Europarecht

Eilverfahren, Infektionsschutz, Vorwegnahme der Hauptsache, Indoorspielplatz, keine Maskenpflicht für 6- bis 14-Jährige aus Bayerischer, Infektionsschutzmaßnahmenverordnung in Indoorspielplatz, Maskenpflicht nur für Fahrgäste gilt nach konkreter Regelung nicht für alle Besucher und Gäste des Indoorspielplatzes, wie auch Vergleich zu anderen Freizeiteinrichtungen zeigt, Auslegung der Verordnungsregelung, Rahmenkonzept Touristische, Dienstleister, Bestimmung der Maskenpflicht und deren Reichweite in Rahmenkonzept mangels unmittelbarer verbindlicher Außenwirkung nicht ausreichend

Aktenzeichen  W 8 E 21.1005

Datum:
3.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 21442
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
BayIfSMV § 3 13.
BayIfSMV § 13 13.
BayIfSMV § 27 13.

 

Leitsatz

Tenor

I. Im Wege der einstweiligen Anordnung wird vorläufig festgestellt, dass in der Freizeiteinrichtung (Indoorspielplatz) der Antragstellerin außerhalb des gastronomischen Bereichs und der Toiletten sowie des Parkplatzes für 6- bis 14-Jährige keine Maskenpflicht besteht.
Diese Regelung wird unwirksam, wenn die Antragstellerin nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses an ihren Bevollmächtigten ein gerichtliches Hauptverfahren eingeleitet hat oder sich ein anhängig gemachtes Hauptsacheverfahren (durch Zurücknahme oder auf andere Weise) in der Hauptsache ohne Sachentscheidung erledigt oder sich schon vor Klageerhebung das streitgegenständliche Anliegen der Antragstellerin (etwa durch endgültige außergerichtliche Einigung der Beteiligten) in sonstiger Weise erledigt.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Von den Kosten des Verfahrens haben die Antragstellerin ¼ und der Antragsgegner ¾ zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, die einen Indoorspielplatz betreibt, begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Feststellung, dass in ihrer Freizeiteinrichtung außerhalb des gastronomischen Bereichs und der Toiletten sowie des Parkplatzes für alle 6- bis unter 15-Jährigen keine Maskenpflicht besteht und für unter 6-Jährige ohnehin nicht.
Das Landratsamt … monierte mit E-Mail vom 26. Juli 2021 unter Hinweis auf das gültige Rahmenkonzept Touristische Dienstleistungen das Schutz- und Hygienekonzept der Antragstellerin hinsichtlich der Maskenpflicht und bat um umgehende Änderung.
Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2021 ließ die Antragstellerin zuletzt b e a n t r a g e n:
Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass die Antragstellerin ihre Freizeiteinrichtung für den Publikumsverkehr derart öffnen kann, dass für alle unter 15-Jährigen keine Maskenpflicht in der gesamten Anlage außerhalb des gastronomischen Bereichs und der Toiletten sowie des Parkplatzes besteht sowie für unter 6-Jährige in der gesamten Einrichtung.
Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Antragstellerin begehre die Feststellung, dass sie ihren Betrieb bei Einhaltung von Hygienevorgaben für Erwachsene einstweilen in dem im Tenor festgelegten Umfang weiterbetreiben dürfe. Der Maskenzwang für Kinder über sechs Jahre, wie ihn das Landratsamt aufgrund der Verordnung durchsetzen möchte, stelle einen erheblichen Grundrechtsrechtseingriff dar, welcher ihr die Existenzgrundlage zu entziehen drohe. Die Antragstellerin habe Fixkosten von ca. 9.500,00 EUR pro Monat für Halle, Strom und weitere Nebenkosten. Monatliche Lohnkosten würden mit 13.000,00 EUR zu Buche schlagen. Der prognostizierte Umsatzverlust werde sich – unter Heranziehung der Vergleichszahlen von 2019 und unter Berücksichtigung der aktuellen Stornierungszahlen – auf 29.100,00 EUR belaufen. Dem Eingriff fehle schon die ausreichende gesetzliche Grundlage. Auch wenn § 13 Abs. 3 den Abs. 1 Ziffer 2 13. BayIfSMV für entsprechend anwende, beschränke Ziffer 2 den Teilnehmerkreis für die Maskenpflicht doch ausschließlich auf Fahrgäste. Ein Fahrgast sei aber ersichtlich derjenige, der ein Verkehrsmittel benutze. Verkehrsmittel wie spezielle Busse oder Schienenfahrzeuge möge es in Freizeitparks geben, aber gewöhnlich nicht in Indoorspielplätzen und vor allem nicht in dem der Antragstellerin. Dort fänden sich hauptsächlich Klettergerüste, Trampolins, diverse Hüpfburgen und Spielzeug aller Art. Verkehrsmittel, also Fahrzeuge, die zum Transport von Personen eingesetzt würden, fänden sich dort nicht. Die Geräte, die in der Halle der Antragstellerin stehen würden, seien aber allesamt nicht zum Transport von Personen bestimmt und geeignet. Der Antragsgegner, der sich auf das Rahmenkonzept Touristische Dienstleistungen beziehe, habe schon selber gemerkt, dass die Verordnung unverhältnismäßig sei und schränke die allgemeine Maskenpflicht dahingehend ein, dass diese nicht für Kinder unter sechs Jahren gelten solle und Kinder ab sechs Jahren bis 15 Jahren eine Nase-Mund-Bedeckung im gesamten Indoorbereich der Antragstellerin tragen müssten. Dieses Rahmenkonzept sei aber maximal eine interne Verwaltungsanweisung und habe keine Außenwirkung. Die Unverhältnismäßigkeit der Verordnung könne diese nicht heilen. Selbst wenn man diese als Auslegungshilfe heranziehen könnte, was abwegig erscheine, sei dies ein unverhältnismäßiger Eingriff: Dass kleine Kinder etwa auf dem Trampolin eine Maske tragen müssten, erscheine lebensfremd. Das Hüpfen sei durchaus anstrengend und die Verletzungsgefahr steige durch die Masken, die in Bewegung verrutschen würden, erheblich. Umgekehrt sei es dem Inhaber und seinem Personal nicht möglich die Maskenpflicht mittels eines Hygienekonzepts lückenlos zu kontrollieren (verrutschende Masken, etc.). Die ganze Regelung, auch wenn man die teilweise Lockerung durch das Landratsamt noch als verordnungsinhärent ansähe, erscheine in seiner Rigidität willkürlich, da keine Befreiungen für Geimpfte oder Genesene vorgesehen seien. Dass das Personal durch die Verordnung gezwungen werde, mittels Hausverbot auf etwaige Verstöße auf Verletzung der Maskenpflicht zu reagieren, sei nicht zu rechtfertigen, da Eingriff in die Handlungs- und Berufsfreiheit. Die Maskenpflicht verstoße auch gegen den Gleichheitssatz. Denn die Maskenpflicht greife nicht für Fitness-Studios und andere Sportstätten. So könnten auch Sportstätten auf die Maskenpflicht verzichten, die den Kindern (etwa im Rahmen des Kinderturnens) die gleichen oder vergleichbare Bewegungsangebote machen würden wie die Antragstellerin. Insbesondere Spaßbäder, bei denen ein naher Körperkontakt zwischen den Besuchern vor Rutschen und Springtürmen bestehe, hätten keinen Maskenzwang. Auch der Besuch von Zoos und Kinos sei gemäß § 25 Abs. 2 und Abs. 3 13. BayIfSMV ohne Maske möglich, obwohl es in diesem Zusammenhang in der Vergangenheit immer wieder Infektionen gegeben habe. Es sei nicht einzusehen, warum die Ungleichbehandlung zwischen Einrichtungen des Sports, deren Gäste ohne Maske zusammenkommen dürften, und der Einrichtung der Antragstellerin gerechtfertigt sein sollte.
Das Landratsamt … b e a n t r a g t e
mit Schriftsatz vom 2. August 2021 für den Antragsgegner:
Der Antrag wird abgelehnt.
Zur Begründung der Antragserwiderung ist im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag sei in jedem Fall unbegründet. Beim Ordnungsamt sei ein Antragsverfahren nicht vorliegend. Es sei lediglich der rechtliche Hinweis an alle Indoorspielplätze im Landkreis ergangen, dass gemäß § 13 Abs. 3 13. BayIfSMV für Indoorspielplätze der § 13 Abs. Abs. 1 13. BayIfSMV entsprechend gelte. Somit gelte gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 13. BayIfSMV in geschlossenen Räumen für Besucherinnen und Besucher FFP2-Maskenpflicht, wobei Kinder und Jugendliche zwischen dem sechsten und 16. Geburtstag nur eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen müssten. Kinder bis zum sechsten Geburtstag seien von der Maskenpflicht ausgenommen. Dies besage auch Ziffer 3.2 des Rahmenkonzepts Touristische Dienstleistungen. Die Rechtauffassung sei über die Regierung von Unterfranken mit dem bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege abgestimmt. Gründe für eine Ausnahme von der Maskenpflicht seien nicht ersichtlich. Für eine Ausnahmegenehmigung fehle es an den Voraussetzungen.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zulässig. Soweit er zulässig ist, ist er auch begründet. Im Übrigen ist er bereits unzulässig.
Der Prozessbevollmächtigte hat auf telefonische Nachfrage des Gerichts hin ausdrücklich die Formulierung des Antrags wie in den Schriftsätzen vom 29. Juli 2021 gestellt bestätigt. Für andere Altersgruppen und Räumlichkeiten ist nichts beantragt.
Statthaft ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorliegend ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. In der Hauptsache wäre eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Der Antrag zielt nach dem Begehren der Antragstellerin auf die Feststellung ab, dass in ihrer Einrichtung 6- bis 14-Jährige („alle unter 15-Jährigen“) außerhalb der oben genannten Verkehrsbereiche und unter 6-Jährige generell nicht zum Tragen einer Maske verpflichtet sind.
Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin in ihrem Einzelfall eine Ausnahmegenehmigung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 13. BayIfSMV begehrt, insofern wäre in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage die statthafte Klageart. Voraussetzung wäre zudem, nicht nur gegenüber dem Gericht ein dahingehendes Begehren deutlich zu machen, woran es fehlt, sondern auch zunächst bei der zuständigen Behörde einen Antrag auf die Ausnahmegenehmigung zu stellen.
Es besteht keine gemäß § 123 Abs. 5 VwGO vorrangige Möglichkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO, da es sich bei der E-Mail des Landratsamts … vom 26. Juli 2021 nicht um einen Verwaltungsakt im Sinn von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG handelt. Nach der maßgeblichen Auslegung aus Sicht der Antragstellerin enthält diese E-Mail keine Regelung, sondern weist lediglich auf die nach Ansicht des Antragsgegners bestehende Rechtslage hin, wie das Landratsamt auch in seiner Antragserwiderung bestätigt.
Der hier gestellte Antrag nach § 123 VwGO ist auch nicht durch die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes nach § 47 Abs. 6 VwGO in einem eventuellen Normenkontrollverfahren gegen die 13. BayIfSMV selbst ausgeschlossen. § 47 Abs. 6 VwGO ist hier nicht einschlägig, da die Antragstellerin unter Fortgeltung der Bestimmungen des § 13 13. BayIfSMV (lediglich) die Feststellung begehrt, dass in ihrer Einrichtung 6- bis 14-Jährige außerhalb der oben genannten Verkehrsbereiche und unter 6-Jährige generell nicht zum Tragen einer Maske verpflichtet sind. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat zudem ausdrücklich klargestellt, dass zunächst keine Normenkontrolle beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof begehrt wird.
Hinsichtlich der begehrten Feststellung, dass für unter 6-Jährige in der gesamten Einrichtung keine Maskenpflicht besteht, ist der Antrag unzulässig. Denn wie die Antragstellerin selbst vortragen lässt, schränkt das Landratsamt … selbst die allgemeine Maskenpflicht dahingehend ein, dass diese nicht für Kinder unter sechs Jahren gelten soll. Über die begehrte Feststellung hinsichtlich unter 6-Jähriger besteht damit kein Streit zwischen den Beteiligten, so dass insoweit das Rechtsschutzbedürfnis an einer gerichtlichen Feststellung fehlt. Im Übrigen ist in § 3 Abs. 1 Nr. 2 13. BayIfSMV unmittelbar geregelt, dass, soweit in dieser Verordnung Maskenpflicht vorgesehen ist, Kinder bis zum sechsten Geburtstag von der Tragepflicht befreit sind. Letzteres wird vom Landratsamt nicht bestritten.
Soweit der Antrag auf die Feststellung gerichtet ist, dass für in der Freizeiteinrichtung (Indoorspielplatz) der Antragstellerin außerhalb des gastronomischen Bereichs und der Toiletten sowie des Parkplatzes für 6- bis 14-Jährige keine Maskenpflicht besteht, sind die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein Feststellungsbegehren gegeben. Insbesondere besteht ein streitiges Rechtsverhältnis, da zwischen den Parteien Streit über das Bestehen einer Maskenpflicht für 6- bis 14-Jährige im Indoorspielplatz der Antragstellerin besteht. Es geht vorliegend um die Anwendbarkeit einer konkreten Norm – konkret des § 13 Abs. 3 13. BayIfSMV i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 2 13. BayIfSMV entsprechend – im Einzelfall. Es geht um die Feststellung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Normadressaten (Antragstellerin) und dem Normanwender (die örtlich für den Vollzug des Infektionsschutzgesetzes zuständige Kreisverwaltungsbehörde, § 54 Satz 1 IfSG, § 65 ZustV), der im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit insbesondere auch eventuelle behördliche präventive oder repressive Maßnahmen zu prüfen hat. In dieser Beziehung besteht ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 Alternative 1 VwGO (vgl. auch VG Augsburg, B.v. 28.1.2021 – Au 9 E 21.129 – juris).
Auch das Rechtsschutzbedürfnis ist insoweit gegeben. Angesichts der in § 28 Nr. 9 13. BayIfSMV geregelten Bußgeldbewehrung und der Ankündigung künftiger Kontrollen der Einhaltung der Schutz- und Hygienemaßnahmen im Indoorspielplatz der Antragstellerin durch das Landratsamt … ist es der Antragstellerin im Hinblick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) nicht zuzumuten, sich auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung dem Risiko einer ordnungsrechtlichen Maßnahme auszusetzen.
Der Antrag ist, soweit er zulässig ist, auch begründet.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder wenn es aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung setzt nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO voraus, dass die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen kann. Eine Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sich als überwiegend wahrscheinlich darstellt.
Im Hinblick auf die durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist der Antrag dann begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und es der Antragstellerin schlechthin unzumutbar ist, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
Vorliegend besteht zudem die Besonderheit, dass die begehrte Feststellung im Wege der einstweiligen Anordnung zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen würde. Denn selbst bei einem Obsiegen in der Hauptsache könnte der Antragstellerin nicht mehr zugesprochen werden als das, was sie ausgehend von dem gestellten Antrag sowie unter Berücksichtigung des Vorbringens begehrt. Eine Vorwegnahme der Hauptsache widerspricht grundsätzlich dem Wesen und dem Zweck der einstweiligen Anordnung. Im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einer Antragstellerin nicht schon im vollen Umfang, wenn auch nur unter Vorbehalt einer neuen Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was sie nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG, welcher einen effektiven Rechtsschutz gewährleistet, ist eine Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren ausnahmsweise dann zulässig, wenn dies im Interesse des Rechtsschutzes erforderlich ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit auch für den Erfolg im Hauptsacheverfahren spricht (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 123 Rn. 13 f.). Maßgeblich für die Entscheidung über das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 123 Rn. 27 m.w.N.).
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch auf Feststellung, dass in ihrer gesamten Freizeiteinrichtung außerhalb des gastronomischen Bereichs und der Toiletten sowie des Parkplatzes keine generelle Maskenpflicht für 6- bis 14-Jährige besteht, glaubhaft gemacht.
Die Erfolgsaussichten ihrer – noch zu erhebenden – Klage in der Hauptsache sind bei summarischer Prüfung gegeben. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit des Obsiegens im Hauptsacheverfahren.
Die vom Landratsamt angeführte und von der Antragstellerin in Abrede gestellte streitgegenständliche Maskenpflicht für 6- bis 14-Jährige ergibt sich offenkundig nicht mit hinreichender Bestimmtheit direkt aus der 13. BayIfSMV.
Insoweit dreht sich der vorliegende Rechtsstreit im Kern um die Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 13. BayIfSMV (entsprechend), wonach für Seilbahnen, Fluss- und Seenschifffahrt im Ausflugsverkehr, Stadt- und Gästeführungen, Berg-, Kultur- und Naturführungen sowie Führungen in Schauhöhlen und Besucherbergwerken sowie touristische Bahn- und Reisebusverkehre in geschlossenen Räumen, geschlossenen Fahrzeugbereichen und Kabinen für Fahrgäste FFP2-Maskenpflicht sowie für das Kontroll- und Servicepersonal, soweit es in Kontakt mit Fahrgästen kommt, Maskenpflicht gilt. Nach § 13 Abs. 3 13. BayIfSMV gilt unter anderem für Indoorspielplätze Abs. 1 entsprechend mit näher geregelten ergänzenden Maßgaben.
Zwar handelt es sich bei einem Indoorspielplatz grundsätzlich um einen geschlossenen Raum. Das Kriterium des Aufenthalts in einem geschlossenen Raum ist jedoch nicht allein entscheidend für die Annahme einer Maskenpflicht nach § 13 Abs. 3 13. BayIfSMV i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 2 13. BayIfSMV entsprechend. Ausgehend vom Wortlaut der entsprechend anzuwendenden Norm des § 13 Abs. 1 Nr. 2 13. BayIfSMV ist dort vielmehr nur eine Maskenpflicht für Fahrgäste angeordnet. Die entsprechende Anwendung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 13. BayIfSMV nach § 13 Abs. 3 13. BayIfSMV normiert demnach eine Maskenpflicht zunächst (nur) für Fahrgäste in den näher benannten Räumlichkeiten. Aus dem Vorbringen des Bevollmächtigten der Antragstellerin und aus der Homepage der Antragstellerin (abrufbar unter https:/ …*) ist jedoch ersichtlich, dass ihre streitgegenständliche Freizeiteinrichtung keine Fahrgeschäfte im Angebot hat, die von Fahrgästen im Sinne des üblichen Sprachgebrauchs genutzt werden. Die Besucher bzw. Kunden der Antragstellerin sind damit nicht als Fahrgäste zu betrachten.
Auch die systematische Auslegung und der Regelungszusammenhang sprechen dafür, dass die in § 13 Abs. 1 Nr. 2 13. BayIfSMV normierte und nach § 13 Abs. 3 entsprechend auf Indoorspielplätze anzuwendende Maskenpflicht nur Fahrgäste betreffen und nicht allgemein für alle anwesenden Personen gleichermaßen für den Aufenthalt in geschlossenen Räumen von Freizeiteinrichtungen gelten soll. Denn auch unter den in Abs. 1 genannten Freizeiteinrichtungen, für die Nr. 2 unmittelbare Geltung hat, sind Einrichtungen genannt, die nicht nur Fahrgäste, sondern auch andere Gäste haben, wie z.B. Stadt- und Gästeführungen sowie Kulturführungen und Führungen in Schauhöhlen, was für eine bewusste Regelung für „Fahrgäste“ spricht. So ist in § 13 Abs. 2 13. BayIfSMV in Bezug auf Flusskreuzfahrten die Rede von „Passagieren“ und in § 13 Abs. 3 der 13. BayIfSMV bezüglich Freizeitparks, Indoorspielplätzen etc. allgemein von „Besuchern“. Dies zeigt, dass die Unterscheidung in der Wortwahl zwischen „Fahrgästen“ in § 13 Abs. 1 Nr. 2 13. BayIfSMV und „Passagieren“ bewusst gemacht wurde und nicht generell für alle Gäste – selbst wenn sich diese in geschlossenen Räumen aufhalten – eine Maskenpflicht bestehen soll.
Auch ein Blick in andere Regelungsbereiche der 13. BayIfSMV zeigt, dass der Verordnungsgeber etwa für Gottesdienste in § 8 Nr. 3 13. BayIfSMV („Besucher“), für Gastronomie in § 15 Abs. 1 Nr. 4 13. BayIfSMV („Personal“, „Gäste“), für Tagungen, Kongresse Messen in § 17 Abs. 1 Nr. 3 13. BayIfSMV („Personal“, „Besucher“) oder für kulturelle Veranstaltung in § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 13. BayIfSMV („Mitwirkende“, „Personal“, „Besucher“) andere, umfassendere Formulierungen gewählt hat, um den von der Maskenpflicht betroffenen Personenkreis zu kennzeichnen.
Zudem ist in der Begründung der 13. BayIfSMV vom 5. Juni 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 385) in Bezug auf die Maskenpflicht ebenfalls nur von Fahrgästen die Rede. Dies zeigt ebenfalls, dass die Wortwahl bewusst getroffen wurde.
Dass sich eine Maskenpflicht nach dem Willen des Verordnungsgebers mit Bezug auf § 13 13. BayIfSMV nicht generell allein unter Abstellen darauf, dass sich Gäste in einem „geschlossenen Raum“ befinden, ergeben soll, zeigt auch das Rahmenkonzept zur Wiedereröffnung von Kureinrichtungen zur Verabreichung ortsgebundener Heilmittel, Hallen- und Freibädern sowie Wellnesseinrichtungen in Thermen und Hotels der Bayerischen Staatsministerien für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und für Gesundheit und Pflege vom 11. Juni 2021. Gemäß dessen Nr. 2.1 2. Spiegelstrich kann in Nassbereichen (…, Saunen, Schwimmhallen mit Aufenthaltsbereichen und Schwimmbecken), … auf die Verwendung einer Maske verzichtet werden. Die Regelung von Ausnahmen von durch die 13. BayIfSMV vorgesehenen Schutzmaßnahmen durch ein Rahmenkonzept ist indes in der Verordnung nicht vorgesehen. Vielmehr ist für den Erlass von weitergehenden bzw. ergänzenden Anordnungen bzw. für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen die zuständige Kreisverwaltungsbehörde nach § 27 Abs. 1 bzw. Abs. 2 13. BayIfSMV zuständig. Dies gilt sowohl für Erleichterungen als auch für Verschärfungen der Regelungen der BayIfSMV. Eine in § 13 Abs. 1 Nr. 2 13. BayIfSMV normierte Regelung einer allgemeinen Maskenpflicht für Innenräume in Freizeiteinrichtungen, einschließlich Saunen und Schwimmbäder usw., könnte allein durch ein Rahmenkonzept nicht gelockert werden. Das Rahmenkonzept stünde damit im Widerspruch zu § 13 Abs. 1 Nr. 2 13. BayIfSMV, was gegen eine solche Auslegung im oben genannten Sinne spricht. Vielmehr bestätigt die im Rahmenkonzept niedergelegte Möglichkeit des Verzichts auf Masken in Nassbereichen die Auslegung, dass sich die entsprechende Anwendung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 13. BayIfSMV nur auf Fahrgäste, also einen Teil der Anwesenden, bezieht. Jedenfalls lässt sich aus § 13 13. BayIfSMV selbst nicht mit hinreichender Bestimmtheit entnehmen, wer in welcher Freizeiteinrichtung zur Maskentragung verpflichtet ist und wer nicht.
Auch der Sinn und Zweck der Regelung gebietet keine abweichende Auslegung. Die 13. BayIfSMV hat weitere vorsichtige Öffnungsschritte zum Gegenstand (vgl. Begründung 13. BayIfSMV, BayMBl. 2021 Nr. 385) und damit eher Lockerungen. Dies spricht ebenfalls dafür, dass keine grundsätzliche Maskenpflicht in geschlossenen Räumen in den betroffenen Freizeiteinrichtungen durch die Verordnung ausnahmslos festgelegt werden sollte. Mit der Normierung einer Maskenpflicht für Fahrgäste wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Fahrgastkabinen, geschlossene Fahrzeugbereiche und allgemein der Aufenthaltsbereich in geschlossenen Räumen für Fahrgäste, wie z.B. auf einem Schiff, in der Regel eher beengte Bereiche darstellen, in denen die sonstigen Schutzmaßnahmen wie ausreichender Abstand und Belüftung nicht immer eingehalten werden können.
Damit ergibt sich allein aus § 13 Abs. 3 3. BayIfSMV i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 2 13. BayIfSMV entsprechend keine generelle Maskenpflicht für 6- bis 14-Jährige in der Einrichtung der Antragstellerin. Auch sonst ist eine solche Maskenpflicht für 6- bis 14-Jährige nach der 13. BayIfSMV nicht ersichtlich.
Die vom Antragsgegner eingeforderte Maskenpflicht in der gegenständlichen Einrichtung der Antragstellerin ist jedoch in Nr. 3.2 des „Corona-Pandemie: Rahmenkonzept Touristische Dienstleister“ der Bayerischen Staatsministerien für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und für Gesundheit und Pflege vom 11. Juni 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 406) vorgesehen. Nach diesem Rahmenkonzept, dessen Handlungsempfehlungen nach seiner Nr. 1 für touristische Dienstleistungen mit Freizeiteinrichtungen sowie touristische Verkehre gelten, haben Gäste ab dem 16. Geburtstag im Innenbereich und in den ausgewiesenen Außenbereichen eine FFP2-Maske zu tragen, wonach Kinder und Jugendliche zwischen dem sechsten und 16. Geburtstag nur eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen müssen (Nr. 3.2 Sätze 1 und 2).
Diesem Rahmenkonzept fehlt jedoch die für eine Rechtsvorschrift charakteristische unmittelbare Außenwirkung. Nach § 13 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 13. BayIfSMV entsprechend haben die Betreiber von Freizeiteinrichtungen auf der Grundlage eines von den Staatsministerien Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und für Gesundheit und Pflege bekannt gemachten Rahmenkonzepts ein eigenes Schutz- und Hygienekonzept auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen. Eine außenwirksame, unmittelbare Verpflichtung zur Einhaltung des Konzepts oder auch nur zur Übernahme bestimmter Vorgaben des Rahmenkonzepts in das eigene Hygienekonzept, ergibt sich aus den Regelungen der 13. BayIfSMV nicht. Dementsprechend ist die Verletzung von Vorgaben der Rahmenkonzepte auch dann nicht bußgeldbewehrt, wenn sie der Betreiber in seinen Hygieneplan übernommen hätte, vgl. § 28 Nr. 9 13. BayIfSMV (vgl. insgesamt zum „Rahmenkonzept Gastronomie“ BayVGH, B.v. 15.7.2021 – 25 NE 21.1811 – bislang nicht veröffentlicht).
Eine rechtsverbindliche Umsetzung der Vorgaben der Rahmenkonzepte liegt nicht vor. Dafür bedürfte es vielmehr etwa einer bislang fehlenden entsprechenden Regelung in der 13. BayIfSMV oder einer Anordnung durch die zuständige Behörde, welche nach § 27 Abs. 1 der 13. BayIfSMV unberührt bleibt.
Im vorliegenden Fall wurde des Weiteren ein Anordnungsgrund im Sinne einer Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht. Dieser folgt daraus, dass die Auslegung der einschlägigen Regelungen durch den Antragsgegner in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG eingreift und eine Entscheidung in der Hauptsache voraussichtlich zu spät kommen würde. Der Antragstellerin entsteht nach ihrem Vorbringen durch Stornierungen infolge der Maskenpflicht für 6- bis 14-Jährige ein nicht unerheblicher wirtschaftlicher Schaden. Die mit der einstweiligen Anordnung einhergehende Vorwegnahme der Hauptsache ist mit Blick auf die dargelegte Grundrechtsbetroffenheit der Antragstellerin gerechtfertigt.
Nach alldem war daher vorläufig festzustellen, dass in der Freizeiteinrichtung (Indoorspielplatz) der Antragstellerin außerhalb des gastronomischen Bereichs und der Toiletten sowie des Parkplatzes für 6- bis 14-Jährige keine Maskenpflicht besteht.
Wie sich aus der Tenorierung ergibt, verliert diese Regelung ihre Gültigkeit, wenn nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses an den Prozessbevollmächtigten ein gerichtliches Hauptverfahren eingeleitet ist (sofern keine sonstige Erledigung eintritt, etwa durch eine außergerichtliche Verständigung und endgültige Einigung der Beteiligten).
Im Übrigen war der Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Quotelung entspricht unter Abstellung auf die Jahrgänge der jeweils gemäß dem Antrag betroffenen Kinder und Jugendlichen den Anteilen des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens. Hinsichtlich der 6- bis 14-Jährigen obsiegt die Antragstellerin, hinsichtlich der unter 6-Jährigen ist sie unterlegen. Bei einer Annahme, dass hauptsächlich Kinder ab dem Alter von drei Jahren den Indoorspielplatz der Antragstellerin besuchen, entspricht dies dem Verhältnis ¾ zu ¼.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG. In Ermangelung anderweitiger Angaben, war vom Auffangstreitwert in Höhe von 5.000,00 EUR auszugehen. Eine Halbierung des Streitwerts nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes war nicht geboten, da die Antragstellerin wie dargestellt die Vorwegnahme der Hauptsache begehrt.


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