Baurecht

Teilaufhebung einer Baugenehmigung – grenzständige Garage

Aktenzeichen  AN 3 S 20.00699

Datum:
17.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 10423
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5, § 88
BayBO 2018 Art. 6 Abs. 9 S. 1 Nr. 1
BauNVO § 12 Abs. 1
BGB § 242

 

Leitsatz

1. Die Teilaufhebung einer Baugenehmigung ist ausnahmsweise möglich, wenn mehrere selbstständige Bauvorhaben in einer Genehmigung zusammengefasst sind und die Baugenehmigung materiell-rechtlich teilbar ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn nicht das Recht‚ von jeglicher Beeinträchtigung der Belichtung und Besonnung oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Verletzung hinsichtlich Belichtung, Belüftung und Besonnung scheidet in aller Regel aus, wenn die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten werden. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann sich ein Nachbar gegenüber einer Baugenehmigung in der Regel nicht mit Erfolg auf die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift berufen, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück den Anforderungen dieser Vorschrift nicht entspricht und die beidseitigen Abweichungen nicht zu schlechthin untragbaren, als Missstand zu qualifizierenden Verhältnissen führen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die den Beigeladenen am 11. November 2019 erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung und Garagen, soweit diese die zu seinem Grundstück grenzständige Garagenanlage betrifft.
Das Eckgrundstück der Beigeladenen, Fl.Nr. … der Gemarkung … (nachfolgend wird auf die Angabe der Gemarkung verzichtet; alle erwähnten Flurnummern beziehen sich auf die Gemarkung …), ist bislang unbebaut. Westlich sowie nördlich des Vorhabengrundstücks befindet sich das im Eigentum des Antragstellers befindliche und mit einem zwischen 2 m und 3 m von der Grenze des Vorhabengrundstücks entfernten Wohnhaus sowie einem zur Fl.Nr. … grenznahen Nebengebäude bebaute Grundstück Fl.Nr. … Die Grundstücke liegen innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils.
Mit Antrag 27. Juli 2019, eingegangen am 29. Juli 2019, beantragten die Beigeladenen die Baugenehmigung für die Errichtung eines „Einfamilienhauses mit Doppelgarage und Einliegerwohnung mit Einfachgarage“ auf dem Grundstück Fl.Nr. … Ausweislich der Bauvorlagen vom Juli 2019 sowie des nachgereichten Abstandsflächenplans vom 31. Oktober 2019 besteht die 9 m breite und 6,5 m lange Garagenanlage mit Flachdach sowie einer mittleren Wandhöhe von 3 m aus einer 32,03 m² großen Doppelgarage und einer 19,22 m² großen Einfachgarage. Die 9 m breite Rückwand der Garagenanlage befindet sich grenzständig zu dem westlich gelegenen Grundstück des Antragstellers und zu weiten Teilen auf Höhe des dort befindlichen Wohngebäudes. Die Zufahrt zu den Garagen erfolgt von Osten.
Die Gemeinde … erteilte ihr Einvernehmen zu dem Vorhaben. Ausweislich ihrer Stellungnahme vom 1. August 2019 füge sich das Vorhaben der Beigeladenen in die Eigenart der näheren Umgebung, welche einem Mischgebiet entspreche, ein.
Der Antragsteller erteilte seine Zustimmung zu dem Vorhaben nicht. Bereits im Genehmigungsverfahren wendete sich der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 23. August 2019 an die Gemeinde … gegen das Vorhaben der Beigeladenen und trug hierzu vor, dass sich die geplante Dreifachgarage unmittelbar auf der Grundstücksgrenze vor den Küchen- und Schlafzimmerfenstern des Antragstellers befinden würde. Die weniger als 3 m entfernten Fenster würden durch die Garagen komplett abgedeckt werden. Der Antragsteller hätte nahezu kein Tageslicht mehr in der Küche und auch an der Seite des Schlafzimmers käme kein Licht mehr herein. Er müsste daher mit künstlichem Licht und damit höherem Stromverbrauch auskommen. Darüber hinaus entstünden auch Lärmbelästigungen durch die Nutzung der Garagen sowie Abgasemissionen vor den Schlafzimmer- und Küchenfenstern.
Mit Bescheid vom 11. November 2019 erteilte der Antragsgegner den Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung für die Errichtung eines „Einfamilienhauses mit Doppelgarage und Einliegerwohnung mit Einfachgarage“ auf dem Grundstück Fl.Nr. … nach Maßgabe der im vereinfachten Genehmigungsverfahren geprüften Bauvorlagen. In den Gründen wurde ausgeführt, dass die Abstandsflächenvorschriften eingehalten seien. Die Doppelgarage an der zum Grundstück des Antragstellers gelegenen Grenze löse gemäß Art. 6 Abs. 9 BayBO keine eigenen Abstandsflächen aus, so dass diese direkt an der Grundstücksgrenze errichtet werden könne. Das Rücksichtnahmegebot werde durch das Bauvorhaben einschließlich der Garage, welche eine Länge von 9 m sowie eine mittlere Wandhöhe von 3 m aufweist, nicht verletzt.
Soweit der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 22. August 2019 mitgeteilt habe, dass der Abstand zu dem Fenster des Nachbargebäudes unter 3 m liegen würde, sei dies ein Hinweis darauf, dass das Hauptgebäude auf der Fl.Nr. … den Mindestabstand von 3 m zur Grundstücksgrenze nicht einhalte. Selbst für den Fall, dass Beeinträchtigungen gegeben wären – wie nicht -, wäre dies zu berücksichtigen und das Schutzbedürfnis des Antragstellers entsprechend geringer einzustufen.
Gemäß Auflagen zum Bescheid müssen drei angelegte Stellplätze oder Garagenplätze nachgewiesen werden.
Eine Ausfertigung des Bescheides wurde dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit Einschreiben vom 11. November 2019 gemäß Art. 4 VwZVG zugestellt.
Am 11. Dezember 2019 ließ der Antragsteller Klage gegen die Baugenehmigung des Antragsgegners vom 11. November 2019 hinsichtlich der an der Grundstücksgrenze zum Anwesen Fl.Nr. … zu errichtenden „Doppelgarage“ erheben. Als Beklagter wurde der „Landkreis …“ benannt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die an der Grenze zu seinem Grundstück zu errichtende Doppelgarage mit einer Länge von 9 m sowie einer mittleren Wandhöhe von 3 m aufgrund ihrer Höhe in Verbindung mit der Grenznähe die in seinem Wohnhaus befindliche Küche erheblich verdunkeln würde. Diese befinde sich keine 3 m von der Grundstücksgrenze entfernt. Das Küchenfenster beginne auf eine Höhe von circa 1,2 m.
Mit Schreiben vom 31. März 2020 bat der vormalige Prozessbevollmächtigte im Hinblick auf die begonnenen Ausführungsmaßnahmen zur Errichtung der Doppelgarage das Gericht, die „Beigeladenen anzuweisen, bis zu einer Entscheidung in der vorliegenden Angelegenheit weitere Ausführungsmaßnahmen zu unterlassen“. Auf Nachfrage des Gerichts mit Fax vom 1. April 2020 beantragte der Prozessbevollmächtigte schließlich mit Schreiben vom 15. April 2020, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 11. November 2019 wiederhergestellt wird, und führte hierzu aus, dass der Antragsteller das Gebäude, welches etwa zwischen 1930 und 1940 errichtet worden und mit einer Wohnfläche von nur 60 m² auf zwei Ebenen das kleinste Haus in … sei, 2004 erworben habe. Gegenüber der Dreifachgarage der Beigeladenen würden sich das Küchensowie das Schlafzimmerfenster des Antragstellers befinden. Während das Schlafzimmer noch über ein weiteres Fenster verfüge, gebe es in der Küche nur dieses eine Fenster auf einer Höhe von circa 1,20 m, welches einen Grenzabstand von circa 2,10 m zu der Grundstücksgrenze der Beigeladenen aufweise. Würde dort die 3 m hohe und 9 m lange Dreifachgarage errichtet werden, hätte der Antragsteller in seiner Küche kein Licht mehr, so dass er 24 Stunden lang künstliches Licht benötigen würde. Dies sei unzumutbar. Während der Antragsgegner im Rahmen des Genehmigungsverfahrens darauf geachtet habe, dass die Terrasse auf dem Grundstück des Antragstellers nicht unangemessen verschattet wird, sei das Gebot der Rücksichtnahme im Hinblick auf das Küchenfenster nicht beachtet worden. Keine Einwände hätte der Antragsteller hingegen, wenn nur eine Doppelgarage sowie vor seinem Küchenfenster ein Stellplatz gebaut werden würden.
Es wird sinngemäß beantragt,
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 11. November 2019 (Aktenzeichen …) wird angeordnet.
Im Rahmen der Klageerwiderung im Verfahren AN 3 K 19.02466 führte der Antragsgegner aus, dass die beklagte Baugenehmigung den Antragsteller nicht in seinen eigenen Rechten verletze.
Die Abstandsflächenvorschriften seien eingehalten. Die an der Grundstücksgrenze zum Kläger vorgesehenen Doppel- und Einzelgaragen würden die abstandsflächenrechtliche Privilegierung des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 BayBO in Anspruch nehmen können. Dass die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO eingehalten seien, bestreite auch der Antragsteller nicht. Auch auf den übrigen Seiten würden die Abstandsflächen unproblematisch in voller Tiefe auf dem Grundstück der Beigeladenen liegen.
Eine Anlage, welche nicht gegen Abstandsflächenvorschriften verstoße, verletze in der Regel auch nicht das Gebot der Rücksichtnahme. Etwas anderes gelte nur dann, wenn eine „erdrückende“ oder „einmauernde“ Wirkung von der fraglichen Anlage ausgehe. Dies sei jedoch nur bei gravierenden Höhen- und Breitenunterschieden zwischen den jeweiligen Grundstücken anzunehmen. Ein derartiger Ausnahmefall sei vorliegend nicht ersichtlich. Soweit der Antragsteller mit seinem Wohngebäude den Mindestabstand zur Grenze des Beigeladenengrundstücks selbst nicht einhalte, sei dessen Schutzbedürfnis im Übrigen als geringer einzustufen. Auch aus der Lage der Garagen ließen sich keine unzumutbaren Störungen entnehmen. Der Antragsteller habe die nach § 12 Abs. 1 BauNVO zulässige Garagen und die durch zu- und abfahrende Fahrzeuge entstehenden Belästigungen durch den Anwohnerverkehr als sozialadäquat hinzunehmen.
Am 14. April 2020 teilte der Antragsgegner auf Nachfrage des Gerichts im Hinblick auf die vorhandenen Gebäude auf dem Grundstück des Antragstellers, Fl.Nr. …, mit, dass diesbezüglich weder bei der Gemeinde … noch beim Landratsamt eine Baugenehmigung vorliege; bei der Gemeinde liege lediglich eine Genehmigung für eine Ölfeuerungsanlage vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Streitgegenstand des vorliegenden Eilverfahrens ist die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 11. November 2019, soweit diese die grenzständige Garagenanlage betrifft.
Die nach § 88 VwGO zulässige und gebotene Auslegung des inmitten stehenden Antrags ergibt, dass das Begehren des Antragstellers auf einstweiligen Rechtsschutz auf die Garagenanlage sowie gegen den Freistaat Bayern als Antragsgegner gerichtet ist.
1. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner eingelegten Klage ist zulässig.
Der Antrag ist insbesondere auch statthaft, nachdem die inmitten stehende Garagenanlage aller Voraussicht nach im Hinblick auf ihre Fläche von über 50 m² kein verfahrensfreies Vorhaben im Sinne des Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 b BayBO ist.
Das Gericht verkennt nicht, dass eine teilweise Aufhebung einer Baugenehmigung in aller Regel nicht in Betracht kommt. Eine Teilaufhebung ist jedoch ausnahmsweise möglich, wenn mehrere selbstständige Bauvorhaben in einer Genehmigung zusammengefasst sind und die Baugenehmigung materiell-rechtlich teilbar ist. Letzteres ist dann der Fall, wenn die rechtlich unbedenklichen Teile nicht in einem untrennbaren inneren Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Teil stehen, sondern als selbstständige Regelungen weiter existieren können, ohne ihren ursprünglichen Bedeutungsinhalt zu verändern (vgl. VG Ansbach, U. v. 1.3.2018 – AN 9 K 15.01241 – juris unter Verweis auf BayVGH, B.v. 7.8.2012 – 15 CS 12.1147 – juris).
Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier aller Voraussicht nach vor. Überdies kommt gerade im Verfahren nach § 80 a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO eine Teilaussetzung in Betracht. Bei Entscheidungen im vorläufigen Rechtsschutz können selbst im Hauptsacheverfahren nicht mögliche Regelungen zulässigerweise getroffen werden, insbesondere dann, wenn unter Heranziehung des in Art. 44 Abs. 4 BayVwVfG enthaltenen Rechtsgedankens der verbleibende Teil der Baugenehmigung für sich Bestand haben könnte. Dies ist vor allem dann zu bedenken, wenn – wie hier – der Bauherr bei teilweiser Rechtswidrigkeit der ihm erteilten Baugenehmigung an der Verwirklichung des Bauvorhabens in dem Umfang, in dem die Baugenehmigung rechtlich nicht zu beanstanden ist, Interesse hat (VG Ansbach, B.v. 11.1.2013 – AN 3 S 12.02040 – juris unter Verweis auf BayVGH, B.v. 10.5.2012 – 2 CS 12.795 – juris).
2. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner eingelegten Klage ist jedoch nicht begründet.
Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Erhebt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte Baugenehmigung Anfechtungsklage, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches Indiz zu berücksichtigen. Fällt die Erfolgsprognose zu Gunsten des Nachbarn aus, erweist sich die angefochtene Baugenehmigung nach summarischer Prüfung also als rechtswidrig im Hinblick auf nachbarschützende Vorschriften, so ist die Vollziehung der Genehmigung regelmäßig auszusetzen. Hat dagegen die Anfechtungsklage des Nachbarn mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg, so ist das im Rahmen der Interessenabwägung ein starkes Indiz für ein überwiegendes Interesse des Bauherrn an der sofortigen Vollziehung der ihm erteilten Baugenehmigung (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris). Bei offenen Erfolgsaussichten verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
Im vorliegenden Fall überwiegen die Interessen der Bauherren an der sofortigen Vollziehung der ihnen erteilten Baugenehmigung, da die Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 11. November 2019 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Die von dem Antragsgegner erteilte Baugenehmigung verletzt nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage aller Voraussicht nach im Umfange der Anfechtung den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Antragsteller kann die streitgegenständliche Baugenehmigung mit dem Ziel der (teilweisen) Aufhebung nur dann erfolgreich anfechten, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, welche auch dem nachbarlichen Schutz dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und Gegenstand des vorliegenden vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens gemäß Art. 59 Satz 1 BayBO sind.
Derartige Vorschriften sind hier aller Voraussicht nach nicht verletzt. Eine Verletzung der nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1c BayBO prüfpflichtigen, nachbarschützenden Abstandsflächenvorschriften liegt – so das Ergebnis der durchgeführten summarischen Prüfung – nicht vor. Das Vorhaben verstößt voraussichtlich auch nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme (Art. 59 Satz 1 Nr. 1a BayBO i.V.m. §§ 29 bis 38 BauGB).
a) Eine Rechtswidrigkeit und in Folge davon eine Rechtsverletzung des Antragstellers als Nachbarn ergibt sich hier aller Voraussicht nach nicht aus dem Abstandsflächenrecht gemäß Art. 6 BayBO, da die Beigeladenen an der hier relevanten Westseite ihres Grundstückes von dem Privileg des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO Gebrauch machen durften.
Gemäß Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO sind Garagen in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen, auch wenn sie nicht an die Grundstücksgrenze oder an das Gebäude angebaut werden, mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und einer Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 m zulässig. Nach Satz 2 darf die Länge der die Abstandsflächentiefe gegenüber den Grundstücksgrenzen nicht einhaltenden Bebauung nach den Nrn. 1 und 2 auf einem Grundstück insgesamt 15 m nicht überschreiten.
Die inmitten stehende Garagenanlage der Beigeladenen, welche ausweislich der genehmigten Bauvorlagen auf einer Länge von 9 m grenzständig ist und eine mittlere Wandhöhe von 3 m aufweist, erfüllt diese Maßvorgaben. b)
Eine Verletzung bauplanungsrechtlicher Vorschriften wurde vom Antragsteller weder gerügt noch ist eine solche, insbesondere im Hinblick auf die Regelungen in § 12 BauNVO, ersichtlich.
Als möglicherweise verletzte drittschützende Norm kommt hier allenfalls das im Begriff des Einfügens gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme in Betracht.
§ 34 Abs. 1 BauGB vermittelt ausnahmsweise dann Drittschutz, wenn das darin verankerte Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme verletzt ist. Dies ist dann der Fall, wenn sich das Vorhaben nach Abwägung aller Belange, insbesondere der Interessen des Bauherren und des Nachbarn, als rücksichtslos darstellt, weil es auf besonders schutzbedürftige und qualifizierte Belange des Nachbarn intensiv einwirkt (BVerwG, U.v. 25.2.1977 – 4 C 22.75 – juris).
Das in dem Begriff des „Einfügens“ enthaltene Gebot der Rücksichtnahme bezieht sich auf die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die Grundstücksfläche, die überbaut werden soll. Für einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme reicht es nicht aus, dass ein Vorhaben sich nicht in jeder Hinsicht innerhalb des Rahmens hält, der durch die Bebauung der Umgebung gebildet wird. Hinzu kommen muss objektivrechtlich, dass es im Verhältnis zu seiner Umgebung bewältigungsbedürftige Spannungen erzeugt, die potentiell ein Planungsbedürfnis nach sich ziehen, und subjektivrechtlich, dass es die gebotene Rücksichtnahme speziell auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung vermissen lässt (vgl. BayVGH, B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris unter Verweis auf BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – juris sowie B.v. 13.11.1997 – 4 B 195.97 – juris). Aber auch ein den Rahmen wahrendes Vorhaben ist ausnahmsweise unzulässig, wenn es nicht die gebotene Rücksicht auf die Bebauung in der Nachbarschaft nimmt (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 – juris). Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Dabei ist darauf abzustellen, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris). Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn nicht das Recht‚ von jeglicher Beeinträchtigung der Belichtung und Besonnung oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst zu bejahen‚ wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats scheidet eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme hinsichtlich Belichtung, Belüftung und Besonnung in aller Regel aus, wenn – wie hier – die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten werden (vgl. etwa BayVGH, B.v. 9.2.2015 – 1 CS 14.2763 – juris; B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris; B.v. 16.8.2012 – 1 CS 12.1498 – juris; BVerwG, B.v. 22.11.1984 – 4 B 244.84 – juris; B.v. 11.1.1999 – 4 B 128.98 – juris). Das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme ist insoweit vom Landesgesetzgeber mit diesen Belangen in den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften konkretisiert worden.
Gemessen daran erweist sich das Vorhaben der Beigeladenen weder hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung und der Situierung des Gebäudes noch hinsichtlich einer damit verbundenen Verschattungswirkung auf das Gebäude des Antragstellers als rücksichtslos.
Von der streitgegenständlichen Garagenanlage, welche eine übliche mittlere Wandhöhe von 3 m sowie eine Länge von 9 m aufweist und sich zu weiten Teilen auf Höhe des Wohngebäudes des Antragstellers, welches zwischen 2 m und 3 m von der Grenze zum Beigeladenengrundstück entfernt steht, gehen nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung dieser Maßangaben kein „Einmauerungseffekt“ oder eine erdrückende Wirkung aus. Im Hinblick auf den vorhandenen Abstand zwischen den Gebäuden sowie die mittlere Wandhöhe der Garagenanlage von 3 m löst die Garagenanlage gegenüber dem Antragsteller aller Voraussicht nach keine unzumutbaren Beeinträchtigungen bezüglich Belichtung und Belüftung aus. Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf‚ dass die bisherige Bebauungs- und Belichtungssituation bestehen bleibt. Allein die mögliche Verschlechterung des Lichteinfalls und eine Verschattung des Erdgeschosses an der Ostseite des Gebäudes des Antragstellers reichen für die Bejahung einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme nicht aus. Derartige Folgen der Bebauung eines Nachbargrundstücks sind in aller Regel im Rahmen einer Veränderung der baulichen Situation hinzunehmen (BayVGH‚ B.v. 16.10.2012 – 1 CS 12.2036 – juris). Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass das Hauptgebäude auf dem Grundstück des Antragstellers, für welches offensichtlich keine Baugenehmigung vorliegt, zu der Grundstücksgrenze der Beigeladenen hin offensichtlich nicht den Mindestabstand von 3 m einhält. Nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann sich ein Nachbar gegenüber einer Baugenehmigung in der Regel nicht mit Erfolg auf die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift berufen, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück den Anforderungen dieser Vorschrift nicht entspricht und die beidseitigen Abweichungen nicht zu – gemessen am Schutzzweck der Vorschrift – schlechthin untragbaren, als Missstand (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayBO) zu qualifizierenden Verhältnissen führen.
Nach diesem Maßstab stünde dem Antragsteller, dessen wohl nicht genehmigtes Wohngebäude offensichtlich den Mindestabstand von 3 m zur Grundstücksgrenze der Beigeladenen nicht einhält, vorliegend das geltend gemachte Abwehrrecht auch dann nicht zu, wenn die Garagenanlage der Beigeladenen nicht den Anforderungen des Art. 6 BayBO entsprechen würde (vgl. etwa BayVGH, U.v. 4.2.2011 – 1 BV 08.131 – juris).
Auch im Übrigen erweist sich das Vorhaben der Beigeladenen im streitgegenständlichen Umfange nicht als rücksichtslos. Insbesondere sind die für die zugelassene Nutzung notwendigen Stellplätze einschließlich der mit ihrem Betrieb üblicherweise verbundenen Immissionen grundsätzlich hinzunehmen und als sozialadäquat zu dulden; insoweit besteht eine Vermutung der Nachbarverträglichkeit (vgl. etwa BayVGH, B.v. 19.3.2015 – 9 CS 14.2441 – juris; B.v. 18.9.2008 – 1 ZB 06.2294 – juris; B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – juris). Überdies befindet sich hier die Zufahrt zu der streitgegenständlichen Garagenanlage im Osten des Beigeladenengrundstücks, mithin abgewandt von dem Grundstück des Antragstellers.
Nach alledem sieht die Kammer in der konkreten Grundstückssituation keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme einer Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens für das Wohnanwesen des Antragstellers.
Nachdem die Klage des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne Erfolg bleibt, war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben