Baurecht

Nachbarklage auf Rückbau einer Terrassenüberdachung

Aktenzeichen  AN 9 K 14.01599

Datum:
27.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 49996
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 6 Abs. 1 S. 1, S. 3, Art. 76 S. 1
BauNVO § 22 Abs. 2 S. 1, § 23 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Ein Nachbar, der durch eine rechtswidrig errichtete bauliche Anlage in seinen Rechten verletzt wird, hat gegenüber der Behörde grundsätzlich nur einen Anspruch auf ermessensgerechte Entscheidung. Ein Rechtsanspruch auf Einschreiten steht ihm zu, wenn das Ermessen im Einzelfall zu seinen Gunsten auf Null reduziert ist. Dies wird regelmäßig nur anzunehmen sein, wenn die von der rechtswidrigen Anlage ausgehende Beeinträchtigung einen erheblichen Grad erreicht und eine Abwägung ein deutliches Übergewicht der nachbarlichen Interessen ergibt. (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Abstandsgebot an der gemeinsamen Grundstücksgrenze kann nur auf der Grundlage der Gegenseitigkeit überwunden werden. Die Zulässigkeit einer Grenzbebauung setzt daher den wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze voraus. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid der Stadt … vom 2. Februar 2016 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag auf Erlass eines Rückbaubescheides hinsichtlich der Terrassenüberdachung und des Terrassenaufbaus der Beigeladenen an der Grundstücksgrenze zur Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

Das Verfahren konnte aufgrund des übereinstimmenden Einverständnisses der Beteiligten
ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die ursprünglich statthaft als Untätigkeitsklage erhobene Klage ist nach Einbeziehung des ablehnenden Bescheides vom 2. Februar 2016 als Versagungsgegenklage zulässig, jedoch nur teilweise begründet. Die Ablehnung eines Einschreitens durch Erlass einer Rückbauverpflichtung gegenüber den Beigeladenen durch Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2016 erweist sich zwar als rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Mangels Ermessensreduzierung auf Null hat die Klägerin gleichwohl keinen Anspruch auf Erlass eines Rückbaubescheides durch die Beklagte gegenüber den Beigeladenen hinsichtlich des Aufbaus auf der Terrasse und der Anbringung einer Terrassenüberdachung an der Grundstücksgrenze. Die Klägerin kann jedoch wegen der Rechtswidrigkeit der Ablehnung mit Bescheid vom 2. Februar 2016 eine nochmalige Entscheidung über ihren Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts beanspruchen (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Sach- und Rechtslage bei der vorliegenden Verpflichtungs- bzw. Verbescheidungsklage ist grundsätzlich derjenige der mündlichen Verhandlung.
Grundvoraussetzung für einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten ist, dass der Nachbar durch die bauliche Anlage in seinen Rechten verletzt wird, was einen Verstoß der Anlage gegen nachbarschützende Vorschriften erfordert und infolgedessen die Bauaufsichtsbehörde zum Einschreiten gegen die Anlage berechtigt, weil der Tatbestand der Befugnisnorm und die Eingriffsschranken beachtet sind (vgl. BayVGH, B. v. 28.8.2015 – 9 ZB 13.1876 – juris Rn. 13; U. v. 4.12.2014 – 15 B 12.1450 – juris Rn. 22).
Ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten kann sich aus Art. 76 Satz 1 BayBO ergeben. Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von baulichen Anlagen anordnen, die in Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften errichtet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Ausübung dieser Befugnis steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (Art. 40 BayVwVfG). Ein Nachbar, der durch eine rechtswidrig errichtete Anlage in seinen Rechten verletzt wird, hat gegenüber der Behörde grundsätzlich nur einen Anspruch auf ermessensgerechte Entscheidung. Ein Rechtsanspruch auf Einschreiten steht ihm dann zu, wenn das Ermessen aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu seinen Gunsten auf Null reduziert ist (vgl. BayVGH, B. v. 4.7.2011 – 15 ZB 09.1237 – juris Rn. 11). Wäre das Ermessen stets schon bei vorliegender Tatbestandsvoraussetzung von Art. 76 Satz 1 BayBO, d. h. bei formeller und materieller Illegalität der baulichen Anlage zugunsten des Nachbarn auf Null reduziert, würde die gesetzgeberische Ausgestaltung als Ermessensnorm leerlaufen (vgl. BayVGH, B. v. 4.7.2011, a. a. O.). Die Frage einer Ermessensreduzierung auf Null zugunsten eines bauaufsichtlichen Einschreitens ist auch bei einer Verletzung nachbarschützender Normen von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängig. Eine solche Ermessensreduzierung wird regelmäßig nur dann anzunehmen sein, wenn die von der rechtswidrigen baulichen Anlage ausgehenden Beeinträchtigung des Nachbarn einen erheblichen Grad erreicht und die Abwägung mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Übergewicht der nachbarlichen Interessen ergibt (vgl. BayVGH, B. v. 29.3.2011 – 15 ZB 09.412 – juris Rn. 3).
Ein Anspruch der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten erfordert dabei zum einen, dass sie durch die bauliche Anlage in nachbarschützenden Rechten verletzt wird, zum anderen, dass das Ermessen der Beklagten sowohl hinsichtlich des „Ob“ (Entschließungsermessen) als auch des „Wie“ (Auswahlermessen) des Einschreitens auf Null reduziert ist. Liegt eine Ermessensreduzierung auf Null – wie vorliegend – nicht vor, besteht lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (vgl. BayVGH, B. v. 4.7.2011 – 15 ZB 09.1237 – juris Rn. 11).
Im vorliegenden Fall stellt sich der streitgegenständliche Terrassenanbau mangels Baugenehmigung in formeller Hinsicht als baurechtswidrig dar; wegen Verstoßes gegen die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften nach Art. 6 BayBO erweist sich der Anbau auch in materieller Hinsicht als baurechtswidrig und verletzt insoweit nachbarschützende Normen (vgl. nachfolgend 1.). Der Bauaufsichtsbehörde kommt gleichwohl hinsichtlich des Einschreitens ein Entschließungs- und Auswahlermessen zu; mangels Gravität der beeinträchtigten Nachbarrechte ist das Ermessen jedoch insoweit nicht auf Null reduziert, als die Nachbarrechtsverletzung allein durch eine Beseitigung der baulichen Anlage ausgeräumt werden könnte (vgl. nachfolgend 2.).
1.
Die ablehnende Entscheidung der Beklagten vom 2. Februar 2016 erweist sich insoweit als rechtswidrig, als die bauliche Anlage der Beigeladenen nicht nur in formeller, sondern auch in materieller Hinsicht baurechtswidrig ist und dadurch die Klägerin in eigenen Rechten verletzt.
Der von den Beigeladenen errichtete Terrassenanbau ist in formeller Hinsicht baurechtswidrig, da das Vorhaben baugenehmigungspflichtig ist und ohne Baugenehmigung errichtet wurde (Art. 55 Abs. 1 BayBO). Eine Genehmigungsfreiheit des Vorhabens nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 g) BayBO als Terrassenüberdachung mit einer Fläche bis zu 30 qm und einer Tiefe bis zu 3 m ist unter Berücksichtigung der seitlichen Aufbauten nicht gegeben. Vielmehr ist bei der streitgegenständlichen Terrassenüberdachung verbunden mit den seitlichen Aufbauten von einer baulichen Anlage mit gebäudeähnlicher Wirkung auszugehen. Der Anbau stellt sich gemäß § 2 Abs. 2 BayBO als selbstständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlage dar, die von Menschen betreten werden kann. Auch eine Verfahrensfreiheit als Grenzmauer nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 a) BayBO ist unter Berücksichtigung dessen, dass die seitlichen Aufbauten sich als untrennbarer Teil des Terrassenanbaus, mithin als einheitliche, selbstständige bauliche Anlage darstellen, nicht gegeben. Schließlich könnte es sich beim Terrassenanbau im Hinblick auf die dadurch bezweckten Nutzungsmöglichkeiten gerade angesichts der Überdachung und der teilweisen Seitenwände um eine Erweiterung des Wohnhauses handeln, die genehmigungspflichtig wäre.
Die bauliche Anlage erweist sich wegen Verstoßes gegen das nachbarschützende bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht auch als materiell baurechtswidrig.
Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind vor den Außenwänden von oberirdischen Gebäuden Abstandsflächen freizuhalten. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf.
Zu den planungsrechtlichen Vorschriften nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO gehört zwar auch die Festsetzung einer Baulinie nach § 23 Abs. 2 BauNVO. Dagegen sind die Vorschriften über die Baugrenzen für Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO insoweit ohne Belang, als diesen Vorschriften eine unmittelbare Anknüpfung an die jeweilige Grundstücksgrenze fehlt. Bauplanungsrechtliche Festsetzungen über Baugrenzen betreffen lediglich die überbaubaren Flächen der Grundstücke und lassen dabei die Frage offen, ob an die Grundstücksgrenze gebaut werden muss oder darf. Baugrenzen nehmen auf den Abstand eines Gebäudes zur Grundstücksgrenze nur indirekt Einfluss. Reicht eine Baugrenze bis an die Grundstücksgrenze heran, so bedeutet dies, dass wegen des Abstandsflächenrechts diese Fläche womöglich nicht vollständig überbaut werden kann (vgl. Dohm/Franz/Rauscher in Simon/Busse, BayBO, Stand 01/2016, Art. 6 Rn. 49).
Entgegen der Auffassung der Beklagten im ablehnenden Bescheid vom 2. Februar 2016 treten die Abstandsflächenvorschriften nicht hinter die Festsetzungen bezüglich der überbaubaren Grundstücksfläche in einem Bebauungsplan zurück (vgl. VGH BW, B. v. 10.4.1995 – 3 S 608/95 – juris Rn. 5). Da die Baugrenze lediglich eine äußerste Grenze bestimmt, die nicht überschritten werden darf, ein Zurücktreten hinter diese aber erlaubt (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO), werden dadurch die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften nicht berührt und sind weiter zu beachten (vgl. VGH BW, B. v. 10.4.1995, a. a. O.).
Eine abweichende planungsrechtliche Vorschrift ergibt sich auch nicht aus der im Bebauungsplan festgesetzten offenen Bauweise als Hausgruppe gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO. Die Festsetzung der offenen Bauweise betrifft allein die Anordnung der Gebäude auf dem Baugrundstück im Verhältnis zu den seitlichen Grenzen der Nachbargrundstücke. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Doppelhaus im Sinne von § 22 Abs. 2
BauNVO eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer baulichen Einheit zusammengefügt werden (vgl. BVerwG, U. v. 24.2.2000 – 4 C 12.98 –
BVerwGE 110, 355; U. v. 19.3.2015 – 4 C 12.14 – BayVBl. 2015, 642; B. v. 14.9.2015 – 4 B 16.15 – juris). Dabei ist das Erfordernis der baulichen Einheit nur erfüllt, wenn die beiden Gebäude in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinander gebaut werden. Die Frage, ob sich ein Anbau an der gemeinsamen Grundstücksgrenze noch innerhalb der baulichen Einheit bewegt, beurteilt sich allein nach dem Merkmal des wechselseitigen Verzichts auf seitliche Grenzabstände, mit dem eine spezifisch bauplanerische Gestaltung des Orts- und Straßenbildes verfolgt wird (vgl. BayVGH, B. v. 5.1.2016 – 1 ZB 15.606 – juris Rn. 8). Zwar mag die Terrasse als Teil des Hauptbaukörpers die Doppelhausqualität nicht in Frage stellen, so dass sie nach § 22 Abs. 2 BauNVO an der Grundstücksgrenze errichtet werden darf (vgl. BayVGH, B. v. 5.1.2016, a. a. O.). Gleichwohl handelt es sich vorliegend aufgrund der seitlichen Aufbauten und der Terrassenüberdachung um eine bauliche Anlage mit gebäudeähnlicher Wirkung, die sich nicht im Rahmen des wechselseitigen Verzichts auf seitliche Abstandsflächen hält, sondern vielmehr den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus vermittelt. Der harmonische Gesamtkörper der Hausgruppe als bauliche Einheit wird bei einem solchen Anbau mit einer Tiefe von 4 m wohl nicht mehr gewahrt. Die streitgegenständliche Terrassenüberdachung mit ihren seitlichen Aufbauten ist somit eine abstandsflächenpflichtige Anlage gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO, da sie, wie ausgeführt, Gebäudequalität aufweist. Das Abstandsgebot an der gemeinsamen Grundstücksgrenze kann nur auf Grundlage der Gegenseitigkeit überwunden werden. Die Zulässigkeit einer Grenzbebauung setzt daher den wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze voraus. Dieser Verzicht bindet die benachbarten Grundstückseigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs ein; die enge Wechselbeziehung erfordert, dass die Einzelgebäude im Wesentlichen deckungsgleich aneinander gebaut sein müssen (vgl. VG München, U. v. 19.11.2012 – M 8 K 11.5706 – juris Rn. 48).
Eine solche Deckungsgleichheit bzw. die Wahrung der baulichen Einheit der Hausgruppe ist bei dem streitgegenständlichen Anbau nicht mehr gegeben. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten durch Bescheid vom 2. Februar 2016 erweist sich daher insoweit als rechtswidrig, als die Beklagte von einer bauplanungsrechtlichen Dispensierung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ausgegangen ist.
Die von der Klägerin angegriffene bauliche Anlage der Beigeladenen stellt sich somit sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht als baurechtswidrig dar. Die Klägerin hat daher einen Anspruch auf erneute ermessensgerechte Entscheidung nach Art. 76 Satz 1 BayBO.
2.
Darüber hinaus sind die klägerischen Nachbarrechte durch den fehlenden Grenzabstand nicht so gravierend beeinträchtigt, dass nur eine Beseitigung in Form eines Rückbaus in Betracht kommen kann.
Eine Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich des bauaufsichtlichen Einschreitens in Form einer Rückbauverpflichtung ist nur dann anzunehmen, wenn eine besondere Intensität der Störung oder der Gefährdung nachbargeschützter Rechtsgüter gegeben ist, wenn eine unzumutbare, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für hochwertige Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit droht oder sonst unzumutbare Belästigungen abzuwehren sind (vgl. BayVGH, B. v. 18.6.2008 – 9 ZB 07.497 – juris). Ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn durch die Gewährung von Ausnahmen oder Befreiungen bzw. Abweichungen auf andere Art und Weise als durch eine Beseitigungsanordnung rechtmäßige Zustände hergestellt werden können (vgl. BayVGH, B. v. 21.5.2001 – 1 ZB 00.3206 – juris). Von einer Ermessensreduzierung auf Null ist dann auszugehen, wenn von der rechtswidrigen Nutzung Beeinträchtigungen ausgehen, die einen erheblichen Grad erreichen, und wenn die Abwägung der Beeinträchtigung des Nachbarn mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Übergewicht der Interessen des Nachbarn ergibt. Darüber hinaus bedeutet eine Verpflichtung zum Einschreiten hinsichtlich des Entschließungsermessens nicht zwangsläufig, dass die Verletzung der Nachbarrechte allein durch eine Vollbeseitigung der inmitten stehenden Anlage ausgeräumt werden könnte; vielmehr stehen der Behörde im Rahmen des Auswahlermessens durchaus Handlungsalternativen, wie beispielsweise die Aufforderung zur Stellung eines Bauantrags und gegebenenfalls einer Abweichung von den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften offen (vgl. BayVGH, B. v. 14.8.2006 – 22 ZB 05.2608 – juris). Dies gilt umso mehr, als ein Anspruch auf bauaufsichtsrechtliches Einschreiten immer nur soweit gehen kann, wie die Rechtsverletzung wirkt.
Hinsichtlich der Gravität der Beeinträchtigungen ist vorliegend trotz der langen Untätigkeit der Beklagten zu berücksichtigen, dass die bisher auf dem Grundstück der Klägerin bestehende Trennwand zwischen den Terrassen sowie die darüber liegenden Balkone bereits bislang eine Verschattungswirkung für die Klägerin ergeben haben. Unmittelbar neben dem grenzständischen Anbau befindet sich der Kellerabgang auf dem Grundstück der Klägerin, auf den sich im Wesentlichen die Verschattungswirkung erstreckt. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass durch den streitgegenständlichen Anbau keine reine Südseite verschattet wird. Darüber hinaus könnte sich möglicherweise eine Genehmigungsfähigkeit im Wege der Abweichung insoweit ergeben, als eine zu fordernde Atypik gegebenenfalls dann angenommen werden könnte, wenn sich in der Reihenhauszeile bzw. im Plangebiet bereits entsprechende Terrassenüberdachungen bzw. -anbauten finden würden (vgl. VG Ansbach, U. v. 7.9.2015 – AN 9 K 15.00573 – juris Rn. 57).
Nachdem die Behörde vorliegend kein Ermessen ausgeübt hat, da sie von materieller Baurechtmäßigkeit der baulichen Anlage ausging, und die Beeinträchtigung nachbarlicher Rechte keine solche Gravität aufweist, dass nur im Wege der Beseitigung rechtmäßige Zustände hergestellt werden könnten, hat die Klägerin vorliegend keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten auf Erlass eines Rückbaubescheids, sondern lediglich einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 709 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.


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