Baurecht

Keine Außervollzugsetzung eines Bebauungsplans im Normenkontrolleilverfahren

Aktenzeichen  9 NE 20.770

Datum:
29.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 26775
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 6
BauGB § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3, § 3 Abs. 2
BNatSchG § 30

 

Leitsatz

1. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung durch Festsetzungen des Bebauungsplans sind grundsätzlich auch dann keine höheren Anforderungen zu stellen, wenn es um das Recht auf gerechte Abwägung der Interessen des Eigentümers geht, dessen Grundstück außerhalb des Bebauungsplangebiets liegt.  (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Normenkontrollverfahren sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung -trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache- dringend geboten ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Arbeitspapier des Bayerischen Arbeitskreises “Immissionsschutz in der Landwirtschaft” ist ebenso wie die GIRL als Orientierungshilfe anerkannt, auf die wegen Fehlens allgemein gültiger Regelungen für die Beurteilung der Zumutbarkeit der von Tierhaltungsbetrieben verursachten Gerüche zurückgegriffen werden kann.  (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren die Außervollzugsetzung des Bebauungsplans Nr. … mit integriertem Grünordnungsplan der Antragsgegnerin. Gegen diesen Bebauungsplan haben sie am 2. September 2019 einen Normenkontrollantrag gestellt (Az. 9 N 19.1789).
Nach Durchführung der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung wurde der Bebauungsplan am 28. Juni 2019 vom Gemeinderat der Antragsgegnerin als Satzung beschlossen. Am 29. Juli 2019 wurde der Satzungsbeschluss bekanntgemacht. Ausweislich der Begründung umfasst der nordöstlich des Ortszentrums der Antragsgegnerin gelegene Geltungsbereich des Bebauungsplans, mit dem zwei allgemeine Wohngebiete und im Nordosten bzw. Osten des Plangebiets sowie außerhalb davon Ausgleichsflächen und CEF-Maßnahmen festgesetzt werden, eine Fläche von rund 3,4 ha. Er wird im Südosten vom Wohnbaugebiet R.-straße (Geltungsbereich Bebauungsplan Nr. …) und ansonsten von landwirtschaftlichen Flächen umgrenzt. Die verkehrliche Anbindung an den bestehenden Siedlungskörper erfolgt über die B.-straße und über eine festgesetzte Verbindungsstraße zwischen der R.-Straße und der B.-straße (FlNr. … … … Gemarkung W.).
Die Antragsteller sind Miteigentümer des in nordwestlicher Richtung außerhalb des Plangebiets liegenden Grundstücks FlNr. … Gemarkung W., auf dem sich ihr mit Bescheid vom 10. März 2009 genehmigter Rinderstall für maximal 125 Großvieheinheiten (GV) befindet. Der Abstand zwischen dem Hofgrundstück der Antragsteller und dem geplanten Wohngebiet beträgt ca. 130 m; zwischen dem Rinderstall und dem geplanten Wohngebiet beträgt er ca. 200 m. Am 11. Juni 2019 ging bei der Antragsgegnerin ein Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids betreffend die Errichtung eines zusätzlichen Rinderstalls für 300 GV auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung W. ein, zu dem die Antragsgegnerin ihr Einvernehmen erteilte.
Die Antragsteller berufen sich auf ihre betrieblichen Belange und die bei der Antragsgegnerin seit langem bekannten Erweiterungsabsichten, die fehlerhaft abgewogen worden seien. Ihr Milchviehbetrieb habe gegenwärtig eine Kapazität von 150 GV. Er solle um 300 GV auf insgesamt 450 GV erweitert werden. Trotz der Kenntnis der Antragsgegnerin hiervon habe diese kein Immissionsschutzgutachten eingeholt. Mit der Stellungnahme des Sachgebiets „Technischer Umweltschutz“ des Landratsamtes N. vom 28. Juni 2019, welche dem Satzungsbeschluss zugrunde gelegt worden sei, sei das Abwägungsmaterial nicht ausreichend ermittelt worden. Die E-Mail enthalte keine Berechnungen und keine nähere Darstellung, mit welchen Parametern (Tierzahl, Windzone, Schutzwürdigkeit des Gebietes, Bodenrauhigkeit, Vorbelastungen etc.) das Landratsamt zu den übermittelten Ergebnissen gekommen sei. Soweit im Abwägungsbeschluss auf die Berechnungen des Umweltingenieurs am Landratsamt verwiesen werde, seien diese oder konkrete Werte zur Geruchsbelastung nicht Gegenstand der Beschlussfassung gewesen. Es werde bestritten, dass die Berechnung samt Anlagen der Stellungnahme des Landratsamts dem Abwägungsmaterial beigefügt gewesen sei. Jedenfalls ergebe sich dies nicht aus den Normaufstellungsakten. Darüber hinaus sei der falsche Gewichtungsfaktor angesetzt worden. Anzuwenden sei Faktor 0,5 entsprechend Tabelle 4 der GIRL, nicht 0,4. Die GIRL vermittle eine konservativere Prognosesicherheit. Die Hinweise des Bayerischen Arbeitskreises seien nicht verbindlich. Die Ermittlung auf dieser Grundlage greife im Verfahren der Bauleitplanung zu kurz. Im Hauptsacheverfahren habe die Antragsgegnerin zuletzt mitgeteilt, dass sie sich maßgeblich auf eine Stellungnahme des Landratsamts vom 15. August 2018 verlassen habe. Mit dieser habe die Erweiterung um 300 GV, nicht etwa auf 300 GV, wie die Antragsgegnerin ihrer Abwägung fehlerhaft zugrunde gelegt habe, noch nicht berücksichtigt werden können. Sie enthalte nur eine ungefähre Annahme. Der immissionsschutzrechtliche Konflikt zwischen der Erweiterungsabsicht des Landwirtschaftsbetriebs der Antragsteller und der Bauleitplanung könne nicht auf der Genehmigungsebene gelöst werden.
Es bestünden auch Zweifel an einer ordnungsgemäßen Öffentlichkeitsbeteiligung, nachdem in den jeweiligen Bekanntmachungen nur vermerkt worden sei, dass die Unterlagen „im Rathaus“ eingesehen werden könnten. Der Bebauungsplan sei bei seiner Bekanntmachung nicht ausgefertigt gewesen. Zu DIN-Vorschriften, u.a. DIN 4109-1, auf die verwiesen worden seien, sei in der Bekanntmachung kein Hinweis erfolgt, wo diese einsehbar seien. Bezüglich der dritten Auslegung gemäß § 3 Abs. 2 BauGB sei in der Auslegungsbekanntmachung bestimmt worden, dass Einwendungen nur zu den geänderten Teilen des Bebauungsplans zulässig, nicht jedoch, ob und wie diese Änderungen farbig gekennzeichnet seien. Die Auslegungsbekanntmachungen und der Bebauungsplan seien auch nicht wirksam bekannt gemacht worden, weil das Mitteilungsblatt der Verwaltungsgemeinschaft H.-W. nicht den Titel oder Untertitel „Amtsblatt“ führe.
Es bestünden zudem umweltfachliche Bedenken. Kritikpunkten des Landratsamts N. sei nicht abgeholfen, sondern dessen Vortrag sei „weggewogen“ worden. Eingriffe in das Orts- und Landschaftsbild und in die Heckenstruktur auf FlNr. …, die nicht zu vermeiden und nicht ausreichend kompensiert seien, könnten nicht ausgeschlossen worden. Die Antragsgegnerin habe das Thema Biotopschutz nicht ausreichend berücksichtigt. Auf den Grundstücken FlNr. … und … außerhalb des Plangebiets bestünden Biotope. Der dortige Biotopbestand sei auch im Plangebiet, insbesondere auf dem Grundstück FlNr. …, vorhanden. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 30 BNatSchG seien zu prüfen gewesen. Es bestünden außerdem wasserwirtschaftliche Bedenken hinsichtlich der ausreichenden Behandlung der Frage des genügenden Rückhaltevolumens durch das vorhandene Regenrückhaltebecken. Der Fehler schlage auf die umweltfachliche Bewertung durch, die davon ausgehe, dass bauliche Veränderungen am Regenrückhaltebecken nicht geplant seien.
Schließlich sei die Erschließungsplanung defizitär. Die Antragsteller seien als Landwirte davon betroffen, dass der öffentliche Feld- und Waldweg FlNr. … und … nicht mehr nutzbar sein werde. Stattdessen seien sie aufgefordert, einen 2 m breiten, als Straßenbegleitgrün festgesetzten Streifen als Straße zu befahren, was der straßenrechtlichen Widmung widerspreche und als Ordnungswidrigkeit nach der StVO zu ahnden sein könnte.
Die Antragsteller beantragen,
durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO den Bebauungsplan Nr. … der Antragsgegnerin bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag außer Vollzug zu setzen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er sei bereits unzulässig, weil die Antragsbefugnis nicht substantiiert dargelegt sei. Er sei auch nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen geboten. Das Hauptsacheverfahren werde voraussichtlich nicht erfolgreich sein. Die Belange der Antragsteller, insbesondere deren Erweiterungsabsichten hinsichtlich des landwirtschaftlichen Betriebs seien in der Abwägung durch die Antragsgegnerin hinreichend berücksichtigt worden. Eines Immissionsschutzgutachtens habe es angesichts der eindeutigen Berechnungsergebnisse des Landratsamts, welche im Rahmen der Sitzung des Gemeinderats vom 28. Juni 2019 erörtert worden seien, in der auch über den Vorbescheidsantrag der Antragsteller entschieden worden sei, nicht bedurft. Die Verwendung eines Gewichtungsfaktors 0,4 entspreche der Vorgehensweise nach den Arbeitspapieren des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ und sei in der Rechtsprechung bestätigt.
Das Original des Bebauungsplans sei ordnungsgemäß ausgefertigt. Der Hinweis auf die Einsehbarkeit der Bebauungsplanunterlagen im Rathaus genüge. Der fehlende Hinweis darauf, wo die DIN-Vorschriften eingesehen werden können, könne im ergänzenden Verfahren rückwirkend geheilt werden. Die Auslegungsbekanntmachung zur dritten Auslegung sei ordnungsgemäß. Die Auslegungsbekanntmachungen sowie der Bebauungsplan seien wirksam öffentlich bekanntgemacht. Es sei unschädlich, dass das Mitteilungsblatt der Verwaltungsgemeinschaft Ha.-W. vom 29. Juli 2019 nicht ausdrücklich als Amtsblatt bezeichnet sei. Aus der grau hinterlegten Überschrift „Amtlich“ gehe hinreichend deutlich hervor, dass das Mitteilungsblatt die Funktion eines Amtsblattes erfülle.
Der Bebauungsplan begegne keinen umweltfachlichen Bedenken. In die Heckenstruktur auf FlNr. … werde nicht eingegriffen, weil sich der Bebauungsplan hierauf nicht erstrecke. Das kartierte Biotop auf FlNr. … und … sei mehr als 60 m entfernt; in den Vegetationsbestand auf dem Grundstück FlNr. … greife der Bebauungsplan nicht ein, da er dort eine öffentliche Landschaftspflegefläche mit der Maßgabe, die vorhandene Bepflanzung dauerhaft zu erhalten und bei Bedarf zu ersetzen, sowie ein schon bestehendes Regenrückhaltebecken festsetze. Der Bebauungsplan sei auch nicht aus wasserwirtschaftlichen Gründen unwirksam. Im Rahmen der Abwägung sei davon ausgegangen worden, dass entsprechend den Aussagen des Ingenieurbüros E. keine größeren Umbauarbeiten am Becken erforderlich sein würden. Der vom Wasserwirtschaftsamt Ansbach im Verfahren geforderte rechnerische Nachweis sei mit dem 23. Juni 2019 erbracht worden.
Schließlich sei auch die Erschließung nicht fehlerhaft. Die Antragsgegnerin habe bei ihrer Abwägung festgestellt, dass die FlNr. … als Straßenverkehrsfläche mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen befahren werden könne. Das dafür das festgesetzte Straßenbegleitgrün überfahren werden müsse, sei rechtlich nicht zu beanstanden.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem und im Verfahren 9 N 19.1789 sowie auf die Aufstellungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg; er ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO ist zulässig.
Insbesondere bestehen keine Zweifel an der Antragsbefugnis der Antragsteller, da sie hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in ihrem subjektiven Recht verletzt werden (vgl. BVerwG, B.v. 2.3.2015 – 4 BN 30.14 – juris Rn. 3). An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung sind grundsätzlich auch dann keinen höheren Anforderungen zu stellen, wenn es – wie hier – um das Recht auf gerechte Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) der Interessen eines Eigentümers geht, dessen Grundstück außerhalb des Bebauungsplangebiets liegt (vgl. BVerwG, B.v. 14.9.2015 – 4 BN 4.15 – juris Rn. 10). Zu den abwägungserheblichen Belangen zählt das Interesse eines Landwirts, mögliche Einschränkungen seines landwirtschaftlichen Betriebs durch eine heranrückende Wohnbebauung zu verhindern (vgl. BayVGH, B.v. 4. Mai 2018 – 15 NE 18.382 – juris Rn. 23 m.w.N.; U.v. 10.5.2016 – 9 N 14.2674 – juris Rn. 17). In Anbetracht der Situierung bzw. des Abstands des Milchviehbetriebs der Antragsteller zum Plangebiet und der mit dem gestellten Vorbescheidsantrag konkretisierten umfänglichen Erweiterungsabsichten kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Antragsteller in abwägungsrelevanten Belangen betroffen werden. Dies haben sie auch hinreichend substantiiert dargelegt.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind, jedenfalls bei Bebauungsplänen, zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrages, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn dessen (weiterer) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 30.4.2019 – 4 VR 3.19 – juris Rn. 4 m.w.N.). Hieran gemessen ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht dringend geboten.
a) Soweit die Antragsteller geltend machen, der Bebauungsplan genüge nicht den Anforderungen des § 2 Abs. 3 BauGB bzw. sei abwägungsfehlerhaft (vgl. § 1 Abs. 7 BauGB), weil die konkreten Absichten der Antragsteller, ihren landwirtschaftlichen Betrieb zu erweitern, womit Geruchsbelästigungen für die festgesetzten allgemeinen Wohngebiete einhergehen könnten, nicht ausreichend berücksichtigt worden wären, vermag dieses Interesse den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung nicht zu rechtfertigen.
Der Begründung zum Bebauungsplan ist zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin auch im Hinblick auf die zuletzt konkretisierten Erweiterungsabsichten von einem ausreichenden Abstand des geplanten Wohngebiets zum Rinderstall der Antragsteller auf FlNr. … Gemarkung W. ausging. Der Gemeinderat legte seiner diesbezüglichen Abwägung ausweislich des beglaubigten Auszugs aus der Sitzungsniederschrift betreffend die Sitzung vom 28. Juni 2019, in der der Satzungsbeschluss erfolgte, insbesondere eine am 28. Juni 2019 an die Antragsgegnerin übermittelte fachliche Stellungnahme des Umweltschutzingenieurs vom Sachgebiet „Staatliche Bauverwaltung und Immissionsschutz“ des Landratsamtes N. auf der Basis einer „überschlägigen Berechnung nach der VDI 3894 Blatt 2 i.V.m. mit dem in Bayern zu verwendenden Gewichtungsfaktor für Rinderhaltung 0,4“ zugrunde, wonach bei einer Erweiterung der Rinderhaltung von derzeit 125 auf 425 GV, also entsprechend dem Vorbescheidsantrag um 300 GV, die Geruchsstundenhäufigkeitsschwelle für ein allgemeines Wohngebiet von 10% ca. 45 m vor dem geplanten Baugebiet Nr. 15 endet. Dem betreffenden Auszug aus der Sitzungsniederschrift mit der Abwägungstabelle kann daneben entnommen werden, dass die Berechnung samt Anlagen der diesbezüglichen „Stellungnahme des Landratsamts (lfd. Nr. 18)“ angefügt war sowie ein Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids zur Errichtung eines Rinderstalls für 300 GV am 11. Juni 2019 bei der Verwaltungsgemeinschaft eingegangen sei, zu dem am 27. Juni 2019 ein Abstimmungsgespräch mit dem Umweltschutzingenieur des Landratsamts stattgefunden hat und dem zugestimmt werden kann.
Soweit von den Antragstellern moniert wird, dass bei der Berechnung des Umweltschutzingenieurs des Landratsamts an Stelle des Gewichtungsfaktors 0,5 für Milchkühe mit Jungtieren (einschließlich Mastbullen und Kälbermast, sofern diese zur Geruchsimmission nur unwesentlich beitragen) entsprechend Tabelle 4 der GIRL, der Faktor 0,4 verwendet wurde, beruht dies auf der entsprechenden Empfehlung im Arbeitspapier des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ (aktueller Stand der Fortschreibung: 9.3.2017). Den Antragstellern ist zwar darin zuzustimmen, dass die Hinweise dieses Bayerischen Arbeitskreises nicht verbindlich sind. Dies gilt aber auch für die GIRL, deren Regelungen in Bayern nicht als Verwaltungsvorschrift eingeführt wurden und von der Rechtsprechung lediglich als zulässige Orientierungshilfe bzw. als antizipiertes Sachverständigengutachten für den Einzelfall im Rahmen der tatrichterlichen Bewertung angesehen werden. Das Arbeitspapier des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ ist aber ebenso als eine solche Orientierungshilfe anerkannt, auf die wegen des Fehlens allgemein gültiger Regelungen für die Beurteilung der Zumutbarkeit der von Tierhaltungsbetrieben verursachten Gerüche zurückgegriffen werden kann (BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 15 CS 19.2048 – juris Rn. 24; vgl. speziell zur Anpassung des Gewichtungsfaktors: BayVGH, B.v. 16.7.2014 – 15 CS 13.1910 – juris Rn. 24; B.v. 9.8.2018 – 15 CS 18.1285 – juris Rn. 24). Seine Verwendung in der Bauleitplanung fand in der Rechtsprechung bereits Bestätigung (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2019 – 1 NE 19.85 – juris Rn. 17); die Antragsteller führen hiergegen auch nichts Durchgreifendes an.
b) Soweit die Antragsteller weitere Verfahrens- oder Abwägungsfehler des Bebauungsplans behaupten, bedarf es keiner Entscheidung, ob der Normenkontrollantrag der Antragsteller im Hinblick darauf Erfolg haben würde. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, fehlt es an Nachteilen, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragsteller, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit aus dem weiteren Planvollzug bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren entstehen und mithin eine vorläufige Regelung unaufschiebbar machen könnten. Hierfür genügt es nicht, dass – wie die Antragsteller vortragen – bereits mit den Erschließungsarbeiten für das Baugebiet begonnen wurde, womit die formalen Voraussetzungen für (parallele) Genehmigungsverfahren bzw. Genehmigungsfreistellungsverfahren geschaffen würden. Abgesehen davon, dass die Antragsteller künftige Baugenehmigungen anfechten und um vorläufigen Rechtsschutz nach § 80a VwGO bzw. § 123 VwGO bei genehmigungsfrei gestellten Vorhaben nachsuchen können, ist hier in keiner Weise zu ersehen, wieso die Antragsteller im Fall der Unwirksamkeit des Bebauungsplans durch seinen weiteren Vollzug in ihrer Interessen- und Rechtssphäre erheblich beeinträchtigt sein könnten, nachdem der Bebauungsplan oder seine Umsetzung der geplanten und mit einem Antrag auf Erteilung eines Vorbescheidsantrags für den Bau eines Rinderstalls für weitere 300 GV, zu dem die Antragsgegnerin sogar bereits ihr Einvernehmen erteilt hat, auch schon auf den Weg gebrachten Betriebserweiterung nicht entgegensteht.
Vorstehendes gilt auch, soweit die Antragsteller sich in ihrer Eigenschaft als Landwirte noch davon betroffen fühlen, dass der öffentliche Feld- und Waldweg auf FlNr. … bzw. … nach den Festsetzungen des Bebauungsplans von den südlich davon gelegenen landwirtschaftlichen Flächen nur im Wege des Überfahrens eines als Straßenbegleitgrün festgesetzten Grünstreifens erreicht werden kann. Abgesehen davon, dass sie schwerwiegende Nachteile des Vollzugs oder gewichtige Gründe für eine Außervollzugsetzung, etwa wegen des Angewiesenseins auf eine wegemäßige Anbindung südlich des Plangebiets – ihr Milchviehbetrieb liegt nordwestlich des Plangebiets – an die festgesetzte Verbindungsstraße zwischen B.-straße und R.-Straße, nicht substantiiert dargelegt haben, hat die Antragsgegnerin ausweislich des beglaubigten Auszugs aus der Sitzungsniederschrift betreffend die Sitzung vom 28. Juni 2019 im Aufstellungsverfahren erkannt, dass der in die festgesetzte Verbindungsstraße zwischen B.-straße und R.-Straße südlich einmündende B. Feldweg von landwirtschaftlichen Fahrzeugen genutzt werden können muss, solange die in einem zweiten Bauabschnitt südlich des Bebauungsplangebietes geplanten Wohnbauflächen noch landwirtschaftlicher Nutzung unterliegen, ebenso, dass dies ein Überfahren der als Straßenbegleitgrün festgesetzten, ca. 2 m breiten Grünstreifen zwischen Straßenverkehrsfläche und Verkehrsfläche besonderer Zweckbestimmung (hier Radund Fußweg) bedingen würde. Dem hat sie dadurch Rechnung getragen, dass im Verfahren der Erschließungsplanung, darüber entschieden werden soll, ob eine Verbindung zwischen der festgesetzten Straßenfläche und der Verkehrsfläche besonderer Zweckbestimmung (anstelle des dort vorgesehenen Straßenbegleitgrüns) vorübergehend befestigt wird. Unabhängig davon, ob mit dieser vorübergehenden Lösung dem Gebot der Konfliktbewältigung genügt sein könnte (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – juris Rn. 14; BayVGH, U,v, 2.8.2016 – 9 N 15.2011 – juris Rn. 41), ist jedenfalls nicht ersichtlich, weshalb mit der angedachten Vorgehensweise derzeit schwerwiegende Nachteile für die Antragsteller verbunden wären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 8 GKG. Sie orientiert sich an Nummern 1.5 und 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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