Baurecht

Nachbareilantrag gegen Baugenehmigung, Abstandsflächen, Interessenabwägung

Aktenzeichen  M 11 SN 21.1078

Datum:
24.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22473
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80a Abs. 3
Art. 6 Abs. 6 BayBO (a.F.)
Art. 6 Abs. 9 BayBO (a.F.)

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der Antragsteller (M 11 K 20.6378) gegen den Bescheid des Landratsamts … vom 19. November 2020 wird angeordnet.
II. Der Antragsgegner und die Beigeladenen tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit einer Einliegerwohnung und einer grenzständigen Doppelgarage.
Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 1660 der Gemarkung … … …, das mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Unmittelbar westlich des Grundstücks der Antragssteller grenzt das Vorhabengrundstück Fl.Nr. 1666 der Beigeladenen an. Das Vorhabengrundstück ist derzeit mit einem Einfamilienhaus bebaut. Westlich dieses Bestandsgebäudes befindet sich eine bis an die gemeinsame Grundstücksgrenze mit den Antragstellern reichende, asphaltierte Hofeinfahrt, die aufgrund des von Nord nach Süd deutlich abfallenden Geländes durch eine grenzständige Mauer abgestützt wird. Beide Grundstücke grenzen im Norden an die S. straße (Fl.Nr. 1690), die im Bereich des Vorhabengrundstücks teils über das auf der gegenüberliegenden nördlichen Straßenseite gelegene, im gemeindlichen Eigentum stehende Grundstück Fl.Nr.1670 verläuft.
Die Beigeladenen beantragten zuletzt unter dem 13. August 2020 die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohnhauses mit einer Einliegerwohnung und einer Doppelgarage. Zugleich wurden mehrere Anträge auf Abweichung betreffend verschiedene Vorgaben der Ortsgestaltungssatzung gestellt. Ein in den vorangegangenen Bauantragsverfahren gestellter Antrag auf Abweichung von den Abstandsflächen zur Überschreitung der Mitte der öffentlichen Verkehrsfläche auf der Fl.Nr. 1690 wurde nicht mehr gestellt.
Der Bau- und Umweltausschuss der Gemeinde … stimmte diesem Antrag mit Beschluss vom 10. September 2020 zu. Dabei wurde klargestellt, dass die Gemeinde einer Abstandsflächenübernahme – weiterhin – nicht zustimme.
Mit Bescheid vom 19. November 2020 erteilte das Landratsamt … (Landratsamt) die beantragte Baugenehmigung unter verschiedenen Auflagen. Insbesondere wurde beauflagt, vor Baubeginn die Bestätigung eines Vermessungsingenieurs oder eines Vermessungstechnikers über die plangemäße Einhaltung der Grundflächen, der Grenz- und/ oder Gebäudeabstände sowie der Höhenlage vorzulegen. Bis zur Abnahme dürfe das natürliche Gelände nicht verändert werden. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Tiefe der Abstandsfläche abhängig von der Höhe des Gebäudes über dem natürlichen Gelände sei. Eine Abnahme könne nicht erfolgen, wenn der in den Ansichtszeichnungen dargestellte Geländeverlauf nicht mit der Örtlichkeit übereinstimme (Auflage Nr. 1). Weiter wurde beauflagt, dass die Abstandsflächen bzw. Abstände zu den Grundstücksgrenzen bzw. Nachbargebäuden plangemäß einzuhalten seien (Auflage Nr. 3). Die Außenwandhöhe des Gebäudes gemäß den Angaben in den genehmigten Bauplänen sei plangemäß auszuführen, wobei darauf hingewiesen wurde, dass maßgebend für die Wandhöhe der Geländeanschnitt am Gebäude und der Schnittpunkt der Außenwandflucht mit der Dachhaut sei (Auflage Nr. 4). Die mittlere Wandhöhe der Grenzgarage dürfe gem. Art. 6 Abs. 9 Satz 1 BayBO maximal 3 m betragen (Auflage Nr. 5). Der natürliche Geländeverlauf des Baugrundstücks sei zu erhalten bzw. herzustellen. Ausgenommen seien Geländeveränderungen, soweit sie in den genehmigten Plänen enthalten seien (Auflage Nr. 10). Die beantragten Abweichungen von der Ortsgestaltungssatzung wurden im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt. Der Bescheid wurde den Beigeladenen und den Antragstellern jeweils am 28. November 2020 zugestellt.
Die Antragsteller haben mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2020, bei Gericht eingegangen am 7. Dezember 2020, Klage gegen die Baugenehmigung vom 19. November 2020 erhoben (M 11 K 20.6378). Am 1. März 2021 haben sie weiter beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Landratsamts vom 19. November 2020 anzuordnen.
Wegen besonderer Dringlichkeit wird im Rahmen einer Vorsitzendenentscheidung ferner beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 2. Dezember 2020 gegen den Bescheid des Landratsamts vom 19. November 2020 bis zur Entscheidung gemäß § 80a Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO vorläufig anzuordnen.
Die angefochtene Baugenehmigung verstoße in mehrfacher Hinsicht gegen Abstandsflächenvorschriften. Im Einzelnen wurde gerügt, dass die Anwendung des Schmalseitenprivilegs an der östlichen und westlichen Außenwand des Vorhabens nicht zulässig sei. Dies sei nur möglich, wenn an den verbleibenden Außenwänden die volle Abstandsflächentiefe eingehalten werde. Die Abstandsfläche der nördlichen Außenwand verstoße gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO, da sie die Mitte der auf der Fl.Nr. 1690 verlaufenden S. straße überschreite. Es sei nicht davon auszugehen, dass die straße gewidmet seien auf den Fl.Nrn. 1670 und 1660 liegenden Teile der S* oder als gewidmet gelten würden. Im Übrigen sei die Berechnung der Abstandsflächentiefe auf der Nordseite des Vorhabens aus den genehmigten Eingabeplänen nicht ohne weiteres nachzuvollziehen, da der untere Bezugspunkt unklar sei. Die maßgebende natürliche Geländeoberfläche oder eine hiervon abweichende und neu geplante Geländeoberfläche werde entgegen den Vorgaben der BauVorlV nicht dargestellt. Auch die in den Baueingabeplänen bei den Behördenakten mit Bleistift angebrachten handschriftlichen Anmerkungen, deren Verfasser unklar sei, würden keinen endgültigen Aufschluss geben. Dies gelte insbesondere für die westliche Seite der nördlichen Außenwand. Dort sei als unterer Bezugspunkt offenbar die Höhenkote 679,18 als maßgeblich angesehen worden, die im Eingabeplan (Grundriss Erdgeschoss) in gelber Farbe der “OK FFB Bestand” zugewiesen werde. Ebenso sei die Abstandsflächenberechnung an der Ostseite des Vorhabens im Bereich der geplanten Garage wegen unklarer bzw. falscher Angaben zur maßgebenden Geländeoberfläche nicht nachvollziehbar. Die im Eingabeplan (Grundriss Erdgeschoss) angegebene halbe Abstandsfläche variiere zwischen 2,98 m bzw. 3 m im Norden und 4,29 m im Süden. Der untere Bezugspunkt bleibe jedoch unklar und müsse im Süden des Gebäudes auf 676,125 liegen. Eine solche Höhenkote finde sich in den Eingabeplänen jedoch nicht. Unklar sei auch, ob es sich bei der an der gemeinsamen Grundstücksgrenze genehmigten Garage um eine Grenzgarage im Sinne des Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO handele. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der Frage, ob das Merkmal der maximalen mittleren Wandhöhe von 3 m eingehalten werde. Es sei nicht klar, ob durch den Bescheid ein neues Gelände bestimmt werde oder das Landratsamt es beim natürlichen Gelände belassen habe und davon ausgegangen sei, dass dieses in den Eingabeplänen korrekt und nachvollziehbar dargestellt werde. Eine Neufestlegung der Geländeoberfläche ergebe sich nicht aus dem Bescheid und sei wohl auch nicht ausdrücklich beantragt worden. Zudem enthalte die Baugenehmigung in Nr. 1 der Auflagen den Hinweis, dass das natürliche Gelände maßgebend sei. In den Eingabeplänen (Ansicht Ost und Schnitt D-D) sei zudem eine mit “Geländeverlauf Grundstücksgrenze” bezeichnete Darstellung enthalten, die zum Nachweis der Einhaltung der mittleren Wandhöhe von 3 m gedient habe. Diese Darstellung sei falsch, worauf die Antragsteller das Landratsamt bereits im behördlichen Verfahren aufmerksam gemacht hätten. Unter Berücksichtigung der in den Behördenakten enthaltenen internen Vermerke und E-Mail-Korrespondenz bleibe die Rechtsauffassung des Landratsamts unklar. Insoweit wurde auf eine interne E-Mail vom 17. November 2020 (Bl. 111 d.BA), eine E-Mail des Landratsamts an die Antragsteller vom 27. November 2020 (Bl. 135 d.BA) und einen internen Vermerk vom 24. November 2020 (Bl. 132 f. d.BA) Bezug genommen. Das Landratsamt habe den in den Eingabeplänen dargestellten “Geländeverlauf Grundstücksgrenze” akzeptiert, obwohl dieser nachweislich falsch sei. Die Baugenehmigung sei daher allein aufgrund der genannten Unklarheiten und wegen der völlig unbestimmten Eingabepläne als rechtswidrig anzusehen und wegen der im Raum stehenden Verletzung drittschützender Abstandsflächenvorschriften aufzuheben. Bei korrekter Ermittlung des natürlichen Geländes im Bereich der Garage werde sich zeigen, dass dieses unter dem Querschnitt der Stützmauer deutlich tiefer liege als der in den Eingabeplänen dargestellte “Geländeverlauf Grundstücksgrenze”. Dies wurde näher ausgeführt. Die beantragte vorläufige Entscheidung durch den Vorsitzenden sei notwendig, weil der Beginn der Abbruch- und Bauarbeiten unmittelbar bevorstehe. Hierzu wurde ein Schreiben des Architekten der Beigeladenen vom 28. Januar 2021 vorgelegt, wonach der Beginn der Abbrucharbeiten für die letzte Februarwoche geplant sei.
Die Beigeladenen haben durch ihre Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 11. März 2021 beantragen lassen,
die Anträge abzulehnen.
Die gerügten Abstandsflächenverstöße lägen nicht vor, zudem seien weder die Baugenehmigung noch die genehmigten Eingabepläne unklar oder unbestimmt. Den genehmigten Bauvorlagen hätten die genauen Vermessungsdaten des Büros … … … – Prüfsachverständige für Vermessung – zugrunde gelegen. Hierzu wurde ein Lage- und Höhenplan vom 27. Februar 2019 vorgelegt. Zur gerügten Abstandsflächenüberschreitung an der nördlichen Außenwand des geplanten Anwesens wurde darauf hingewiesen, dass die S. straße im Jahr 2017/2018 erstmalig hergestellt worden und die Straßenarbeiten im Jahr 2019 abgeschlossen worden seien. Die einheitlich verbreiterte Straßenfläche, die sich auf die im gemeindlichen Eigentum stehenden Fl.Nrn. 1690 und 1670 erstrecke, sei seitdem dem öffentlichen Verkehr uneingeschränkt zur Nutzung freigegeben. Die Eingabeplanung basiere auf der vermessenen, dem allgemeinen Verkehr freigegebenen und tatsächlich ausgebauten öffentlichen Verkehrsfläche, sodass auf der Grundlage des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO zutreffend die Straßenmitte bzw. die “Achse Straße” zugrunde gelegt worden sei. Die östliche Gebäudewand halte die zulässige Abstandsflächentiefe von 0,5 H unproblematisch ein. Ebenso verstoße die grenzständig geplante Doppelgarage mit einer zulässigen mittleren Wandhöhe von 3 m nicht gegen Abstandsflächenrecht. Die Antragsteller hätten anlässlich ihrer eigenen Baumaßnahme den Mutterboden vollständig bis zur Grundstücksgrenze beseitigt und das Gelände auf ihrem Grundstück neu modelliert. Dabei hätten sie selbst einen gleichmäßig abfallenden Geländeverlauf zugrunde gelegt. Unabhängig davon komme es auf die Geländeverhältnisse auf dem Baugrundstück an, das die Beigeladenen mit dem Baubestand und den Geländehöhen genau vermessen lassen hätten. Aus den Messdaten würden sich keine entscheidenden Geländeunebenheiten, sondern gleichmäßig abfallende Höhen ergeben. Entlang der Grundstücksgrenze und der vorhandenen Stützmauer seien mehrere Geländepunkte genommen worden. Die Höhenangaben würden im Wesentlichen den Höhenlinien entsprechen, die in den damaligen Eingabeplänen der Antragsteller eingetragen seien. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Hängebeschlusses lägen nicht vor, insbesondere hätten die Beigeladenen den Abbruchunternehmer verbindlich angewiesen, die Abbruchmaßnahme vorläufig auf das Haupthaus zu beschränken.
Mit Schriftsatz vom 12. März 2021 reichte die Bevollmächtigte der Beigeladenen gemeindliche Widmungsunterlagen nach.
Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 15. März 2021 ebenfalls,
den Antrag abzulehnen.
Im Wesentlichen wird vorgetragen, dass allein das genehmigte Vorhaben maßgeblich sei, wobei die genehmigten Bauvorlagen weder unklar noch unvollständig seien. Auf einen zwischenzeitlich vorgelegten Nachweis des Ingenieurbüros … … … vom 17. Februar 2021 wird verwiesen. Zur gerügten Abstandsflächenüberschreitung wird insbesondere ausgeführt, dass für die Berechnung der Wandhöhen nicht die in den Eingabeplänen dargestellten (neuen) Geländeoberflächen, sondern die Höhenkoten im Nordosten mit 678,74 m und im Nordwesten mit 679,18 m maßgeblicher unterer Bezugspunkt gewesen seien. Bei diesen Höhenkoten handele es sich um das im Bestand vorhandene natürliche Gelände. Im nordwestlichen Bereich des Vorhabens habe über viele Jahrzehnte das bestehende Garagengebäude gestanden. Eine gerade Verbindung zwischen Straßenniveau und freiem, mutmaßlich unverändertem Gelände unterhalb des Gebäudebestands hätte einen höher liegenden Fußpunkt von ca. 679,30 zur Folge. Auch hinsichtlich des geplanten Garagengebäudes habe das Landratsamt eine Geländeoberfläche nicht neu festgelegt. Maßgeblich für die mittlere Wandhöhe sei die über die gesamte Außenwandbreite gemittelte Größe. Nach der Ostansicht betrage die Wandhöhe der mit dem grenzständigen Giebel in eine Hanglage hinein geplanten Garage, gemessen von dem in den Bauplänen dargestellten Geländeverlauf zum Schnittpunkt der Außenwand mit der Dachhaut auf der nordöstlichen Seite 3,36 m und auf der südöstlichen Seite 2,64 m. Die Maßlinie (senkrechte Linie) und die Maßhilfslinien an den beiden unteren Bezugspunkten seien dabei zur besseren Lesbarkeit etwas nach außen versetzt worden, würden sich aber auf die Maße und die Geländeanschlüsse an den maßgeblichen Bauteilen der Garage beziehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsund Behördenakten in diesem sowie im zugehörigen Klageverfahren M 11 K 20.6378 Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag hat Erfolg.
Gemäß § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Jedoch kann das Gericht der Hauptsache gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die Aussetzung der Vollziehung anordnen. Hierbei kommt es auf eine Abwägung der Interessen des Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung mit den Interessen des Dritten, keine vollendeten, nur schwer wieder rückgängig zu machenden Tatsachen entstehen zu lassen, an. Im Regelfall ist es unbillig, einem Bauwilligen die Nutzung seines Eigentums durch Gebrauch der ihm erteilten Baugenehmigung zu verwehren, wenn eine dem summarischen Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entsprechende vorläufige Prüfung des Rechtsbehelfs ergibt, dass dieser letztlich erfolglos bleiben wird. Ist demgegenüber der Rechtsbehelf offensichtlich begründet, so überwiegt das Interesse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten offen, so kommt es darauf an, ob das Interesse eines Beteiligten es verlangt, dass die Betroffenen sich so behandeln lassen müssen, als ob der Verwaltungsakt bereits unanfechtbar sei. Bei der Abwägung ist den Belangen der Betroffenen umso mehr Gewicht beizumessen, je stärker und je irreparabler der Eingriff in ihre Rechte wäre (BVerfG, B.v. 18.07.1973 – 1 BvR 155/73, 1 BvR 23/73 – BVerfGE 35, 382; zur Bewertung der Interessenlage vgl. auch BayVGH, B.v. 14.01.1991 – 14 CS 90.3166 – BayVBl 1991, 275).
Zu berücksichtigen ist, dass im Rahmen der Nachbarklage eine Aufhebung der Baugenehmigung nicht allein wegen objektiver Rechtswidrigkeit in Betracht kommt, sondern nur, wenn dritt- oder nachbarschützende Normen verletzt sind (zur sog. Schutznormtheorie vgl. etwa Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42, Rn. 89 ff.). Bei den vorliegend gerügten Vorschriften zur Einhaltung der Abstandsflächen handelt es sich um derartige nachbarschützende Vorschriften (Simon/ Busse/ Kraus, 139. EL Okt. 2020, BayBO, Art. 6 Rn. 3).
Gemessen daran ergibt die im Eilverfahren auch ohne Durchführung eines Augenscheins mögliche Überprüfung der Angelegenheit anhand der Gerichts- und Behördenakten, dass die Erfolgsaussichten der Klage der Antragsteller derzeit offen sind. Im Hinblick auf die drohende Schaffung vollendeter Tatsachen überwiegt im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung das Interesse der Antragsteller an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage.
1.1 Für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage der Antragsteller ist entsprechend der allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätze auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen (vgl. Dirnberger in Simon/ Busse, BayBO, Stand Oktober 2020, Art. 66, Rn. 590 ff.). Nach diesem Zeitpunkt eingetretene Rechtsänderungen werden nur berücksichtigt, wenn sie sich zugunsten des Bauherrn auswirken (BVerwG, B.v. 23.4.1998 – 4 B 40/98 – NVwZ 1998, 1179). Nachträgliche Änderungen der Rechtslage zugunsten der Nachbarn können hingegen nicht berücksichtigt werden, da der Bauherr mit dem Wirksamwerden der Baugenehmigung bereits eine gesicherte Rechtsposition innehat (vgl. Dirnberger in Simon/ Busse, a.a.O., Rn. 592). Die zum 1. Februar 2021 in Kraft getretenen umfangreichen Änderungen des Art. 6 BayBO durch das Gesetz vom 23. Dezember 2020 (GVBl. 2020, 663) finden demnach im vorliegenden Fall keine Anwendung, weil die Beigeladenen mit der Zustellung des Bescheids am 28. November 2020 bereits eine gesicherte Rechtsposition erlangt haben. Nachdem die Gemeinde … mit Satzung vom 28. Januar 2021 auf Grundlage des neuen Art. 81 Abs. 1 Nr. 6a BayBO eine Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe getroffen hat, bleibt es bei der Abstandsflächentiefe von “1 H”, sodass sich die gesetzlichen Neuregelungen – schon aufgrund der Einbeziehung von Giebelflächen – nicht zu Gunsten des Bauherrn auswirken würden. Da dies sowohl das geplante Garagen- wie auch das Hauptgebäude betrifft, kann dahinstehen, ob grundsätzlich auch die Aufsplittung eines Vorhabens hinsichtlich der Anwendung der neuen Rechtslage in Betracht käme.
1.2 Offen ist derzeit, ob eine Verletzung von Abstandsflächenvorschriften vorliegt.
1.2.1 Dies gilt insbesondere hinsichtlich der von der Antragstellerseite gerügten Einhaltung der Abstandsflächen auf der Nordseite des geplanten Anwesens. Zwar betrifft dies eine Außenwand des Vorhabens, welche nicht dem Nachbargrundstück der Antragsteller zugewandt ist. Allerdings macht das geplante Gebäude sowohl in Richtung des klägerischen Grundstücks als auch an seiner westlichen Außenwand vom sog. 16 m-Privileg nach Art. 6 Abs. 5 BayBO in der bis zum 1. Februar 2021 geltenden Fassung Gebrauch. In einem solchen Fall muss ein Gebäude die Abstandsflächenvorschriften vor allen Außenwänden des Vorhabens – also auch soweit diese Seiten vom betroffenen Nachbargrundstück abgewandt liegen – einhalten, um keine Verletzung nachbarschützender Rechte auszulösen (vgl. BayVGH, B.v. 17.4.2000 – GrS 1/1999, 14 B 97.2901 – juris Rn. 14 ff.).
Grundsätzlich müssen die Abstandsflächen gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO auf dem eigenen Grundstück liegen. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO dürfen sie jedoch auch auf öffentlichen Verkehrs-, Grün- und Wasserflächen liegen, jedoch nur bis zu deren Mitte. Die andere Hälfte muss generell dem gegenüberliegenden Grundstückseigentümer für die von ihm einzuhaltenden Abstandsflächen zur Verfügung stehen, gleichsam wie wenn es seine eigene Grundstücksfläche wäre (Hahn in Simon/Busse, BayBO, Stand Okt. 2020, Art. 6, Rn. 72). Öffentliche Verkehrsflächen sind Flächen, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet oder in anderer Weise rechtlich für diesen Zweck dauerhaft gesichert sind (vgl. Schönfeld in Spannowsky/ Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Stand 1. Juni 2020, Art. 6, Rn. 102). Eine nur tatsächliche öffentliche Nutzung ohne die erforderliche rechtliche Absicherung genügt nicht (Schönfeld in Spannowsky/ Manssen, BeckOK, a.a.O.; Hahn in Simon/ Busse, a.a.O., Rn. 76).
Vorliegend ist bereits aus den genehmigten Eingabeplänen (Grundriss EG) ersichtlich, dass die Abstandsfläche der nördlichen Außenwand des geplanten Anwesens die Mitte des Straßengrundstücks Fl.Nr. 1690 auf der gesamten Wandlänge überschreitet. Ausweislich der Akte war diese Problematik sowohl Gegenstand eines in den unmittelbar vorangegangenen Antragsverfahren der Beigeladenen gestellten Abweichungsantrags wie auch wiederholter behördeninterner Prüfungen. Im gerichtlichen Verfahren wurden von Seiten der Beigeladenen zwischenzeitlich Unterlagen vorgelegt, nach denen von einer gemeindlichen Widmung der S. straße in der hergestellten Breite – einschließlich der auf der Fl.Nr. 1670 verlaufenden Straßenflächen – auszugehen ist. Demnach dürfen die Abstandsflächen des geplanten Anwesens der Beigeladenen voraussichtlich die Hälfte der hergestellten Straßenfläche in Anspruch nehmen, ohne dass es noch entscheidungserheblich auf die Frage der gesetzlichen Widmungsfiktion des Art. 6 Abs. 8 BayStrWG ankommt.
Auch bei einem Abstellen auf die Mitte der hergestellten Straßenfläche (“Achse Straße”) ist jedoch eine Verletzung der Abstandsflächenvorschriften auf der Nordseite des Anwesens nach Aktenlage nicht auszuschließen. Die Antragstellerseite hat insoweit zu Recht gerügt, dass im Bereich des nordwestlichen Teils des Hauptgebäudes (Grundrissplan: Büro) als unterer Bezugspunkt der Wert des “OK FFB Bestand” (679,18) angesetzt wurde (vgl. auch die Bleistiftberechnung im Schnitt A-A).
Zwar hat das Landratsamt im Bescheid (vgl. Hinweis am Ende der Auflage Nr. 1 sowie Auflage Nr. 4) klargestellt, dass maßgeblicher unterer Bezugspunkt der natürliche Geländeverlauf sei. Dies wurde im gerichtlichen Verfahren erneut bestätigt. Hinsichtlich des gerügten Höhenkotenpunkts von 679,18 hat das Landratsamt in der Antragserwiderung indes ausgeführt, dass insoweit auf das “im Bestand” des bisherigen Garagengebäudes vorhandene Niveau abgestellt worden sei. Letztlich wurde damit die Oberkante des Fußbodens des Bestandsgebäudes mit dem natürlichen Geländeverlauf gleichgesetzt – obwohl das Problem bei der Prüfung der Unterlagen durchaus gesehen wurde (vgl. handschriftlicher Vermerk, Bl. 74 d.BA). Dem kann jedenfalls ohne Neufestlegung des Geländes nicht gefolgt werden. Eine künstlich hergestellte Fußbodenoberkante ist per se kein natürliches Gelände. Ob eine etwaige Neufestsetzung des Geländeniveaus möglicherweise bereits im Rahmen der Baugenehmigung des Bestandsgebäudes erfolgte, ist nach bisheriger Aktenlage weder ersichtlich noch vorgetragen. Soweit das Landratsamt in der Antragserwiderung quasi “hilfsweise” auf ein mutmaßlich höher liegendes, ursprüngliches Geländeniveau hinweist, dürfte es hierauf aller Voraussicht nach nicht ankommen, da das Gelände seit Jahrzehnten abgegraben ist (vgl. Kraus in Simon/ Busse, BayBO, Okt. 2020, Art. 6, Rn. 169). Maßgeblicher unterer Bezugspunkt dürfte demnach vorliegend das unter dem derzeitigen Gebäudebestand liegende Geländeniveau sein. In der “Ansicht Nord” wird insoweit als “OK Gelände Bestand am Gebäude” im Nordwesten ein Wert von 679,02 angegeben, der sich als Wert “Bestand” ebenso im Grundrissplan findet und auch in dem von den Beigeladenen vorgelegten Lage- und Höhenplan vom 27. Februar 2019 eingetragen ist.
Unter Zugrundelegung dieses Wertes ergibt sich an der nordwestlichen Gebäudeecke eine Wandhöhe von 6,34 m (684,7 – 679,02 = 5,68; zzgl. Giebelfläche: 2 m: 3 = 0,66 m) anstelle der im Plan angegebenen 6,19 m. In der Folge reicht jedoch die von der Nordwand des geplanten Anwesens geworfene (volle) Abstandsfläche an dieser Stelle nicht mehr nur wie eingezeichnet bis zur Hälfte der hergestellten Straßenfläche (“Achse Straße”), sondern überschreitet diese um etwa 15 cm. Durch das Vorhaben wird damit ein Teil der Straßenfläche in Anspruch genommen, die der Gemeinde als gegenüberliegende Grundstückseigentümerin für die von ihr einzuhaltenden Abstandsflächen zur Verfügung steht.
Nach summarischer Prüfung dürfen die Beigeladenen mit ihrem Vorhaben die Straßenmitte auch nicht deshalb überschreiten, weil der dem Vorhabengrundstück gegenüberliegende Teilbereich der Fl.Nr. 1670 von vornherein als nicht bebaubar einzustufen wäre (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO; Hahn in Simon/Busse, a.a.O., Rn. 72).
Abgesehen davon, dass derart weitreichende Feststellungen zur fehlenden Bebaubarkeit eines Grundstücks wohl regelmäßig der Einnahme eines gerichtlichen Augenscheins bedürfen, liegt der dem Vorhaben gegenüberliegende Teilbereich der Fl.Nr. 1670 offenbar in einem allgemeinen Wohngebiet (vgl. auszugsweiser Planausschnitt, Bl. 56 d.BA). Nach summarischer Prüfung der Aktenlage erscheint es auch vor diesem Hintergrund damit weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht ausgeschlossen, dass die Gemeinde eine andere Nutzung zumindest dieser im Wohngebiet gelegenen Teilfläche in Betracht ziehen und in diesem Zusammenhang auch die derzeit bestehende, relativ breite Zufahrt zur Fl. Nr. 1670 ändern oder verlegen könnte. Die Abgabe einer Abstandsflächenübernahme (Art. 6 Abs. 2 S. 3 BayBO) wurde von der Gemeinde ausdrücklich abgelehnt.
Auch aus etwaigen Erschließungsansprüchen gegenüber der Gemeinde ergibt sich nichts anderes, da durch das Straßengrundstück Fl.Nr. 1690 selbst an der engsten Stelle die nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 8.4.2019 – 1 CS 19.261 – juris Rn. 19) erforderliche Mindestbreite einer Erschließungsstraße im Innenbereich von 3 m eingehalten wird. Selbst eine Verschmälerung der derzeitigen asphaltierten Straßenfläche wäre daher in diesem Bereich keineswegs ausgeschlossen.
1.2.2 Auf die weiteren von der Antragstellerseite geäußerten Rügen an der Bestimmtheit der Baugenehmigung in Hinblick auf die unteren Bezugspunkte der Abstandsflächenberechnung kommt es damit letztlich nicht mehr entscheidungserheblich an.
Angemerkt sei jedoch, dass die mit dem Lage- und Höhenplan vom 27. Februar 2019 von den Beigeladenen ermittelten Höhenkoten den Gebäudebestand zwar relativ genau wiedergeben mögen. Das Niveau des natürlichen Geländes im maßgeblichen Bereich der Eckpunkte der geplanten Anlagen lässt sich aus den in den Eingabeplänen eingetragenen – wie auch den erhobenen – Daten entgegen der Vorgaben des § 7 Nr. 11 BauVorlV allenfalls annähernd entnehmen. Aufgrund der Hanglage des Vorhabengrundstücks führt dies zwangsläufig zu Ungenauigkeiten bei der Berechnung der Abstandsflächen, sodass seine Verletzung nachbarschützender Abstandsflächenvorschriften nach Aktenlage nicht ausgeschlossen werden kann.
Auf die Asphaltfläche der bestehenden Hofeinfahrt kann als unterer Bezugspunkt für die Berechnung der Wandhöhe der Grenzgarage entgegen der im Vermerk vom 26. November 2020 (Bl. 134 d.BA) geäußerten Rechtsauffassung jedenfalls nicht abgestellt werden (s. bereits Ausführungen unter Rn. 29) – ausweislich der genehmigten Planunterlagen war dies jedoch offenbar auch nicht der Fall.
Die Beigeladenen und das Landratsamt haben zutreffend darauf hingewiesen, dass für die “mittlere Höhe” des Art. 6 Abs. 9 BayBO das über die gesamte Außenwandbreite gemittelte Maß maßgeblich ist (BayVGH, B.v. 30.6.2009 – 1 ZB 07.3058 – juris Rn. 24). Die für die vorgenommene Mittelung angesetzten Wandhöhen an der Südost- bzw. Nordostecke der geplanten Grenzgarage lassen sich aus den genehmigten Eingabeplänen jedoch nicht ohne weiteres nachvollziehen (vgl. dazu auch Vermerk vom 24. November 2020, Bl. 132 d.BA sowie die interne E-Mail vom 17. November 2020, Bl. 111 d.BA.). In der “Ost-Ansicht” ist als unterer Bezugspunkt lediglich ein Wert von 677,11 im südlichen Drittel des Garagenbaus eingetragen; weitere Werte wurden – teils mit einem Fragezeichen versehen – mit Bleistift eingezeichnet und sind offenbar dem “Grundriss EG” (677,10) oder dem Lage- und Höhenplan vom 27. Februar 2019 (MUK = 678,07) entnommen. Nicht zuletzt aufgrund des erheblichen Dachüberstands an der Südseite des Garagengebäudes – der bei der Berechnung der Abstandsflächen im Rahmen einer entsprechend fiktiv versetzten Wand bzw. Gebäudeecke Berücksichtigung finden muss (vgl. Kraus in Simon/ Busse, a.a.O. Rn. 391) – lässt sich der im Grundrissplan angegebene Wert von 677,10 jedoch kaum zweifelsfrei auf die Schnittansichten übertragen.
Ausweislich der Darstellung im Schnitt D-D deckt sich jedenfalls im Bereich der Südost-Ecke des geplanten Garagengebäudes der “Geländeverlauf an der Grenze” (gestrichelte schwarze Linie) mit dem “Bestandsgelände”. Unter Zugrundelegung des Höhenkotenpunkts von 677,11 bzw. 677,10 als unteren Bezugspunkt würde sich hier jedoch eine Wandhöhe von lediglich etwa. 2,20 m (679,30 – 677,10) statt der angegebenen 2,64 m ergeben. Der untere Bezugspunkt ist demnach offenbar ein anderer.
Ähnliches gilt für die nordöstliche Gebäudeecke der geplanten Grenzgarage. Hier wurde als unterer Bezugspunkt offenbar der mit Bleistift nachgetragene Wert von 678,07 angesetzt. Damit würde sich jedoch eine Wandhöhe von 3,65 m (681,72 – 678,07) anstelle der angegebenen 3,36 m ergeben. Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass ausweislich des Lage- und Höhenplans vom 27. Februar 2019 der Wert 678,07 als Mauerunterkante (MUK) für die gesamte Länge der derzeit bestehenden Stützmauer angegeben wird – was schon aufgrund der aus den Lichtbildern ersichtlichen erheblichen Hanglage so nicht ohne Weiteres nachvollziehbar erscheint. Insgesamt führen diese Unstimmigkeiten dazu, dass die Einhaltung der mittleren Wandhöhe durch die grenzständige Ostseite des Garagengebäudes letztlich anhand der genehmigten Eingabepläne nicht geklärt werden kann.
1.2.3 Schließlich führt die Aufnahme insbesondere der Auflagen Nr. 1, 3 und 5 in den Genehmigungsbescheid nicht dazu, dass der Nachbarklage der Erfolg zu versagen wäre. Insoweit erscheint bereits fraglich, ob die Auflagen hinreichend bestimmt bzw. vollziehbar sind. So hat das Landratsamt selbst entgegen dem Wortlaut der Auflagen zumindest im Nordwesten des geplanten Anwesens gerade nicht auf das natürliche Gelände abgestellt (s.o.). Die Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen zumindest in diesem Bereich kann, wie ausgeführt, jedenfalls nicht ohne weitreichende Prüfungen der Bebaubarkeit des gegenüberliegenden Grundstücks geklärt werden (s.o.). Die vom Landratsamt beabsichtigte “Auslagerung” der Abstandsflächenproblematik (Bl. 111 d.BA) dürfte insofern nicht zulässig sein, vielmehr werden Nachbarrechte verletzt, wenn infolge der Unbestimmtheit einer Baugenehmigung nicht beurteilt werden kann, ob das Vorhaben den nachbarschützenden Vorschriften des Art. 6 BayBO entspricht.
Auch die zwischenzeitlich vorgelegte Einmessbescheinigung mit Absteckplan (Bl. 176 f d.BA) rechtfertigt keine andere Entscheidung. Abgesehen davon, dass der in den Akten enthaltene Ausdruck des Absteckplans völlig unleserlich ist, können dadurch die bereits in der streitgegenständlichen Baugenehmigung selbst angelegten Mängel zumindest im Bereich der nordwestlichen Gebäudeecke des Anwesens (Überschreitung der Straßenmitte wegen Abstellens auf die Fußbodenoberkante als unteren Bezugspunkt) nicht ausgeräumt werden.
2. Angesichts der dargestellten Zweifel an der Einhaltung der Abstandsflächen sind die Erfolgsaussichten der Klage nach derzeitiger Aktenlage als offen zu bewerten. Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragsteller. Durch den Bau würden irreversible Zustände geschaffen, die durch einen (Teil-)Abbruch nur schwer wieder rückgängig gemacht werden könnten.
Dem Antrag war daher stattzugeben. Dabei wird klargestellt, dass der Abbruch der Bestandsbebauung ausweislich des Genehmigungsbescheids ausdrücklich nicht Gegenstand der erteilten Baugenehmigung war und somit auch von der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht mitumfasst ist.
3. Soweit eine Entscheidung durch den Vorsitzenden beantragt wurde, besteht hierfür jedenfalls kein Bedürfnis mehr, da mit dem vorliegenden Beschluss umfassend über den Eilantrag der Antragsteller entschieden worden ist.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. Nachdem die Beigeladenen vorliegend Anträge gestellt haben, ist es billig, diese an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen (§ 162 Abs. 3 und § 154 Abs. 3 VwGO).
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs und entspricht der Hälfte des voraussichtlich im Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts. Die beantragte Zwischenentscheidung wurde wegen der Identität des Streitgegenstands nicht erhöhend berücksichtigt.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben