Baurecht

Vergabenachprüfungsverfahren: Kostenentscheidung nach Rücknahme der Beschwerde bei offenem Verfahrensausgang

Aktenzeichen  Verg 14/16

Datum:
8.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GWB GWB § 78, § 175 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Nimmt der Beschwerdeführer bei offenem Verfahrensausgang seine Beschwerde zurück, begibt er sich damit in die Rolle des Unterlegenen, weshalb es regelmäßig der Billigkeit entspricht, ihm die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (ebenso BGH BeckRS 2015, 06128 Rn. 2).(Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch wenn der Auftraggeber das Vergabeverfahren unmittelbar vor Einlegung der Beschwerde aufgehoben hat, stellt dies, wenn die Aufhebung im Interesse des Beschwerdeführers erfolgt ist, keinen besonderen Umstand dar, aufgrund dessen dem Auftraggeber die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen sind.  (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Z3-3/3194/1/37/09/16 2016-11-21 Bes VKSUEDBAYERN Vergabekammer München

Tenor

I. Die Beigeladene zu 2) hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu tragen.
II. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 850.000,00 € festgesetzt.

Gründe

A.
Der Antragsgegner beabsichtigte die Anmietung eines zu errichtenden oder bestehenden, gegebenenfalls umzubauenden Hochschulgebäudes für den Bereich Angewandte Gesundheitswissenschaft der TH Deggendorf. Eine entsprechende Veröffentlichung erfolgte im Rahmen einer EU-weiten Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb.
Die Antragstellerin sowie die Beigeladenen zu 1) und 2) gaben fristgemäß Teilnahmeanträge ab.
Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 30.09.2016, nachdem ihren Rügen nicht abgeholfen worden war, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.
Mit Beschluss vom 21.11.2016 gab die Vergabekammer dem Nachprüfungsantrag statt, ordnete an, dass das Vergabeverfahren in den Stand vor Aufforderung zur erstmaligen Abgabe von Angeboten zurückzuversetzen ist und verpflichtete die Antragsgegnerin, die Beigeladene zu 1) und 2) vom Vergabeverfahren auszuschließen.
Die Beigeladene zu 2) legte mit Schriftsatz vom 07.12.2016 gegen die Entscheidung der Vergabekammer sofortige Beschwerde ein.
Am gleichen Tag – zeitlich kurz vor Eingang der Beschwerde beim Oberlandesgericht – veröffentlichte die Antragsgegnerin die Information über die Aufhebung des Vergabeverfahrens.
Mit Schriftsatz vom 21.12.2016 erklärte die Beigeladene zu 2) den Rechtsstreit zunächst für erledigt. Mit Schriftsatz vom 08.02.2017 nahm die Beigeladene die sofortige Beschwerde zurück. Sie beantragt, gestützt auf Billigkeitsgesichtspunkte, der Antragstellerin die Kosten des Besch Werdeverfahrens aufzuerlegen.
Im Hinblick auf die Veröffentlichung der Aufhebung des Vergabeverfahrens vor Einreichung der Beschwerdeschrift und der ihrer Ansicht nach von Anfang an unbegründeten Beschwerde beantragt die Antragstellerin, der Beigeladenen die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen.
Mit weiteren Schriftsätzen haben sich die Verfahrensbeteiligten zur Höhe des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren geäußert.
B.
Nach der mit Schriftsatz vom 08.02.2017 erklärten Rücknahme der Beschwerde durch die Beigeladene zu 2) ist von Amts wegen über die Kosten zu entscheiden. Die Kostenentscheidung war gemäß § 175 Abs. 2 GWB i.V. m. § 78 GWB zu treffen.
Es entspricht regelmäßig der Billigkeit, die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Beschwerdeführerin aufzuerlegen, wenn die Beschwerdeführerin bei offenem Verfahrensausgang, insbesondere wenn eine Sachprüfung bisher nicht erfolgt ist, ihre Beschwerde zurücknimmt und sich damit in die Rolle des Unterlegenen begibt (BGH Beschluss vom 16.3.2015 – KVR 75/13, BeckRS 2015, 6128, beck-online; OLG Bremen vom 27.11.2012, Verg 2/12).
Unter Anwendung dieser Grundsätze waren die Kosten der Beigeladenen zu 2) aufzuerlegen. Gesichtspunkte, die im Rahmen von Billigkeitserwägungen eine abweichende Kostenverteilung rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.
Da bereits kurz nach Einlegung der Beschwerde mitgeteilt wurde, dass das Vergabe-verfahren aufgehoben worden ist, ist noch keine Sachprüfung erfolgt. Bei summarischer Prüfung der Beschwerdebegründung und des begründeten Kostenantrags (nach der Erledigungserklärung und vor Beschwerderücknahme) der Antragstellerin kann der Verfahrensausgang allenfalls als offen bewertet werden. Hinzu kommen die besonderen Umstände des Falles. Die Aufhebung ist vor dem Beschwerdeeingang erfolgt. Der Antragsgegner hat damit die Möglichkeit geschaffen, die Teilnahmebedingungen im Rahmen einer neuen Ausschreibung zu modifizieren. Anders als in den Fällen, in denen die Vergabestelle in einem Nachprüfungsverfahren einer drohenden Niederlage zuvorkommt, entspricht die Entscheidung, das Verfahren aufzuheben, eher den Interessen der Beschwerdeführerin, da sich damit ihr mit der Beschwerde angegriffener Ausschluss zunächst erledigt hat, ohne dass es darauf ankäme, ob der Senat die diesbezügliche Beurteilung der Vergabekammer teilt. Sachliche Gründe, nunmehr der Antragstellerin ganz oder teilweise die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, ergeben sich hieraus nicht.
Die Beigeladene hat zudem die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren zu tragen, die dem Vorbringen der Beigeladenen sachlich entgegen getreten ist und sich zudem gegen die Auferlegung der Kosten zur Wehr setzen musste. Demgegenüber besteht unter Billigkeitsgesichtspunkten kein Anlass, der Beigeladenen darüber hinaus noch außergerichtliche Kosten des Antragsgegners aufzubürden.
C.
Der Senat setzt den Streitwert für das Beschwerdeverfahren gemäß § 52 Abs. 2 GKG, § 3 ZPO auf bis zu 850.000 € fest.
Wie der Senat bereits in seinen Hinweisbeschlüssen ausgeführt hat, ist die Streitwertfestsetzung mit Unsicherheiten verbunden, da bezifferte Angebote noch nicht eingereicht wurden und als weitere kalkulatorische Unsicherheitsfaktor hinzukommt, dass nicht feststeht, in welchem Umfang Umbauten an dem Mietobjekt vorzunehmen sind.
Der Senat hat bei der Schätzung des Gegenstandswertes, die von den Beteiligten vorgelegten Vorschläge und genannten voraussichtlichen Auftragssummen berücksichtigt, sowie, dass die Laufzeit des Mietvertrag 15 Jahre mit zweimaliger 5-jährige Option betragen sollte. Optionen werden regelmäßig nur mit 50% des Wertes angesetzt. Der Senat legt deshalb für die Streitwertberechnung eine Mietdauer von 20 Jahren zugrunde. Im Übrigen hat der Senat mit einem pauschalierten Mietzins von 12 € zuzüglich der weiteren Unterhaltskosten (vgl. Anlage A 3 der Beigeladenen) kalkuliert bei einer geschätzten Fläche von 5.000 qm. Hieraus errechnet sich ein Gesamtauftragswert von etwa 17 Mio €. Der Streitwert beträgt 5% dieser Summe.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben