Baurecht

Nachbarklage, Erweiterung Lagerplatz, Beeinträchtigung der Waldnutzung, Verlegung eines öffentlichen Feld- und Waldweges

Aktenzeichen  15 ZB 22.732

Datum:
6.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 10638
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 59

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RO 7 K 18.434 2022-01-20 Ent VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Kläger wenden sich gegen die der Beigeladenen vom Landratsamt S. mit Bescheid vom 15. Februar 2018 erteilte Baugenehmigung zur Erweiterung ihres Lagerplatzes.
Die Beigeladene betreibt ein Unternehmen zur Produktion von Pflastersteinen, Platten, Mauersteinen u.ä. in F … Die Kläger sind Eigentümer des bewaldeten Grundstücks FlNr. … Gemarkung H …, das durch einen öffentlichen Feld- und W.weg (FlNr. … Gemarkung H …) getrennt, südlich des Betriebs liegt, sowie des östlich des Betriebs gelegenen ebenfalls bewaldeten Grundstücks FlNr. … Gemarkung H …
Mit Unterlagen vom 15. Oktober 2015 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung zur Erweiterung ihres Lagerplatzes auf den Grundstücken FlNr. …, …2, …4 und …2 Gemarkung H. … mit Aufschüttung, Instandsetzung und Neubau eines Zaunes im südöstlichen Bereich des Betriebs. Die Erweiterung erfasst hierbei auch das Grundstück FlNr. …4 Gemarkung H. …, das bislang Teil des öffentlichen Feld- und Waldweges war, der nunmehr südlich und westlich angrenzend an das Grundstück FlNr. …2 Gemarkung H. … in zwei rechtwinkligen Kurven um das Bauvorhaben herumgeführt wird. Das Landratsamt S. erteilte die beantragte Baugenehmigung mit Bescheid vom 18. Februar 2018.
Gegen diesen Baugenehmigungsbescheid erhoben die Kläger Klage, die vom Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 20. Januar 2022 abgewiesen wurde. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass eine Rechtsverletzung der Kläger wegen der behaupteten fehlerhaften Darstellung des Geländeverlaufs und der Geländehöhe nicht in Betracht komme, da das Abstandsflächenrecht nicht Teil des Prüfprogramms sei. Das Bauvorhaben verletze unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten S. nicht das Rücksichtnahmegebot gegenüber den Klägern. Insbesondere hinsichtlich des Grundstücks FlNr. … Gemarkung H. … verschlechtere sich die Erschließungssituation der Kläger nicht in unzumutbarer Weise, selbst wenn von dort kein Langholz mehr abgefahren werden könne. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Es liegen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch die von den Klägern geltend gemachten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) vor.
1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Kläger als Rechtsmittelführer innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) haben darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel hier nicht.
a) Soweit sich die Kläger auf fehlerhafte Bauvorlagen und eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots berufen, führt dies nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags.
Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass der Geländeverlauf und die Geländehöhe für die Bemessung der Wandhöhe und das Abstandsflächenrecht relevant sei, diese aber nicht zum Prüfprogramm der unter Geltung des Art. 59 BayBO in der bis zum 31. August 2018 geltenden Fassung erteilten Baugenehmigung vom 15. Februar 2018 gehörten. Dem tritt das Zulassungsvorbringen durch die bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags und der gegenteiligen Auffassung der Kläger nicht substantiiert entgegen.
Im Hinblick auf Einschränkungen der Waldnutzung hat das Verwaltungsgericht, insbesondere unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Amtes für Ernährung, Forsten und Landwirtschaft R.-S. vom 4. Februar 2021 ausgeführt, dass die Kappung eines Teils des Wurzelwerkes der grenznahen Bäume auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung H.… allenfalls zu einer geringeren Erhöhung der Gefährdung durch Windwurf führe und zudem keine konkrete Gefahr bestehe. Dem tritt das Zulassungsvorbringen ebenfalls nicht substantiiert entgegen, zumal sich ausweislich der Bauvorlagen schon bisher an der Westgrenze des klägerischen Grundstücks FlNr. … Gemarkung H.… zum Betrieb der Beigeladenen ein Bestandszaun befand und sich das Bauvorhaben nur zu einem geringen Teil entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze der FlNrn. … und … Gemarkung H. … erstreckt, die insgesamt mehr als 300 m beträgt. Die vom Bauvorhaben weiter umfassten Grundstücke weisen demgegenüber überhaupt keine (FlNrn. …2 und …2 Gemarkung H. …. bzw. nur eine Punktgrenze (FlNr. …4 Gemarkung H. ….) zum klägerischen Grundstück FlNr. … Gemarkung H. … auf.
Betreffend das Abasten vorhandener Bäume hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass es keinen öffentlich-rechtlichen Bestandsschutz grenznaher Bäume gebe. Die Behauptung der Kläger, das Verwaltungsgericht habe sich hiermit nicht befasst, ist damit weder zutreffend, noch substantiiert, um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts darzulegen.
Gleiches gilt für die Frage der Waldverjüngung und die von den Klägern behaupteten Einflüsse des Bauvorhabens auf die Waldnutzung im Hinblick auf Belüftung und Besonnung. Das Verwaltungsgericht hat hierzu unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten R.-S. vom 4. Februar 2021 in den Urteilsgründen ausgeführt, dass sich etwaige Beeinträchtigungen auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung H. … als geringfügig erwiesen und aufgrund der extremen Trockenheit der letzten Jahre die genehmigte Stützmauer sogar einen gewissen Schutz vor Vertrocknung biete. Unter Berücksichtigung der o.g. Grundstückslage und dem Umfang des Bauvorhabens tritt das Zulassungsvorbringen dem nicht substantiiert entgegen, zumal die fachlichen Äußerungen des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten regelmäßig geeignet sind, dem Verwaltungsgericht die erforderliche Sachkunde zu vermitteln (vgl. BayVGH, B.v. 13.11.2017 – 15 ZB 16.1885 – juris Rn. 55).
b) Der Antrag bleibt auch insoweit erfolglos, als sich die Kläger auf eine Verschlechterung der Erschließungs- und Bewirtschaftungssituation ihres Grundstücks FlNr. … Gemarkung H. … berufen.
Das Verwaltungsgericht stellt hinsichtlich des Grundstücks FlNr. … Gemarkung H. … darauf ab, dass die Verlegung des öffentlichen Feld- und Waldweges nicht Regelungsgegenstand der Baugenehmigung ist und damit nicht von deren Feststellungswirkung erfasst wird. Dies ist nicht ernstlich zweifelhaft und wird vom Zulassungsvorbringen auch nicht in Frage gestellt. Vom Regelungsgegenstand der Baugenehmigung sind die in Art. 59 BayBO zu prüfenden Vorschriften erfasst; die Verlegung des öffentlichen Feld- und Waldweges oder eine eventuelle Umwidmung nach Art. 6 BayStrWG unterliegen weder nach dem Bayerischen Straßen- und Wegerecht noch nach der BayBO einer Konkurrenz- oder Konzentrationsvorschrift. Soweit das Verwaltungsgericht gleichwohl Auswirkungen des Bauvorhabens auf die Erschließungssituation und die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks FlNr. … Gemarkung H.… der Kläger prüft, kommt es hierauf nicht an. Zwar kann die Inanspruchnahme eines Straßengrundstücks durch einen Überbau eine genehmigungspflichtige Sondernutzung i.S.d. Art. 18 BayStrWG darstellen, für die im Rahmen der Baugenehmigung nach Art. 21 Satz 2 BayStrWG das Einvernehmen der für die Sondernutzung zuständigen Behörde einzuholen wäre (vgl. BayVGH, U.v. 24.5.2011 – 1 B 11.369 – juris Rn. 40; B.v. 9.2.2009 – 8 CS 08.3321 – juris Rn. 19). Hier wurde der öffentliche Feld- und W.weg jedoch ausweislich der Schreiben des Landratsamts an die Kläger vom 12. März 2018 (Behördenakte Bl. 39) und vom 22. April 2021 (Behördenakte Tektur Bl. 23) jeweils unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Regierung von Niederbayern entsprechend Art. 6 Abs. 8 BayStrWG „unerheblich verlegt“, so dass insoweit keine Prüfungspflicht der Baugenehmigungsbehörde nach Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO besteht. Auf eine mögliche – vom Verwaltungsgericht geprüfte und unter Würdigung der schriftlichen Stellungnahmen des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie den Ausführungen des Vertreters des Amtes in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 20. Januar 2022 verneinte – Verletzung des Anliegergebrauchs nach Art. 17 BayStrWG wegen der geltend gemachten unzumutbaren Beeinträchtigung erforderlicher Zugänge und Zufahrten kommt es damit nicht an.
c) Soweit dem Zulassungsvorbringen im Hinblick auf die geltend gemachten Bewirtschaftungserschwernisse und Einbußen der Kläger die Rüge fehlender Sachkunde und mangelnder Aufklärung des Verwaltungsgerichts zu entnehmen sein sollte, bleibt der Antrag ebenfalls erfolglos.
Werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils aus einem Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts hergeleitet, wird ein Zulassungsgrund nur dann ausreichend dargelegt, wenn dem Darlegungserfordernis der Verfahrensrüge genügt wird. Entspricht das Vorbringen diesen Anforderungen, kommt eine Zulassung nur in Betracht, wenn auch eine entsprechende Verfahrensrüge zu einer Zulassung führen würde. Bei der Geltendmachung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (vgl. BVerwG, B.v. 30.7.2010 – 8 B 125.09 – juris Rn. 23 m.w.N.; BayVGH, B.v. 15.1.2014 – 15 ZB 12.163 – juris Rn. 4). Danach kommt hier eine Zulassung der Berufung nicht in Betracht, denn die anwaltlich vertretenen Kläger haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bereits keinen Beweisantrag gestellt. Die Aufklärungsrüge dient jedoch nicht dazu, Versäumnisse eines anwaltlich vertretenen Verfahrensbeteiligten zu kompensieren (vgl. BVerwG, B.v. 15.7.2019 – 2 B 8.19 – juris Rn. 9; B.v. 15.9.2014 – 4 B 23.14 – juris Rn. 19). Nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts musste sich diesem auch keine weitere Sachaufklärung aufdrängen (vgl. BayVGH, B.v. 13.11.2017 – 15 ZB 16.1885 – juris Rn. 55).
2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Dem Zulassungsvorbringen lässt sich bereits nichts über das zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Dargelegte hinaus entnehmen, was sich nicht nach den obigen Ausführungen ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren klären ließe. Besondere Schwierigkeiten im Sinne offener Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht; die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Kläger genügt hierfür nicht (vgl. BayVGH, B.v. 14.4.2022 – 15 ZB 21.2827 – juris Rn. 19). Die Rechtssache weist auch keine entscheidungserheblichen Fragen auf, die in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereiten, sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren herausheben (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2020 – 15 ZB 19.1505 – juris Rn. 18).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Da die Beigeladene im Zulassungsverfahren einen rechtlich die Sache förderlichen Beitrag geleistet hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhält (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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