Europarecht

Keine Außerkraftsetzung der Befreiung von Grenzpendlern von der Corona-Testnachweispflicht durch Allgemeinverfügung

Aktenzeichen  20 CS 21.372

Datum:
22.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2700
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
IfSG § 2 Nr. 17, § 36 Abs. 8, § 36 Abs. 10 Nr. 1
CoronaEinreiseV §§ 3, 4

 

Leitsatz

Die durch Bundesverordnung gewährte generelle Ausnahme von der Test- und Nachweispflicht für Grenzpendler und Grenzgänger kann nicht durch eine Allgemeinverfügung der obersten Infektionsschutzbehörde eines Landes im Wege einer Rückausnahme aufgehoben werden.

Verfahrensgang

Au 9 S 21.159 2021-02-03 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsgegner wendet sich mit der Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 3. Februar 2021, mit dem die aufschiebende Wirkung einer noch vom Antragsteller zu erhebenden Klage gegen Nr. 1.2 der Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 15. Januar 2021 (AV Testnachweis von Einreisenden, BayMBl. 2021 Nr. 38) wiederhergestellt wurde, weil die angegriffene Regelung bereits nicht von der gesetzlichen Ermächtigung in § 4 Abs. 1 Satz 2 CoronaEinreiseV gedeckt sei.
Am 9. Februar 2021 hat der Antragsteller eine Anfechtungsklage gegen Nr. 1.2 der Allgemeinverfügung erhoben.
Der Antragsgegner macht zur Begründung der Beschwerde im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht verenge zu Unrecht den zuständigen Behörden durch § 4 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. CoronaEinreiseV eingeräumten Handlungsspielraum, indem es den Begriff der „begründeten Einzelfälle“ zu eng auslege. Es sei jedenfalls denkbar, dass Ausnahmen von Satz 1 bei Vorliegen eines triftigen Grundes ermöglicht würden. Im Geltungsbereich der angefochtenen Allgemeinverfügung bestünden mit der Lage des Freistaates Bayern am südöstlichen Rand der Bundesrepublik Deutschland und den langen Außengrenzen zu Österreich und Tschechien lokale und regionale Gegebenheiten, denen die Bundesregierung mit Aufnahme des § 4 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. CoronaEinreiseV habe Rechnung tragen wollen. Das dramatische Infektionsgeschehen der letzten Monate in Österreich und Tschechien habe vermutlich auch zu einem Anstieg der Inzidenz in Bayern beigetragen. Deswegen lägen die zu fordernden regionalen und lokalen Besonderheiten vor. Tschechien sei mittlerweile als Hochinzidenzgebiet eingestuft. Eine sehr enge Auslegung des Begriffs der begründeten Einzelfälle bestehe nur bei Schaffung weiterer Fallgruppen von Ausnahmen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 CoronaEinreiseV, nicht jedoch bei der weiteren Beschränkung bestehender Ausnahmen. Dies sei aus infektiologischer Sicht sinnvoll, nachdem das Ziel der Verordnung die Schaffung einer bundeseinheitlichen Testregelung sei. Die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung, wonach erst dann eine weitere Beschränkung möglich sein solle, wenn in bayerischen Grenzlandkreisen eine gegenüber dem landesweiten Inzidenzwert deutlich erhöhte Inzidenz bestehe, sei unzutreffend. Denn es sei zunächst nicht klar, anhand welcher Kriterien eine derart erhöhte Inzidenz bestimmt werden solle. Außerdem seien Inzidenzwerte keine verlässliche Beurteilungsgrundlage, weil sie das Infektionsgeschehen in der Vergangenheit abbildeten. Zu einer Ungleichbehandlung von Grenzgängern und Grenzpendlern komme es nicht. Einreisende aus Hochinzidenzgebieten seien von der Test- und Nachweispflicht nach der CoronaEinreiseV ohnehin nicht befreit. 11 der 15 österreichischen an Bayern angrenzenden Bezirke wiesen eine deutlich erhöhte Inzidenz gegenüber den angrenzenden bayerischen Landkreisen auf, auch sei eine Übertragung des Erregers durch asymptomatische oder präsymptomatische Personen sehr häufig. Auf die Verbreitung der südafrikanischen Virusvariante B.1.351 im Bundesland Tirol wurde hingewiesen. Die Testpflicht für Grenzgänger und Grenzpendler werde durch örtliche Maßnahmen in den bayerischen Grenzlandkreisen flankiert, z.B. durch Arbeitsquarantäne. Der Antragsgegner habe keinen Einfluss darauf, wie der Infektionsschutz in den angrenzenden Nachbarländern umgesetzt werde. Insgesamt erweise sich die Regelung als verhältnismäßig, da sie geeignet und erforderlich sei, um den Eintrag von Infektionen bei anhaltend hohem Infektionsgeschehen aus angrenzenden Nachbarstaaten einzudämmen. Die Grenzgänger und Grenzpendler seien von der umfassenden Nachweispflicht des § 3 Abs. 1 CoronaEinreiseV freigestellt. Ein Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit liege nicht vor, da In- und EU-Ausländer von den Maßnahmen in gleicher Weise betroffen seien.
Der Antragsteller tritt der Beschwerde des Antragsgegners entgegen und bezweifelt, dass die Beschränkung der Ausnahmen auf einer tragfähigen infektiologischen Grundlage erfolgt ist. Es liege ein Verstoß gegen das Recht der Europäischen Union vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigt keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der mittlerweile innerhalb offener Rechtsbehelfsfrist (§ 58 Abs. 2 Satz 1, § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erhobenen Anfechtungsklage erweist sich im Ergebnis als richtig (vgl. BayVGH, B.v. 21.5.2003 – 1 CS 03.60 – NVwZ 2004, 251 = juris Rn. 16; Happ in Eyermann, 15. Auflage 2019, § 146 Rn. 29ff.)
1. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass sich Nr. 1.2 der Allgemeinverfügung Testnachweis von Einreisenden aus Risikogebieten (AV Testnachweis) nicht im Rahmen der Ermächtigung der – bezogen auf die Personengruppe der Grenzpendler und Grenzgänger- auf § 36 Abs. 8 Sätze 1 und 2, Abs. 10 Nr. 1 Buchstabe a) und c) gestützten Verordnung zum Schutz vor einreisebedingten Infektionsgefahren in Bezug auf das Coronavirus SARS-CoV-2 nach Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag (Coronavirus-Einreiseverordnung – CoronaEinreiseV) vom 13. Januar 2021 hält.
Das Bundesland Vorarlberg, in dem der Antragsteller seine Arbeitsstätte hat, weist derzeit eine Inzidenz von 60,7 auf und gilt damit als Risikogebiet im Sinne des § 2 Nr. 17 IfSG (https://covid19-dashboard.ages.at/; Stand 18. Februar 2021). Für Einreisende aus Tschechien und Tirol dagegen besteht für die streitgegenständliche Allgemeinverfügung derzeit kein Anwendungsbereich mehr, weil diese Gebiete als Virusvariantengebiet eingestuft sind (https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laen-der/tschechischerepublik-node/tschechischerepubliksicherheit/210456#content_6; https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/oesterreich-node/oester-reichsicherheit/210962) und damit der Testpflicht nach § 3 Abs. 2 CoronaEinreiseV unterliegen.
Nach § 4 Abs. 3 Buchstabe a) CoronaEinreiseV ist der Antragsteller als sogenannter Grenzpendler von der nach § 3 Abs. 1 CoronaEinreiseV bestehenden Nachweispflicht, nicht mit dem Coronavirus infiziert zu sein, befreit.
2. Zwar sieht § 4 Abs. 1 Satz 2 CoronaEinreiseV vor, dass die zuständige Behörde diese Ausnahmeregel in begründeten Einzelfällen beschränken kann. Diesen Anforderungen wird die angefochtene Nr. 1.2. der AV Testnachweis nicht gerecht. Die Norm verstößt wegen der Überschreitung der durch die CoronaEinreiseV eingeräumten Regelungsbefugnis gegen Bundesrecht und ist deshalb rechtswidrig.
a. Als Rechtsgrundlage für die Allgemeinverfügung und als Maßstab für die Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit kommen allein § 4 Abs. 1 Satz 2 CoronaEinreiseV i.V.m. § 36 Abs. 8 Satz 2 und 1, Abs. 10 Nr. 1 Buchstabe a und c IfSG in Betracht. § 36 IfSG erfasst Personenbewegungen im Rahmen der Einreise in das bundesdeutsche Staatsgebiet aus Gebieten im Ausland, für die die Möglichkeit einer erhöhten Infektionsgefahr mit dem Coronavirus besteht, insbesondere aus Risikogebieten im Sinne des § 2 Nr. 17 IfSG, und erweist sich damit gegenüber § 28 IfSG, der in der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung zusätzlich als Rechtsgrundlage herangezogen wird, als speziellere Regelung. Ein Rückgriff auf § 28 IfSG zur Regelung von Test- und Nachweispflichten im Zusammenhang mit einer Einreise in das Bundesgebiet ist damit ausgeschlossen.
b. Ob für die in der AV Testnachweis konkret getroffenen Regelungen mit dem Mittel der Allgemeinverfügung nach Art. 35 Satz 2 BayVwVfG überhaupt getroffen werden konnten, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Problematisch könnte hier sein, dass der von der Regelung erfasste Personenkreis die Grenze zur Unbestimmbarkeit überschritten haben dürfte und damit eine abstrakt-generelle Regelung getroffen werden sollte (vgl. dazu BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 20 CS 20.611 – juris Rn. 7), für die die Rechtform der Allgemeinverfügung nicht zur Verfügung steht (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 35 Rn. 283).
c. Die streitgegenständliche Regelung steht jedenfalls nicht in Einklang mit § 4 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. CoronaEinreiseV. Da sie alle aus Risikogebieten im Sinne des § 2 Nr. 17 IfSG zum Zwecke der Arbeitsaufnahme Aus- und (wieder) Einreisenden in das Gebiet des Freistaats Bayern einer kalenderwöchentlichen Nachweispflicht eines Testergebnisses bezüglich des Nichtvorliegens des Coronavirus unterwirft, beseitigt sie vollständig die in § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a und b CoronaEinreiseV für Grenzgänger und Grenzpendler normierte generelle Ausnahme für an den Freistaat Bayern angrenzende Risikogebiete nach § 3 Abs. 1 CoronaEinreiseV.
aa. Bei der in Nr. 1.2 der AV Testnachweis getroffenen Regelung handelt es sich wegen der allgemeinen Geltung für alle Grenzgänger und Grenzpendler in Bayern – soweit sie in ihren Anwendungsbereich fallen – schon dem Wortlaut nach nicht um eine Regelung für „begründete Einzelfälle“. Ein begründeter Einzelfall liegt nur dann vor, wenn eine vom Grundsatz abweichende Fallgestaltung in einem Einzelfall (d.h. örtlich oder persönlich begrenzt) auftritt (vgl. auch Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2020, § 35 Rn. 163c). Zunächst wäre also erforderlich, dass es sich bei der Ausnahme um einen Einzelfall handelt, so dass damit bereits nicht alle Grenzpendler und Grenzgänger aus Risikogebieten gemeint sein können. Außerdem muss die Ausnahme begründet sein, d.h. sie muss es gerade erfordern, von der Regel abzuweichen. Solche Gründe sind für den Kläger, der in das Gebiet Vorarlberg pendelt, nicht ersichtlich. Der Antragsgegner hat hierzu auch nichts vorgetragen.
Auch nach der Begründung zu § 4 CoronaEinreiseV (Entwurf der Bundesregierung, Bearbeitungsstand 14. Januar 2021, Seite 24) „kann“ mit der Möglichkeit der Einschränkung der Ausnahmen nach § 4 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. CoronaEinreiseV „lokalen oder regionalen Gegebenheiten oder Entwicklungen angemessen Rechnung getragen werden“. Damit sind als Regelungsgegenstand des § 4 Abs. 1 Satz 2 CoronaEinreiseV Fallkonstellationen denkbar, in welchen besondere, örtlich begrenzte Entwicklungen des Infektionsgeschehens die Einführung einer Nachweispflicht für Grenzpendler und Grenzgänger erfordern (etwa ein Ausbruch der Coronavirus-Infektion in einem Großbetrieb im Grenzgebiet und/oder das Entstehen lokaler oder regionaler Hotspots, die im Einzelfall die Verschärfung der Vorschriften der CoronaEinreiseV erfordern). Der Erlass einer bayernweiten Regelung kann auf dieser Grundlage nicht gerechtfertigt werden. Dieses Ergebnis wird durch die Überlegung gestützt, dass der Bundesverordnungsgeber das Infektionsgeschehen im Bundesgebiet bei Verordnungserlass kannte und es zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat (vgl. Begründung zum Entwurf der Bundesregierung a.a.O., Seite 1). Dabei ist auch von Bedeutung, dass viele Bundesländer an europäische Nachbarstaaten angrenzen, deren Inzidenzwerte den Inzidenzen im Bundesgebiet insgesamt oder im Gebiet des jeweiligen Bundeslandes entsprechen oder diese sogar überschreiten (https://www.ecdc.europa.eu/en/covid-19/ situation-updates/weekly-maps-coordinated-restriction-free-movement; https://de.sta-tista.com/statistik/daten/studie/1180169/umfrage/laender-mit-den-meisten-coronain-fektionen-in-der-letzten-woche-in-europa/). Trotzdem hat der Bundesverordnungsgeber in Kenntnis dieser Umstände Grenzpendler und Grenzgänger im grenzüberschreitenden Reiseverkehr von der Nachweispflicht grundsätzlich freigestellt, sofern sie aus Risikogebieten nach § 2 Nr. 17 IfSG, § 3 Abs. 1 CoronaEinreiseV einreisen und damit den europarechtlichen Anforderungen an die Garantie der Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit Rechnung getragen (vgl. Mitteilung der Kommission vom 15. Mai 2020 „Hin zu einem abgestuften und koordinierten Vorgehen zur Wiederherstellung der Freizügigkeit und zur Aufhebung der Kontrollen an den Binnengrenzen – COVID-19“, Amtsblatt der Europäischen Union, 2020/C 169/03; Empfehlung des Rates für eine koordinierte Vorgehensweise bei der Beschränkung der Freizügigkeit aufgrund der COVID-19-Pandemie vom 4. September 2020, 2020/0256 (NLE), vgl. dazu auch schon BayVGH, B.v. 24.11.2020 – 20 NE 20.2605 – COVuR 2021, 51 – Rn. 33).
bb. Aus dem Regelungszusammenhang der §§ 3 und 4 der CoronaEinreiseV ist ein Stufenverhältnis erkennbar, das sich am Grad der Gefährdung aufgrund der im Ausland herrschenden Infektionslage orientiert. Der Bundesverordnungsgeber hat dazu festgelegt, dass für Einreisende aus Risikogebieten im Sinne des § 3 Abs. 1 der CoronaEinreiseV großzügigere Ausnahmen von der grundsätzlich bestehenden Nachweispflicht zulässig sind als bei Einreisenden aus Hochinzidenzgebieten nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 CoronaEinreiseV oder aus Virusvariantengebieten nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 CoronaEinreiseV und damit eine Risikobewertung getroffen, wonach für die Gruppe der Grenzpendler wie den Antragsteller – auch zur Gewährleistung des unionsrechtlich garantierten Rechts auf Arbeitnehmer- und Dienstleistungsfreiheit – grundsätzlich keine Nachweispflicht bestehen soll, sofern die Einreise aus einem Risikogebiet und nicht aus Gebieten im Sinne des § 3 Abs. 2 CoronaEinreiseV erfolgt, die der Verordnungsgeber aus Infektionsschutzgründen für gefährlicher erachtet. Während für die erste Gruppe Ausnahmen in § 4 Abs. 1 CoronaEinreiseV und für die Gruppe der Einreisenden aus Hochinzidenzgebieten Ausnahmen nach § 4 Abs. 2 CoronaEinreiseV vorgesehen sind, sind bei Einreisenden aus Virusvariantengebieten Ausnahmen von der Nachweispflicht ausdrücklich ausgeschlossen (§ 4 Abs. 3 CoronaEinreiseV). Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 2 Nr. 5 CoronaEinreiseV kann die zuständige Behörde bei Vorliegen eines triftigen Grundes in begründeten Einzelfällen weitere Ausnahmen von der Test- und Nachweispflicht erteilen und nach der hier streitgegenständlichen Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. CoronaEinreiseV auch beschränken. Da die Einschränkungsmöglichkeit für Ausnahmen allein in § 4 Abs. 1 Satz 2 2. Alt CoronaEinreiseV vorgesehen ist und als „Rückausnahme“ den Eingriff in Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG, in das Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV und in das Recht der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV begründen kann, ist diese Befugnis durch die zuständige Behörde grundsätzlich restriktiv zu handhaben.
Diesem Stufenverhältnis als Ausdruck einer Risikobewertung des zuständigen Bundesverordnungsgebers wird die angegriffene Allgemeinverfügung nicht gerecht, da sie die Rückausnahme nach § 4 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. CoronaEinreiseV zum Regelfall macht und damit das Regel-Ausnahmeverhältnis des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und § 4 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. CoronaEinreiseV umkehrt. Sie beseitigt die vom Bund ausdrücklich als Regelfall konzipierte Befreiung der Grenzpendler von der Nachweispflicht nach § 3 Abs. 1 CoronaEinreiseV und stellt die durch den Bundesverordnungsgeber privilegierte Gruppe des § 4 Abs. 1 Nr. 3 CoronaEinreiseV mit anderen Einreisenden aus Risikogebieten gleich. Die Gruppe der Grenzgänger und Grenzpendler sollte grundsätzlich nach dem Willen des Verordnungsgebers von einer Nachweispflicht solange befreit sein, wie ihre Einreise aus Gebieten nach § 3 Abs. 1 CoronaEinreiseV erfolgt.
Insofern widerspricht die Regelung des Antragsgegners auch dem Ziel der CoronaEinreiseV, eine bundeseinheitliche Testregelung zu schaffen (vgl. Interpretationshilfe zur CoronaEinreiseV, hier: Mögliche Anwendung der Öffnungsklauseln in § 4 CoronaEinreiseV vom 18. Januar 2021, Seite 2).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1, 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Da das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz die Hauptsacheentscheidung vorwegnimmt, ist eine Reduzierung des Streitwerts nicht angezeigt (vgl. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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