Baurecht

Nachbarklage gegen Baugenehmigung für Neubau eines Mehrfamilienhauses

Aktenzeichen  15 B 20.2120

Datum:
1.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 4160
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 6, Art. 63
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1
VwVfG Art. 37

 

Leitsatz

1. Ob einem Bauvorhaben eine Zusammenlegung mehrerer bisher selbstständiger Flurnummern zugrunde liegt, ist unerheblich für die Beurteilung, ob das Gebot der Rücksichtnahme eingehalten wird. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Kläger kann sich auf einen Verstoß gegen Abstandsflächenvorschriften nicht berufen, wenn er selbst mit seinem Gebäude an der Grundstücksgrenze zum Nachbarn in quantitativ und qualitativ vergleichbarer Weise die Abstandsflächenvorschriften nicht einhält. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 6 K 19.1137 2020-05-19 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I.    Die Berufung wird zurückgewiesen.     
II.    Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.     
III.    Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.     
IV.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.
1. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Kläger durch die dem Beigeladenen erteilte streitgegenständliche Baugenehmigung nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Senat folgt den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 130b Satz 2 VwGO). Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf die Berufungsbegründung noch auszuführen:
a) Der Einwand des Klägers, die streitgegenständliche Baugenehmigung verstoße im Hinblick auf die Stellplätze gegen den Grundsatz der Bestimmtheit (Art. 37 BayVwVfG) greift schon deshalb nicht durch, weil aus den mit einem Genehmigungsvermerk der Beklagten versehenen Bauplänen (insbesondere „Grundrisse, Ansichten“) Lage und Zahl der genehmigten (12) Stellplätze klar hervorgeht. Sonstige Unklarheiten können auch nicht im Hinblick darauf bestehen, dass auf Anforderung der Beklagten einzelne Bauvorlagen vom Bauherrn (Beigeladenen) während des Baugenehmigungsverfahrens nachgereicht (korrigiert) worden sind. Die Baugenehmigung bezieht sich ausweislich des angefochtenen Bescheids nur auf die „mit Genehmigungsvermerk versehenen Pläne“. Die Beklagte hat die Nachbarbeteiligung im Übrigen ordnungsgemäß durchgeführt. Der Kläger hat seine im gerichtlichen Verfahren wiederholten Einwände deshalb auch bereits während des Baugenehmigungsverfahrens vorgetragen.
b) Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Urteil ausführlich begründet, weshalb das Bauvorhaben nicht gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme verstößt und sich dabei auch mit der vom Kläger angesprochenen „Dimension der Umgebungsbebauung“, dem „Gesamtvorhaben“ und der vom Kläger befürchteten „erdrückenden Wirkung“ sowie dem „Zu- und Abfahrtsverkehr“ und der Parkplatzsituation“ auseinandergesetzt. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Bewertung ist vom Senat nicht zu beanstanden, zumal sich im Berufungsverfahren neue Erkenntnisse hierzu nicht ergeben haben. Der Umstand, dass dem Bauvorhaben eine „Grundstücksverschmelzung“ (Zusammenlegung mehrerer bisher selbstständiger Flurnummern) zugrunde liegt, ist dabei für die Beurteilung, ob das Gebot der Rücksichtnahme eingehalten ist oder nicht, entgegen der Ansicht des Klägers unerheblich.
c) Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Urteil ebenfalls zutreffend ausgeführt, dass der Kläger sich auf den gerügten „Verstoß“ gegen Abstandsflächenvorschriften schon deshalb nicht berufen kann, weil er selbst mit seinem Wohngebäude an der Grundstücksgrenze zum Nachbarn (Beigeladenen) in quantitativ und qualitativ vergleichbarer Weise die Abstandsflächenvorschriften nicht einhält. Auf den vom Kläger geltend gemachten Umstand, dass er seinerzeit sein Wohngebäude (im Rahmen der Dachstuhlerneuerung) „mit Zustimmung aller angrenzenden Nachbarn“ auf die gegenwärtige Wandhöhe geändert hat und dies zum Erhalt des klägerischen Gebäudes erforderlich gewesen sei, kommt es dabei nicht an. Die dem Beigeladenen ordnungsgemäß erteilte Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften (Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO) ist im Übrigen – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt – auch deshalb nicht zu beanstanden, weil sie unter Berücksichtigung des Zwecks der Abstandsflächenvorschriften und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Beklagte bei der Erteilung der Abweichung ihr Ermessen weder „unzutreffend ausgeübt“ noch ihre Entscheidung „lediglich schematisch begründet“. Sie hat sich mit den vom Kläger im Baugenehmigungsverfahren vorgebrachten Einwänden vielmehr auch insoweit substantiiert auseinandergesetzt und ihre Entscheidung zur Erteilung der Abweichung ausführlich begründet. Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der Beigeladene sein Bauvorhaben anders hätte planen können. Ein Verstoß gegen den „Gleichheitssatz“ liegt jedenfalls nicht darin, dass das Bauvorhaben nach Ansicht des Klägers im Verhältnis zu einem anderen Nachbargrundstück die erforderliche Abstandsfläche einhalte. Unerheblich ist auch, ob die erforderliche Abstandsfläche im „Einfahrts- und Stellplatzbereich“ des streitgegenständlichen Vorhabens „zum Liegen“ kommt oder nicht. Ebenso wenig ist das „neuere Abstandsflächenrecht“ (gültig ab 1.2.2021) von Bedeutung, das ohnehin unverändert die Möglichkeit einer Abweichung von den nunmehr geltenden – die Abstandsflächen zudem grundsätzlich verkürzenden – Abstandsflächenvorschriften vorsieht (Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten billigerweise selbst, weil er keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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