Baurecht

Versagung der Baugenehmigung für Einfamilienhaus im Außenbereich

Aktenzeichen  1 ZB 17.449

Datum:
29.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14494
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 2‚ Abs. 3 S. 1 Nr. 7

 

Leitsatz

1. Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper. Örtliche Besonderheiten können im Einzelfall aber ausnahmsweise rechtfertigen, ihm noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Fluss, Waldrand) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind oder trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Ausweitung eines Ortsteils über den Bebauungszusammenhang hinaus in den Außenbereich beeinträchtigt als Vorgang einer siedlungsstrukturell zu missbilligenden Entwicklung öffentliche Belange (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 BauGB). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 K 15.3923 2016-12-08 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000‚- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage. Mit Urteil vom 8. Dezember 2016 wies das Verwaltungsgericht die Klage gegen den Ablehnungsbescheid des Beklagten ab, da unabhängig davon, ob der Baulinienplan „…“ wirksam sei oder nicht, das Grundstück jedenfalls im Außenbereich liege und dem nicht privilegierten Vorhaben öffentliche Belange entgegenstünden.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Ernstliche Zweifel im Sinn dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall.
Bei mehrfacher, die Entscheidung jeweils selbständig tragender Urteilsbegründung muss für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht sein und vorliegen (stRspr. vgl. BVerwG, B.v. 21.11.2017 – 8 B 11.17 – juris Rn. 3, B.v. 8.8.2008 – 9 B 31.08 – juris Rn. 7). Das Verwaltungsgericht hat die Klageabweisung alternativ begründet. Es hat ausgeführt, dass der Baulinienplan „…“ einer Bebauung des Grundstücks entgegenstehe, da er das klägerische Grundstück umfasse und kein Baurecht ausweise. Allerdings hat das Gericht Bedenken dahingehend geäußert, dass der Bebauungsplan funktionslos geworden sein könnte. Stehe der Bebauungsplan dem klägerischen Vorhaben nicht entgegen, sei es bauplanungsrechtlich nicht zulässig, da ihm als nicht privilegiertem Vorhaben im Außenbereich öffentliche Belange entgegenstünden. Letzteres ist nicht ernstlich zweifelhaft, so dass es auf die Ausführungen des Klägers zu dem Inhalt des Baulinienplans und dessen Wirksamkeit nicht entscheidungserheblich ankommt.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das klägerische Grundstück im Außenbereich liegt und das nicht privilegierte Vorhaben öffentliche Belange beeinträchtigt.
Ein Vorhaben liegt im Außenbereich, wenn es nicht Bestandteil eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinn des § 34 Abs. 1 BauGB ist. Für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts maßgebend, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört. Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper. Örtliche Besonderheiten können es im Einzelfall aber ausnahmsweise rechtfertigen, ihm noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Fluss, Waldrand o.ä.) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind oder trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen (vgl. BVerwG, B.v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – ZfBR 2016, 67; B.v. 17.1.2005 – 4 B 3.05 – juris Rn. 7; U.v. 12.12.1990 – 4 C 40.87 – NVwZ 1991, 879).
Mit der Zulassungsbegründung wird geltend gemacht, dass das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen habe, dass sich das klägerische Grundstück topografisch durch den in östlicher Richtung gelegenen Steilhang entlang der Waldstraße zum Außenbereich abgrenze. Auch in nördlicher Richtung liege eine natürliche topografische Grenze vor, da dort, um einige Meter abgesenkt, das Grundstück FlNr. … liege, auf der sich der niedriger liegende öffentliche Parkplatz befinde. An dem Bebauungszusammenhang nehme auch das Grundstück FlNr. … teil, welches entgegen der Urteilsbegründung ebenfalls eine Bebauung aufweise. Mit diesen Argumenten wird die Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht (vgl. BVerwG, B.v 4.1.1995 – 4 B 273.94 – juris Rn. 3) nicht in Frage gestellt.
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass das klägerische Grundstück auch in westlicher Richtung nicht an eine Bebauung anschließe, sondern Teil eines größeren unbebauten Bereichs sei, der neben dem klägerischen Grundstück aus den südlich, westlich bzw. südwestlich gelegenen Grundstücken FlNr. …, …, … (östlich der M* …straße) sowie einer unbebauten Teilfläche des Grundstücks FlNr. … bestehe. Bei der Bebauung des Grundstücks FlNr. … wurde zutreffend unterschieden zwischen den Grundstücksteilen, die östlich bzw. westlich der M* …straße liegen. Zwar ist das Grundstück FlNr. … (östlich der M* …straße) nicht gänzlich unbebaut, die Bebauung lediglich mit einer Nebenanlage (Scheune) kann aber keinen Bebauungszusammenhang begründen (vgl. BVerwG, B.v. 5.4.2017 – 4 B 46.16 – ZfBR 2017, 471). Eine Hangkante (Höhenunterschied zu dem Parkplatz ca. 2 – 3 m) in einer Entfernung von ca. 50 m zu der letzten Wohnbebauung in südlicher Richtung, dem Wohnhaus auf FlNr. …, kann unter den festgestellten Umständen keine topografische Grenze darstellen, die den Eindruck der Geschlossenheit und Zugehörigkeit einer Fläche zum Bebauungszusammenhang erzeugt (vgl. BVerwG, B.v. 1.8.1994 – 4 B 203.93 – juris Rn. 7).
Die Ausweitung eines Ortsteils über den Bebauungszusammenhang hinaus in den Außenbereich beeinträchtigt als Vorgang einer siedlungsstrukturell zu missbilligenden Entwicklung öffentliche Belange (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB). Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine Bebauung auf dem klägerischen Grundstück Nachfolgebebauung auf den Grundstücken FlNr. … und … nach sich ziehen werde. Es ist Aufgabe der Bauleitplanung oder einer Ortsabrundungssatzung die städtebauliche Entwicklung zu ordnen und zu lenken (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.1985 – 4 C 29.81 – NVwZ 1985, 747; B.v. 11.10.1999 – 4 B 77.99). Es kann dahingestellt bleiben, ob das Bauvorhaben auch die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB), da die Beeinträchtigung eines öffentlichen Belangs ausreichend ist.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen‚ da sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1 und 3‚ § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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