Baurecht

Nachbarrechtlicher Anspruch auf behördliches Einschreiten gegen Balkonbau

Aktenzeichen  M 11 K 16.1208

Datum:
16.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 59, Art. 75
BauNVO BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Februar 2016 verpflichtet, der Beigeladenen die Errichtung eines Balkons auf dem Grundstück Fl.Nr. …, Gemarkung …, gemäß dem im Genehmigungsfreistellungsverfahren eingereichten Antrag zu untersagen.
II. Der Beklagte und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat Erfolg.
Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch darauf, dass der Beigeladenen die Errichtung eines Balkons auf dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … gemäß dem im Genehmigungsfreistellungsverfahren eingereichten Antrag untersagt wird.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Baueinstellung sind nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO gegeben.
Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden.
Das Vorhaben verstößt hier gegen das Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO.
Das Abstandsflächenrecht gehört nach Art. 59 BayBO nicht mehr zum Prüfprogramm. Dies ist jedoch unerheblich, da die Errichtung des Balkons nicht gegen die Abstandsflächenvorschriften verstößt, weil nach der Festsetzung Nr. 4.2 des Bebauungsplans die Baugrenzen entlang der Grundstücksgrenze verlaufen und demnach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO einschlägig ist, also nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss bzw. darf.
Dennoch verstößt das Vorhaben gegen das Rücksichtnahmegebot, da Zweck des Abstandsflächenrechts nicht nur ist die ausreichende Belichtung und Belüftung der Gebäude zu sichern. Vielmehr soll nach einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Dezember 2014 (1 B 14.819) auch der so genannte „Wohnfriede“ (Sozialabstand) geschützt sein. Demnach sollen unmittelbare Einblicke begrenzt werden.
Zwar bestehen bisher eingeschossige Grenzanbauten zu den jeweiligen Nachbargrundstücken im Bebauungsplanbereich. Die Häuser sind aber so rechtwinklig an der Grundstücksgrenze gebaut, dass ein uneinsehbarer Gebäude- und Gartenbereich entsteht, zumal grenzständig keine Fenster zum Nachbargrundstück bestehen.
Durch den Balkon, der direkt an der Grundstücksgrenze im 1. Obergeschoss entstehen würde, entstünden erstmals Einblicksmöglichkeiten aus einer Höhe von etwa 3 m – 4 m in den geschützten Gartenbereich sowie in den Anbau und das Hauptgebäude des Nachbarn. Dies verstößt gegen das Rücksichtnahmegebot und führt auch zu einem Anspruch auf Einschreiten des Beklagten gegen die Beigeladene, da bei dieser massiven Beeinträchtigung der Kläger die Abwägung der jeweiligen Interessen nur zu einer Entscheidung führen kann, nämlich den Bau des Balkons zu untersagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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