Baurecht

Vergabe einer Dienstleistungskonzession zur Stationierung und zum Betrieb von Rettungswagen

Aktenzeichen  Verg 13/19

Datum:
21.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
VergabeR – 2020, 42
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GWB § 99 Nr. 1, § 107 Abs. 1 Nr. 4, § 155, § 156, § 160 Abs. 2 § 170 Abs. 1 Nr. 4, § 172 Abs. 2, § 178
KonzVgV § 13 Abs. 1 Nr. 1
BayRDG Art. 13

 

Leitsatz

1. Die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB gilt nur für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen zu Dienstleistungen, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden. Diese Regelung bedarf einer europarechtskonformen Auslegung dahingehend, dass als „gemeinnützig“ jedenfalls nur solche Organisationen oder Vereinigungen anzusehen sind, bei denen eine Gewinnerzielungsabsicht fehlt. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Bemessung des Streitwertes eines Nachprüfungsverfahrens betreffend die Vergabe einer Dienstleistungskonzession ist regelmäßig auf die Summe des Angebots abzustellen, das der Antragsteller eingereicht hat. Bei einem Vertrag, der der Vergabestelle gestattet, seine Laufzeit über den fest vorgesehenen Vertragszeitraum hinaus weiter zu verlängern, ist der Verlängerungszeitraum für die Festsetzung des Streitwerts ebenfalls zu berücksichtigten. Die Ungewissheit, ob der Auftraggeber das Optionsrecht ausüben wird, ist mit einem angemessenen Abschlag (idR 50 %) vom vollen Auftragswert zu berücksichtigen, der rechnerisch während der optionalen Laufzeit erzielt werden könnte (ebenso BGH BeckRS 2014, 8155). (Rn. 70) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Z3-3-3194-1-50-12/18 2019-05-10 Bes VKSUEDBAYERN Vergabekammer München

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beigeladenen und des Antragsgegners wird der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 10.05.2019, Az. Z3-3-3194-1-50-12/18 in Ziff. 1, Ziff. 2 und Ziff. 4 aufgehoben und der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 21.12.2018 zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Antragstellerin trägt die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Beigeladenen im Beschwerdeverfahren und im Verfahren vor der Vergabekammer sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners im Verfahren vor der Vergabekammer.
4. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner und den Beigeladenen für das Verfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.
5. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 150.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsgegner beabsichtigt, zwei Dienstleistungskonzessionen zur Stationierung und zum Betrieb von Rettungswagen an Standorten im Rettungsdienstbereich Straubing zu vergeben. Eine europaweite Bekanntmachung erfolgte im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 15.09.2018. Streitgegenständlich ist nur das Los 2 betreffend den Standort A.-G.. Bezüglich dieser Dienstleistungskonzession hatte der Antragsgegner bereits zuvor ein Vergabeverfahren eingeleitet, dieses aber aufgrund einer Rüge der hiesigen Antragstellerin wieder aufgehoben.
In Ziff. III 1.4.) der aktuellen Bekanntmachung vom 15.09.2018 ist ausgeführt, dass unter Ziff. 12 a) und c) und Ziff. 13 der Bewerbungsbedingungen die „Teilnahmebedingungen/Mindestanforderungen“ im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 KonzVgV benannt seien. Teil A der Bewerbungsbedingungen führt in Ziff. 12 a) am Ende aus: „Als weitere Teilnahmebedingungen/Mindestanforderungen i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 1 KonzVgV gilt: auf der ersten Stufe werden zudem Angebote ausgeschlossen, deren Konzepte für die Notfallrettung nicht erkennen lassen, dass die Mindestbedingungen der Leistungsbeschreibung (s. dazu näher Teil B, dort Ziff. 2 ff) erfüllt werden“. In Teil B (Leistungsbeschreibung) Ziff. 4 a) wird Folgendes gefordert: „Der Standort ist innerhalb des Versorgungsbereiches der Rettungswache Hengersberg zu wählen. Der Stellplatz soll im Landkreis Deggendorf, hier im Ortsteil G., A., errichtet werden. Die Erfüllung der oben … genannten Mindestbindungen zum Standort ist insbesondere unter Adressangabe und Beschreibung des genauen Standorts im Konzept Notfallrettung darzustellen … Weiter ist die Verfügbarkeit des betreffenden Standorts für den Bieter bzw. die Bietergemeinschaft beispielsweise durch Vorlage eines Mietvertrags bzw. eines entsprechenden Vorvertrages zu belegen“.
Die Antragstellerin und der Beigeladene reichten fristgerecht Angebote für das Los 2 ein.
Die Antragstellerin erklärte in dem Angebot, die Rettungswache auf dem Grundstück FINr. 5451 in G. errichten zu wollen. Ihrem Angebot fügte die Antragstellerin einen zwischen ihr und dem Grundstückseigentümer, Herrn … geschlossenen „Vorvertrag über den Bau und die Vermietung einer Rettungswache“ betreffend das fragliche Grundstück vom 15.10.2018 bei. In diesem „Vorvertrag“ ist u.a. geregelt: „Die Vertragsparteien vereinbaren über die getroffene Vereinbarung Stillschweigen bis zur Verkündung des Ergebnisses der Ausschreibung über den Betrieb des Rettungsdienststellplatzes G. … Der Vermieter verpflichtet sich, das vermietete Objekt im Vermietungszeitraum keinem anderen Interessenten zu überlassen“.
Der Beigeladene, der die Rettungswache auf demselben Grundstück betreiben möchte, legte dem Angebot eine Bestätigung von Herrn … vom 18.04.2018 „Zur Vorlage beim Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralamierung Straubing“ bei. Danach bestätigte Herr S, dass „sofort nach Auftragserteilung durch den Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Straubing, am Standort A./G.“ sein Grundstück „für die Errichtung einer Rettungswache … durch den Privaten Rettungsdienst Winfried Stadler e.K. zur Verfügung gestellt“ werde.
Mit Schreiben vom 17.12.2018 informierte der Antragsgegner die Antragstellerin, dass er beabsichtige, dem Beigeladenen den Zuschlag auf das Los 2 zu erteilen, da dessen Angebot das wirtschaftlichste sei.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.12.2018 rügte die Antragstellerin, dass der Beigeladene die Mindestanforderungen gemäß Ziff. 4 a) der Leistungsbeschreibung nicht erfülle. Der Beigeladene könne über das fragliche Grundstück nicht verfügen.
Mit Schreiben vom 21.12.2019 hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag gestellt. Der Nachprüfungsantrag sei statthaft, insbesondere sei der Rechtsweg zur Vergabekammer eröffnet und § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB nicht einschlägig. Die Antragstellerin ist der Ansicht, der Beigeladene habe die Verfügbarkeit des Grundstücks nicht nachgewiesen, da er anders als die Antragstellerin keinen Vorvertrag, sondern lediglich eine einseitige Bestätigung vorgelegt habe. Zudem stehe die zwischen der Antragstellerin und Herrn … vereinbarte Exklusivitätsklausel einer Vermietung des Grundstücks an den Beigeladenen entgegen.
Die Antragstellerin hat im Nachprüfungsverfahren beantragt,
1.dem Antragsgegner zu untersagen, im Vergabeverfahren betreffend eine Dienstleistungskonzession zur Stationierung und zum Betrieb von Rettungswagen (RTW), 2018/S 178-404239, Los 2, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.
2.dem Antragsgegner aufzugeben, für den Fall, dass er an dem Beschaffungsvorhaben festhält, im Vergabeverfahren betreffend eine Dienstleistungskonzession zur Stationierung und zum Betrieb von Rettungswagen (RTW), 2018/S 178-404239, Los 2, den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen;
3.hilfsweise – für den Fall, dass der Antrag zu 2. nicht in vollem Umfang Erfolg haben sollte – die Entscheidung des Antragsgegners über die beabsichtigte Zuschlagserteilung zugunsten der Beigeladenen aufzuheben und dem Antragsgegner aufzugeben, für den Fall, dass er an dem Beschaffungsvorhaben festhält, im Vergabeverfahren betreffend eine Dienstleistungskonzession zur Stationierung und zum Betrieb von Rettungswagen (RTW), 2018/S 178-404239, Los 2, den Zuschlag nur nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu erteilen.
Der Antragsgegner hat im Nachprüfungsverfahren beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen und die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigen durch den Antragsgegner für notwendig zu erklären.
Nach Ansicht des Antragsgegners ist die Bereichsausnahme nicht einschlägig, die Vergabekammer daher zuständig. Der Beigeladene habe den Nachweis der Verfügbarkeit des Standorts erbracht, ungeachtet des von der Antragstellerin vorgelegten Vorvertrags. Herrn … sei es nach wie vor möglich, das Grundstück dem Beigeladenen zu vermieten. Die Vorlage eines Vorvertrags sei in der Leistungsbeschreibung nicht gefordert gewesen.
Der Beigeladene hat im Nachprüfungsverfahren beantragt,
den Nachprüfungsantrag zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für den Beigeladenen für notwendig zu erklären.
Der Beigeladene ist der Ansicht, der Nachprüfungsantrag sei aufgrund der hier einschlägigen Dereichsausnahme in § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB unzulässig. Er habe die Verfügbarkeit des Grundstücks nachgewiesen, eine bestimmte Form des Nachweises sei nicht vorgeschrieben worden. Die Bestätigung von Herrn … lasse dessen Rechtsbindungswillen ausreichend erkennen.
Zeitgleich mit dem Nachprüfungsverfahren hat der Beigeladene das Verwaltungsgericht Regensburg u.a. im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes angerufen. Das Verwaltungsgericht Regensburg hat mit Beschluss vom 26.02.2019, RN 4 K 18.2140, entschieden, der Verwaltungsrechtsweg sei nicht eröffnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 26.04.2019, 12 C 19.621, zurückgewiesen. Es bestehe eine Sonderzuweisung an die Vergabenachprüfungsinstanzen nach §§ 155, 156 GWB. Die Bereichsausnahme nach § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB sei vorliegend nicht einschlägig.
Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 10.05.2019 dem Antragsgegner untersagt, den Zuschlag auf das Angebot des Beigeladenen zu erteilen. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht habe der Antragsgegner die Rechtsauffassung der Vergabekammer zu berücksichtigen. Die Kosten des Verfahrens hat die Vergabekammer dem Antragsgegner und dem Beigeladenen auferlegt. Die Vergabekammer sei zuständig. Die Bereichsausnahme nach § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB greife nur, wenn die Dienstleistungen von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht würden. Eine derartige Beschränkung fehle vorliegend. Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Welche Anforderungen an die rechtliche Qualität des Verfügbarkeitsnachweises gestellt würden, sei unklar. Dies könne aber dahingestellt bleiben. Selbst wenn die vom Beigeladenen vorgelegte einseitige Bestätigung des Grundstückseigentümers grundsätzlich genüge, sei der Beigeladene nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 KonzVgV mangels Nachweis der Verfügbarkeit des Grundstücks auszuschließen. Die Bestätigung vom 18.04.2018 sei für die vorangegangene aufgehobene Ausschreibung ausgestellt worden. Zudem habe die Antragstellerin nicht nur eine einseitige Bestätigung, sondern sogar einen Vorvertrag mit dem Grundstückeigentümer vorgelegt, der zudem noch eine Exklusivitätsklausel enthalte. Herrn … drohten Schadensersatzansprüche, wenn er das Grundstück nicht der Antragstellerin sondern dem Beigeladenen zur Verfügung stelle. Eine Vermietung des Grundstücks an den Beigeladenen durch Herrn … sei daher unwahrscheinlich.
Dagegen wendet sich der Beigeladene mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2019 beigetreten ist.
Der Beigeladene behauptet, in einem Telefonat vom 21.05.2019 mit dem Sohn des Beigeladenen habe Herr … erklärt, ihm sei egal, wer das Grundstück erhalte. Er stelle es jedem zur Verfügung. Im Übrigen ist der Beigeladene der Ansicht, bezüglich der Bereichsausnahme in § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB sei fraglich, ob die landesrechtliche Regelung in Art. 13 BayRDG Bundesrecht aushebeln könne. Ein Ausschluss des Beigeladenen komme nicht in Betracht. Die Vorgaben für den Verfügbarkeitsnachweis seien unklar gewesen. Zudem habe die Vergabekammer mit der von ihr vorgenommenen zivilrechtlichen Prüfung ihre Prüfungskompetenz überschritten und übersehen, dass die Bestätigung von Herrn … nicht zeitlich begrenzt gewesen sei. Eine Wertigkeitsrangfolge zwischen den Nachweisen der Antragstellerin und des Beigeladenen bestehe nicht.
Der Beigeladene beantragt daher:
1.Der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 10.05.2019 wird aufgehoben.
2.Weiter wird hilfsweise unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung beantragt, dass die Vergabekammer gem. § 178 GWB verpflichtet wird, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Vergabesenats über die Sache erneut zu entscheiden.
3.Die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigen durch den Beigeladenen wird auch für das Verfahren vor der Vergabekammer für notwendig erklärt.
Der Antragsgegner hat sich in der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2019 den Anträgen des Beigeladenen angeschlossen und vorsorglich beantragt, die Hinzuziehung eines anwaltlichen Vertreters für das Verfahren vor der Vergabekammer für notwendig zu erklären.
Die Antragstellerin beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerin behauptet, der Beigeladene gebe den Inhalt des Telefonats vom 21.05.2019 zwischen dem Sohn des Beigeladenen und Herr … unzutreffend wieder. Herr … habe erklärt, er fühle sich an die Vereinbarung mit der Antragstellerin gebunden und betrachte nur diese als bindend. Im Übrigen sei der von der Antragstellerin vorgelegte Vorvertrag ein stärkerer Nachweis als die einseitige Erklärung von Herrn … die der Beigeladene übersendet habe.
Ergänzend wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2019 (Bl. 58 ff d.A.).
II.
Die sofortige Beschwerde hat Erfolg. Der Beschluss der Vergabekammer war aufzuheben und der Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
1. Der Beigeladene hat die sofortige Beschwerde nach § 172 Abs. 2 GWB form- und fristgerecht eingelegt.
2. Die sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, da der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zwar zulässig, aber unbegründet ist.
2.1 Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
2.1.1 Der Antragsgegner ist als Zweckverband, dessen Mitglieder ausschließlich Gebietskörperschaften i.S. des § 99 Nr. 1 GWB sind, jedenfalls öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 3 GWB.
2.1.2 Die Bereichsausnahme nach § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB ist nicht einschlägig.
Nach dem Wortlaut des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB gilt die Bereichausnahme nur für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen zu Dienstleistungen, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden. Nach § 107 Abs. 1 Nr. 4 2. Hs GWB sind gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.
Mit § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB wird Art. 10 Abs. 8 g) der Richtlinie 2014/23/EU umgesetzt. Demzufolge gilt diese Richtlinie nicht für Dienstleistungskonzessionen, die Dienstleistungen zum Inhalt haben, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden. Nach dem Urteil des EuGH vom 21.03.2019, C-465/17 (NZBau 2019, S. 314, 319 Tz. 58 ff), das zur wortgleichen Regelung in Art. 10 h) der Richtlinie 2014/24/EU erging, sind Organisationen oder Vereinigungen, die erwerbswirtschaftlich mit Gewinnerzielungsabsicht tätig sind, nicht als gemeinnützige Organisationen i.S. des Art. 10 h) zu qualifizieren.
Mithin bedarf die Regelung in § 107 Abs. 1 Nr. 4 HS 1 und HS 2 GWB einer europarechtskonformen Auslegung dahingehen, dass als „gemeinnützig“ jedenfalls nur solche Organisationen oder Vereinigungen anzusehen sind, bei denen eine Gewinnerzielungsabsicht fehlt (so auch OLG Celle, Beschluss vom 25.06.2019, Verg 4/19, juris Tz. 17 ff.; Stein/Terbrack in BeckOK Vergaberecht, 10. Edition, § 107 Rz. 38; Prieß NZ-Bau 2015, 343, 346 f; Antweiler in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl., § 107 Rz. 43).
Damit kann die Bereichsausnahme vorliegend keine Anwendung finden. Nach Art. 13 Abs. 1 BayRDG beauftragt der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung mit der bodengebundenen Durchführung von Notfallrettung, arztbegleitetem Patiententransport und Krankentransport „freiwillige Hilfsorganisationen oder private Unternehmen“. Mithin sieht Art. 13 Abs. 1 BayRDG keine Beschränkung auf Organisationen oder Vereinigungen vor, die ohne Gewinnerzielungsabsicht handeln, also im europarechtlichen Sinne „gemeinnützig“ sind. Im Einklang hiermit hat der Antragsgegner bei der streitgegenständlichen Ausschreibung gerade keine Begrenzung des Bieterkreises auf Unternehmen ohne Gewinnerzielungsabsicht vorgesehen. Bewerben konnten sich nach der Ausschreibung daher auch die Antragstellerin, eine GmbH, und der Beigeladene, ein eingetragener Kaufmann, die jeweils gewerblich mit Gewinnerzielungsabsicht tätig sind.
Mangels einer vorgesehenen Beschränkung des Bieterkreises auf gemeinnützige Organisationen und Vereinigungen im europarechtskonformen Sinn kann sich der Antragsgegner somit nicht auf die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB berufen (so auch Stein/Terbrack in BeckOK Vergaberecht, 10. Edition, § 107 Rz. 39.1; BayVGH, Beschluss vom 26.04.2019, 12 C 19.621, juris Tz. 5).
Entgegen der Ansicht des Beigeladenen widerspricht dieses Ergebnis nicht dem Grundsatz, dass landesrechtliche Regelungen Bundesrecht nicht abzuändern vermögen. Nach Ansicht des Senats ist die bundesrechtliche Regelung in § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB europarechtskonform auszulegen. Wenn dies dazu führt, dass in Bayern aufgrund Art. 13 Abs. 1 BayRDG – und ggf. im gesamten Bundesgebiet – Rettungsdienstleistungen weitgehend auszuschreiben sind und für die Bereichsausnahme kaum ein Anwendungsbereich bleibt, ist dies Konsequenz der zitierten Rechtsprechung des EuGH und der daraus folgenden Notwendigkeit einer europarechtskonformen Auslegung.
2.1.3 Die Antragstellerin ist antragsbefugt, § 160 Abs. 2 GWB. Sie hat ein Angebot abgegeben und rügt, das Angebot der Beigeladenen, auf das der Antragsgegner den Zuschlag erteilen wollte, müsste mangels Nachweis der Verfügbarkeit des Grundstücks ausgeschlossen werden.
Ob das Angebot der Antragstellerin auszuschließen ist, wie der Beigeladene meint, wäre schon keine Frage der Zulässigkeit. Entgegen der Ansicht des Beigeladenen ist zudem die Mail von Herrn … vom 10.01.2019 (Anlage ASt 6, Bl. 93 der Akte der Vergabekammer) keine Änderung des Angebots der Antragstellerin. Herr … erklärt, das Grundstück stehe nach wie vor der Antragstellerin zur Verfügung. Nur das Bezugsdatum für die Bebauung sei nicht mehr zu halten, man müsse sich noch auf ein realistisches Datum einigen. Sollte die Antragstellerin den Zuschlag nicht erhalten, sei die Bauverpflichtung von Herrn … hinfällig. Dem lässt sich weder entnehmen, dass der als Verfügbarkeitsnachweis eingereichte Vorvertrag hinfällig wäre noch ändert diese Mail den Angebotsinhalt selbst.
2.1.4 Die Antragstellerin hat erst mit Schreiben des Antragsgegners vom 17.12.2018 (Anlage ASt 4, Bl. 38 der Akte der Vergabekammer) erfahren, dass der Beigeladene den Zuschlag erhalten soll. Die am 20.12.2018 erhobene Rüge (Anlage ASt 5, Bl. 35 ff der Akte der Vergabekammer), der Beigeladene habe die Verfügbarkeit des Grundstücks nicht nachgewiesen, erfolgte mithin innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB.
2.2 Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Der Beigeladene hat die Verfügbarkeit des Grundstücks, auf dem er nach seinem Angebot die Rettungswache betreiben will, ausreichend nachgewiesen.
2.2.1 Die vom Beigeladenen vorgelegte Bestätigung des Grundstückseigentümers vom 18.04.2018 genügt dem Grunde nach.
Gemäß Teil B Ziff. 4 a) der Leistungsbeschreibung ist die Verfügbarkeit des Standorts „beispielsweise durch Vorlage eines Mietvertrags bzw. eines entsprechenden Vorvertrages zu belegen“. Aus dem Wortlaut „beispielsweise“ ergibt sich, dass die Vorlage eines Mietvertrags oder Vorvertrags möglich ist und genügt, aber nicht zwingend gefordert wird. Eine andere Art des Belegs der Verfügbarkeit entspricht den Anforderungen daher ebenfalls. Eine eigene Erklärung nur des Bieters selbst wäre zwar nicht mehr als ausreichender Verfügbarkeitsnachweis zu werten. Eine Bestätigung des Grundstückseigentümers kommt hingegen als ausreichender Beleg in Betracht. Im Übrigen kann schon deshalb die Vorlage eines Mietvertrags oder Vorvertrags nicht zwingend gefordert sein, da andernfalls ein Bieter, der die Rettungswache auf einem ihm gehörenden Grundstück errichten und betreiben will, die Verfügbarkeit nicht nachweisen könnte. Dass dies nicht gewollt ist, erscheint offensichtlich.
Vorliegend erklärt Herr … als Grundstückseigentümer ausdrücklich, dass nach Auftragserteilung das fragliche, konkret bezeichnete Grundstück dem Beigeladenen zur Errichtung einer Rettungswache zur Verfügung gestellt werde. Das von Herrn … unterschriebene Dokument ist „Zur Vorlage beim Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Straubing“ erstellt. Ein weitergehender Nachweis der Verfügbarkeit war nicht verlangt. Nach den Vorgaben in der Leistungsbeschreibung kommt es weder darauf an, ob Herr … und der Beigeladene über die Bestätigung hinaus auch (konkludent) einen Vorvertrag oder einen aufschiebend oder auflösend bedingten Mietvertrag vereinbart noch ob sie sich schon über sämtliche Details des künftigen Vertrags geeinigt haben.
2.2.2 Entgegen der Ansicht der Antragstellerin gibt es auch keine Rangfolge der Nachweise. Die Leistungsbeschreibung fordert nur, die Verfügbarkeit des Grundstücks nachzuweisen und nennt beispielshaft zwei Möglichkeiten hierzu – Mietvertrag oder Vorvertrag. Jedoch lässt diese Anforderung nicht zu, den Nachweis durch Vorvertrag als vorrangig oder gewichtiger gegenüber dem Nachweis durch eine bloße Bestätigung des Grundstückseigentümers anzusehen. Dafür fehlen schon jegliche Anhaltspunkte in der Leistungsbeschreibung. Zudem schließt die Vorlage einer Bestätigung durch einen Grundstückseigentümer auch keineswegs aus, dass sich Bieter und Eigentümer dennoch mündlich bereits auf einen Vorvertrag oder einen aufschiebend bedingten Mietvertrag verständigt hätten. Nähere Angaben hierzu werden aber vom Bieter nach dem klaren Wortlaut der Leistungsbeschreibung nicht gefordert.
Demnach kommt es nicht darauf an, dass vorliegend die Antragstellerin einen „Vorvertrag über den Bau und die Vermietung einer Rettungswache“ vorgelegt hat, der Beigeladene hingegen „nur“ eine einseitige Bestätigung durch Herrn ….
Der Senat folgt auch nicht der Überlegung der Vergabekammer, Herr … werde wahrscheinlich eher den bereits abgeschlossenen Vertrag erfüllen als einen neuen weiteren Vertrag mit dem Beigeladenen schließen, dem er bislang nur eine einseitige Bestätigung erteilt habe. Zum einen lässt sich nach der Bestätigung nicht ausschließen, dass auch in diesem Verhältnis bereits mündlich ein Vorvertrag oder ein aufschiebend bedingter Mietvertrag vereinbart wurde. Zum anderen ist allein dadurch, dass der Grundstückseigentümer mit der Antragstellerin einen Vorvertrag abgeschlossen hat, die Überlassung an den Beigeladenen weder tatsächlich noch rechtlich unmöglich.
2.2.3 Die vom Beigeladene vorgelegte Bestätigung wird nicht dadurch als Nachweis ungeeignet, dass sie vom 18.04.2018 datiert.
Zu diesem Zeitpunkt gab es die aktuelle Ausschreibung (Bekanntmachung vom 15.09.2018) noch nicht. Offensichtlich – und unstreitig – wurde die Bestätigung von Herrn … daher im Hinblick auf die ursprüngliche, später aufgehobene Ausschreibung der Dienstleistungskonzession erstellt.
Jedoch lässt sich der Bestätigung keine zeitliche Begrenzung entnehmen. Weder ausdrücklich noch aus irgendeiner Formulierung der Bestätigung ist zu schließen, dass sie bei Vorlage im Herbst 2018 nicht mehr gelten sollte. Zudem war der Nachweis im Herbst 2018 erst ein halbes Jahr alt. Ob etwas anderes bei Vorlage einer deutlich älteren Bestätigung gelten könnte, bedarf daher keiner Entscheidung. Auch inhaltlich haben sich ersichtlich keine Änderungen im Hinblick auf die neue Ausschreibung ergeben. Für den Antragsgegner und den Beigeladenen waren daher im Herbst 2018 keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Bestätigung durch Herrn … nicht mehr gelten sollte.
2.2.4 Die vom Beigeladenen vorgelegte Bestätigung verliert nicht dadurch ihre Eignung zum Beleg der Verfügbarkeit des Grundstücks, dass der von der Antragstellerin übermittelte Vorvertrag eine Exklusivitätsklausel enthält.
In dem Vorvertrag verpflichtet sich Herr … „das vermietete Objekt im Vermietungszeitraum keinem anderen Interessenten zu vermieten“. Aus dem Vorvertrag lässt sich allerdings nicht ersehen, was im Fall einer Zuschlagserteilung an die Beigeladene gelten soll. Dass die Antragstellerin in dem Vertrag eine Verpflichtung übernehmen wollte, bis 2024 monatlich 1.800,00 Euro an Herrn … zu zahlen, auch wenn sie für das Grundstück mangels Zuschlagserteilung keinerlei Verwendung hat, erscheint fraglich. Zudem handelt es sich nicht um den eigentlichen Mietvertrag. Vielmehr haben die Parteien lediglich einen „Vorvertrag“ geschlossen. Auch dies spricht dafür, dass die Parteien von einer gewissen Unsicherheit ausgingen, ob es tatsächlich zum Vertragsschluss kommen würde.
Vor allem aber ändert die Exklusivitätsklausel nichts daran, dass die Überlassung des Grundstücks an den Beigeladenen nach wie vor tatsächlich und rechtlich möglich ist. Ob sich Herr … dadurch gegenüber der Antragstellerin schadensersatzpflichtig machen würde, hängt von der Auslegung des „Vorvertrags“ und der Exklusivitätsklausel, sowie etwaigen ergänzenden mündlichen Absprachen ab und ist offen. Im Übrigen erscheint eine Schadensersatzpflicht von Herrn … auch im umgekehrten Fall, bei Überlassung an die Antragstellerin, gegenüber dem Beigeladenen jedenfalls nicht ausgeschlossen. Dass Herr … den Beigeladenen über den Abschluss der Vereinbarung mit der Antragstellerin informiert und ihm ausdrücklich erklärt hätte, nunmehr gelte die ihm erteilte Bestätigung nicht mehr, ist nicht dargetan und wegen der Geheimhaltungsklausel auch unwahrscheinlich. Vielmehr hat Herr … ausweislich der Mails vom 07.01.2019 und 08.01.2019 (dazu noch unten Ziff. 2.2.5) beim Beigeladenen gerade umgekehrt den Eindruck erweckt, das Grundstück stehe ihm ggf. noch zur Verfügung. Schadensersatzansprüche des Beigeladenen könnten vor dem Hintergrund, dass der Beigeladene nach der Mitteilung des Antragsgegners vom 17.12.2018 den Zuschlag erhalten sollte, auch wirtschaftlich von nicht unerheblicher Bedeutung sein. Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben. Einer Entscheidung darüber, ob und gegenüber wem sich Herr … gegebenenfalls schadensersatzpflichtig machen könnte, bedarf es im hiesigen Verfahren nicht. In jedem Fall bleibt die Überlassung an den Beigeladenen rechtlich und tatsächlich möglich.
2.2.5 Zu keinem anderen Ergebnis führt die Vielzahl von E-Mails sowie die eidesstattlichen Versicherungen, die von der Antragstellerin und dem Beigeladenen vorgelegt wurden.
2.2.5.1 Die zur Akte gereichten E-Mails von Herrn … lassen nicht den sicheren Schluss zu, Herr … werde das Grundstück keinesfalls dem Beigeladenen überlassen.
Einerseits schreibt Herr … in der Mail vom 10.01.2019 (ASt 6, Bl. 93 der Akte der Vergabekammer) an die Antragstellerin, ihr stehe das Grundstück bis zum 31.05.2024 zur Verfügung. Eine Überlassung an eine andere Person werde nicht erfolgen. Die Vereinbarung mit Herrn … sei aus seiner Sicht nicht mehr gültig, da der Zuschlag ja aufgehoben wurde. Dies könnte als Indiz gewertet werden, dass Herr … in keinem Fall dem Beigeladenen das Grunstück überlassen möchte.
Andererseits steht dies im Widerspruch zu den ebenfalls von Herrn … nahezu zeitgleich verfassten E-Mails vom 07.01.2019 und vom 08.01.2019 (Anlagen K 2 und K 4, Bl. 166 und Bl. 164 der Akte der Vergabekammer). In der Mail vom 07.01.2019 schrieb Herr … an den Beigeladenen, er wolle nur kurz nachfragen, ob dieser schon einen Preis für die Halle wisse. Mit Mail vom 08.01.2019 erkundigte sich Herr … bei dem Beigeladenen, ob er noch Interesse an dem Grundstück habe, Herr … hätte gehört, der Beigeladene habe in G. ein Grundstück gekauft. Diese Mails legen nahe, dass Herr … nach wie vor auch für eine Überlassung des Grundstücks an den Beigeladenen offen wäre.
Ob Herr …r möglicherweise über den Inhalt des Schreibens vom 10.01.2019 getäuscht wurde, wie der Beigeladene behauptet (Schriftsatz vom 15.08.2019, S. 5, Bl. 53 d.A.), kann dahingestellt bleiben. Der Einvernahme des hierfür vom Beigeladenen angebotenen Zeugen … bedurfte es daher nicht.
2.2.5.2 Die von der Antragstellerin vorgelegte eidesstattliche Versicherung von Herrn … vom 05.06.2019 (Anlage Bgg1) führt zu keinem anderen Ergebnis.
Herr … erklärt darin, er habe den Beigeladenen im Rahmen des Telefonats vom 21.05.2019 darauf hingewiesen, dass er nur den Vertrag mit Herrn … dem Geschäftsführer der Antragstellerin, als bindend betrache. Er habe betont, dass er sich an die Vereinbarung mit Herrn … gebunden sehe und ihm konkret das Grundstück verpachtet sei.
Auch daraus lässt sich indessen nicht mit Sicherheit schließen, dass Herr … von einem bindenden Vertrag mit der Antragstellerin auch für den Fall ausgeht, dass tatsächlich der Beigeladene den Zuschlag erhält und die Antragstellerin mithin keine Verwendung für das Grundstück hat. Zu dieser konkreten Frage findet sich in der eidesstattlichen Versicherung jedenfalls keine hinreichend klare Äußerung. Zudem handelt es sich bei dem Vertrag, auf den sich Herr … bezieht, um einen Vorvertrag.
Die gesamten vorgelegten Unterlagen einschließlich der eidesstattlichen Versicherung von Herrn … ändern nichts daran, dass die Überlassung des fraglichen Grundstücks an den Beigeladenen, falls dieser den Zuschlag erhält, nach wie vor weder tatsächlich noch rechtlich unmöglich ist. Ob sich ggf. Herr … durch eine Vermietung an den Beigeladenen statt an die Antragstellerin schadensersatzpflichtig macht, ist, wie ausgeführt (s.o. Ziff. 2.2.4), weder eindeutig noch maßgeblich. Zudem erscheinen auch im Falle einer Überlassung des Grundstücks an die Antragstellerin Schadensersatzansprüche des Beigeladenen nicht ausgeschlossen. Schließlich zeigt der vorgelegte E-Mail-Verkehr vom Januar 2019 ein keineswegs stringentes Verhalten von Herrn … Zwar besteht insbesondere aufgrund der Angaben von Herrn … in seiner eidesstattlichen Versicherung ein gewisses Risiko, dass er sich im Falle einer Zuschlagserteilung an den Beigeladenen auf den Standpunkt stellt, es gebe dennoch einen wirksamen Mietvertrag mit der Antragstellerin, und sich weigert, das Grundstück dem Beigeladenen zu überlassen. Jedoch steht dies unter Berücksichtigung der Gesamtumstände keineswegs mit einer Gewissheit fest, die den Ausschluss des Angebots des Beigeladenen rechtfertigen könnte.
Letztlich bleibt es dabei, dass sowohl die Antragstellerin als auch der Beigeladene die Verfügbarkeit des Grundstücks in ausreichender Weise belegt haben.
2.2.5.3 Auf das Beweisangebot der Antragstellerin dazu, Herr … sei davon ausgegangen, die Erklärungen, die er im ersten Vergabeverfahren abgegeben habe, seien gegenstandslos (Schriftsatz vom 25.01.2019, S. 2, Bl. 113 der Akte der Vergabekammer), kommt es nicht an. Auch wenn Herr … hiervon ausging, schließt das die Überlassung des Grundstücks an den Beigeladenen im Fall einer Zuschlagserteilung nicht aus. Eine Einvernahme des Zeugen … hierzu war nicht nötig.
Desgleichen bedarf es keiner Beweisaufnahme zum Vortrag der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2019, außer dem streitgegenständlichen habe es zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe noch drei weitere geeignete Grundstücke in A., Ortsteil G. gegeben. Dies ist nicht entscheidungserheblich. Die Gewährung einer Stellungnahmefrist zur näheren Konkretisierung des Beweisantrags, wie von der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung beantragt, war daher nicht erforderlich.
Da, wie ausgeführt, ein Ausschluss des Angebots des Beigeladenen auch unter Berücksichtigung der eidesstattlichen Versicherung von Herrn … nicht erfolgen kann, kommt es auf die eidesstattliche Versicherung von Herrn Manuel … vom 23.05.2019 (Anlage BF 2) und die Beweisangebote des Beigeladenen hierzu (Schriftsatz vom 15.08.2019, S. 4 ff, Bl. 52 ff d.A.), nicht mehr an.
3. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens sind nach § 175 Abs. 2, § 78 Satz 1 GWB der Antragstellerin aufzuerlegen. Das gleiche gilt für die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nötigen Kosten der Beigeladenen, die das Beschwerdeverfahren geführt hat. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren durch die Antragstellerin erscheint hingegen im Rahmen der nach § 175 Abs. 2, § 78 Satz 1 GWB erforderlichen Billigkeitsentscheidung (Mockel in Müller-Wrede, GWB, 1. Aufl. 2016, § 175 Rz. 64 ff) nicht angezeigt. Der Antragsgegner hat sich an dem Beschwerdeverfahren bis zur mündlichen Verhandlung vom 12.09.2019 nicht beteiligt. Erst in der mündlichen Verhandlung hat sich der Antragsgegner der Beschwerde des Beigeladenen und dessen Anträgen ausdrücklich angeschlossen. Der Antragsgegner hat das Beschwerdeverfahren nicht durch schriftsätzliche Äußerungen oder in sonstiger Weise gefördert.
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer trägt die Antragstellerin nach § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Die Antragstellerin hat nach § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB ferner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nötigen Kosten des Antragsgegners im Verfahren vor der Vergabekammer zu erstatten. Die entsprechenden Kosten der Beigeladenen, die sich bereits in erster Instanz aktiv durch Schriftsätze und Antragstellung am Verfahren beteiligt und dieses gefördert hat, waren der Antragstellerin aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen, § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB.
Nach § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 3 Satz 2 VwVfG war die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Verfahren vor der Vergabekammer sowohl für den Antragsgegner als auch für den Beigeladenen für notwendig zu erklären. Sowohl der Antragsgegner als auch der Beigeladene haben einen entsprechenden Antrag gestellt. Streitgegenständlich sind u.a. Fragen einer europarechtskonformen Auslegung der Bereichsausnahme nach § 170 Abs. 1 Nr. 4 GWB. Hierfür sind spezielle vergabe- und europarechtliche Kenntnisse nötig, die weder bei einem Zweckverband noch bei einem eingetragenen Kaufmann vorausgesetzt werden können.
4. Den Streitwert bemisst der Senat in Anwendung des § 50 Abs. 2 GKG mit bis zu 150.000,00 Euro.
Da der Auftrag zur Zeit des Nachprüfungsverfahrens typischerweise noch nicht erteilt ist und die Bruttoauftragssumme daher noch nicht feststeht, ist regelmäßig auf die Summe des Angebots abzustellen, das der Antragsteller eingereicht hat, weil er mit dem Nachprüfungsantrag seine Chance auf den Auftrag wahren will (BGH, Beschluss vom 18.03.2014, X ZB 12/13, juris Tz. 7). Vorliegend stellt der Senat daher auf 0,05 % der im Angebot der Antragstellerin aufgeführten Bruttogesamtkosten für die feste Laufzeit des Vertrags von fünf Jahren ab. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin im Schriftsatz vom 02.09.2019 (Bl. 56 f d.A.) ist bei einer festen (Mindest-) Laufzeit des Vertrags die Kappungsgrenze des § 3 Abs. 11 VgV von 48 Monaten nicht anwendbar (BGH, a.a.O., Tz. 8). Der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des BGH vom 08.02.2011 (X ZB 4/10, juris Tz. 80), in der der BGH § 3 VGV entsprechend angewendet hatte, lag ein Sonderfall zugrunde. Es ging zwar vordergründig um die Nichtigerklärung eines im Wege der De-facto-Vergabe geschlossenen Vertrags. Der Antragsteller war aber nicht am Gegenstand dieses Vertrages interessiert, sondern daran, dass Teile davon nach Nichtigerklärung für einen in fernerer Zukunft liegenden Zeitraum vergeben würden (BGH Beschluss vom 18.03.2014, X ZB 12/13, juris Tz. 9). Damit ist der hiesige Sachverhalt nicht vergleichbar.
Bei der Streitwertbemessung war ferner die mögliche Verlängerung der Laufzeit um jeweils ein Jahr zu berücksichtigen, wobei insoweit ein Abschlag von 50 % vorzunehmen war.
Nach der Entscheidung des BGH vom 18.03.2014 (X ZB 12/13, juris Tz. 10 ff.) ist bei einem Vertrag, der der Vergabestelle gestattet, seine Laufzeit über den fest vorgesehenen Vertragszeitraum hinaus weiter zu verlängern, der Verlängerungszeitraum für die Festsetzung des Streitwerts ebenfalls zu berücksichtigten. Die Ungewissheit, ob der Auftraggeber das Optionsrecht ausüben wird, ist mit einem angemessenen Abschlag vom vollen Auftragswert zu berücksichtigen, der rechnerisch während der optionalen Laufzeit erzielt werden könnte. Dieser Abschlag ist im Regelfall mit 50 % zu veranschlagen (BGH, a.a.O., Tz. 13; KG, Beschluss vom 19.01.2016, Verg 5/15, juris Tz. 1; OLG Frankfurt, NZBau 2018, 632, 636).
Diese Grundsätze sind auch vorliegend anzuwenden. Zwar handelt es sich hier anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall nicht um ein einseitiges Optionsrecht der Vergabestelle. Vielmehr soll der Vertrag für die Laufzeit von fünf Jahren fest geschlossen werden, wobei er sich jeweils um ein weiteres Jahr automatisch verlängert, sofern er nicht spätestens 12 Monate vor Ablauf des Vertragsjahres gekündigt wird. Allein die Tatsache, dass die Vertragsverlängerung hier nicht von einem positiven Tun (Ausübung des Optionsrechts), sondern nur von einem Unterlassen (keine Kündigung drei Monate vor Ablauf des Vertragsjahrs) abhängt, rechtfertigt keine unterschiedliche Behandlung.
Da die Möglichkeit der Vertragsverlängerung um jeweils ein Jahr zeitlich nicht begrenzt und der Vertrag bereits fest auf fünf Jahre abgeschlossen werden soll, geht der Senat bei der Bemessung des Streitwerts für den Verlängerungszeitraum von einer weiteren Zeitspanne von drei Jahren aus.


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