Baurecht

Normenkontrollantrag gegen eine Wasserschutzgebietsverordnung

Aktenzeichen  8 N 15.2460

Datum:
26.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36182
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47, § 92 Abs. 3 S. 1, § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 159 S. 1, § 161 Abs. 2
GKG § 21 Abs. 1 S. 1, § 52 Abs. 1
BayWG 1994 Art. 85 Abs. 3
BayWG 2010 Art. 81
BayVwVfG Art. 73 Abs. 1 S. 2
ZPO § 100 Abs. 1

 

Leitsatz

Nur den Entwurf der geplanten Verordnung und den Schutzgebietsplan im Maßstab 1:5000 auszulegen,ist unzureichend. (Rn. 4 – 5) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Der Antragsgegner und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte mit Ausnahme ihrer außergerichtlichen Kosten, die sie jeweils selbst tragen.
Die Kosten für die Erstellung des durch Beweisbeschluss vom 4. Oktober 2016 eingeholten Sachverständigengutachtens werden nicht erhoben.
III. Der Streitwert wird auf 15.000 € festgesetzt.

Gründe

Das durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der beiden Hauptbeteiligten (Antragsteller vom 13.11.2020, Antragsgegner vom 19.11.2020) und des Beigeladenen (25.11.2020) beendete Verfahren ist in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden. Maßgeblich in den Blick zu nehmen sind dabei zum einen die Erfolgsaussichten der Klage, zum anderen auch eine durch eigenen Willensentschluss eines Beteiligten bewirkte Herbeiführung des erledigenden Ereignisses (vgl. BVerwG, B.v. 3.4.2017 – 1 C 9.16 – NVwZ 2017, 1207 = juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 21.8.2019 – 1 N 17.304 – juris Rn. 2).
1. Danach entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner aufzuerlegen, weil das Landratsamt mit der Aufhebung der angegriffenen Wassersschutzgebietsverordnung vom 16. Mai 2011 durch Verordnung vom 9. Oktober 2020 (KABl. Nr. 45/2020 S. 324) die Antragsteller klaglos gestellt und aus eigenem Willensentschluss das erledigende Ereignis herbeigeführt hat. Zudem wäre er im Rechtsstreit aller Voraussicht nach unterlegen; der Normenkontrollantrag hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg gehabt, weil das Normsetzungsverfahren wegen einer unzureichenden Auslegung der Planunterlagen formell fehlerhaft war und dieser Mangel dazu geführt hätte, dass der Senat die Verordnung nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam erklärt hätte.
Gegenstand der Auslegung ist nach Art. 81 BayWG 2010 i.V.m. Art. 85 Abs. 3 BayWG 1994 i.V.m. Art. 73 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG der „Plan“, der nach Art. 73 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG aus den Zeichnungen und Erläuterungen besteht, die das Vorhaben, seinen Anlass und die vom Vorhaben betroffenen Grundstücke und Anlagen erkennen lassen (so bereits BayVGH, U.v. 25.1.2008 – 22 N 04.3471 – ZfW 2010, 177 = juris Rn. 17). Der Umfang der auszulegenden Unterlagen ist im jeweiligen Einzelfall anhand von Sinn und Zweck der Auslegung zu bestimmen. Diese dient nicht nur einer frühzeitigen Information der Öffentlichkeit; ihr kommt auch eine Rechtsschutzfunktion zu, weil ein Betroffener auf Grundlage der ausgelegten Unterlagen entscheiden kann und gegebenenfalls – bei sonst drohender Präklusion – auch entscheiden muss, ob und mit welchen Argumenten er sich gegen das Vorhaben wenden sollte (vgl. BVerfG, B.v. 24.10.2017 – 1 BvR 1026/13 – NVwZ 2018, 573 = juris Rn. 58 m.w.N.). Die Betroffenen sollen durch sie in die Lage versetzt werden, Einwendungen zu erheben, die zumindest in groben Zügen erkennen lassen, welche Rechtsgüter sie als gefährdet ansehen und welche Beeinträchtigungen sie befürchten (vgl. BVerfG, B.v. 8.7.1982 – 2 BvR 1187/80 – BVerfGE 61, 82 = juris Rn. 95). Die ausgelegten Unterlagen müssen es ihnen zudem grundsätzlich ermöglichen, die Erforderlichkeit des Vorhabens infrage zu stellen und die Behörde dadurch zu einer Prüfung zu veranlassen (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.1996 – 4 C 29.94 – BVerwGE 102, 331 = juris Rn. 30; U.v. 3.3.2011 – 9 A 8.10 – BVerwGE 139, 150 = juris Rn. 22). In der Rechtsprechung des Senats ist weiterhin geklärt, dass auch die Behandlung in Betracht kommender Standortalternativen regelmäßig zum Gegenstand der auszulegenden Unterlagen gehört, damit die von einer Schutzgebietsausweisung Betroffenen substanzielle Einwendungen auch gegen die Standortwahl erheben können (vgl. BayVGH, U.v. 29.12.2011 – 22 N 08.190 – BayVBl 2012, 500 = juris Rn. 49; U.v. 12.3.2020 – 8 N 16.2555 u.a. – juris Rn. 38 f.; U.v. 8.4.2020 – 8 N 16.2210 u.a. – juris Rn. 27 jeweils m.w.N.; zur ausnahmsweisen Entbehrlichkeit der Auslegung von Unterlagen zur Alternativenprüfung vgl. BVerwG, U.v. 12.12.1996 – 4 C 29.94 – BVerwGE 102, 331 = juris Rn. 30 und 34; BVerwG, U.v. 24.11.2004 – 9 A 42.03 – juris Rn. 30).
Ausgehend hiervon erweisen sich die ausgelegten Unterlagen als unvollständig. Wie das Landratsamt selbst eingeräumt hat (vgl. Schriftsatz vom 16.10.2013 S. 2), wurde in den Verwaltungen der betreffenden Gemeinden nur der Entwurf der geplanten Verordnung und ein Schutzgebietsplan im Maßstab 1:5000 ausgelegt. Dies ist aus vorgenannten Gründen unzureichend. Die Betroffenen waren hierdurch lediglich in der Lage zu erkennen, welche Grundstücke im Geltungsbereich der geplanten Wasserschutzgebietsverordnung liegen und welchen Beschränkungen diese unterworfen werden sollen. Dieses Wissen ist jedoch nicht ausreichend, um zu entscheiden, ob und aus welchen Gründen sie Einwendungen gegen die geplante Schutzgebietsausweisung erheben sollen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Senats im Hinweisschreiben vom 2. September 2020 wird Bezug genommen.
2. Weiterhin entspricht es der Billigkeit, dass der Beigeladene zur Hälfte an den Kosten beteiligt wird, da er einen Antrag gestellt hat (vgl. Schriftsatz vom 12.12.2014), mit dem er das Begehren des Antragsgegners unterstützt hat und mit dem er unterlegen ist (vgl. § 154 Abs. 1 und 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO).
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene einen Antrag gestellt hat, mit dem er in der Sache erfolglos geblieben ist, wäre es unbillig, seine außergerichtlichen Kosten (teilweise) dem Antragsgegner aufzuerlegen.
3. Die Niederschlagung der Kosten für das erstellte Sachverständigengutachten vom 21. Mai 2020 ergibt sich aus § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GKG. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG (= § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.) werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Voraussetzung der Nichterhebung von Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung ist, dass das Gericht gegen eine klare gesetzliche Regelung verstoßen, insbesondere einen schweren Verfahrensfehler begangen hat, der offen zutage tritt, oder dass ein offensichtliches Versehen vorliegt, etwa eine eindeutige Verkennung des materiellen Rechts (vgl. BGH, B.v. 24.9.1962 – VII ZR 20/62 – NJW 1962, 2107; B. v. 4.5.2005 – XII ZR 217/04 – NJW-RR 2005, 1230; B.v. 7.1.2015 – XII ZB 143/14 – NJW-RR 2015, 385 = juris Rn. 15). Dies ist etwa der Fall, wenn eine offensichtlich überflüssige Beweisaufnahme stattgefunden hat, die nicht lediglich auf einer geänderten Rechtsauffassung des Gerichts beruht, wenn also beispielsweise Beweis über erkennbar nicht beweiserhebliche Umstände erhoben wird (vgl. OLG München v. 24.8.1998 – 11 WF 998/98 – MDR 1998, 1437 = juris Rn. 12; B.v. 10.3.2003 – 11 W 891/03 – NJW-RR 2003, 1294; B.v. 26.3.2020 – 9 W 230/20 – ZfBR 2020, 567 = juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 18.3.1999 – 23 C 98.3371 – juris Rn. 9; B.v. 15.12.2010 – 2 C 10.2471 – juris Rn. 5; Hartmann, Kostengesetze, 50. Aufl. 2020, § 21 GKG Rn. 21 m.w.N.).
So liegen die Dinge hier. Für den Rechtstreit kam es auf die inhaltlichen Ausführungen des mit Beweisbeschluss vom 4. Oktober 2016 eingeholten Sachverständigengutachtens nicht an, weil die angegriffene Wasserschutzgebietsverordnung bereits wegen des genannten formellen Mangels unwirksam war. Dieser Umstand war angesichts der oben angeführten, zum großen Teil bereits vor Erlass der angegriffenen Wasserschutzgebietsverordnung ergangenen Rechtsprechung auch offensichtlich und beruhte nicht nur auf einer geänderten Rechtsauffassung des Gerichts.
4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 7 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57), weil bei dem Normenkontrollverfahren gegen die Wasserschutzgebietsverordnung für die Antragsteller eine ähnliche Interessenlage besteht wie bei einer Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan (so im Ergebnis auch OVG Rh-Pf, U.v. 2.8.2018 – 1 C 11685/16 – UPR 2019, 158 = juris Rn. 79; VGH BW, U.v. 26.3.2015 – 3 S 166/14 – NuR 2015, 575 = juris Rn. 74).


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