Europarecht

Grundbuchverfahrensrechtliche Anforderungen an ein Gerichts- oder Behördensiegel

Aktenzeichen  34 Wx 16/16

Datum:
24.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FGPrax – 2016, 152
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GBO §§ 29 III, 18, 38, 46 I, 71 I
InsO §§ 200 II 2, 32 II 1
ZPO § 725
RPflG § 11 I
GG Art. 70 I, 31 I
BayWappenG § 2 III
BayAVWpG § 8 IV

 

Leitsatz

1. Ein behördliches Eintragungsersuchen mit lediglich drucktechnisch erzeugtem Ausdruck des Behördensiegels genügt nicht den im Grundbuchverfahren geltenden Formanforderungen. (amtlicher Leitsatz)
2. Der Zweck der bundesgesetzlich vorgeschriebenen Form an behördliche Eintragungsersuchen verbietet es, die von einer Landesbehörde aufgrund landesrechtlicher Ermächtigung vorgenommene Siegelung durch Ausdruck einer Bild-/Grafikdatei auf dem Eintragungsersuchen als formgerecht anzuerkennen. (amtlicher Leitsatz)
3. Behördenerklärungen, die nach § 29 III GBO Grundlage einer Eintragung in das Grundbuch sein sollen, bedürfen wie Zwangsvollstreckungstitel eines individuellen Siegelungsvorgangs; die Richtigkeit des Grundbuchs und die Sicherheit des grundbuchbezogenen Verkehrs erlauben keine Absenkung des Echtheitsnachweises (Fortführung von LG Aurich BeckRS 1987, 31274637). (redaktioneller Leitsatz)
4. Behörden und Gerichte sind gegen eine Zwischenverfügung des Grundbuchamtes, durch die ein Eintragungsersuchen nach § 38 GBO beanstandet wird, beschwerdebefugt (Anschluss an BGH BeckRS 2013, 02436 Rn. 5). (redaktioneller Leitsatz)
5. Das Grundbuchamt hat nach § 38 GBO neben den durch das Behördenersuchen nicht ersetzten Eintragungserfordernissen nur zu prüfen, ob die förmlichen Voraussetzungen des Ersuchens gegeben sind; für die sachliche Richtigkeit des Ersuchens trägt grundsätzlich allein die ersuchende Behörde die Verantwortung (Anschluss an BGH BeckRS 2014, 15887 Rn. 14). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Karpfham Bl. 3935 – 14 2015-12-22 AGPASSAU AG Passau

Tenor

I.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Passau – Grundbuchamt – vom 22. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.
II.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I. Als Eigentümer von Grundbesitz sind die Beteiligten zu 2 und 3 neben zwei weiteren Personen mit dem Zusatz „als Gesellschafter des bürgerlichen Rechts“ seit 24.1.1994 im Grundbuch eingetragen. Hinsichtlich der Anteile beider Beteiligter wurde am 30.6.2004 und 1.7.2004 auf Ersuchen des Insolvenzgerichts die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Abteilung II (lfd. Nr. 4 und 5) eingetragen.
Mit Schreiben vom 25.11.2015 und 14.12.2015 ersuchte das Insolvenzgericht München – Beteiligter zu 1 – unter Bezugnahme auf § 200 Abs. 2 Satz 2 InsO das Grundbuchamt Passau, die Eintragung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens an beiden Stellen zu löschen. Die auf Behördenpapier erstellten Ersuchen enden mit einer Wiedergabe des Namens und der Dienstbezeichnung der Rechtspflegerin im ausgedruckten Text bzw. als Stempelaufdruck und sind an dieser Stelle mit schwarzem bzw. blauem Kugelschreiber unterschrieben. Rechts neben dem Unterschriftsfeld ist jeweils ein kreisrundes Dienstsiegel im Durchmesser von 35 mm mit großem Staatswappen und der Umschrift „Bayern Amtsgericht“ drucktechnisch angebracht. Beigefügt ist dem Ersuchen vom 25.11.2015 eine Ausfertigung und dem Ersuchen vom 14.12.2015 eine einfache Abschrift des im jeweiligen Insolvenzverfahren ergangenen Beschlusses vom 16. bzw. 17.12.2013, wonach das Insolvenzverfahren „nach nunmehr vollzogener Schlussverteilung aufgehoben“ wird.
Mit fristsetzender Zwischenverfügung vom 22.12.2015 hat das Grundbuchamt – Rechtspfleger – die Form der Eintragungsersuchen beanstandet. Diese seien nicht mit einem ordnungsgemäßen Siegel versehen und entsprächen daher nicht der Form des § 29 Abs. 3 GBO.
Gegen die Zwischenverfügung wendet sich das Insolvenzgericht mit einem von der Rechtspflegerin unterzeichneten und einem wortgleichen, aber von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterzeichneten Beschwerdeschreiben. Darin wird die Meinung vorgetragen, das im Eintragungsersuchen maschinell aufgedruckte Siegel erfülle die rechtlichen Vorgaben und sei daher formgerecht gestellt.
Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen und zur Begründung noch ausgeführt, eine Siegelung in grundbuchmäßiger Form erfordere das Aufbringen eines Prägesiegels (Trockensiegel oder Wachssiegel) oder Farbdrucksiegels (Stempel), denn nur die Verwendung eines solchen Dienstsiegels gewährleiste die Echtheit eines Dokuments. Ein Zurückbleiben hinter diesem Standard sei mit landesrechtlichen Vorschriften, hier der Verordnung zur Ausführung des Gesetzes über das Wappen des Freistaates Bayern (AVWpG), und erst recht nicht mit Verwaltungsvorschriften, hier der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO), zu begründen. Andernfalls würden angesichts der problemlosen Reproduzierbarkeit maschinell ausgedruckter Siegel der eigentliche Sinn und Zweck der Siegelung und damit der gesetzlichen Formvorschrift unterlaufen. Zudem entspreche die Gestalt des maschinell erzeugten Siegels nicht den in der landesrechtlichen Verordnung gemachten Vorgaben.
II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde erweist sich als zulässig.
a) Gegen die auf ein gerichtliches Eintragungsersuchen ergangene Zwischenverfügung des Rechtspflegers, § 18 GBO, ist nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO die Beschwerde statthaft. Dass hier der Rechtspfleger des Grundbuchamts ein Geschäft des funktionell zuständigen Urkundsbeamten, § 12c Abs. 2 Nr. 3 GBO, wahrgenommen hat, ändert an der Wirksamkeit des Geschäfts nichts (vgl. § 8 Abs. 5 RPflG) und macht ein der Beschwerde vorgeschaltetes Verfahren nach § 12 c Abs. 4 GBO nicht erforderlich (Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 58 m. w. N.).
b) Beschwerdebefugt sind Behörden und Gerichte, soweit ihnen nach dem Gesetz die Befugnis eingeräumt ist, das Grundbuchamt um eine Eintragung nach § 38 GBO zu ersuchen (LG Frankenthal Rpfleger 2002, 72; LG Dessau ZInsO 2001, 626 – jeweils Insolvenzgericht; BGH FGPrax 2013, 54 – Landwirtschaftsgericht; OLG Hamm Rpfleger 2011, 453 – Versteigerungsgericht; OLG Hamm Rpfleger 1996, 338 – Umlegungsausschuss; Hügel/Zeiser § 38 Rn. 17; Hügel/Kramer § 71 Rn. 233 f.; Budde in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 86; Meikel/Schmidt-Räntsch GBO 11. Aufl. § 71 Rn. 147). Das Insolvenzgericht ist daher gemäß § 200 Abs. 2 Satz 2, § 32 Abs. 2 Satz 1 InsO berechtigt, sich mit der Beschwerde gegen die Zwischenverfügung zu wenden.
c) Funktionell ist gemäß § 18 i. V. m. § 3 Abs. 2 Buchst. e RPflG der Rechtspfleger nicht nur für die Entscheidung über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens, sondern auch für das Ersuchen um entsprechende Eintragung in den dem Insolvenzgericht bekannten Grundbüchern zuständig. Er ist daher gleichermaßen für die Weiterverfolgung des Ersuchens mittels Beschwerde funktionell zuständig (vgl. auch OLG Hamm Rpfleger 2011, 453).
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (§ 153 GVG) hingegen nimmt als Organ der Rechtspflege die Aufgaben wahr, die nicht ausdrücklich dem Richter oder Rechtspfleger zugewiesen sind. Er führt unter anderem die Beurkundungen aus und ist somit intern zuständig für die ordnungsgemäße Siegelung des Eintragungsersuchens. Allerdings erwächst ihm aus dieser Zuständigkeitsverteilung keine eigene Beschwerdebefugnis und keine funktionelle Zuständigkeit zur Weiterverfolgung des Ersuchens im Rechtsmittelzug. Das von der funktionell nicht zuständigen Urkundsbeamtin unterzeichnete Beschwerdeschreiben wertet der Senat im Hinblick darauf, dass es zusammen mit dem von der Rechtspflegerin unterzeichneten Beschwerdeschreiben beim Grundbuchamt eingegangen ist und einen im Übrigen identischen Inhalt hat, nicht als eigenständiges Rechtsmittel.
D) Die in schriftlicher Form von der Rechtspflegerin des Insolvenzgerichts eingelegte Beschwerde erweist sich auch im Übrigen als zulässig, insbesondere als formgerecht, § 73 Abs. 2 Satz 1 GBO. Die an das behördliche Eintragungsersuchen zu stellenden Formanforderungen (§ 29 Abs. 3 GBO) gelten für die Beschwerdeschrift nicht.
2. In der Sache hat das Rechtsmittel, mit dem die – beide Eintragungsersuchen betreffende – Zwischenverfügung insgesamt zur Überprüfung des Beschwerdegerichts gestellt ist, keinen Erfolg. Das Grundbuchamt hat zutreffend wegen eines behebbaren Formmangels der Ersuchen vor deren Zurückweisung eine Zwischenverfügung nach § 18 GBO erlassen (vgl. OLG Hamm FGPrax 2011, 171; KG JFG 14, 176/180 f.; OLG Dresden JFG 1, 406).
a) Das Insolvenzgericht ist nach § 200 Abs. 2 Satz 2, § 32 Abs. 2 Satz 1 InsO befugt und verpflichtet, nach § 38 GBO das Grundbuchamt um die Löschung des Insolvenzvermerks gemäß § 46 Abs. 1 GBO zu ersuchen. Das Behördenersuchen ersetzt den ansonsten erforderlichen Eintragungsantrag, die Eintragungsbewilligung und die ggfls. notwendige Zustimmung Dritter (Demharter GBO 30. Aufl. § 38 Rn. 61 – 64). Auf die entbehrlichen, aber beigefügten Aufhebungsbeschlüsse (und deren Form) kommt es im Grundbuchverfahren hingegen nicht an (vgl. Schmal/Busch in MüKo-InsO 3. Aufl. § 33 Rn. 28; Demharter § 38 Rn. 69, 71). Für die sachliche Richtigkeit des Ersuchens trägt – grundsätzlich – allein die ersuchende Behörde die Verantwortung; das Grundbuchamt ist nicht verpflichtet, die inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen (vgl. BayObLG Rpfleger 1970, 346; OLG Hamm Rpfleger 1996, 338; 2011, 453 m. w. N.; Demharter § 38 Rn. 60 – 67).
Das Grundbuchamt hat daher neben den durch das Ersuchen nicht ersetzten grundbuchrechtlichen Eintragungsvoraussetzungen (z. B. Voreintragung des Betroffenen; Demharter § 38 Rn. 65 – 67) nur die förmlichen Voraussetzungen des gestellten Eintragungsersuchens zu prüfen (BGH FGPrax 2014, 192; BayObLG Rpfleger 1970, 346; Hügel/Zeiser § 38 Rn. 15). Dabei hat es darauf zu achten, dass das Eintragungsersuchen in Form und Inhalt den gesetzlichen Vorschriften, insbesondere § 29 Abs. 3 GBO, entspricht.
b) Das Grundbuchamt hat die Grenzen seiner Prüfungskompetenz eingehalten und das Gesetz zutreffend angewandt.
Gemäß § 29 Abs. 3 GBO sind behördliche Eintragungsersuchen zu unterschreiben und mit „Siegel oder Stempel“ zu versehen.
aa) Welche Voraussetzungen an ein Siegel zu stellen sind und in welcher Form es angebracht sein muss, ist weder in dieser Norm noch in der Grundbuchordnung geregelt (vgl. BayObLGZ 1974, 55/56 zu § 56 GBO). Auch die aufgrund § 1 Abs. 4, § 10 Abs. 2, § 134 und § 142 GBO erlassene Verordnung zur Durchführung der Grundbuchordnung (Grundbuchverfügung – GBV) befasst sich hiermit nicht.
Eine Legaldefinition findet sich zwar in § 39 BeurkG, wonach als Siegel des Notars ein Präge- oder Farbdrucksiegel zu verwenden ist. Dementsprechend bestimmt § 2 Abs. 1 der Dienstordnung für Notarinnen und Notare (DONot), dass die Notare Amtssiegel als Farbdrucksiegel und als Prägesiegel in Form der Siegelpresse und des Petschafts für Lacksiegel nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften führen. Diese Bestimmungen können jedoch wegen ihres eingeschränkten Anwendungsbereichs für das zutreffende Verständnis von § 29 Abs. 3 GBO nicht herangezogen werden.
Auch die Zivilprozessordnung, deren Vorschriften im Insolvenzverfahren gemäß § 4 InsO ergänzend gelten, ordnet zwar an, dass bestimmte Dokumente mit dem Gerichtssiegel zu versehen sind (vgl. § 169 Abs. 3 Satz 2, § 313b Abs. 2 Satz 5, § 317 Abs. 4, § 703b Abs. 1, § 725 ZPO), definiert aber die an das Siegel und an dessen Anbringung zu stellenden Anforderungen nicht (vgl. bereits RGZ 46, 364 f.). Nichts anderes gilt für das FamFG (vgl. § 258 Abs. 2 FamFG), das im Grundbuchverfahren in begrenztem Umfang ergänzend herangezogen werden kann.
bb) Die für den Freistaat Bayern maßgeblichen landesrechtlichen (vgl. Art. 70 Abs. 1 GG) Bestimmungen ergeben sich grundsätzlich aus dem Gesetz über das Wappen des Freistaats Bayern (WappenG) vom 5.6.1950 (GVBl S. 167) und der hierzu aufgrund der Ermächtigung in § 2 Abs. 3 WappenG mit Art. 55 Nr. 2 der Verfassung des Freistaats Bayern (BV) erlassenen Ausführungsverordnung (AVWpG in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.12.1998, GVBl 1999 S. 29). Danach ist den Gerichten des Freistaats die Befugnis erteilt, das Landeswappen im Dienstsiegel zu führen (§ 1 Ziff. 3, § 4 AVWpG). Dabei hat das Siegelbild den Vorgaben des § 6 AVWpG zu entsprechen. Nach § 8 AVWpG ist das Dienstsiegel als Prägesiegel oder als Farbdrucksiegel aus Metall auszuführen (Abs. 1); in bestimmten Fällen darf an dessen Stelle eine Stempelplakette (Abs. 2) oder ein Klebesiegel (Abs. 3) verwendet werden. Für die Siegelung von Schriftstücken, die mit Hilfe drucktechnischer oder elektronischer Einrichtungen erstellt werden, bestimmt § 8 Abs. 4 AVWpG, dass ein Abdruck des Dienstsiegels maschinell eingedruckt sein oder aufgedruckt werden darf.
Auf die von der Bayerischen Staatsregierung gemäß Art. 43 Abs. 1 BV erlassene Allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO) vom 12.12.2000 (GVBl S. 873) und die dort unter § 25 getroffenen Bestimmungen über das Dienstsiegel hingegen kommt es für die Entscheidung ebenso wenig an wie für die in der Bayerischen Geschäftsanweisung für die Behandlung von Grundbuchsachen (GBGA) unter Ziff. 1.1 gegebenen Richtlinien für die Siegelung. Als Verwaltungsvorschriften binden sie die Gerichte bei der Auslegung von Rechtsvorschriften nicht.
cc) Als Rechtsverordnung im Sinne von Art. 98 Satz 4 BV ist § 8 Abs. 4 AVWpG auch von den Gerichten zu beachten. Allerdings ergibt sich schon aus der Formulierung als „Kann“-Bestimmung, dass die landesrechtliche Norm als Ermächtigung der siegelführenden Stellen des Freistaats Bayern zu verstehen ist, wonach die Siegelung drucktechnisch hergestellter Schriftstücke in einer der effizienten Nutzung technischer Möglichkeiten entgegenkommenden Weise ausgeführt werden darf. Dies schließt eine andere Form der Siegelung von Schriftstücken, insbesondere eine solche nach § 8 Abs. 1 AVWpG, nicht aus. Eine Verpflichtung zur Verwendung maschinell erzeugter Siegelabdrucke enthält Abs. 4 nicht. Die Vorschrift regelt zudem nicht, in welchen Fällen die erleichterte Ausführungsweise ausreichend ist. Die in Abs. 4 erteilte Befugnis bedeutet daher nicht, dass die Erleichterung auch dann greift, wenn eine Bundesvorschrift eine besondere Form vorschreibt und höhere Anforderungen an die Ausführung der Siegelung stellt. Für das zutreffende Verständnis von § 29 Abs. 3 GBO ergibt sich somit aus § 8 Abs. 4 AVWpG nichts. Gemäß Art. 31 GG genießt § 29 Abs. 3 GBO Vorrang vor der Landesnorm.
dd) Der Gesetzeswortlaut in § 29 Abs. 3 GBO, wonach die Erklärung mit dem Siegel (oder Stempel) zu „versehen“ ist, lässt zwar offen, auf welche Weise dies zu geschehen hat. Aus der wortgleichen Formulierung des § 725 ZPO hat die Rechtsprechung allerdings abgeleitet (LG Aurich Rpfleger 1988, 198/199; LG Hildesheim vom 11.6.2004, 1 T 109/04, juris; AG Pankow-Weißensee Rpfleger 2008, 586), dass die Verwendung eines Vordrucks, bei dem das Dienstsiegel bereits formularmäßig aufgedruckt wurde (vgl. Berroth BWNotZ 1979, 121), nicht als Dienstsiegel im Sinne der Norm genügt.
Das Landgericht Aurich hatte seine im Jahr 1987 getroffene Entscheidung mit dem Wortlaut der Norm (§ 725 ZPO) begründet, wonach das Dokument vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle mit dem Gerichtssiegel „zu versehen“ ist. Daraus hat es gefolgert, dass sich der Urkundsbeamte nicht eines Formulars bedienen dürfe, auf dem das Gerichtssiegel schon vorgedruckt vorhanden ist. Der Beamte, der zur Führung des regelmäßig verschlossen zu haltenden Siegels berechtigt ist, müsse dieses persönlich auf dem Dokument anbringen. Nur einem so angebrachten Siegel wohne die erforderliche Überzeugungskraft inne. Auf ein formularmäßig vorgedrucktes Dienstsiegel könne ohne weiteres verzichtet werden. Dem hat sich das Landgericht Hildesheim im Jahr 2004 angeschlossen mit der zusätzlichen Überlegung, dass es einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung bedarf, wenn aufgrund der weithin maschinellen Bearbeitung der Computer- oder Formulardruck eines Siegels ausreichen soll. Das Amtsgericht Pankow-Weißensee hat im Jahr 2008 unter Hinweis auf diese Rechtsprechung die Meinung vertreten, dass ein lediglich vorgedrucktes Siegel die Voraussetzungen des § 725 ZPO nicht erfüllt. Auch in der Kommentarliteratur wird einhellig die Ansicht vertreten, dass ein „vorgedrucktes“ Gerichtssiegel nicht genügt (Zöller/Stöber ZPO 31. Aufl. § 725 Rn. 3; MüKo/Wolfsteiner ZPO 4. Aufl. § 725 Rn. 2; Münzberg in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 725 Rn. 8; Seiler in Thomas/Putzo ZPO 37. Aufl. § 725 Rn. 4; Paulus in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 725 Rn. 31; Vorwerk/Wolf in Beck-OK/ZPO Stand 1.3.2016 § 725 Rn. 15; Kroppenberg in Prütting/Gehrlein ZPO 7. Aufl. § 725 Rn. 1; Baumbach/Lauterbach ZPO 74. Aufl. § 725 Rn. 4).
Es liegt nahe, die wortgleiche Wendung in § 29 Abs. 3 GBO, wonach das Behördenersuchen mit einem Siegel (oder Stempel) zu „versehen“ ist, nicht anders zu verstehen. Jedenfalls der Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung spricht dafür, dass die gleichen Begrifflichkeiten in unterschiedlichen Gesetzen desselben Normgebers dieselbe Bedeutung haben, zumal beide Formvorschriften dasselbe bezwecken. Dies spricht dagegen, für ein Behördenersuchen den drucktechnisch erzeugten Ausdruck eines Siegelbildes oder einer Siegelgrafik auf dem Dokument ausreichen zu lassen (Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 1634 mit 201; Berroth BWNotZ 1979, 121).
ee) Sinn und Zweck der in § 29 Abs. 3 GBO vorgeschriebenen Form stehen einer Orientierung an § 8 Abs. 4 AVWpG bei der Gesetzesanwendung ebenfalls entgegen.
Der Zweck der Formvorschrift besteht darin, dass durch die Beifügung des amtlichen Siegels die Herstellung der Ausfertigung „unter amtlicher Auktorität“ (auctor = Urheber, Verfasser; auctoritas = Gewähr, Bürgschaft, Beglaubigung, Gültigkeit; siehe Online-Wörterbuch Latein-Deutsch http://de.pons.com) nachgewiesen wird (vgl. RGZ 46, 364/365; vgl. auch BayObLGZ 1974, 53/60). Die Siegelung als besondere Form der Echtheitsbeglaubigung soll die Verlässlichkeit des Dokuments und die Gewähr für die Ordnungsmäßigkeit der darin verlautbarten Behördenerklärung erhöhen (Knothe in Bauer/von Oefele § 29 Rn. 139, 144; Meikel/Hertel § 29 Rn. 486).
Von einem fälschungs- und missbrauchssicheren Siegelzeichen kann bei einer Erstellung durch drucktechnische Hilfsmittel gemäß § 8 Abs. 4 AVWpG nicht die Rede sein. Die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren über die „Verwendung deutscher Urkunden im Ausland; Beglaubigung von Urkunden als Voraussetzung für ihre Legalisation, Erteilung der Apostille und ihrer Bestätigungen sowie sonstige Befreiung von der Legalisation“ vom 18.11.2010 (AllMBl 2010 S. 395) führt dementsprechend unter Ziff. 2.9.3, bezugnehmend unter anderem auf § 8 Abs. 4 AVWpG, aus, dass solche Siegel nicht fälschungssicher sind. Bei zugelassener maschineller oder elektronischer Siegelung sei es deshalb grundsätzlich nicht möglich, die Echtheit des Siegels zu bestätigen, es sei denn, die ausstellende Behörde oder die Vorbeglaubigungsstelle bestätige gesondert die Echtheit des Dienstsiegels.
Der verminderte Beweiswert der drucktechnischen Siegelung bedeutet, dass die landesrechtliche Verordnung im Konflikt zu der mit der bundesgesetzlichen Vorschrift bezweckten Nachweiserleichterung im Grundbuchverfahren steht. Wenngleich Begriff und Beweiswert eines Siegels bundesgesetzlich nicht geregelt und einem Bedeutungswandel infolge historischer Entwicklungen zugänglich sind (vgl. auch BayObLGZ 1974, 55) und auch Wachssiegel u. ä. in Zeiten des 3D-Drucks nicht als fälschungs- und missbrauchssicher angesehen werden können, reicht ein seines Beglaubigungswerts weitestgehend beraubter drucktechnischer Ausdruck nicht aus, wo das Gesetz die Siegelung deshalb vorschreibt, weil dem Nachweis der Echtheit des Dokuments mit Blick auf die von der Norm geschützten hochrangigen Rechtsgüter besondere Bedeutung zukommt. Wie Zwangsvollstreckungstitel nach § 725 ZPO bedürfen daher auch Behördenerklärungen, die nach § 29 Abs. 3 GBO Grundlage einer Eintragung in das Grundbuch sein sollen, eines individuellen Siegelungsvorgangs. Die Richtigkeit des Grundbuchs und damit die Sicherheit des grundbuchbezogenen Rechtsverkehrs als geschützte Rechtsgüter erlauben eine Absenkung des Echtheitsnachweises nicht. Die den bayerischen Behörden von der Staatsregierung gemäß § 8 Abs. 4 AVWpG erteilte Ermächtigung zur drucktechnischen Siegelung geht im Bereich des § 29 Abs. 3 GBO daher ins Leere.
Dass Sinn und Zweck des Gesetzes einem Einsatz elektronischer Hilfsmittel entgegen stehen können, hat der Bundesgerichtshof bereits in anderem Zusammenhang entschieden (WM 2008, 1074). Danach muss eine vollstreckbare (Urteils-)Ausfertigung stets eine Papierurkunde sein, weil nach § 733 ZPO grundsätzlich nur eine einzige vollstreckbare Ausfertigung erteilt werden darf, eine elektronische Ausfertigung jedoch einschließlich der Signatur beliebig oft vervielfältigt werden könnte. In vergleichbarer Weise erfordern Sinn und Zweck des gesetzlichen Formerfordernisses der Siegelung, dass nicht lediglich ein Dokument mit Bild-/Grafikdatei ausgedruckt wird. Einem solchen Ausdruck des Siegels kommt kein höherer Nachweiswert zu als jedem anderen drucktechnisch erzeugten Zeichen des Dokuments.
Soweit der Bundesgerichtshof im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung von Bescheiden, die mithilfe automatischer Einrichtungen erzeugt wurden, geringere Anforderungen genügen lässt (vgl. BGH vom 11.6.2015, I ZB 64/14, juris; vgl. auch Senat vom 6.10.2014, 34 Wx 354/14 = Rpfleger 2015, 134), beruht dies auf speziellen, hier nicht einschlägigen Gesetzesvorschriften.
ff) Ob auch aus dem allgemeinen Sprachgebrauch ein bestimmtes Begriffsverständnis abgeleitet werden könnte (vgl. Zimmermann Rpfleger 1971, 164), kann dahinstehen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang deshalb auch, dass das für die Fertigung von Siegeln mit bayerischem Hoheitszeichen zuständige Bayerische Hauptmünzamt das Digitalisierte Siegel als Siegelart neben Farbdrucksiegel, Prägesiegel und Lacksiegel (Petschaft) sowie Siegelmarke (Klebesiegel) auflistet (www.hma.bayern.de/images/stories/docs/3.siegelarten_2013.pdf). Eine Gleichwertigkeit der Siegelarten hinsichtlich Echtheitsgewähr ist damit nicht zum Ausdruck gebracht.
c) Es kommt deshalb für die Entscheidung nicht mehr darauf an, ob das maschinell ausgedruckte Siegel die ausstellende Behörde ausreichend gemäß den in § 6 Abs. 1 und Abs. 2 AVWpG gemachten Vorgaben bezeichnet.
III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da Gerichtskosten gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GNotKG nicht zu erheben sind und die Beteiligten zu 2 und 3 sich nicht am Verfahren beteiligt haben.
Daher erübrigt sich auch eine Festsetzung des Geschäftswerts.
Die Rechtsbeschwerde wird im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache zugelassen, § 78 Abs. 2 Nr. 1 GBO.
Dazu ergeht folgende
Rechtsmittelbelehrung:
Nach § 78 Abs. 3 GBO, § 71 FamFG ist die Rechtsbeschwerde binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe dieses Beschlusses durch Einreichung einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht – dies ist der Bundesgerichtshof in 76133 Karlsruhe, Herrenstraße 45 a, Postanschrift: 76125 Karlsruhe – einzulegen. Die Rechtsbeschwerde muss enthalten:
1. die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und
2. die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Die Beteiligten müssen sich durch eine(n) bei dem Bundesgerichtshof zugelassene(n) Rechtsanwältin/Rechtsanwalt vertreten lassen (§ 10 Abs. 4 Satz 1 FamFG).


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