugrunde zu legen ist. Dies gilt auch für die vorgetragenen Übertragungen des Grabnutzungsrechts, da diese laut Vortrag jedenfalls alle nach dem 1. September 2010 erfolgt sind.
Die Rechtsgrundlage bildet § 14 FS über „Rechte an Grabstätten und Urnennischen“. § 14 Abs. 1 Satz 2 FS bestimmt ausdrücklich, dass Rechte an Grabstätten nur nach dieser Satzung erworben werden können. § 14 FS beinhaltet insgesamt mehrere Möglichkeiten zum Erwerb des Grabnutzungsrechts, wobei die Klägerin nach sämtlichen Möglichkeiten die Grabnutzungsberechtigte geworden ist.
Grabnutzungsrechte als subjektiv-öffentliche Sondernutzungsrechte begründen das Recht, einen Verstorbenen auf einer bestimmten Grabstelle zu beerdigen und diese Grabstelle unter Beachtung der Vorgaben der Friedhofsordnung zu gestalten und zu unterhalten (vgl. BayVGH, U.v. 30.4.2008 – 4 B 05.3396 – juris Rn. 25 ff. m.w.N.; Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 11. Aufl., Kapitel 1 Rn. 21). Dieses Recht auf ausschließliche Nutzung der betreffenden Grabstelle (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 1 FS) steht der Klägerin zu. Die Kammer merkt bereits an dieser Stelle wie bereits in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich an, dass gleichwohl auch die Beigeladene als Angehörige von in diesem Familiengrab Bestatteten selbstverständlich jederzeit Blumen oder Ähnliches niederlegen darf, ohne dass diese grundlos entfernt werden.
1. Ursprüngliche Grabnutzungsberechtigte war unstreitig jedenfalls seit 1. Dezember 2012 die inzwischen verstorbene Frau, die Mutter der Klägerin und Schwiegermutter der Beigeladenen, gemäß der ihr am 19. November 2012 mit Wirkung ab 1. Dezember 2012 bis 30. November 2032 verliehenen Graburkunde, sodass die vorherige Berechtigung nicht weiter zu überprüfen ist, da insofern eine von der ausgestellten Graburkunde abweichende Rechtslage weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist.
2. Hieran hat sich auch nichts durch die Bestattung des Herrn, des Ehemanns der Beigeladenen, in der streitgegenständlichen Grabstätte im Jahr 2014 verändert, da die allein Grabnutzungsberechtigte zu diesem Zeitpunkt noch lebte und das allein ihr zustehende Grabnutzungsrecht jedenfalls nicht wirksam auf die Beigeladene übertragen hat. Herr * konnte und durfte als Angehöriger der Grabnutzungsberechtigten in dieser Grabstätte bestattet werden (§ 14 Abs. 7 Sätze 1 und 2 FS).
§ 15 Abs. 1 FS sieht ausdrücklich vor, dass die Übertragung des Nutzungsrechts unter Lebenden der Genehmigung der Beklagten bedarf und über den Verzicht des Nutzungsrechts eine schriftliche Erklärung erforderlich ist. Entsprechend ist auch in den der Graburkunde angehängten Überlassungs-Bedingungen aufgeführt, dass die Übertragung des Nutzungsrechts an Dritte ohne Zustimmung der Gemeinde (Friedhofsverwaltung) unzulässig ist. Die zur Frage des Nachfolgewunsches der Frau * von sämtlichen Parteien angebotenen jeweiligen Zeugen waren nicht zu hören, da es hierauf aufgrund der klaren Regelung in der Friedhofssatzung der Beklagten nicht ankommt. Weder wurde eine schriftliche Übertragung des Grabnutzungsrechts verfügt noch die Beklagte hierüber in Kenntnis gesetzt, sodass eine Übertragung des Grabnutzungsrechts unter Lebenden gemäß § 15 Abs. 1 FS nicht erfolgt ist. Die in der mündlichen Verhandlung von der Vertreterin der Beklagten sinngemäß geäußerte Ansicht, dass die Beigeladene nach dem Tod ihres im betreffenden Familiengrab bestatteten Ehemanns letztlich rückwirkend das Grabnutzungsrecht erworben habe, ist demgegenüber mit den Bestimmungen der Friedhofssatzung nicht in Einklang zu bringen. Anzumerken ist hierzu noch, dass die Beklagte – sollte man dieser Auffassung folgen – das Grabnutzungsrecht ohne Anhörung der Grabnutzungsberechtigten entzogen und auf einen Dritten übertragen hätte, was wohl kaum beabsichtigt gewesen sein dürfte.
An dem in § 15 Abs. 1 FS vorgesehenen Formerfordernis bestehen auch keine Bedenken. Aus § 15 Abs. 1 FS ergibt sich, dass die Übertragung des Nutzungsrechts nach der Friedhofssatzung der Beklagten schriftlich sowie kumulativ unter Beteiligung der Friedhofsverwaltung zu erfolgen hat. Gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 wird das Nutzungsrecht durch Entrichtung der hierfür festgesetzten Gebühr erworben, worüber gemäß § 14 Abs. 4 Satz 2 eine Urkunde ausgestellt wird. In dieser Regelung manifestiert sich das berechtigte Interesse der Beklagten, durch eine förmliche Verleihung des Nutzungsrechts klare, schriftlich gesicherte Verhältnisse zu schaffen. Dieses Interesse an klaren und sicheren Rechtsverhältnissen verfolgt auch die in den Überlassungs-Bedingungen enthaltene auszufüllende Erklärung über den Übergang des Nutzungsrechts nach dem Tode. Diese soll gewährleisten, dass die Übertragung des Nutzungsrechts nicht „am Friedhofsträger vorbei“ erfolgt, sondern dieser vielmehr an dem Übertragungsvorgang rechtzeitig beteiligt wird und damit die Entstehung unklarer Rechtsverhältnisse unterbleibt. Dem dient auch die in § 14 Abs. 9 Satz 1 FS getroffene Regelung, wonach der das Nutzungsrecht beanspruchende Angehörige als Nachfolger des ursprünglich Nutzungsberechtigten die Umschreibung bei gleichzeitiger Vorlage der zuletzt ausgestellten Graburkunde zu beantragen hat.
Aus all diesen Regelungen spricht der eindeutige Wille des Satzungsgebers, das Grabnutzungsrecht nicht auf – nachträglich ohnehin kaum aufklärbare – mündliche Verlautbarungen zu gründen, sondern Entstehung, Übertragung und Beendigung eines solchen auf mehrere Jahrzehnte angelegten (vgl. § 14 Abs. 5 FS) Rechts durch schriftliche Erklärungen seitens der beteiligten Privatpersonen sowie kumulativ durch eine Beteiligung der Friedhofsverwaltung abzusichern und unter Kontrolle zu halten. Ein solches Erfordernis ist für die beteiligten Privatpersonen auch nicht völlig unvorhersehbar. Wer selbst eine Rechtsposition durch förmlichen Verleihungsakt von einem Hoheitsträger erworben hat, darf bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Übertragung dieser Rechtsposition auf einen privaten Dritten ohne jede Förmlichkeit bzw. ohne jede behördliche Beteiligung durch bloße mündliche Absprache der beteiligten Privatpersonen erfolgen kann (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 12.6.1992 – 7 C 3/91 – juris Rn. 10). Das Formerfordernis, das auch die Beklagte ihrer Friedhofssatzung zugrunde gelegt hat, soll gerade der Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten wie der vorliegenden dienen.
Nicht durchgreifen kann der Einwand der Beklagten, dass die Friedhofssatzung jedenfalls im Hinblick auf die Übertragung des Nutzungsrechts nicht gelungen sei und stattdessen eine anders gelebte Praxis vorherrsche. Die Beklagte hat sich an ihrer eigenen Satzung festhalten zu lassen. Die Kammer geht davon aus, dass die Friedhofssatzung gültig ist. Zwar ist der Beklagten durchaus zuzugeben, dass sie jedenfalls sprachlich problematisch formuliert ist – z.B. gerade in Bezug auf die i.R.d. § 14 sowie § 15 FS verwendete uneinheitliche Terminologie „Recht“, „Grabrecht“, „Nutzungsrecht“, „Grabnutzungsrecht“ sowie „Benutzungsrecht“ für ein- und denselben Gegenstand -, gleichwohl aber durch Auslegung ihrer angestrebten Bedeutung zugeführt werden kann. Die Kammer folgt insbesondere nicht dem Argument der Beklagten, dass § 15 Abs. 2 FS in direktem Widerspruch zu § 14 Abs. 8 FS stehe und folglich die Übertragung des Benutzungsrechts nicht rechtswirksam und -verbindlich geregelt sei, sondern stattdessen der gelebten Praxis unter Bezugnahme auf den wahren Willen des Verstorbenen sowie unter Zuhilfenahme von vom Bestattungsunternehmer stammenden Informationen zur Grabinhaberschaft folge. Wie dieser wahre Wille – zumal gänzlich ohne zumindest eine Anhörung des vermeintlich übertragenden Grabnutzungsberechtigten zu Lebzeiten – zu ermitteln sei, ließ die Beklagte offen. Die Kammer geht bei Auslegung der streitentscheidenden Normen der Friedhofssatzung davon aus, dass § 15 Abs. 2 FS im Hinblick auf die Normüberschrift „Übertragung des Benutzungsrechts“ im Kontext mit der in § 15 Abs. 1 FS geregelten Übertragung des Nutzungsrechts unter Lebenden systematisch als lex specialis zum allgemeinen § 14 Abs. 8 FS nur den Fall der Nachfolge nach demjenigen, der selbst das Grabnutzungsrecht unter Lebenden durch Übertragung auf ihn erworben hat, regeln bzw. klarstellen soll. Dagegen regelt § 14 Abs. 8 FS die allgemeine Rechtsnachfolge nach Versterben des Grabnutzungsberechtigten. Ob es sinnvoll ist, beide Fallgestaltungen unterschiedlich zu regeln, hat die Kammer nicht zu entscheiden, dies liegt vielmehr im Beurteilungsspielraum des Satzungsgebers. Auf die Frage der Erbfolge nach der verstorbenen Frau * i.R.d. § 15 Abs. 2 FS sowie der damit einhergehenden Problematik der Ermittlung des Grabnutzungsberechtigten bei einer Erbengemeinschaft – vor dem Hintergrund, dass das Nutzungsrecht an einer Familiengrabstätte nach der Friedhofssatzung vererblich, aber unteilbar ist – kommt es demgemäß mangels einer formell ordnungsgemäß erfolgten Übertragung unter Lebenden (s.o.) nicht an.
3. Vielmehr ging das – auch nach dem Tod des Herrn * – bei Frau * verbliebene Grabnutzungsrecht nach deren Tod kraft Satzung gemäß § 14 Abs. 8 i.V.m. Abs. 7 FS auf die Klägerin über. Mit der Formulierung „das Recht“ kann sinnvoll auch hier nur das Grabnutzungsrecht als solches gemeint sein. Die Reihenfolge des Übergangs bestimmt sich nach § 14 Abs. 7 Satz 2 FS, wonach die Klägerin mangels Vorhandenseins eines Ehegatten der Verstorbenen als einziges noch lebendes Kind in deren Rechtsposition nachrückte.
Ein Wahl- bzw. Familiengrab kann als personengebundenes, hoheitlich verliehenes Sondernutzungsrecht nichtvermögensrechtlicher Art wie bereits dargelegt nicht durch ein bloßes privates Rechtsgeschäft übertragen werden (vgl. BayVGH, B.v. 3.9.2012 – 4 ZB 11.2075 – juris). Es obliegt vielmehr dem Friedhofsträger, durch entsprechende Satzungsbestimmungen festzulegen, ob und an wen das Grabrecht im Falle des Todes des bisherigen Inhabers übergeht, wobei allerdings stets zu berücksichtigen ist, dass auch der Rechtsnachfolger dem Erwerb des – mit einer Reihe von Pflichten verbundenen – Nutzungsrechts in irgendeiner Form zustimmen muss (BayVGH, B.v. 21.3.2018 – 4 ZB 17.2082 – juris Rn. 11). Diesen Obliegenheiten ist die Beklagte in § 14 Abs. 8, Abs. 9 sowie – dem hier nicht einschlägigen – § 15 Abs. 2 FS nachgekommen.
Die Verleihung einer solchen Rechtsposition erfolgt in der Regel durch Erteilung einer auf eine bestimmte Person ausgestellten Graburkunde; sie setzt als mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt einen zumindest konkludenten Antrag des Erwerbers voraus, der gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG auch erst nachträglich gestellt werden kann (BayVGH, B.v. 21.3.2018 – 4 ZB 17.2082 – juris Rn. 10). Der gemäß § 14 Abs. 9 Satz 1 FS für die Umschreibung erforderliche Antrag der Klägerin lag jedenfalls konkludent in der Entrichtung der mit Gebührenbescheid vom 1. September 2017 geforderten Gebühren als tatsächlichem Verhalten, das nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch) nur als nachträglich gestellter Antrag auf Verleihung der betreffenden Rechtsposition verstanden werden konnte (BayVGH, B.v. 21.3.2018 – 4 ZB 17.2082 – juris Rn. 14).
Somit leitet die Klägerin das Grabnutzungsrecht als einziges noch lebendes Kind gemäß § 14 Abs. 8 i.V.m. Abs. 7 FS unter Wahrung des Antragserfordernisses des § 14 Abs. 9 FS von der Verstorbenen, Frau, welche zwischen den Parteien unstreitig die ursprüngliche Berechtigte war, ab. Eine konstitutive Übertragung durch die Beklagte war dabei nicht nötig, da das Grabnutzungsrecht kraft Satzung übergeht (§ 14 Abs. 8 FS). Demgemäß erfolgt auch nur eine Umschreibung nach § 14 Abs. 9 FS.
Für die Kammer nicht nachvollziehbar ist, warum die Beklagte der Beigeladenen bereits am 6. Februar 2014 vorab und sodann am 30. August 2017 nach dem Tode der ursprünglich Grabnutzungsberechtigten jeweils eine Graburkunde mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2032 bzw. dem 1. Dezember 2034 ausgestellt hat. Gleiches gilt für den Umstand, warum in den Akten der Beklagten unter dem Punkt „Eigentümer des Grabes“ für das betreffende Familiengrab an derselben Stelle die Verstorbene, Frau, die Beigeladene mit dem Zusatz „Graburkunde“ sowie die Klägerin mit dem Zusatz „Zahlungspflichtiger“ geführt sind, ohne dass hierdurch Zweifel an der exklusiven Einräumung des Grabnutzungsrechts i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 FS aufgekommen sind. Die Verpflichtung zur Tragung der Bestattungskosten seitens des Bestattungspflichtigen (d.h. der Beigeladenen für ihren Ehemann im Jahr 2014) hat mit der Anforderung der Grabgebühren vom Grabnutzungsberechtigten schlicht nichts zu tun.
4. Die Klägerin ist darüber hinaus aber auch gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 FS aktuelle Grabnutzungsberechtigte geworden, da sie die festgesetzten Gebühren laut Gebührenbescheid vom 1. September 2017 unstreitig entrichtet hat. Dementsprechend wurde der Klägerin das Nutzungsrecht für die Grabstätte bis 30. November 2037 verliehen (vgl. Punkt II der Gründe des Gebührenbescheids). Damit hat gemäß § 14 Abs. 4 Satz 2 FS zwingend die Ausstellung einer entsprechenden Urkunde (Grabbrief) einher zu gehen, welche bislang indes nicht erfolgt ist.
Die von der Beklagten in Aussicht gestellte Rücknahme des entsprechenden Gebührenbescheids gemäß Art. 48 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) unter gleichzeitiger Erstattung der entrichteten Gebühren mit der Folge des Entfalls des Erwerbs des Grabnutzungsrechts ist nicht zulässig. Beim Gebührenbescheid an die Klägerin vom 1. September 2017, der die Festsetzung von Gebühren unter Einräumung des Grabnutzungsrechts zum Inhalt hat, handelt es sich entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zum einen gerade nicht um einen belastenden, sondern einen begünstigenden Verwaltungsakt, da er nicht nur mit einer Gebührenbelastung, sondern primär vor allem mit dem Erwerb des Grabnutzungsrechts verbunden ist, wie dem Punkt II der Gründe des Gebührenbescheids ausdrücklich zu entnehmen ist. Die Einräumung des Grabnutzungsrechts mit Gebührenbescheid vom 1. September 2017 zugunsten der Klägerin war nicht rechtswidrig, vielmehr wäre deren Rücknahme rechtswidrig, da die Klägerin auch nach § 14 Abs. 8 i.V.m. Abs. 7 FS wie aufgezeigt das Grabnutzungsrecht erworben hat.
5. Vielmehr müssen die nicht im Einklang mit ihrer eigenen Friedhofssatzung erfolgten Ausstellungen der Graburkunden durch die Beklagte an die Beigeladene aus Gründen der Rechtsklarheit und zur Vermeidung von weiteren Rechtsstreitigkeiten durch eine Rücknahme gemäß Art. 48 BayVwVfG rückgängig gemacht werden. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme der im Widerspruch zur Friedhofssatzung erfolgten Erteilungen des Grabnutzungsrechts und damit einhergehend auf Einziehung der entsprechenden Graburkunden. Die Erteilung des mit dem Tod der Frau * wie aufgezeigt exklusiv der Klägerin zustehenden Grabnutzungsrechts an die Beigeladene verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Einräumung des Grabnutzungsrechts zugunsten der Beigeladenen stellt einen rechtswidrigen Verwaltungsakt dar, der nicht unter Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG und mithin unter Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG fällt, sodass die Beklagte der Beigeladenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen hat, den diese dadurch erlitten hat, dass sie auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat, zumal ihr Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Ferner ist die Rücknahmefrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG zu beachten.
Die Kammer verkennt hierbei vor dem Hintergrund der Gewaltenteilung nicht die Zuständigkeit der Behörde für die Rücknahme gemäß Art. 48 Abs. 5 Halbs. 1 BayVwVfG sowie das der Behörde nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG grundsätzlich eingeräumte Ermessen, welches nach § 114 Satz 1 VwGO gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die Kammer geht indes aufgrund des von diesen Graburkunden – z.B. im Rahmen der Klärung des Grabnutzungsberechtigten bei künftigen Bestattungen – ausgehenden Rechtsscheins von einer Ermessensreduzierung auf Null aus. Die satzungsmäßig festgelegte Exklusivität des Grabnutzungsrechts (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 FS) lässt ein Bestehenbleiben der für die Zukunft ausgestellten Graburkunden der Beigeladenen bei gleichzeitigem Ausgehen der Beklagten von einem ungeschriebenen Innehaben des Grabnutzungsrechts seitens der Beigeladenen bereits seit 2014 nicht zu. Der Realakt der Aushändigung ist durch den entgegengesetzten Akt (sog. actus contrarius) der Einziehung rückgängig zu machen. Aufgrund der Spruchreife der Sache kann die Beklagte zur Rücknahme gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO verpflichtet werden.
Die Kammer verkennt bei ihrer Entscheidung nicht die – allein durch die fehlerhafte Ausstellung der Graburkunden seitens der Beklagten – für die Beigeladene entstandene Problematik. Gleichwohl kann das Grabnutzungsrecht exklusiv nur einer Person zustehen gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 FS. Aus Gründen der Bindung an Recht und Gesetz gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) hat die Ermittlung der Grabnutzungsberechtigten allein nach der Friedhofssatzung zu erfolgen. Im Übrigen sei an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass es der Beklagten unbenommen ist, ihre Friedhofssatzung zu ändern. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits kann indes nur die aktuell gültige Rechtslage zugrunde gelegt werden. Zudem hält die Kammer eine Änderung dahingehend, dass Grabnutzungsrechte ohne schriftliche Äußerung des bisher Berechtigten – zumal wie hier ohne dessen Anhörung – übertragen werden können, nicht für zielführend, da hierdurch das Entstehen von Rechtsstreitigkeiten geradezu herausgefordert würde, sowie ferner für rechtsstaatlich bedenklich.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 Var. 2, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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