Baurecht

Nachbarklage bei heranrückender Wohnbebauung an Schweinezuchtbetrieb

Aktenzeichen  15 ZB 19.2305

Datum:
27.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14602
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 2, § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Eine heranrückende Wohnbebauung verletzt gegenüber einem bestehenden emittierenden Betrieb das Gebot der Rücksichtnahme, wenn ihr Hinzutreten die rechtlichen immissionsbezogenen Rahmenbedingungen, unter denen der Betrieb arbeiten muss, gegenüber der vorher gegebenen Lage verschlechtert. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ergeben sich zusätzliche Rücksichtnahmepflichten, weil die beabsichtigte Wohnbebauung näher heranrückt als die vorhandene oder weil die störempfindliche Bebauung in einer Richtung geplant ist, in die die Anlage bisher ungehindert emittieren darf, und ist deshalb mit einer Verschärfung der immissionsschutzrechtlichen Anforderungen an die Anlage zu rechnen, ist das störempfindliche Vorhaben regelmäßig gegenüber dem Betrieb rücksichtslos. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 7 K 18.575 2019-09-26 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beigeladene trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beigeladene wendet sich mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 26. September 2019, mit dem auf die Anfechtungsklage des Klägers, der auf einem westlich benachbarten, in seinem Eigentum stehenden Grundstück (FlNr. … der Gemarkung …*) einen Schweinezuchtbetrieb betreibt, die ihr vom Landratsamt S* … mit Bescheid vom 19. Juli 2017 erteilte Baugenehmigung für das Vorhaben „Sanierung der Hofstelle und Einbau von zwei Wohnungen“ auf der FlNr. …1 (Baugrundstück) aufgehoben wurde. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, die genehmigten Wohnungen seien ohne landwirtschaftlichen Bezug (keine Nutzung als Betriebsleiterwohnung, Ferienwohnung etc.) genehmigt worden und seien damit unabhängig von der Frage, ob eine von der Beigeladenen betriebene Pferdehaltung gem. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert sei oder nicht, hinsichtlich ihrer bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen. Das Vorhaben der Beigeladenen beeinträchtige öffentliche Belange i.S. von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB, insbesondere widerspreche es den Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB) und lasse die Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB). Auch wenn die Baugenehmigung damit am Maßstab von § 35 Abs. 2 BauGB objektiv rechtswidrig sei, folge hieraus noch keine Nachbarrechtsverletzung. Das genehmigte Bauvorhaben sei aber gegenüber dem Kläger rücksichtslos, weil es schädlichen Umwelteinwirkungen gem. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 BauGB ausgesetzt werde. Die Baugenehmigung vom 19. Juli 2017 für das nicht privilegierte Außenbereichsvorhaben verstoße daher unter dem Gesichtspunkt einer an einen (geruchsemittierenden) landwirtschaftlichen Betrieb heranrückenden Wohnbebauung zulasten des Klägers gegen das Drittschutz vermittelnde bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Auf die Verletzung des Rücksichtnahmegebots könne sich auch ein Landwirt berufen, von dessen vorhandenem Betrieb – wie vorliegend – unzumutbare Immissionen auf ein immissionsempfindliches Neuvorhaben ausgingen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
1. Der von der Beigeladenen allein geltend gemachte Zulassungsgrund gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, auf den sich die Prüfung des Senats beschränkt, liegt nicht vor bzw. ist nicht in einer Weise dargelegt worden, die den gesetzlichen Anforderungen gem. § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO genügt.
Ernstliche Zweifel im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BayVGH, B.v. 27.8.2019 – 15 ZB 19.428 – juris Rn. 10 m.w.N.).
a) Eine heranrückende Wohnbebauung verletzt gegenüber einem bestehenden emittierenden (insbes. landwirtschaftlichen) Betrieb das Gebot der Rücksichtnahme (zum Inhalt vgl. BayVGH, B. B.v. 4.12.2019 – 15 CS 19.2048 – juris Rn. 23 m.w.N.), das als nachbarschützender bauplanungsrechtlicher Genehmigungsmaßstab im vorliegenden Fall über § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB Anwendung findet (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2017 – 4 C 3.16 – BVerwGE 159, 187 = juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 10.5.2016 – 2 B 16.231 – juris Rn. 26), wenn ihr Hinzutreten die rechtlichen immissionsbezogenen Rahmenbedingungen, unter denen der Betrieb arbeiten muss, gegenüber der vorher gegebenen Lage verschlechtert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Betrieb aufgrund der hinzutretenden Bebauung mit nachträglichen immissionsschutzrechtlichen Auflagen rechnen muss (vgl. BayVGH, B.v. 21.8.2018 – 15 ZB 17.2351 – juris Rn. 11 m.w.N.; U.v. 27.2.2020 – 2 B 19.2199 – Rn. 41, 42 m.w.N.).
b) Das Verwaltungsgericht hat sich mit der diesbezüglichen Problematik bereits in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils vom 26. September 2019 inhaltlich ausführlich auseinandergesetzt und sich dabei auf eine im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren von dem Beklagten vorgelegte und nach einer Ortseinsicht am 16. Juli 2019 erstellte Fachexpertise des Umweltingenieurs des Landratsamts S* … (Sachgebiet 3.2) vom 24. Juli 2019 (der vorher im Genehmigungsverfahren nicht beteiligt war) gestützt.
b) Dem hat die Beigeladene im Zulassungsverfahren nichts Substantielles entgegengesetzt:
aa) Dritte – wie hier der Kläger als Nachbar – können sich mit einer Anfechtungsklage nur dann mit Aussicht auf Erfolg gegen eine Baugenehmigung zur Wehr setzen, wenn diese rechtswidrig ist sowie die Rechtswidrigkeit auf der Verletzung einer Norm beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Dritten zu dienen bestimmt ist (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris Rn. 4 m.w.N.; allg. zur Schutznormtheorie vgl. z.B. BayVGH, B.v. 30.7.2019 – 15 CS 19.1227 – juris Rn. 15; Hess-VGH, B.v. 3.3.2016 – 4 B 403/16 – NVwZ 2016, 1101 = juris Rn. 12; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 89).
bb) Ein allgemeiner – dem Gebietserhaltungsanspruch im Geltungsbereich eines Bebauungsplans oder im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 2 BauGB (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 – BVerwGE 94, 151 = juris Rn. 11 ff.; BayVGH, B.v. 24.2.2020 – 15 ZB 19.1505 – juris Rn. 6 m.w.N.) vergleichbarer – bauplanungsrechtlicher Anspruch des Nachbarn auf die Bewahrung des Außenbereichs und damit ein Abwehranspruch gegen Vorhaben, die im Außenbereich objektiv nicht genehmigungsfähig sind, besteht nicht. § 35 BauGB kommt nicht die Funktion einer allgemein nachbarschützenden Norm zu. Der Kläger ist hinsichtlich des bauplanungsrechtlichen Nachbarschutzes dann von vornherein auf das Rücksichtnahmegebot beschränkt (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 3.4.1995 – 4 B 47.95 – BRS 57 Nr. 224 = juris Rn. 2 f.; B.v. 28.7.1999 – 4 B 38.99 – NVwZ 2000, 552 = juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 13.1.2014 – 2 ZB 12.2242 – juris Rn. 12; B.v. 23.1.2018 – 15 CS 17.2575 – juris Rn. 20 m.w.N.). Auf Letzteres hat aber – was auch die Antragsbegründung erkennt und ausführt – das Verwaltungsgericht entscheidungstragend abgestellt.
c) Soweit die Beigeladene vorbringt, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine Drittschutzverletzung des Klägers unter dem Gesichtspunkt des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme über § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB angenommen, hat sie mit ihrer Antragsbegründung vom 13. Dezember 2019 nicht den Anforderungen genügt, die § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO an die Geltendmachung des Berufungszulassungsgrunds des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO stellt.
In der im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren vorgelegten Stellungnahme des Umweltingenieurs des Landratsamts vom 24. Juli 2019 (vgl. Bl. 28 ff. der VG-Akte RO 7 K 18.575, mit Lichtbildern der Ortseinsicht Bl. 34 f.), auf die in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts entscheidungstragend abgestellt wird, heißt es (auszugsweise):
„Aus fachtechnischer Sicht wird zum Bauvorhaben der Frau B* … H* … folgende Stellungnahme abgegeben:
(…)
2. Auf der landwirtschaftlichen Hofstelle des Klägers M* … werden 75 Zuchtsauen, 350 Aufzuchtferkel, 20 Jungsauen und 20 Mastschweine gehalten. Die Stallanlagen hierzu befinden sich im östlichen Grundstücksbereich der Hofstelle auf der Flur-Nr. … und sind somit entlang des Weges (Flur-Nr. …*) angeordnet. Auf der Hofstelle M* … werden somit derzeit insgesamt Tiere mit einer GV-Zahl von 43,3 gehalten.
(…)
4. Schweineställe müssen zwangsbelüftet werden. Zur Belüftung der Stallungen werden insgesamt sechs Abluftkamine betrieben. Vom Osten, vom Weg (Flur-Nr. …*) östlich der Stallungen aus gesehen, sind insgesamt fünf Abluftkamine zu sehen. Bei drei Kaminen befindet sich die Kaminmündung (geschätzt) ca. 5 – 6 Meter über dem vorhandenen Gelände. Die Kaminmündung des vierten Kamins liegt deutlich höher, geschätzt bei ca. 10 Meter über dem vorhandenen Gelände. Ein sechster Abluftkamin ist auf der westlichen Dachhälfte angeordnet. Dieser Kamin ist von der Ostseite her nicht zu sehen.
5. Der Hauptteil der an den geplanten beiden Wohnungen hervorgerufenen Geruchsbelastung entstammt der Abluft der fünf östlichen und von den Wohnungen her einsehbaren Kaminen.
6. Der kürzeste Abstand von der Außenwand des Ferkelstalles bis zum nächstgelegenen geplanten Wohnraumfenster der Wohnung auf der Westseite beträgt lediglich ca. 19 Meter. Der kürzeste Abstand vom Wohnraumfenster auf der Nordseite der geplanten Wohnung 2 zum nächstgelegenen Kamin beträgt ca. 25 Meter.
(…)
8. Sofern Gerüche aus der Landwirtschaft zu beurteilen sind und der Mindestabstand zu Tierhaltungsanlagen oder Immissionsorten zu ermitteln ist, wird dieser im Regelfall entsprechend den Vorgaben der VDI 3894, Blatt 2, November 2012 (Emissionen und Immissionen aus Tierhaltungsanlagen – Methode zur Abstandsbestimmung Geruch) ermittelt.
9. Damit die VDI 3894 zur Anwendung kommen kann, muss der Geltungsbereich dieser VDI erfüllt sein. Dieser ist neben anderen Kriterien beschränkt auf einen Abstand zwischen Stall und Immissionsort von 50 Metern oder mehr. Bei einem kürzesten Abstand zur Stallaußenwand von lediglich ca. 19 Metern bzw. ca. 25 Metern zum Kamin, ist der Geltungsbereich nicht erfüllt und der konservative Charakter der Richtlinie ist nicht mit hinreichender Sicherheit gewährleistet. Die Richtlinie kann somit nicht angewendet werden; es muss eine Sonderfallprüfung durchgeführt werden.
10. Neben dem geringen Abstand zum Stallgebäude und den Kaminen ist bei der Beurteilung zu berücksichtigen, dass die beiden Wohnungen im 1. Stock errichtet werden sollen. Bei der Höhe der Kaminmündungen von lediglich ca. 6 Meter über dem vorhandenen Gebäude befinden sich die Wohnraumfenster im 1. Stock auf Höhe der Kaminmündungen. Diese höhengleiche Lage der Kaminmündungen und der Wohnraumfenster führt zu verstärkten Geruchsimmissionen.
11. Bei Windstille ist ferner davon auszugehen, dass sich um die Kamine eine Geruchswolke ausbildet, die die benachbarten Gebäude quasi einhüllt und die Geruchsimmissionen weiter verstärkt.
12. Bei der Ortseinsicht herrschte Nordwind. Während der gesamten Dauer der Ortseinsicht konnten im gesamten begangenen Bereich deutliche Geruchsimmissionen aus der Schweinehaltung wahrgenommen werden. Diese Geruchsimmissionen waren naturgemäß insbesondere im Bereich der Flur.Nr. … (Weg zwischen Stall und geplanten Wohnungen) deutlich und auch zum Teil als unangenehm wahrzunehmen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich die Fenster der Wohnungen im ersten Stock befinden und die Gerüche hier – höhengleich zu den Kaminmündungen – noch intensiver wahrgenommen werden. Des Weiteren waren Gerüche aus der Schweinehaltung auch im ‚Innenhof‘ des Anwesens der Beigeladenen wahrzunehmen.
13. Aufgrund der vorstehend beschriebenen Geruchswahrnehmungen während der Ortseinsicht scheidet aus fachtechnischer Sicht eine architektonische Selbsthilfe in Form von nicht öffenbaren Fenstern auf der dem Stall zugewandten Seiten aus. Die Raumlüftung müsste nämlich dann auf den dem Stall abgewandten Seiten, also in Richtung des ‚Innenhofs‘ erfolgen. Aber auch auf dieser Seite sind Geruchsimmissionen wahrzunehmen und würden schließlich in die Wohnbereiche im Innern der Wohnungen gelangen.
(…)
16. Der kürzeste Abstand der beiden Gebäudeaußenwände zueinander beträgt ca. 19 Meter, der kürzeste Abstand vom nächstgelegenen Wohnraumfenster zum Kamin ca. 25 Meter. Bei der Sonderfallprüfung ist zu prüfen, ob dieser Abstand zum Stall des Klägers M* … ausreicht. Als bemerkenswert ist zu erwähnen, dass auch bei Rinderstallungen bei Bauvorhaben der Mindestabstand zwischen Stall und Wohnungen zu ermitteln ist. Der Bayerische Arbeitskreis ‚Immissionsschutz in der Landwirtschaft‘ hat hierzu in Kapitel 3.3.2 (Abstandsregelungen für Rinderhaltungen) Vorgaben erarbeitet. In Bild 4 ist graphisch dargestellt, welche Abstände sich bei verschiedenen GV-Zahlen ergeben. Wird der hier vorliegende Tierbestand mit 43,3 GV zu Grunde gelegt, ergäbe sich bei Rindern der Abstand zu Wohnhäusern im Dorfgebiet, bei dem schädliche Umwelteinwirkungen zu vermuten sind, zu ca. 15 Meter. Ab 29 Meter Abstand könnte eine immissionsschutzrechtliche Zustimmung erfolgen („grüner“ Bereich in der Grafik). Für Abstände dazwischen ist eine Einzelfallprüfung durchzuführen. Nun ist aber bekannt und unstrittig, dass Gerüche aus Schweinehaltungsbetrieben gegenüber den Gerüchen aus Rinderhaltungen vom Menschen als unangenehmer und aggressiver wahrgenommen werden. Bei dem hier gegebenen Abstand müsste also selbst bei Rinderställen eine Einzelfallprüfung erfolgen und könnte nicht automatisch eine positive Beurteilung bzgl. der Gerüche abgegeben werden.
(…)
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die beiden mit dem Bauantrag (…) beantragten Wohnungen schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt sind. Maßnahmen zur Vermeidung der Geruchsimmissionen sind nicht realisierbar. Aus immissionsschutzrechtlicher Sicht kann somit den beiden Wohnungen nicht zugestimmt werden.“
Das Verwaltungsgericht kommt unter ausführlicher inhaltlicher Auseinandersetzung mit dieser fachtechnischen Stellungnahme zum nachvollziehbaren Ergebnis, dass bereits aufgrund der bestehenden Schweinehaltung – und unabhängig von einer in einem laufenden Vorbescheidverfahren thematisierten Erweiterungsabsicht des Klägers (Errichtung eines Mastschweinestalls mit 1.000 Mastplätzen) – das streitgegenständliche Vorhaben der Beigeladenen nicht genehmigungsfähig ist. Der Kläger könne sich mit Erfolg gegen die Baugenehmigung vom 19. Juli 2017 wenden, weil durch das zugelassene Bauvorhaben unter dem Gesichtspunkt einer „heranrückenden Wohnbebauung“ das gegenseitige Gebot der Rücksichtnahme verletzt werde, weil bereits sein bestehender Betrieb (Schweinehaltung mit Ferkelzucht) mit der genehmigten Wohnnutzung nicht verträglich sei.
Die Beigeladene stellt in ihrer Antragsbegründung vom 13. Dezember 2019 ausdrücklich nicht in Abrede, dass der Kläger aktiver Landwirt ist, auf der FlNr. … einen landwirtschaftlichen Betrieb führt und dass das Baugrundstück, auf dem sie – die Beigeladene – das streitgegenständliche Vorhaben umzusetzen plant, schädlichen Umwelteinwirkungen i.S. von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 BauGB ausgesetzt wird, die von der Schweinehaltung auf dem Grundstück FlNr. … ausgehen. Soweit aus ihrer Sicht dennoch kein Abwehranspruch des Klägers aufgrund des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme bestehen soll, genügt ihr diesbezüglicher Vortrag in der Antragsbegründung nicht den Anforderungen, die § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 VwGO an die Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils stellt. Die hiernach geforderte Darlegung des Zulassungsgrundes gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erfordert eine konkret fallbezogene und hinreichend substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung; es muss konkret dargelegt werden, dass und weshalb das Verwaltungsgericht entscheidungstragende Rechts- und / oder Tatsachenfragen unrichtig entschieden hat. Eine schlichte, unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung genügt nicht. Der Rechtsmittelführer muss vielmehr konkret bei der Berufung auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist. „Darlegen“ bedeutet insoweit „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird; der Rechtsmittelführer muss im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen. Mit bloßer Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens wird dem Gebot der Darlegung im Sinn von § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO ebenso wenig genügt wie mit der schlichten Darstellung der eigenen Rechtsauffassung (BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 10 m.w.N.; B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris Rn. 14 m.w.N.).
Vor diesem Hintergrund sind die pauschal bleibenden – ohne selbst auf die konkreten Umstände des Einzelfalls eingehenden und diese im Einzelnen am Maßstab des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots konkret verwertenden – Einwendungen der Beigeladenen in der Antragsbegründung,
– dass die allgemeinen Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu den Grundsätzen des Rücksichtnahmegebots und die Zitierung der im Klageverfahren vorgelegten Stellungnahme des Umweltingenieurs des Landratsamts vom 24. Juli 2019 nicht den Anforderungen einer eingehenden richterlichen Würdigung dieser Stellungnahme genügten und
– dass das Verwaltungsgericht nicht hinterfragt habe, ob die nach den Ausführungen des Umweltingenieurs vorhandenen Geruchsbelästigungen noch als gebietstypisch hinzunehmen seien und weshalb – wie der Umweltingenieur in seiner Stellungnahme äußere – Maßnahmen zur Vermeidung der Geruchsimmissionen nicht realisierbar seien,
zu unsubstantiiert, um dem o.g. Darlegungs- und Konkretisierungsgebot aus § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO zu genügen.
Soweit die Beigeladene vorträgt, dass die vom klägerischen Schweinehaltungsbetrieb ausgehenden Gerüche in ihrem Ausmaß in der auch von Wohnbebauung geprägten Ortschaft nicht mehr gebietstypisch, sondern erheblich überhöht und infolgedessen rechtlich nicht schutzwürdig seien, spricht dies gerade für und nicht gegen die Richtigkeit der Annahme eines Abwehranspruchs wegen Verletzung des Rücksichtnahmegebots unter dem Gesichtspunkt einer heranrückenden Wohnbebauung (Gefahr des Erlasses nachträglicher immissionsschutzrechtlicher Auflagen zum Schutz der neuen Wohnnutzung). Ihr Argument, dass derjenige, der den Rahmen der Rechtsordnung überschreite, sich insoweit auch nicht auf das Rücksichtnahmegebot berufen könne, bleibt deshalb unsubstantiiert, weil die Beigeladene nicht berücksichtigt und hinterfragt, ob und inwieweit der vom Umweltingenieur des Landratsamts und vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Umfang der Schweinehaltung und der hieraus resultierende Geruchsimmissionsbeitrag Bestandsschutz genießen.
Die Darlegungsobliegenheiten (s.o.) werden auch nicht erfüllt, soweit die Beigeladene ohne nähere inhaltliche Ausführungen einwendet, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass auf ihrem Grundstück bereits Wohnnutzung seit längerer Zeit stattfinde und dass dieser kein geringerer Schutz als der beabsichtigten weiteren Wohnnutzung zukomme. Zwar ist eine Rücksichtslosigkeit aufgrund einer heranrückenden Wohnbebauung ausgeschlossen, wenn das neue störempfindliche (Wohnbau-) Vorhaben in der Nachbarschaft für den bestehenden (z.B. geruchs-) emittierenden Betrieb keine weiteren Einschränkungen zur Folge haben wird, weil er schon auf eine vorhandene, in derselben Weise störempfindliche Bebauung Rücksicht nehmen muss. Ergeben sich hingegen zusätzliche Rücksichtnahmepflichten, weil die beabsichtigte Wohnbebauung näher heranrückt als die vorhandene oder weil die störempfindliche Bebauung in einer Richtung geplant ist, in die die Anlage bisher ungehindert emittieren darf, und ist deshalb mit einer Verschärfung der immissionsschutzrechtlichen Anforderungen an die Anlage zu rechnen, ist das störempfindliche Vorhaben regelmäßig gegenüber dem Betrieb rücksichtslos (jeweils m.w.N. vgl. BayVGH, B.v. 4.8.2008 – 1 CS 07.2770 – BayVBl 2009, 208 = juris Rn. 29; B.v. 24.4.2014 – 15 ZB 13.1167 – juris Rn. 13; B.v. 5.4.2016 – 15 ZB 14.2792 – juris Rn. 4f.; B.v. 21.8.2018 – 15 ZB 17.2351 – juris Rn. 12). Konkrete, substantiierte Ausführungen hierzu finden sich in der Antragsbegründung aber nicht. Die Beigeladene begrenzt sich auf den schlichten Verweis auf eine bestehende Wohnnutzung auf ihrem Grundstück, ohne sich im Detail unter Berücksichtigung und Verarbeitung der speziell auf die beiden streitgegenständlichen Wohnungen zugeschnittenen Erwägungen des Umweltingenieurs, wie sie tragend in die Entscheidungsgründe des Urteils vom 26. September 2019 eingeflossen sind, damit auseinanderzusetzen, ob und inwiefern der Kläger auf diese bestehende Wohnnutzung auf dem Beigeladenengrundstück – etwa aufgrund ihrer Lage bzw. der Lage ihrer Fenster im Verhältnis zu den Schweineställen und deren Abluftkamine – bereits jetzt zumindest in d e r s e l b e n Weise Rücksicht nehmen muss. Zudem bleibt unklar, welche Wohnung die Beigeladene konkret meint. Sofern es sich bei der Wohnung, die sich nach den ungenauen Angaben der Beigeladenen bereits im Betriebsgebäude auf ihrem Grundstück befinden soll, um eine bereits errichtete Wohnung nach Maßgabe der vom Verwaltungsgericht aufgehobenen streitgegenständlichen Baugenehmigung handeln sollte, müsste diese als Gegenstand der streitgegenständlichen Baugenehmigung und mangels Bestandsschutzes ohnehin außer Betracht fallen. Sollte eine andere bestehende Wohnung im betroffenen ehemaligen landwirtschaftlichen Betriebsgebäude auf der FlNr. …1 gemeint sein (vgl. auch Seite 2, dritter Absatz der Antragsbegründung vom 13. Dezember 2019), ist weder nach der dem Senat vorliegenden Aktenlage noch aus dem Vortrag in der Antragsbegründung ersichtlich, wo genau diese Wohnung liegen soll und ob diese baurechtlich genehmigt wurde bzw. ohne eine erforderliche Baugenehmigung errichtet bzw. umgenutzt wurde. Sollte die Beigeladene in der Sache entgegen dem Wortlaut ihres Vorbringens (Seite 5 der Antragsbegründung: „auf dem Grundstück der Beigeladenen“) das Wohngebäude auf der südlich angrenzenden (vormals wohl zu derselben Hofstelle rechnenden) FlNr. … (L* … 2) gemeint haben (vgl. insofern auch den Hinweis des Bevollmächtigten der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 26. September 2019, Seite 4/oben des Protokolls), wäre zudem zu hinterfragen, ob diese Bestandsschutz ggf. nur als vormals gem. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiertes und ggf. als solches genehmigtes Betriebsleiterwohnhaus für einen landwirtschaftlichen Viehhaltungsbetrieb mit geringerem Schutzniveau im Vergleich zu einer (hier streitgegenständlichen) allgemeinen Wohnnutzung genießt. Denn die Pflicht, Geruchsbelästigungen hinzunehmen, erhöht sich immer dann, wenn das in Rede stehende Wohnhaus selbst der Landwirtschaft dient(e) (vgl. hierzu OVG Lüneburg, U.v. 26.11.2014 – 1 LB 164/13 – BauR 2015, 464 = juris Rn. 37; OVG NRW, B.v. 18.3.2002 – 7 B 315/02 – NVwZ 2002, 1390 = juris Rn. 11; B.v. 16.3.2009 – 10 A 259/08 – juris Rn. 23; U.v. 21.9.2018 – 2 A 669/17 – BauR 2019, 473 = juris Rn. 98 f. m.w.N.; im Fall der Lärmbelastung vgl. auch den erfolglosen Eilantrag der Beigeladenen gegen die Baugenehmigung für ein Betriebsleiterwohnhaus des Klägers: VG Regensburg, B.v. 11.4.2018 – RO 7 S 18.83). Zu alldem findet sich in der Antragsbegründung nichts.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt als Anhang bei Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019) und folgt in der Sache der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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