Baurecht

Streitwertbemessung in einer baurechtlichen Nachbarstreitigkeit

Aktenzeichen  9 C 17.1084

Datum:
21.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG GKG § 52 Abs. 1, § 66 Abs. 6 S. 1 Hs. 2, § 68 Abs. 1 S. 1, S. 3, S. 5
Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit Nr. 9.7.1.

 

Leitsatz

Der im Streitwertkatalog unter Nr. 9.7.1 vorgesehene Pauschalrahmen für baurechtliche Nachbarstreitigkeiten erlaubt für den Regelfall eine praktikable Handhabung der Streitwertfestsetzung, vermeidet einer Nebenentscheidung nicht angemessenes, umständliches Differenzieren und macht das Prozessrisiko für die Beteiligten überschaubar (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 3 K 17.616 2017-05-15 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

Unter Abänderung von Nr. 3 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 15. Mai 2017 wird der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die anwaltlich nicht vertretenen Kläger wandten sich im erstinstanzlichen Verfahren als Nachbarn mit ihrer Anfechtungsklage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Landratsamts Fürth vom 14. Februar 2017 für die Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses mit 9 Wohneinheiten.
Zur Begründung ihrer Klage führten die Kläger aus, die Baugenehmigung verletze sie insbesondere in ihren Eigentumsrechten als Miteigentümer einer Lärmschutzwand und eines Privatwegs, über den das Vorhaben erschlossen werde.
Nachdem die Kläger ihre Miteigentumsanteile an der Lärmschutzwand und der Wegfläche an die beigeladene Bauherrin zu einem Kaufpreis von 2.500 Euro veräußert hatten, erklärten sie vereinbarungsgemäß die Rücknahme ihrer Klage. Das Verwaltungsgericht stellte das Verfahren mit Beschluss vom 15. Mai 2017 ein, entschied, dass die Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen haben und setzte den Streitwert auf 15.000 Euro fest. Der Beschluss wurde den Klägern am 19. Mai 2017 zugestellt.
Mit am 24. Mai 2017 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schreiben legten die Kläger Beschwerde gegen die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung ein. Der festgesetzte Streitwert i.H.v. 15.000 Euro sei in der Sache nicht zutreffend, weil die Kläger klargestellt hätten, dass es ihnen nicht um die Verhinderung des Bauvorhabens gegangen sei, sondern nur um die Wahrung ihrer Rechte als Miteigentümer einer angrenzenden Lärmschutzwand und einer Wegfläche, deren tatsächlicher Wert 2.500 Euro betrage.
Die Kläger beantragen,
den Streitwert auf 2.500 Euro herabzusetzen.
Das Verwaltungsgericht hat der Streitwertbeschwerde nicht abgeholfen und sie dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.
Der Beklagte regt an, den Streitwert am unteren Rahmenwert der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu orientieren.
Die anwaltlich nicht vertretene Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Bauakten des Beklagten verwiesen.
II.
Die nach § 68 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG statthafte und zulässige Streitwertbeschwerde der Kläger, über die nach § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 GKG der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet, ist zulässig und führt zur Abänderung der Streitwertfestsetzung.
Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist in verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen festzusetzen. Bei der Ausübung dieses Ermessens orientiert sich der Senat grundsätzlich an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen (NVwZ-Beilage 2013, 57; vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2017 – 9 C 17.371 – juris Rn. 4). Ein solcher Pauschalwert – hier Pauschalrahmen – erlaubt für den Regelfall eine praktikable Handhabung der Streitwertfestsetzung, vermeidet einer Nebenentscheidung nicht angemessenes, umständliches Differenzieren und macht das Prozessrisiko für die Beteiligten überschaubar (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2013 – 9 C 11.1244 – juris Rn. 7). Für Nachbarklagen in baurechtlichen Streitigkeiten sieht Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs einen Rahmen von 7.500 Euro bis 15.000 Euro vor, soweit nicht ein höherer wirtschaftlicher Schaden feststellbar ist.
Angesichts der in erster Linie geltend gemachten Beeinträchtigung der im Gemeinschaftseigentum stehenden Lärmschutzwand- und Wegfläche ist es vorliegend nicht gerechtfertigt, den Rahmen des Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs nach oben hin auszuschöpfen. Andererseits ist auch der Auffassung der Kläger nicht zu folgen, der Streitwert sei angesichts des vereinbarten Kaufpreises auf 2.500 Euro festzusetzen. Maßgebend für das klägerische Interesse an der Aufhebung der angefochtenen Baugenehmigung ist nicht die zwischen den Klägern und der Beigeladenen frei vereinbarte Kaufpreissumme für die veräußerten Miteigentumsanteile, sondern der Wert, den die Sache bei objektiver Beurteilung für die Kläger hat und wie er sich aus ihrem Antrag ergibt. Nach dem klagebegründenden Vorbringen verletzt die Baugenehmigung die Kläger zwar insbesondere in ihren Eigentumsrechten als Miteigentümer des Privatwegs, zugleich aber zumindest auch „als Nachbarn“ („mit Miteigentumsanteilen an der privaten Lärmschutzwand FlNr. …, mit vertraglich gesicherten Rechten an den Gemeinschaftsflächen … und …“). Daran gemessen ist es gerechtfertigt, den Streitwert hier mit dem unteren Rahmenwert in Höhe von 7.500 Euro festzusetzen. Für die Streitwertbemessung ist es im Übrigen ohne Belang, dass die Kläger ihre Anfechtungsklage nur fristwahrend erhoben haben und es ihnen nicht darum gegangen sei, das Bauvorhaben grundsätzlich zu verhindern.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, weil das Verfahren über die Streitwertbeschwerde gerichtsgebührenfrei ist (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG) und eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nach § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG ausgeschlossen ist. Demnach erübrigt sich auch die Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren.
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.


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