Baurecht

Umgestaltung eines straßenbegleitenden Kiesstreifens

Aktenzeichen  8 ZB 19.805

Datum:
24.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27416
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 4
BayStrWG Art. 9 Abs. 1 S. 1, Art. 17, Art. 47 Abs. 1
BauGB § 123 Abs. 2

 

Leitsatz

Art. 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 BayStrWG verleiht keinen subjektiven Anspruch für den einzelnen Benutzer oder Anlieger einer Straße und daher auch keine subjektive Rechtsposition auf Umgestaltung des straßenbegleitenden Kiesstreifens. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 6 K 18.1614 2019-03-06 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt die Umgestaltung eines straßenbegleitenden Kiesstreifens zur Fahrbahn einer gemeindlichen Orts straße.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung K … im Gemeindegebiet des Beigeladenen, das mit einem von ihr nicht bewohnten Einfamilienhaus und einer Garage bebaut ist. Das Grundstück ist über zwei Zufahrten von der Orts straße „A …“ zugänglich sowie über ein Tor vom angrenzenden Grundstück FlNr. …, das als öffentlicher Parkplatz genutzt wird. Das Grundstück der Klägerin grenzt direkt an die Orts straße „A …“; einen Bordstein oder Gehweg gibt es auf ihrer Seite nicht. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befinden sich die Grundstücke FlNr. … und FlNr. … Das Eckgrundstück FlNr. … ist mit einem Wohnhaus, einer Doppelgarage und einem Abstellplatz mit Carport bebaut und über eine sieben Meter breite Zufahrt zur Straße „A …“ erschlossen. Entlang des Gartenzauns am Grundstück FlNr. … befindet sich ein mit einem 0,12 m breiten Bordstein zur Straße hin abgegrenzter Kiesstreifen. Die Fahrbahnbreite zwischen dem klägerischen Grundstück und dem gegenüberliegenden Grundstück beträgt 5,39 m.
Mit Urteil vom 6. März 2019 hat das Verwaltungsgericht Augsburg die auf den Rückbau eines gekiesten Sicherheitsstreifens zur vollen Fahrbahnbreite von 6,00 m gerichtete Klage als unzulässig und im Übrigen jedenfalls unbegründet abgewiesen. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
1. Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
Aus den Darlegungen der Klägerin ergeben sich keine Zulassungsgründe. Die Klägerin hat keinen konkreten Zulassungstatbestand nach § 124 Abs. 2 VwGO benannt. Dies ist zwar für eine „Darlegung“ im Sinn des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht erforderlich, vielmehr können ein Zulassungsantrag und dessen Begründung vom Verwaltungsgerichtshof ausgelegt werden. Es reicht aus, dass auf diesem Weg erkennbar ist, auf welchen der gesetzlichen Tatbestände ein geltend gemachter Zulassungsgrund der Sache nach zielt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 57 m.w.N.). Allerdings erfordert die gebotene Darlegung eines Zulassungsgrundes die substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, d.h. eine Darlegung, durch die der Streitstoff entsprechend durchdrungen oder aufbereitet wird (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 124a Rn. 49 m.w.N.). Auch muss sich das fristgerecht Dargelegte letztlich zweifelsfrei noch einzelnen Zulassungsgründen zuordnen lassen; der Verwaltungsgerichtshof braucht sich nicht aus einem „Gemenge“ das herauszusuchen, was möglicherweise zur Begründung des Antrags geeignet sein könnte (Happ in Eyermann, a.a.O., § 124a Rn. 58 m.w.N.).
Gemessen an diesen Anforderungen ist aus den Darlegungen der Klägerin nicht ansatzweise ersichtlich, inwiefern die mit dem angegriffenen Urteil entschiedene Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweisen (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder grundsätzliche Bedeutung haben (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) oder das Urteil auf einer Abweichung von einer Entscheidung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte beruhen oder ein entscheidungserheblicher Verfahrensmangel im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vorliegen soll. Allenfalls erkennbar ist, dass der Antrag der Klägerin der Sache nach auf den – nicht ausdrücklich genannten – Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zielt.
Derartige Zweifel ergeben sich aus der Zulassungsbegründung der Klägerin allerdings nicht.
1.1 Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die auf die Umgestaltung eines straßenbegleitenden Kiesstreifens zu einer Straßenfahrbahn gerichtete Klage unzulässig ist. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin die Klagebefugnis fehlt.
Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Verpflichtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung eines beantragten Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein, und wenn nach seinem Vorbringen die Verletzung dieser Rechte möglich erscheint. Gleiches gilt für eine allgemeine Leistungsklage. Eine Verpflichtungsklage ist nur begründet, wenn ein Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts gegeben ist; dies setzt einen Rechtssatz voraus, der die Behörde zum Erlass dieses Verwaltungsakts verpflichtet oder wenigstens ermächtigt und zugleich einen subjektiven Anspruch darauf gewährt sowie den jeweiligen Kläger in den Kreis der Berechtigten einbezieht (BVerwG, U.v.28.2.1997 – 1 C 29.95 – BVerwGE 104, 115, 118 = juris Rn. 18). Für die Klagebefugnis reicht es dabei aus, dass ein solcher Anspruch auf der Grundlage des Klagevorbringens nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (BVerwG, U.v. 27.9.2018 – 7 C 23.16 – NVwZ 2019, 163 = juris Rn. 10 m.w.N.). Daran fehlt es hier.
1.1.1 Das Verwaltungsgericht hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass Art. 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 BayStrWG keinen subjektiven Anspruch für den einzelnen Benutzer oder Anlieger einer Straße und daher auch keine subjektive Rechtsposition auf Umgestaltung des straßenbegleitenden Kiesstreifens verleiht. Die Vorschrift über die Straßenbaulast begründet grundsätzlich nur eine im öffentlichen Interesse bestehende Verpflichtung zum Bau und Unterhalt von Straßen (vgl. BayVGH, B.v. 12.1.2010 – 8 CE 09.2582 – BayVBl 2010, 509 = juris Rn. 11 m.w.N.). Die in Art. 9 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG begründete Pflicht zum Bau und Ausbau von Straßen besteht im Übrigen nur im Rahmen der Leistungsfähigkeit der Baulastträger. Auch daraus lässt sich schließen, dass mit Art. 9 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG keine subjektive Rechtsposition zugunsten Dritter begründet werden sollte (vgl. BayVGH, B.v.12.1.2010 a.a.O.). Zu Recht hat das Erstgericht zudem darauf hingewiesen, dass nicht der Beklagte, sondern der Beigeladene Träger der Straßenbaulast nach Art. 47 Abs. 1 BayStrWG ist. Die Klägerin hat dies nicht mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt.
1.1.2 Soweit die Klägerin pauschal darauf verweist, dass sich der Drittschutz der Straßenbaulast aus § 123 BauGB ergebe und die Straßenbaulast neben dem Interesse der Allgemeinheit auch dem Anliegergebrauch diene, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.
§ 123 Abs. 2 BauGB bestimmt, dass die Erschließungsanlagen entsprechend den Erfordernissen der Bebauung und des Verkehrs kostengünstig hergestellt werden sollen und spätestens bis zur Fertigstellung der anzuschließenden baulichen Anlagen benutzbar sein sollen. Dieser allgemeinen Pflicht der Gemeinde steht, wie das Gesetz in § 123 Abs. 3 BauGB ausdrücklich klarstellt, kein Anspruch gegenüber. Die Frage, ob sich die Erschließungslast im Einzelfall gleichwohl zu einem Anspruch verdichten kann (vgl. dazu BayVGH, B.v. 24.9.2007 – 8 ZB 07.1025 = juris Rn. 5), ist für das vorliegende Verfahren nicht erheblich. Das klägerische Grundstück ist über die Straße, an der es liegt, erschlossen. Die Park- und Zufahrtssituation, die bereits zu Konflikten zwischen den Grundstückseigentümern führte, ändert an der Erschließung des Grundstücks über die hergestellte Erschließungsanlage nichts.
1.1.3 Auch der Anliegergebrauch begründet keine drittschützende Wirkung der Regelungen über die Straßenbaulast. Im Übrigen umfasst der grundgesetzlich gewährleistete Kern des Anliegergebrauchs immer nur die Verbindung des Anliegergrundstücks zu dem davor liegenden Straßenteil und die Anbindung dieses Straßenteils an das allgemeine Straßenverkehrsnetz und schützt nicht vor Erschwernissen für den Zugang zum Anliegergrundstück, die sich aus der konkreten verkehrlichen Situation ergeben (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.1985 – 7 B 229/84 – Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 15 = juris Rn. 3; OVG Bremen, B.v. 15.1.2018 – 1 LA 265/16 – juris Rn. 16).
Der darüber hinaus im Zulassungsantrag erwähnte Art. 17 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG gewährt dem Straßenanlieger nur in sehr eingeschränktem Ausmaß eine einklagbare Rechtsposition (BayVGH, B.v. 24.11.2003 – 8 CS 03.2279 – BayVBl 2004, 533 = juris Rn. 7). Es ist aufgrund der konkreten Zufahrtssituation nicht ersichtlich und der klägerische Vortrag zeigt insoweit bereits selbst nicht auf, dass diese Vorschrift im vorliegenden Fall ausnahmsweise eine subjektive Rechtsposition verleiht.
1.2 Auf die weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Unbegründetheit der Klage kommt es nicht an. Wegen der Verschiedenheit der Rechtskraftwirkung einer Prozess- und einer Sachabweisung darf eine Klage nicht zugleich aus prozessrechtlichen und aus sachlich-rechtlichen Gründen abgewiesen werden (vgl. BVerwG, B.v. 14.12.2018 – 6 B 133.18, NVwZ 2019, 649 = juris Rn. 21 m.w.N.). Da die Klage verfahrensfehlerfrei durch Prozessurteil als unzulässig abgelehnt worden ist, erstreckt sich die Rechtkraft der Entscheidung nicht auf die Erwägungen zur Begründetheit (BVerwG, B.v. 17.7.2019 – 3 BN 2.18 – juris Rn. 23).
Im Übrigen macht der Zulassungsantrag weder einen Verfahrensmangel dergestalt geltend, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil trotz Verneinung der Sachurteilsvoraussetzungen Ausführungen zur Sache enthält, noch könnte das Urteil des Verwaltungsgerichts angesichts der zutreffenden Erwägungen zur Unzulässigkeit der Klage auf einem solchen Verfahrensmangel beruhen (vgl. BVerwG, B.v. 14.1.2019 – 3 B 48.18 – juris Rn. 15 m.w.N.).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO (zur Nichterstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen im Zulassungsverfahren vgl. BayVGH, B.v. 6.10.2017 – 8 ZB 15.2664 – ZfB 2018, 33 = juris Rn. 24).
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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