Europarecht

Abschiebungsanordnung nach Frankreich

Aktenzeichen  W 8 S 20.50083

Datum:
2.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 3579
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 34a, § 77 Abs. 2
AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7
VO (EU) Nr. 604/2013 Art. 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 Buchst. d, Art. 20 Abs. 3, Art. 29 Abs. 1, Art. 31

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist ein am … … 2019 in Deutschland geborener nigerianischer Staatsangehöriger. Am 17. Dezember 2019 wurde der Antragsgegnerin die Geburt des Antragstellers angezeigt.
Nach Erkenntnissen der Antragsgegnerin lagen – im Verfahren der Mutter des Antragstellers – Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates (Frankreich) gemäß der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) vor. Auf ein Übernahmeersuchen vom 11. Februar 2020 erklärten die französischen Behörden mit Schreiben vom 19. Februar 2020 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags des Antragstellers gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO.
Ergänzend wird auf die Verfahren der Mutter (siehe W 8 K 20.50080 und W 8 S 20.50081) Bezug genommen, die nach unanfechtbarem Abschluss des vorhergehenden Dublin-Verfahrens (vgl. dazu W 10 K 19.50653 und W 10 S 19.50654) am 12. November 2019 erneut in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war und am 21. Januar 2020 die Durchführung eines Asylverfahrens beantragt hatte, in dessen Zusammenhang das vorgenannte Übernahmeersuchen an die französischen Behörden erfolgte.
Mit Bescheid vom 20. Februar 2020 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2) und ordnete die Abschiebung nach Frankreich an (Nr. 3). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).
Am 26. Februar 2020 ließ der Antragsteller, vertreten durch seine Mutter, zu Protokoll der Urkundsbeamtin im Verfahren W 8 K 20.50082 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben und im vorliegenden Verfahren beantragen,
Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.
Zur Begründung ließ der Antragsteller durch seine Mutter auf die Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verweisen und weiter vorbringen: Eine Rückkehr nach Frankreich sei nicht möglich, da die Mutter fürchte, mit dem Antragsteller wieder auf der Straße leben zu müssen. In Frankreich habe es keine Unterkunft und sonstige Verpflegung gegeben. Mit dem neugeborenen Antragsteller sei es unzumutbar, dort zu leben. Der Schutz des Babys sei das Wichtigste für sie.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Verfahrens W 8 K 20.50082 sowie der Verfahren der Mutter W 8 K 20.50080 und W 8 S 20.50081 sowie deren früheren Gerichtsverfahren W 10 K 19.50653 und W 10 S 19.50654) sowie die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
Bei verständiger Würdigung des Begehrens des anwaltlich nicht vertretenen Antragstellers (§ 88 VwGO i.V.m. § 122 VwGO) ist der Antrag dahingehend auszulegen, dass er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung nach Frankreich in Nr. 3 des Bundesamtsbescheids vom 20. Februar 2020 begehrt.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 20. Februar 2020 ist bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) in Nr. 3 rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt das private Interesse des Antragstellers, vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache noch im Bundesgebiet bleiben zu dürfen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheids verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Das Vorbringen in der Antragsbegründung führt zu keiner anderen Beurteilung.
Frankreich ist gemäß den Vorschriften der Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständig (§§ 34a, 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG i.V.m. der Verordnung Nr. 604/2013/EU – Dublin III-VO). Die Zuständigkeit Frankreichs ergibt sich vorliegend aus Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO. Die französischen Behörden haben – bezogen auf die Mutter des Antragstellers – ihre Zuständigkeit mit Schreiben vom 19. Februar 2020 ausdrücklich erklärt. Die Antragsgegnerin hat des Weiteren schon zu Recht darauf hingewiesen, dass nach Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO für den Antragsteller als nachgeborenes Kind (vgl. Art. 2 Buchst. g Dublin III-VO) das Einverständnis der französischen Behörden zur Übernahme ebenfalls gilt.
Außergewöhnliche Umstände, die möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO bzw. für eine entsprechende Pflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen könnten, sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere ist nach derzeitigem Erkenntnisstand auch unter Berücksichtigung der hierzu einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 u.a. – NVwZ 2012, 417) nicht davon auszugehen, dass das französische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtecharta (GRCh) ausgesetzt wären.
Das gemeinsame Europäische Asylsystem beruht auf dem „Prinzip gegenseitigen Vertrauens“ bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“, dass alle daran beteiligten Mitgliedstaaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), dem Protokoll von 1967 und in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417 Rn. 79). Dies begründet die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417 Rn. 80). Um das Prinzip gegenseitigen Vertrauens entkräften zu können, muss ernsthaft zu befürchten sein, dass dem Asylbewerber aufgrund genereller defizitärer Mängel im Asylsystem des eigentlich zuständigen Mitgliedstaats mit beachtlicher, d.h. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6/14 – juris Rn. 6; EuGH, U.v. 21.12. 2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417 Rn. 80; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris Rn. 41). Erforderlich ist insoweit die real bestehende Gefahr, dass in dem Mitgliedstaat, in den überstellt werden soll, die grundlegende Ausstattung mit den notwendigen, zur Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse elementaren Mitteln so defizitär ist, dass der materielle Mindeststandard nicht erreicht wird und der betreffende Mitgliedstaat dieser Situation nicht mit geeigneten Maßnahmen, sondern mit Gleichgültigkeit begegnet (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 29.1.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 34 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kann allerdings die bloße schlechtere wirtschaftliche oder soziale Stellung der Person in dem zu überstellenden Mitgliedstaat nicht für die Annahme einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausreichen (vgl. EGMR, B.v. 2.4.2013 – 27725/10 – ZAR 2013, 336, 70 f.). Der EGMR führt in seiner Entscheidung aus, dass Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung der Vertragsparteien enthalte, jede Person innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs mit Obdach zu versorgen oder finanzielle Leistungen zu gewähren, um ihnen dadurch einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Einer Überstellung im Rahmen des Dublin-Verfahrens stehen deshalb nur außergewöhnliche zwingende humanitäre Gründe entgegen.
Ausgehend von vorstehenden Grundsätzen bestehen aufgrund der aktuellen Erkenntnislage des Gerichts keine Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger systemischer Mängel im französischen Asylsystem (ebenso etwa VG Ansbach, B.v. 5.2.2020 – AN 17 S 19.51229 – juris; U.v. 11.11.2019 – AN 17 K 19.50901 – juris; VG Lüneburg, B.v. 14.3.2019 – 8 B 41/19 – juris; VG Karlsruhe, B.v. 11.3.2019 – 1 K 6963/18, A 1 K 6963/18 – juris sowie VG Würzburg, B.v. 26.8.2019 – W 10 19.50654; B.v. 7.12.2018 – W 10 S 18.50560 – juris; jeweils m.w.N.), zumal der Antragsteller nichts Dahingehendes substanziiert vorgebracht hat. In Frankreich existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit. Anträge von Dublin-Rückkehrern werden wie jeder andere Asylantrag behandelt. Es besteht die Möglichkeit, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Dublin-Rückkehrer haben denselben Zugang zur Unterbringung wie reguläre Asylbewerber. Sie erhalten eine Beihilfe und haben Anspruch auf medizinische Versorgung, welche psychische und psychologische Hilfe miteinschließt. Außerdem haben Asylbewerber Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn über ihren Asylantrag nicht innerhalb vom neun Monaten entschieden ist (siehe BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Frankreich vom 29.1.2018 m.w.N.).
Auch wenn der Zugang von Asylbewerbern zu Unterbringungen in Einzelfällen problematisch sein kann (siehe BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Frankreich vom 29.1.2018, S. 9), wird hierdurch bei summarischer Prüfung nicht die oben dargelegte hohe Eingriffsschwelle hinsichtlich Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh in Bezug auf die Bejahung systemischer Schwachstellen im französischen Asylsystem erreicht. Dies gilt umso mehr, als der französische Staat sich gegenüber diesen Defiziten nicht gleichgültig zeigt, sondern mit entsprechenden Maßnahmen zur Verbesserung der Unterbringungssituation reagiert hat (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Frankreich vom 29.1.2018, S. 9; vgl. auch aida, Country Report: France, Update 2018 vom 31.12.2018, S. 83 ff.).
Das Gericht geht davon aus, dass dem Antragsteller und seiner Mutter nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in Frankreich das Schicksal unfreiwilliger Obdachlosigkeit trifft. Das Gericht verkennt nicht, dass der Zugang zu staatlicher organisierter Unterbringung in der Praxis schwierig sein kann. Allerdings sind in Frankreich auch private Unterbringungsplätze, etwa von gemeinnützigen Hilfsorganisationen, vorhanden, die Asylantragstellern und Dublin-Rückkehrern während der Wartezeit auf staatliche organisierte Unterkunft Obdach bieten können. Grundsätzlich werden ausreichende Unterbringungsmöglichkeiten für Asylsuchende und Dublin-Rückkehrer in verschiedenen staatlichen Unterkünften sichergestellt. Vulnerable Personen – wie etwa hier eine Frau mit einem Säugling – werden in der Regel in Einrichtungen der Cada untergebracht, die es ermöglichen, besonderen Bedürfnissen von schutzbedürftigen Personen zu berücksichtigen. Auch wenn spezifische Bedürfnisse vulnerabler Personen nicht in jedem Fall beachtet werden können und es in Einzelfällen zu vorübergehender Obdachlosigkeit kommen kann, sind diese defizitären Umstände noch nicht als generelle systemische Mängel in Frankreich zu qualifizieren. Auf den Beschluss im ersten Dublin-Verfahren der Mutter (VG Würzburg, B.v. 26.8.2019 – W 10 S 19.50654 sowie etwa VG Karlsruhe, B.v. 11.3.2019 – 1 K 6963/18, A 1 K 6963/18 – juris; VG Würzburg, B.v. 7.12.2018 – W 10 S 18.50560 – juris) wird verwiesen.
Insbesondere ist es dem Antragsteller und seiner Mutter zumutbar, sich den Anforderungen des französischen Asyl- und Aufnahmeverfahrens – auch zur Vermeidung von Obdachlosigkeit – zu unterwerfen und die ihm dort gebotenen Möglichkeiten, gegebenenfalls auch Rechtsschutzmöglichkeiten, sowie erforderlichenfalls Hilfemöglichkeiten durch Private zu ergreifen und so durch eigenes Zutun und eigene Mitwirkung einer eventuelle drohenden Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bzw. einer existenziellen Gefahr zu begegnen. Eine etwa erforderliche Eigeninitiative, wie etwa bei der Registrierung bei der zuständigen Stelle, ist zumutbar.
Vorstehendes gilt auch im Falle einer eventuellen Anerkennung eines internationalen Schutzstatutes in Frankreich. Denn Personen, die während des Asylverfahrens untergebracht werden, können nach der Gewährung eines Schutzstatus weitere drei Monate (um 3 Monate verlängerbar) und im Falle der Ablehnung des Asylantrags einen Monat lang weiterhin in der ursprünglichen Unterkunft bleiben. Des Weiteren müssen sie einen Willkommens- und Integrationsvertrag unterschreiben, welcher der Integration in die französische Gesellschaft durch maßgeschneiderte Unterstützung beim Zugang zum Arbeitsmarkt und zur Bildung dient. Im Rahmen des Integrationsvertrags besteht die Möglichkeit auf eine temporäre Unterbringung für neun Monate mit einer Verlängerungsmöglichkeit um weitere drei Monate. Nichtregierungsorganisationen bieten weitere Integrationsprogramme, aber auch temporäre Unterkünfte für Schutzberechtigte an. Nach dem Asylverfahren muss die die Gesundheitsbehörde über den gewährten Schutzstatus informiert werden. Schutzberechtigte erhalten dann eine Krankenversicherungskarte und können weiterhin kostenfrei vom Allgemeinen Zusatzkrankenschutz profitieren. International Schutzberechtigte haben auch Zugang zu Sozialleistungen und verschiedenen Beihilfen in Bereichen wie Familie, Wohnraum, Bildung, Behinderung usw. (siehe BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Frankreich vom 29.1.2018, S. 12 f.).
Weiter ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin ermessensfehlerhaft keinen Gebrauch von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Dublin III-VO gemacht hat.
Auch eine Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers in Frankreich, verbunden mit einer ihm möglicherweise drohenden Abschiebung in das Heimatland, führt nicht zu einer Zuständigkeit der Antragsgegnerin verbunden mit einer (nochmaligen) Prüfung des Schutzbegehrens in Deutschland. Dem Antragsteller steht es frei, in Frankreich gegebenenfalls um Rechtschutz nachzusuchen bzw. dort einen Folgeantrag zu stellen. Dass bestandskräftig abgelehnte Asylbewerber mit ihrer Abschiebung in ihr Herkunftsland zu rechnen haben, ist kein hier relevanter Mangel des Asylverfahrens und auch im Übrigen nicht menschenrechtswidrig. Vielmehr ist – wie ausgeführt – davon auszugehen, dass in Frankreich ein rechtstaatliches Erst- und gegebenenfalls auch Folgeverfahren durchgeführt wird. Der Asylbewerber hat nach der Systematik sowie dem Sinn und Zweck der Dublin-Regelungen insbesondere kein Wahlrecht, sich den Mitgliedsstaat auszusuchen, in dem er sich bessere Chancen oder angenehmere Aufenthaltsbedingungen erhofft oder nach Ablehnung eines Asylantrags in einem Mitgliedsstaat in einen anderen Mitgliedsstaat weiterzureisen, um eine weitere Prüfung seines Asylantrags mit einen für ihn günstigen Ergebnis zu erreichen. Relevant sind allein die Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates nach der Dublin III-VO.
Bei dem Antragsteller liegen zum jetzigen maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG vor.
Des Weiteren ist insbesondere das Alter des Antragstellers kein relevantes Abschiebungshindernis. Auch unter Berücksichtigung der Wertung des Mutterschutzgesetzes konkret nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG, wonach in der Regel bis acht Wochen nach der Entbindung ein Beschäftigungsverbot besteht, welches zu einem Abschiebungsverbot führen würde, besteht kein Abschiebungshindernis, weil seit der Geburt des Antragstellers am … … 2019 mittlerweile deutlich mehr als acht Wochen vergangen sind.
Das Gericht geht weiter davon aus, dass die mit der Rückführung befassten deutschen Behörden im vorliegenden Einzelfall – soweit erforderlich – geeignete Vorkehrungen zum Schutz des Antragstellers treffen werden. Auf die Verpflichtungen aus Art. 29 Abs. 1 UA 2 Dublin III-VO und Art. 31 Dublin III-VO, wonach der Mitgliedsstaat sicherstellt, dass die Überstellung in humaner Weise und unter uneingeschränkter Wahrung der Grundrechte und der Menschenwürde durchgeführt wird und des Weiteren zuvor der überstellende Mitgliedsstaat dem zuständigen Mitgliedsstaat sämtliche Informationen übermittelt, die wesentlich für den Schutz der Rechte und der unmittelbaren besonderen Bedürfnisse, der zu überstellenden Person sind, soweit der zuständigen Behörde gemäß dem innerstaatlichen Recht entsprechende Informationen vorliegen, wird hingewiesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann es in Einzelfällen geboten sein, vor einer Rückverbringung mit den im Zielstaat zuständigen Behörden Kontakt aufzunehmen, den Sachverhalt zu klären und gegebenenfalls zum Schutz des Ausländers Vorkehrungen zu treffen (vgl. BVerfG, B. v. 17.9.2014 – 2 BvR 1795/14 – Asylmagazin 2014, 341 m.w.N.). Die der zuständigen Behörde obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, kann es in Einzelfällen gebieten, sicherzustellen, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist (vgl. dazu OVG LSA, B. v. 20.6.2011 – 2 M 38/11 – InfAuslR 2011, 390, 392).
Schließlich sind auch sonst inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die die Antragsgegnerin selbst zu berücksichtigen hätte, derzeit nicht ersichtlich. Eine Reise- oder Transportunfähigkeit wurde von dem Antragsteller nicht substanziiert geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich, insbesondere liegen dazu bislang keine ärztlichen Belege vor.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung war daher nach alledem abzulehnen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben