Baurecht

Herstellungsbeitrag für Entwässerungsanlage

Aktenzeichen  RO 11 K 18.1551

Datum:
14.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 20222
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 13
AO § 163, § 227
GO Art. 38, Art. 59 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Erlassbedürftig ist ein Abgabeschuldner, der bei Beitragserhebung seinen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten oder seine Erwerbstätigkeit nicht mehr fortführen könnte. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Sachliche Unbilligkeit der Beitragserhebung liegt nur bei einem – für Kirchenbauten zu verneinenden – atypischen Sonderfall vor. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
3. Aus der bestimmungsgemäßen Nutzung einer Kirche folgt objektiv ein Entwässerungsbedarf. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine für die Beitragsbemessung relevante Selbständigkeit eines Gebäudes setzt eine bauliche und funktionelle Abgrenzung voraus. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar. 

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10. September 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat nämlich weder einen Anspruch auf einen Erlass des Herstellungsbeitrags in Höhe von 30.997,24 € noch auf eine niedrigere Festsetzung in diesem Umfang, § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Er hat auch keinen Anspruch auf eine erneute Ermessensentscheidung über seinen Antrag, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
Statthafte Klageart ist die Verpflichtungsklage in der Gestalt der Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO, da der streitgegenständliche Bescheid ein (ablehnender) Verwaltungsakt im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b des Kommunalabgabengesetzes (KAG) i.V.m. § 118 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) ist. Es kommt daher darauf an, ob der Beklagte einen Anspruch auf die begehrte Maßnahme geltend machen kann oder zumindest einen Anspruch auf eine erneute Ermessensentscheidung hat.
A. Der Beklagte hat keinen Anspruch auf einen Teilerlass des Herstellungsbeitrags.
I. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus dem Beschluss des Gemeinderats der Beklagten in seiner Sitzung vom 12. Dezember 2016 (TOP 11). Zwar beschloss dieser, dem Antrag auf Teilerlass stattzugeben. Dieser Beschluss wurde auch nicht aufgehoben. Vielmehr beschloss der Stadtrat in seiner Sitzung am 24. Juli 2017 (TOP 11), die Vorlage der Verwaltung auf Aufhebung des Beschlusses vom 12. Dezember 2016 und Gewährung einer Stundung der hälftigen Beitragsforderung abzulehnen. Außerdem unterfällt gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3 der Geschäftsordnung für den Stadtrat der Beklagten vom 15. Januar 2015 dem Oberbürgermeister als laufende Angelegenheit in eigener Zuständigkeit nur der Erlass von Forderungen bis zu einer Wertgrenze von 25.000 €. Im vorliegenden Fall ist daher die Zuständigkeit des Stadtrats gegeben.
Hierauf kann sich der Kläger jedoch nicht mit Erfolg berufen. Der Beschluss des Stadtrats der Beklagten wurde nämlich nicht gemäß Art. 36 Satz 1 der Gemeindeordnung (GO) vollzogen. Damit ist er ein bloßes Verwaltungsinternum geblieben und hat keine rechtliche Außenwirkung erlangt (vgl. BayVGH vom 24.5.2018 Az. 9 ZB 16.321, vom 27.7.2007 Az. 23 ZB 07.897 jeweils m.w.N.). Ein außenstehender Dritter – wie der Kläger – hat auch keinen Anspruch auf den Vollzug eines Gemeinderatsbeschlusses. Er kann sich ggf. an die Aufsichtsbehörde wenden und/oder – wie hier – die Entscheidung gerichtlich einklagen, die durch den Vollzug des Gemeinderatsbeschlusses Außenwirkung erlangen würde.
II. Ein Anspruch auf Teilerlass ergibt sich nicht aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) KAG i.V.m. § 227 AO. Nach letzterer Vorschrift können Ansprüche ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.
1. Wie sich dem Wortlaut des § 227 AO entnehmen lässt, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Beklagten.
Nach der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ragt der Begriff „unbillig“ in den Ermessensbereich hinein und bestimmt damit zugleich Inhalt und Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19.10.1971 Az. GmS-OGB 3/70). Der Gemeinsame Senat geht dabei von einem einheitlichen Begriff der Billigkeit aus. Aus diesem folge eine unlösbare Verzahnung zwischen Voraussetzung und Inhalt des zu er-gehenden Verwaltungsaktes. Da aber jedes Verwaltungsermessen regelmäßig an der Grenze der Unbilligkeit ende, ergebe sich auch bei der Qualifizierung als einheitliche Ermessensvorschrift eine weitgehende gerichtliche Nachprüfbarkeit (vgl. Gemeinsamer Senat vom 19.10.1971 a.a.O.).
2. Im vorliegenden Fall begegnet der Bescheid der Beklagten keinen Bedenken, da die Einziehung des Herstellungsbeitrags nicht unbillig ist. Es liegt weder eine persönliche noch eine sachliche Unbilligkeit vor.
a. Eine persönliche Unbilligkeit ist dann anzunehmen, wenn es nach den persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des Abgabeschuldners nicht vertretbar wäre, den Herstellungsbeitrag (in voller Höhe) einzuziehen. Billigkeitsmaßnahmen aus persönlichen Gründen setzen auf Seiten des Beitragsschuldners die Erlassbedürftigkeit und die Erlasswürdigkeit voraus. Nur wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, liegt die persönliche Unbilligkeit vor (vgl. Loose in Tipke/Kruse § 227 AO, Rdnr. 86). Erlassbedürftig ist der Abgabenschuldner, dessen wirtschaftliche oder persönliche Existenz im Fall der Versagung des Billigkeitserlasses gefährdet wäre. Dies ist dann anzunehmen, wenn der notwendige Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten oder die Erwerbstätigkeit nicht mehr fortgesetzt werden kann. Nur vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten rechtfertigen indes keinen Erlass. Auch kann eine Kreditaufnahme oder eine Teilliquidation von Vermögen zumutbar sein. Erlasswürdig ist der Abgabenschuldner, der seine mangelnde Leistungsfähigkeit nicht selbst herbeigeführt oder durch sein Verhalten nicht in eindeutiger Weise gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen hat. So ist nicht erlasswürdig, wer sich durch übermäßig hohe, seine Leistungsfähigkeit weit übersteigende Aufwendungen selbst in eine schlechte finanzielle Lage gebracht hat (vgl. Loose in Tipke/Kruse § 227 AO, Rdnr. 103 ff.).
Der Kläger beruft sich selbst nicht auf eine Erlassbedürftigkeit aus persönlichen Gründen. Die Voraussetzungen einer Erlassbedürftigkeit liegen hier auch nicht vor. Soweit angegeben wird, dass der Aufwand für den Erhalt der Wallfahrtskirche die Einnahmen bei weitem übersteige und die Spendenbereitschaft stetig abnehme, ist darauf hinzuweisen, dass damit eine persönliche Unbilligkeit auf Seiten des Herstellungsbeitragsschuldners nicht dargelegt ist. Dazu hätte dieser seine dauernde mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit nachvollziehbar offen legen müssen. Im Übrigen kommt hinzu, dass ggf. auch eine Kreditaufnahme und/oder Liquidation von Vermögenswerten zumutbar ist.
b. Die Voraussetzungen einer sachlichen Unbilligkeit liegen ebenfalls nicht vor.
Eine sachliche Unbilligkeit liegt dann vor, wenn es dem Abgabepflichtigen nicht zuzumuten ist, die nach dem Gesetz geschuldete Abgabe zu erbringen (vgl. BayVGH vom 26.8.2008 Az. 20 ZB 08.1680 m.w.N.). Dabei ist maßgebend, ob nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Normgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage, hätte er sie geregelt, im Sinne des beabsichtigten Erlasses entschieden hätte. Bei der Bestimmung der Billigkeit sind auch verfassungsrechtliche Bewertungen zu beachten, etwa das im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Gebot des Vertrauensschutzes. Die sachlich unbillige Härte setzt also voraus, dass es sich um einen atypischen Sonderfall handelt. Dies ist hier nicht der Fall, da die Erhebung des Herstellungsbeitrags für die Wallfahrtskirche dem Regelungskonzept des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG entspricht, das an die Möglichkeit der Inanspruchnahme der städtischen Entwässerungseinrichtung anknüpft. Hierin liegt der besondere Vorteil im Sinne dieser Vorschrift, so dass von einem Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip nicht die Rede sein kann.
Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass sie dazu verpflichtet ist, Herstellungsbeiträge in der satzungsgemäß bestimmten Höhe zu erheben. Da der Beschluss des Gemeinderats der Beklagten vom 12. Dezember 2016 (TOP 11) nicht vollzogen wurde, konnte auch kein Vertrauenstatbestand dahingehend entstehen, dass der Beitrag erlassen werden würde.
Es liegt kein atypischer Sonderfall vor. Soweit der Kläger geltend macht, dass die Beklagte Kirchenbauten aus dem Tatbestand der beitragspflichtigen Gebäude heraus genommen hätte, wenn ihr das Problem bei Satzungserlass bewusst gewesen, steht dem bereits entgegen, dass nach dem Vorbringen der Beklagten auch früher bereits Herstellungsbeiträge für Kirchenbauten erhoben bzw. nacherhoben wurden. Wie sich einer Auflistung in der Vergangenheit veranlagter Gebäude im Behördenakt (Seite 63) entnehmen lässt, wurden nach diesen Angaben nicht nur Pfarrgebäude und Aussegnungsgebäude sondern auch „Kirchen“ veranlagt bzw. nachveranlagt. Der Kläger ist den Angaben der Beklagten, dass es sich hierbei (auch) um Kirchgengebäude handelte, nicht nachvollziehbar entgegen getreten. Diese Fälle wurden von der Beklagten nicht zum Anlass genommen, entsprechende Gebäude frei zu stellen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass eine generelle Freistellung von Kirchenbauten von der Beitragspflicht im Hinblick auf die Beitragsgerechtigkeit und auf Abgrenzungsprobleme problematisch sein dürfte. Ferner ist im vorliegenden Fall weder die Erhebung des Geschossflächenbeitrags noch des Grundstücksflächenbeitrags atypisch.
aa. Es ist sachgerecht und arttypisch, die Geschossflächen der Wallfahrtskirche zum Herstellungsbeitrag zu veranlagen. Die bestimmungsgemäße Nutzung des Kirchengebäudes löst nämlich einen Bedarf nach Entwässerung aus, auch wenn dieses selbst keinen Anschluss hat.
Die Frage des Anschlussbedarfs ist nach der ständigen Rechtsprechung nach objektiven Gesichtspunkten typisierend zu entscheiden. Maßgebend für die Frage, ob ein Gebäude nach seiner bestimmungsgemäßen Nutzung eines Anschlusses an die Entwässerungseinrichtung bedarf, ist grundsätzlich die erteilte Baugenehmigung, die eine bestimmte Nutzung genehmigt (vgl. z.B. BayVGH vom 22.10.1998 Az. 23 B 97.3505). Die Art der Nutzung und damit die Frage des Anschlussbedarfs bestimmt sich nach der erteilten Baugenehmigung, der Art der Bauausführung und Gebäudeeinrichtung, nicht nach der derzeitigen konkreten Nutzung des Gebäudes (vgl. BayVGH vom 29.11.2007 Az. 23 BV 07.1906). Entscheidend ist grundsätzlich nicht diese, da jederzeit eine andere zulässige Nutzung ausgeübt werden könnte.
Aus der bestimmungsgemäßen Nutzung einer Kirche folgt objektiv ein Entwässerungsbedarf, auch wenn sich z.B. die sanitären Einrichtungen etc. in einem anderen Gebäude oder Gebäudeteil befinden. Dies bestätigen auch die Angaben in der mündlichen Verhandlung, wonach die Wallfahrtskirche mehr als nur gelegentlich genutzt wird. Sie gehört zur Pfarrei … und es finden in ihr mindestens zweimal täglich Gottesdienste und mehrfach im Jahr Wallfahrten statt. In der Kirche werden auch Konzerte durchgeführt. Daneben gibt es andere Ereignisse, wie zum Beispiel Taufen und Hochzeiten. All dies geht bestimmungsgemäß mit dem Aufenthalt von Menschen einher, so dass nach objektiven Gesichtspunkten ein Entwässerungsbedarf mit der genehmigten Nutzung verbunden ist.
Hinzu kommt, dass die Wallfahrtskirche kein gegenüber dem …kloster selbständiges Gebäude oder Gebäudeteil ist, da beide Gebäude durch zwei Durchgänge miteinander verbunden sind. Diese einheitliche Bewertung entspricht der gesetzlichen Ermächtigung des Art. 5 Abs. 2 Satz 4 KAG. Nach dieser Vorschrift werden Gebäude oder selbständige Gebäudeteile, die nach der Art ihrer Nutzung keinen Bedarf nach Anschluss an die gemeindliche Einrichtung auslösen oder die nicht an diese angeschlossen werden dürfen, nicht zum Geschossflächenbeitrag herangezogen; das gilt nicht für Gebäude oder Gebäudeteile, die tatsächlich angeschlossen sind.
Im vorliegenden Fall hat auch das „Kirchengebäude“ nach objektiven Gesichtspunkten einen Anschlussbedarf (s.o.). Hinzu kommt, dass angesichts der baulichen Gegebenheiten das Kloster und das Kirchengebäude als Einheit zu betrachten sind. Sie sind durch die vorhandenen Durchgänge über das Pfarrbüro und die Sakristei baulich und funktionell miteinander verbunden.
Die Rechtsprechung hat sich zur Auslegung des Begriffs „selbständiger Gebäudeteil“ dem Vorschlag des Bayerischen Staatsministeriums des Innern in seiner Bekanntmachung vom 26. Juli 1994 (AllMBl. 1994 S. 657) angeschlossen, wonach als selbständige Gebäudeteile nur solche Gebäudeteile angesehen werden, die baulich und funktionell vom restlichen Gebäude abgegrenzt sind (vgl. z. B. BayVGH vom 28.11.2000, Az. 23 B 00.2053, „Tiefgaragenurteil“). Der selbständige Gebäudeteil kann sowohl vertikal als auch horizontal vom Rest des Gebäudes abgegrenzt sein. Selbständig sind danach jedenfalls funktionell unterschiedlich genutzte Gebäudeteile, die etwa durch Brandwände abgeteilt sind und über einen eigenen Zugang verfügen. In allen anderen Fällen ist die Frage nach den konkreten baulichen Gegebenheiten unter Berücksichtigung des eingangs erwähnten Grundsatzes zu entscheiden.
Das Kirchengebäude ist kein gegenüber dem Kloster selbständiges Gebäude oder Gebäudeteil. Hierfür spricht zunächst einmal das Erscheinungsbild. Beide Teile sind räumlich verbunden und haben gemeinsame Innenwände. In funktioneller – sakraler – Hinsicht sind Kloster und Wallfahrtkirche eng miteinander verwoben. Hinsichtlich des Kellers und der Empore wird darauf hingewiesen, dass die Beitragspflichtigkeit eines Kellers „typengerecht“ ist, auch wenn dieser selbst keinen Anschluss hat (vgl. BayVGH vom 23.4.2015 Az. 20 ZB 14.2386). Die Empore unterliegt als Geschoss ebenfalls der Beitragspflicht.
bb. Hinsichtlich des Grundstücksflächenbeitrags ergibt sich kein atypischer Sachverhalt daraus, dass das Niederschlagswasser auf dem Grundstück versickert wird. Gemäß § 2 Nr. 1 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS-EWS) wird nämlich der Beitrag erhoben für bebaute, bebaubare oder gewerblich genutzte oder gewerblich nutzbare Grundstücke, wenn für sie nach § 4 der Entwässerungssatzung (EWS) ein Recht zum Anschluss an die Entwässerungseinrichtung besteht (Nr. 1) oder für tatsächlich angeschlossene Grundstücke (Nr. 2). Für das Grundstück des Klägers besteht ein Recht zum Anschluss an die gemeindliche Entwässerungseinrichtung gemäß § 2 Nr. 1 BGS-EWS i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 1 EWS. Das Anschluss- und Benutzungsrecht erstreckt sich auf solche Grundstücke, die durch den gemeindlichen Kanal erschlossen werden. Dies ist hier der Fall, da der Kanal bis zu dem klägerischen Grundstück heranreicht.
Es kommt daher nicht darauf an, dass das Niederschlagswasser vor Ort versickert wird. Zwar bestimmt § 6 Abs. 2 Satz 1 BGS-EWS, dass für Grundstücke, von denen kein Niederschlagswasser eingeleitet werden darf, kein Grundstücksflächenbeitrag erhoben wird. Da die Beklagte in ihre Entwässerungssatzung jedoch keine Bestimmung im Sinne des § 4 Abs. 5 des Musters für eine gemeindliche Entwässerungssatzung (vgl. zuletzt IMBeK vom 6. März 2012 Az. IB1-1405.12-5) aufnahm, besteht nach wie vor das Recht gemäß § 2 Nr. 1 BGS-EWS, § 4 EWS zum Anschluss an die Niederschlagswasserentwässerung. Die nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (vgl. BayVerfGH vom 13. 4.2011 Az. 35- VI -07Vf. 35-VI-07) verfassungsrechtlich unbedenkliche Regelung des § 5 Abs. 6 EWS knüpft an den Anschluss- und Benutzungszwang an und berührt das Anschlussrecht nicht. Nach der ständigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung lässt selbst eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang bzgl. der Beseitigung des Niederschlagswassers die Herstellungsbeitragspflicht unberührt (vgl. BayVGH vom 22.1.2007 Az. 23 ZB 06.2899 m.w.N.). Ein Einleitungsverbot aus technischen Gründen, z. B. wegen eines reinen Niederschlagswasserkanals, besteht außerdem nicht.
Da die Voraussetzungen für eine Unbilligkeit im Sinne des § 227 AO nicht vorliegen, liegt wegen der unlösbaren Verzahnung zwischen Voraussetzung und Inhalt des zu er-gehenden Verwaltungsaktes auch keine Ermessensreduzierung auf Null vor.
III. Ein Anspruch auf eine niedrigere Festsetzung des Herstellungsbeitrags ergibt sich nicht aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) aa) KAG i.V.m. § 163 Abs. 1 Satz 1 AO analog. Nach letzterer Vorschrift können Herstellungsbeiträge niedriger festgesetzt werden, wenn die Erhebung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Da der Begriff der Unbilligkeit inhaltlich mit § 227 AO identisch ist (vgl. Loose in Tipke/Kruse § 163 AO, Rdnr. 8), wird auf obige Ausführungen verwiesen.
B.
Die Klage ist auch in ihrem Hilfsantrag unbegründet, da der Beklagte keinen Anspruch auf eine erneute Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hat. Wie oben bereits dargelegt, geht die Rechtsprechung von einem einheitlichen Begriff der Billigkeit aus. Aus diesem folge eine unlösbare Verzahnung zwischen Voraussetzung und Inhalt des zu ergehenden Verwaltungsaktes. Vor diesem Hintergrund begegnet die im streitgegenständlichen Bescheid vorgenommene Ermessensausübung keinen Bedenken. Die Beklagte hat sich an der Auslegung des Begriffes „unbillig“ orientiert und erörtert, ob hier ein atypischer Sachverhalt vorliegt, der einen Erlass gebietet. Dabei ist sie zu dem nicht zu beanstandenden Ergebnis gekommen, dass dies hier nicht der Fall ist (s.o.). Angesichts der Verzahnung zwischen Tatbestand und Ermessen ist dies rechtsfehlerfrei geschehen.
Daher war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).


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