Europarecht

lebensmittelrechtliche Untersagungsverfügung

Aktenzeichen  AN 14 K 15.01438

Datum:
29.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) Nr. 882/2004 Art. 54
LFGB LFGB § 39 Abs. 2
BayVwZVG BayVwZVG Art. 36 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1 Art. 54 Abs. 1 und 2 VO (EG) Nr. 882/2004 gilt unmittelbar und verdrängt in seinem Anwendungsbereich § 39 Abs. 2 LFGB. (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Anwendungsbereich des Art. 54 VO (EG) Nr. 882/2004 ist enger als der Anwendungsbereich des § 39 LFGB. Art. 54 VO (EG) Nr. 882/2004 setzt voraus, dass die Behörde einen Verstoß festgestellt hat. Demgegenüber treffen nach § 39 Abs. 2 LFGB die Behörden Maßnahmen bereits zur Feststellung eines Verdachts eines Verstoßes. (redaktioneller Leitsatz)
3 Zum „Verzehr ungeeignet“ sind Lebensmittel, die bei ihrer Gewinnung, Herstellung oder späteren Behandlung durch natürliche oder willkürliche Einflüsse derart nachteiligen Veränderungen ihrer äußeren oder inneren Beschaffenheit, ihres Aussehens, ihres Geruchs oder Geschmacks ausgesetzt sind, dass ihr Verzehr nach allgemeiner Verkehrsauffassung ausgeschlossen ist. (redaktioneller Leitsatz)
4 Handelt es sich bei der Zwangsgeldandrohung um die Durchsetzung einer Unterlassungsverpflichtung, bedarf es nicht der Bestimmung einer kalendermäßig eindeutigen Frist nach Art. 36 Abs. 1 S. 2 BayVwZVG, da Unterlassungsverpflichtungen in jedem Zeitpunkt zu erfüllen sind. (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach
Aktenzeichen: AN 14 K 15.01438
Im Namen des Volkes
Urteil
Verkündet am 29. Januar 2016
14. Kammer
gez. … Stv. Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Sachgebiets – Nr.: 541
Hauptpunkte: Anfechtungsklage, lebensmittelrechtliche Untersagungsverfügung; keine Unverhältnismäßigkeit
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache

– Kläger –
gegen

vertreten durch: …
– Beklagter –
wegen Lebensmittelrechts
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 14. Kammer, durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Adolph die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Engelhardt-Blum die Richterin am VerwaltungsgerichtBayer und durch ehrenamtlicher Richter … ehrenamtliche Richterin … aufgrund mündlicher Verhandlung vom 29. Januar 2016 am 29. Januar 2016 folgendes
Urteil:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen
Tatbestand
Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Aufhebung des Bescheids des Beklagten, mit dem ihm die Be- oder Verarbeitung sowie die Abgabe sämtlicher in seinem Weinbaubetrieb gelagerter Weine untersagt wurde.
Der Kläger ist Inhaber eines Weinbaubetriebes auf dem Anwesen … und bewirtschaftet eine Rebfläche von ca. 3,5 ha. Die Verarbeitung der Trauben und die Weinbereitung finden in dem umfunktionierten landwirtschaftlichen Anwesen der Familie des Klägers statt. Die Vermarktung der Weine beschränkt sich nach den Angaben des Klägers auf den „Ab Hof Verkauf“.
Anlässlich einer Kontrolle des Weinbaubetriebes durch die Lebensmittelüberwachung des Landratsamts …am 27. November 2014 wurden bauliche und hygienische Mängel festgestellt. Bei dieser Kontrolle sicherte der Kläger schriftlich zu, dass er umgehend sämtliche Hygienemängel sowie bis 1. April 2015 die baulichen Mängel beseitigen werde. Am 30. Juli 2015 um 13 Uhr erfolgte eine Nachkontrolle, die wegen eines Gerichtstermins des Klägers unterbrochen werden musste und am 3. August 2015 um 10 Uhr fortgesetzt wurde, wobei das Kontrollteam aus einem Lebensmittelüberwachungsbeamten des Landratsamts …, einem Weinkontrolleur des … Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit … sowie einem Beamten der Regierung von … bestand. In dem Bericht des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 4. August 2015 über die beim Kläger nach § 31 Weingesetz durchgeführte Betriebskontrolle wird festgestellt, die Räumlichkeiten, die als Kellerräume verwendet werden, seien „aus hygienischen Gesichtspunkten zur Verarbeitung von Lebensmitteln äußerst bedenklich“. In dem Bericht heißt es unter anderem:
„Das Fass- bzw. Tanklager ist geruchlich sehr stark belastet durch Essig, Schimmel, Fäulnisnoten und Muff. Die Armaturen des Lagertanks und die Lagertanks sind außen organisch und mikrobiologisch verschmutzt und Essigfliegen sowie Maden sind zu einer Vielzahl ansässig. Es befinden sich an den Tanks Schimmelbewüchse und Biofilme. Es sind undichte Tanktürchen vorgefunden worden, die schon seit längerer Zeit ein Leck haben. Der ausgetretene Wein zieht einen Biofilm und Schimmelbewuchs bis zum Boden (…). Die Dichtungen der Deckel der sogenannten ´Immervolltanks` sind umzogen von einem Biofilm, Kahmhefe und lebenden Maden, die sich schon im fertigen Erzeugnis Wein befinden. Es wurde bei mehreren Schwimmdeckeln eine nicht funktionstüchtige Dichtung vorgefunden und somit waren die darin befindlichen Erzeugnisse direkt der Luft-Atmosphäre und auch den Fliegen ausgesetzt. Eine Folge dessen ist eine Oxidation und eine mikrobiologische Infektion durch Hefen und Bakterien, die entweder vorhanden waren oder durch Fremdinnokulation zustande gekommen ist. Insgesamt sind auch die verschlossenen „Immervolltanks“ und ihre Schwimmdeckel mit Dichtungen stark verunreinigt….“
Zu dem Zustand der Räumlichkeiten wird in dem Bericht ausgeführt:
„Boden, Wände und Decke sind stark verschmutzt. Die Wände wirken ansatzweise abgespült und teilweise gebürstet. Der Schmutz sitzt großflächig in den Ecken von Wand und Boden. Die Fliesen sind stark verschmutzt, die Senken am Boden stehen voller stockender Flüssigkeit, die mit einem Hefe- und Schimmelrasen überzogen sind. Sonstige Türe, Tore, Regale und Arbeitsmittel sind stark verschmutzt. Es wirkt, als wäre das Tanklager schon längere Zeit nicht mehr einer Grundreinigung unterzogen worden.
Das Lager für Flaschen und sonstige Maschinen, die zur Weinbereitung und Abfüllung Verwendung finden, ist ebenfalls stark verunreinigt mit Staub, Sand und mikrobiologischen Rückständen. Es befindet sich neben ausgedienten Maschinen noch eine Vielzahl verschiedener Dinge, die nicht in ein Weinlager gehören, wie u. a. Verpackungen, Kartonagen, Reinigungsmittel, jegliche Art von Kellereimaschinen u. v. m.“
Im Hinblick auf die Führung des Weinbuchs wurden ebenfalls erhebliche Mängel festgestellt:
„Die Weinbuchführung und das Herbstbuch konnten nicht nachvollzogen werden. Es gab keine weiteren Aufzeichnungen und die Aussagen von Herrn … deckten sich nicht mit den vorgefundenen Mengen und Erzeugnissen in den einzelnen Gebinden. Zu einer vollständigen Rückverfolgbarkeit ist vom Lebensmittelunternehmer ein geeignetes System zu errichten und zu führen. Anhand einer vergebenen Weinnummer und entsprechender Kennzeichnung ist regulär eine Rückverfolgbarkeit möglich, gemäß Art 18 der VO (EG) 178/2002. Herr … hat wider der guten fachlichen Praxis und seiner Mitwirkungspflicht keine Aufzeichnung nach Verlangen vorzeigen können. Ebenso konnte keine ordentlich geführte und fristgerechte sowie plausible Weinbuchführung gemäß § 7 Weinüberwachungsverordnung vorgelegt werden.
Die Kennzeichnung der nicht abgefüllten Erzeugnisse ist nur teilweise gegeben. (…) Die Tanknummerierung ist nicht ordentlich angebracht, da teilweise mehrere Nummern oder ausgebesserte und nicht zuordenbare Nummern, durch Mehrfachnennung an verschiedenen Tanks. Die Bezeichnung bezüglich des Inhalts kann ebenfalls nicht eindeutig für die vorgefundenen Erzeugnisse erkannt werden. Die Tankkennzeichnung (Nummerierung) und die notwendigen Kennzeichnungen (Weinpass) am Gebinde sind somit mangelhaft und teilweise nicht gegeben. Gemäß § 10 Weinüberwachungsverordnung bestehen zusätzliche Pflichten zur Kennzeichnung von Behältnissen (bestimmter Aufstellungsort) nicht abgefüllter Erzeugnisse und Flaschenstapel in Form einer Liste (Weinpass), die folgende Mindestanforderungen beinhalten wie Behältnisnummer, Fassungsvermögen, Weinnummer oder /und die genaue Bezeichnung des Erzeugnisses. Hierüber ist, entsprechend der jeweiligen Konten, genau Buch zu führen. Herr … hat Aussagen über die Verarbeitung, Verschnitte, Maßnahmen und Bezeichnungen, sowie zeitlich nicht eingrenzbare Arbeiten getroffen, die sich nicht mit der stark mit Lücken behafteten Weinbuchführung deckten. Eine nahezu vollständig erscheinende Führung des Herbstbuches belegt zudem, dass die Weinbuchführung nicht vollständig sein muss. Es sind nach Aussage von Herrn Trapp mindestens 3 Jahrgänge eingelagert, die teilweise untereinander verschnitten worden sind. Da keine weiteren Aufzeichnungen vorgezeigt werden konnten, ist lediglich der Beweise über die Identität der Erzeugnisse in den Gebinden, der sogenannte „Rebenpass“, der mit zusätzlichen Informationen, wie z. B. Kürzel von Gemeinde und Lage oder Jahrgang, versehen wurde.“
Ein Nachweis über den Verbleib der Erzeugnisse der Jahrgänge 2010 und 2011 konnte vom Kläger nicht erbracht werden, obwohl für abgefüllte Erzeugnisse monatlich kumuliert der Abgang zu erfassen ist.
Die festgestellten hygienischen Mängel sowie die nicht vorhandene Rückverfolgbarkeit wurden vor Ort am 30. Juli 2015 und am 3. August 2015 mit dem Kläger erörtert. Im Anschluss daran wurde dem Kläger zunächst mündlich die Be- oder Verarbeitung sämtlicher in seinem Weinbaubetrieb gelagerter Weine aufgrund erheblicher hygienischer Mängel sowie mangelnder Rückverfolgbarkeit untersagt. Dem Kläger wurde mitgeteilt, dass eine Wiederaufnahme der Be- oder Verarbeitung sowie die Abgabe von Wein nur mit Zustimmung des Landratsamts erfolgen dürfe. Diese mündliche Anordnung wurde mit Bescheid des Landratsamts …vom 10. August 2015 schriftlich bestätigt (vgl. Nr. 1 des Bescheids). In Nr. 2 des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung der Nr. 1 angeordnet, unter Nr. 3 des Bescheids wurde dem Kläger für den Fall der Nichtbefolgung von Nr. 1 ein Zwangsgeld von 2.500,00 Euro angedroht.
In der Begründung des Bescheids heißt es, bei den Lebensmittelkontrollen am 30. Juli und 3. August 2015 seien unter anderem folgende erhebliche hygienische Mängel festgestellt worden:
„Lagerkeller
– sich ablösende Wand- und Deckenbeläge,
– Wand-Deckenbeläge großflächig mit Schimmel verunreinigt,
– Fußboden mit Wand- und Deckenbelägen sowie Schimmel verunreinigt,
– Lagertanks zum Teil großflächig mit Altschmutz wie Decken- und Wandbelägen sowie Schimmelkulturen verunreinigt,
– erheblicher unangenehmer Geruch nach muffigem – dumpfen Schimmel sowie Essiggeruch,
– nachteilige Beeinflussung von Wein durch Essigfliegen und Fliegenmaden,
– muffiger stinkender Geruch von abbröckelnden Deckenbelägen,
– 18 Lagertanks nicht ordnungsgemäß verschlossen,
– Wein bzw. Weinoberfläche in diesen (18) Tanks zum Teil mit Fliegen – und Fliegenmaden, Kamhefen und Deckenbeläge verunreinigt,
– Weinfilter im Innenbereich mit alten eingetrockneten Weinresten verunreinigt,
– Eingangstür porös und erheblich mit Pilzkulturen verunreinigt,
– verunreinigte vermoderte zum Teil mit Deckenbelägen und Schimmel verunreinigte Holzpalletten vorgefunden,
– nicht dicht schließendes Holztor (dadurch Zugang von Schädlingen) und
– Trennung von Abwasserpumpe und Abwasserschläuchen zu denen, die zur Lebensmittelverarbeitung dienen, war nicht gegeben.
Verpackungslager
– Mit Altschmutz und Pilzkulturen verunreinigte Kunststoffbehälter mit Wein gefüllt,
– Wand- und Deckenbeläge mit Spinnweben, Pilzkulturen (Dreck teilweise) und Staub verunreinigt,
– Fußboden teilweise mit alten eingetrockneten Lebensmittelresten verunreinigt,
– Reinigungsmittel mit Lebensmitteln zusammen gelagert.
Verpackungslager /Flaschenlager
– In beiden Räumen wurden Weiß- und Rotweine in Flaschen teilweise etikettiert vorgefunden.
– Nach Aussage von Herrn … seien diese alle nicht mehr zum Verzehr geeignet bzw. nicht mehr verkaufsfähig.
– Da diese jedoch ausschließlich in gewerblichen Lagerräumen vorrätig gehalten werden, ist von einem Feilbieten auszugehen.
– Unter Bezugnahme auf die angegebene nicht mehr vorhandene Verkehrsfähigkeit und Berücksichtigung der Menge ist von einem Inverkehrbringen von nicht mehr zum Verzehr geeigneten Lebensmitteln auszugehen.
Eine Rückverfolgung der vorhandenen Weine war nicht gewährleistet. Die Weinbuchführung stimmt mit den vorhandenen Beständen nicht überein. (…)“
Das Landratsamt gibt als Rechtsgrundlage für die unter Nr. 1 getroffene Anordnung § 39 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 LFGB an. Des Weiteren wird in der Begründung verwiesen auf § 3 LHMV, § 14 WeinVO, Art. 4 Abs. 2 i. V. m. Anhang II Kapitel I. Nr. 1 und Kapitel IX. Nr. 3 und 4 der VO (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene, Art. 18 Abs. 1-3 der VO (EG) 178/2002 i. V. m. § 29 des Weingesetzes sowie Art. 14 Abs. 1, 2 b) und Abs. 5 der VO (EG) Nr. 178/2002. Um eine weitere Behandlung von Lebensmitteln unter derart ekelerregend einzustufenden Bedingungen zu unterbinden, sei es erforderlich gewesen, noch vor Ort die weitere Nutzung der Räume zu untersagen und eine Weiterverwendung (nach Reinigung und Instandsetzung) von der Zustimmung des Landratsamts …abhängig zu machen. Nachdem die Rückverfolgbarkeit bzw. das vorhandene Weinbuch mit den vor Ort angetroffenen Weinbeständen nicht übereinstimme, dürfe eine Weinabgabe erst wieder erfolgen, wenn eine plausible, innerbetriebliche Rückverfolgbarkeit sichergestellt sei. Diese bedürfe jedoch der Zustimmung des Landratsamts. Die Anordnung sei notwendig, geeignet und verhältnismäßig, um die festgestellte Kontaminationsgefahr bzw. die ekelerregende Lebensmittelbehandlung zu unterbinden.
Der Kläger hat am 1. September 2015 Klage gegen den Bescheid vom 10. August 2015 erhoben. Zur Begründung führt er aus, er halte den Bescheid für unverhältnismäßig und bitte um gerichtliche Entscheidung.
Er beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 10. August 2015 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
Er beruft sich im Wesentlichen auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids. Die Anordnung sei notwendig, da anlässlich von Lebensmittelkontrollen am 30. Juli 2015 und 3. August 2015 erhebliche Hygienemängel festgestellt worden seien. Dies ergebe sich auch aus dem Bericht des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 4. August 2015. Zwischenzeitlich lägen auch drei Gutachten des Landesamts bezüglich entnommener Weinproben vom 31. August 2015 vor, wonach die beprobten Weine als nicht sicher im Sinne des Art. 14 Abs. 1 VO (EG) 178/2002 einzustufen seien. Insoweit hätten sich auch die augenscheinlichen Feststellungen vor Ort anlässlich der Lebensmittelkontrollen bestätigt.
Aufgrund der Erheblichkeit der festgestellten Mängel sei zunächst eine umfassende Untersagung der Be- und Verarbeitung im Weinbaubetrieb und ein Abgabeverbot erforderlich und auch verhältnismäßig gewesen. Die weitere Be- und Verarbeitung in den vorgefundenen Räumen und mit den vorhandenen Bedarfsgegenständen im vorgefundenen Zustand hätte die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung – bis hin zu einer Tätigkeit unter „ekelerregenden Zuständen“ bedeutet. Die Mängel an der Weinlagerung selbst hätten bereits während der Kontrolle die Verkehrsfähigkeit der gelagerten Weine anzweifeln lassen. Hinzu gekommen sei die völlig unzureichende Weinbuchführung und Kennzeichnung. Der Kläger habe während der Kontrollen selbst angegeben, dass der Weinmarkt „zusammengebrochen“ sei und er seine eingelagerten Weine nicht mehr vermarkten könne. Der Kläger sei bereits anlässlich einer Betriebskontrolle am 27. November 2014 auf den Reinigungs- und Sanierungsbedarf seiner Räume und Gerätschaften hingewiesen worden. Die Kontrollen am 30. Juli 2015 und 3. August 2015 hätten anstatt einer Verbesserung der hygienischen Verhältnisse eine deutliche Verschlechterung ergeben.
Der Kläger hätte nach entsprechender Reinigung seiner Räume und Gerätschaften zwischenzeitlich eine Zustimmung zur Wiederaufnahme der Betriebstätigkeit beantragen können. Er habe auch die Möglichkeit, durch eigene, in Auftrag gegebene Gutachten die Qualität seiner Weine nachzuweisen, habe aber bisher nichts beantragt oder vorgelegt. Für die Dauer der Gültigkeit der Anordnung sei der Kläger selbst verantwortlich. Seine eigene Untätigkeit sei maßgeblich dafür, dass die Untersagung bisher auch nicht in Teilen habe aufgehoben werden können. Deshalb seien eine vorläufige Untersagung der Be- und Verarbeitung und ein Abgabeverbot die notwendigen und geeigneten Maßnahmen gewesen.
Der Beklagte hat die Untersuchungsergebnisse der bei der Betriebskontrolle entnommenen Proben nachgereicht. Aus drei verschiedenen Tanks – Tank 20 (Riesling 2014), Tank 21 (Weißwein) und einem nicht näher bezeichneten dritten Tank – wurden Verdachtsproben mit dem Verdachtsgrund „Ungezieferbefall am Deckel sowie der Weinoberfläche erkennbar“ entnommen und dem … Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zur Untersuchung vorgelegt. Bei der optischen Untersuchung der Proben wurden jeweils etliche tote Fliegen und Maden/Larven in dem Wein festgestellt. In dem Untersuchungsbericht heißt es dazu, es handele sich hierbei um tierische Fremdstoffe im Sinne von Art. 14 Abs. 5 VO (EG) 178/2002, die ein Wein bei üblicherweise und sorgfältigen Herstellung nicht enthalte. Durch diese tierischen Fremdstoffe seien die beprobten Weine im vorliegenden Stadium für den Verzehr durch den Menschen inakzeptabel bzw. im Sinne von Art. 14 Abs. 2 VO (EG) 178/2002 für den Verzehr von Menschen ungeeignet und somit als Lebensmittel nicht sicher.
Bei der eingehenden sinnenphysiologischen (sensorischen) Prüfung durch mehrere in der Weinverkostung erfahrene Sachverständige seien die Proben vor allem durch deutlich oxidative Noten (Acetaldehyd) sowie durch estriglackige Noten (Ethylacetat, Uhuton) – hinsichtlich der Probe aus Tank 20 – durch deutlich faulig/böcksrige und fäkalische Noten sowie durch oxidative Noten (Acetaldehyd) – hinsichtlich der Probe aus Tank 21 im Geruch aufgefallen. Bei der aus dem dritten Tank entnommenen Probe wurde ausweislich des Berichts des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ein Gehalt an flüchtiger Säure zu 2,67 g Essigsäure/l bestimmt, so dass insoweit der zulässige Höchstwert des Art. 3 Abs. 4 i. V. m. Anhang I C Nr. 1 b) VO (EG) 606/2009 überschritten wurde. Eine Geschmacksprüfung sei bei allen drei Proben aus hygienischen Gründen nicht durchgeführt worden. Diese nachteiligen sensorischen Eigenschaften der beprobten Weine sind nach Auffassung der Sachverständigen so schwerwiegend, dass diese Weine aufgrund ihres sensorischen Gesamteindruckes als nicht handelsüblich im Sinne von § 16 Abs. 1 WeinG beurteilt wurden. Sensorisch aktives Acetaldehyd könne durch eine entsprechende Schwefelung sensorisch inaktiviert werden. Der Gehalt an freiem Schwefeldioxid von 7 mg/l zeige, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung nahezu kein Schutz durch freies Schwefeldioxid vorgelegen habe.
Die sensorische Beurteilung wird nach dem Bericht des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit durch den ermittelten Gehalt an Ethylacetat bestätigt. Der analytisch ermittelte Ethylacetatgehalt läge bei den Proben aus Tank 20 und dem dritten Tank bei 162 mg/l und damit über dem Geruchsschwellenwert von ca. 70 mg/l bei Weißwein. Ab einem Bereich von 150 – 200 mg/l spreche man von einem Geruchsfehler, welcher umgangssprachlich auch als „Uhuton“ (Klebstoffnote) bezeichnet wird. Prinzipiell könne vorhandenes Acetaldehyd durch eine nachträgliche Behandlung mit Schwefeldioxid abgebunden werden, für die Entfernung von Ethylacetat sei jedoch kein zugelassenes önologisches Verfahren bekannt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 29. Januar 2016 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 10. August 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für die Untersagungsverfügung in Nr. 1 des Bescheides ist Art. 54 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz vom 29.4.2004 (ABl. L Nr. 165, 1 ff.).
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist § 39 Abs. 2 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da diese Vorschrift wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts und der unmittelbaren Geltung des Art. 54 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 (vgl. Art. 288 Abs. 2 AEUV) verdrängt wird (so auch BayVGH, U.v. 9.7.2015 – 20 BV 14.1490 -, juris; B. v. 20.4.2015 – 20 ZB 15.106 -, juris; VGH Baden-Württemberg, U.v. 16.6.2014 – 9 S 1273/13 – juris Rn. 22 ff.; VG Regensburg vom 3.11.2014 – RN 5 S 14.1635- juris; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand Juli 2015, C 102, § 39 LFGB Rn. 10 f., 21, 63 ff.). Allerdings ist der Anwendungsbereich des Art. 54 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 enger als der Anwendungsbereich des § 39 LFGB. Art. 54 setzt voraus, dass die zuständige Behörde einen Verstoß festgestellt hat, also sämtliche objektiven Tatbestandsmerkmale einer Verbotsvorschrift des Lebensmittelrechts erfüllt sind. Demgegenüber treffen nach § 39 Abs. 2 LFGB die zuständigen Behörden notwendige Anordnungen und Maßnahmen bereits zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes sowie neben der Beseitigung festgestellter Verstöße auch zur Verhütung künftiger Verstöße.
Da im vorliegenden Fall Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften festgestellt wurden, ergibt sich die Befugnisnorm für auf Abhilfe gerichtete Maßnahmen der Lebensmittelbehörde hier aus Art. 54 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 882/2004.
Trotz der anderslautenden Begründung des Landratsamts, das die angefochtene Untersagungsverfügung auf § 39 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 LFGB gestützt hat, kann Art. 54 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 als Rechtsgrundlage für die angefochtene Verfügung herangezogen werden. Aufgrund der identischen Zielrichtung, der strukturellen Gleichheit sowie des Gleichlaufs von Befugnisrahmen und Rechtsfolgen lässt der Austausch von § 39 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 LFGB gegen Art. 54 Abs. 1 und 2 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 den Tenor der angefochtenen Regelung in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides unberührt und sind zur Begründung keine wesentlich anderen oder zusätzlichen Erwägungen erforderlich (vgl. BayVGH, U. v. 9.7.2015 – 20 BV 14.1490 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 26.11.2014 – 13 B 1250/14 -, juris; VGH Baden-Württemberg, U.v. 16. Juni 2014 – 9 S 1273/13 -, juris). Bei beiden Vorschriften handelt es sich um generalklauselartige Befugnisnormen, die bei Eröffnung des jeweiligen Anwendungsbereiches der Norm und der Zugrundelegung des streitgegenständlichen Sachverhaltes die getroffenen Anordnungen rechtfertigen können. Ein Entschließungsermessen besteht gemäß Art. 54 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 882/2004 zur Frage des Einschreitens ohnehin nicht. Das Auswahlermessen hat sich in beiden Fällen an den festgestellten Verstößen, an der Gefahrenprognose sowie an den hygienerechtlichen Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 vom 29. April 2004 des Europäischen Parlamentes und des Rates über Lebensmittelhygiene auszurichten. Nach beiden Befugnisnormen sind auch die Gesamtumstände, vor allem die Art des Verstoßes und das bisherige Verhalten des Klägers bei der Ermessensausübung zu beachten.
Der angefochtene Verwaltungsakt erweist ich damit aus anderen als in dem Bescheid angegebenen Gründen als rechtmäßig, ohne dass er durch den Austausch der Begründung in seinem Wesen geändert oder die Rechtsverfolgung des Klägers in beachtlicher Weise erschwert würde (vgl. BVerwG, U.v. 31.3.2010 – 8 C 12.09 -, NVwZ-RR 2010, 636; BayVGH, B.v. 20.4.2015 – 20 ZB 15.106 -, juris).
2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 1, Abs. 2 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 liegen vor.
Nach Absatz 1 dieser Vorschrift trifft die zuständige Behörde – hier das zur Lebensmittelüberwachung berufene Landratsamt – die erforderlichen Maßnahmen, um festgestellte Verstöße zu beseitigen. Als erforderliche Maßnahme in diesem Sinne kommt nach Art. 54 Abs. 2 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 unter anderem auch die Einschränkung oder Untersagung des Inverkehrbringens und der Einfuhr oder Ausfuhr von Futtermitteln, Lebensmitteln oder Tieren in Betracht.
Bei den im klägerischen Betrieb durchgeführten Lebensmittelkontrollen wurden seitens des Beklagten mehrere Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen festgestellt (dazu 2.1). Zur Beseitigung der festgestellten Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße war die Untersagung der Weinabgabe „erforderlich“ im Sinne Art. 54 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 lit. b der Verordnung (EG) 882/2004, um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft. Auch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war die gegenständliche Maßnahme nicht zu beanstanden (dazu 2.2.).
2.1 Das für die Lebensmittelüberwachung zuständige Landratsamt … hat bei den im klägerischen Betrieb durchgeführten Betriebskontrollen im Juli bzw. August 2015 mehrere erhebliche Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften festgestellt.
Nach der Legaldefinition in Art. 2 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 liegt ein „Verstoß“ in der „Nichteinhaltung des Futtermittel- oder Lebensmittelrechts und der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz“. Der Begriff „Lebensmittelrecht“ umfasst nach Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (Basisverordnung) vom 28. Januar 2003 (ABl. Nr. L 31/1), geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1642/2003 vom 22.7.2003 (ABl. Nr. L 245/4) die Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Lebensmittel im Allgemeinen und die Lebensmittelsicherheit im Besonderen, sowohl auf gemeinschaftlicher als auch auf mitgliedstaatlicher Ebene. Dieses Verständnis des Begriffs „Lebensmittelrecht“ ist aufgrund des Verweises von Art. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 auf die Begriffsbestimmungen der Art. 2 und Art. 3 Nr. 1 der Basisverordnung auch der Auslegung des Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 zugrunde zu legen (vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.6.2014 – 9 S 1273/13 -, juris; vgl. auch Zipfel/Rathke a. a. O. § 39 LFGB Rn. 67 und C 101, Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 Rn. 6).
2.1.1 Vorliegend sind zum einen Verstöße gegen die Vorschrift des Art. 4 Abs. 2 i. V. m. Anhang II Kapitel II Nr. 1 sowie Kapitel IX Nr. 3 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (Lebensmittelhygieneverordnung) festzustellen, da die Räumlichkeiten, in denen der Kläger seine Weine herstellt und lagert – Lagerkeller, Verpackungslager, Flaschenlager – erhebliche hygienische Mängel aufweisen.
Der Kläger ist als Inhaber eines Weinbaubetriebs Lebensmittelunternehmer im Sinne von Art. 3 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Er ist in einem Bereich der Lebensmittelherstellung tätig, welcher der Primärproduktion nachgeordnet ist, weshalb gemäß Art. 4 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 852/2004 grundsätzlich die allgemeinen Hygienevorschriften gemäß Anhang II dieser Verordnung einzuhalten sind. Nach Anhang II Kapitel II Nr. 1 müssen Räume, in denen Lebensmittel zubereitet, behandelt oder verarbeitet werden, so konzipiert und angelegt sein, dass eine gute Lebensmittelhygiene gewährleistet ist und Kontaminationen zwischen und während Arbeitsgängen vermieden werden. Lebensmittel sind auf allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebs vor Kontaminationen zu schützen, die sie für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder gesundheitsschädlich machen bzw. derart kontaminieren, dass ein Verzehr in diesem Zustand nicht zu erwarten wäre (vgl. Anhang II Kapitel IX Nr. 3 der VO (EG) Nr. 852/2004). Unter anderem sind geeignete Verfahren zur Bekämpfung von Schädlingen vorzusehen (Anhang II Kapitel IX Nr. 4 der Verordnung).
Wie sich aus den Mängelberichten des Landratsamts … sowie des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Verbraucherschutz eindeutig ergibt, entsprechen die Räumlichkeiten des klägerischen Betriebs nicht den vorgenannten hygienischen Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 852/2004. Vielmehr sind Decken, Wände, Fußböden und Tanks stark verunreinigt, insbesondere mit Essig, Schimmel, Biofilm, Essigfliegen und Maden. Dies veranschaulicht auch die dem Gericht vorgelegte Fotodokumentation über die Räumlichkeiten im klägerischen Betrieb.
2.1.2 Darüber hinaus liegt ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 2 lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vor, da der Kläger Lebensmittel in den Verkehr gebracht hat, die für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind.
Zum „Verzehr ungeeignet“ sind Lebensmittel, die bei ihrer Gewinnung, Herstellung oder späteren Behandlung durch natürliche oder willkürliche Einflüsse derart nachteiligen Veränderungen ihrer äußeren oder inneren Beschaffenheit, ihres Aussehens, ihres Geruchs oder Geschmacks ausgesetzt sind, dass ihr Verzehr nach allgemeiner Verkehrsauffassung ausgeschlossen ist (vgl. Meyer/Streinz, LFGB – BasisVO, 2. Auflage 2012, Art. 14 Rn. 37).
Nach Art. 14 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 ist bei der Entscheidung der Frage, ob ein Lebensmittel für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet ist, zu berücksichtigen, ob das Lebensmittel infolge einer durch Fremdstoffe oder auf andere Weise bewirkten Kontamination, durch Fäulnis, Verderb oder Zersetzung ausgehend von dem beabsichtigten Verwendungszweck nicht für den Verzehr durch den Menschen inakzeptabel geworden ist. Davon ist vorliegend auszugehen. Wie sich aus den der Kammer vorliegenden Untersuchungsberichten des … Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ergibt, befanden sich in dem vom Kläger produzierten Wein tierische Fremdstoffe (tote Fliegen, Larven und Maden), weshalb der Wein im vorliegenden Stadium für den Verzehr durch den Menschen inakzeptabel ist. Auch die äußeren Umstände – also die an Decken, Wänden Fußboden und Tanks festgestellte Verunreinigung unter anderem in Form von Schimmel, Biofilm, Essigfliegen und Maden – sind für sich geeignet, beim Verbraucher Ekelgefühle und Widerwillen auszulösen, was genügt, um das Lebensmittel als zum Verzehr nicht geeignet einzustufen.
Die nachteiligen Beeinflussungen des Lebensmittels müssen bei Art. 14 Abs. 2 lit.b der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 derart erheblich sein, dass das Lebensmittel auch bei Kenntlichmachung nicht mehr in Verkehr gebracht werden könnte, wobei die Beeinträchtigung nicht so weit zu gehen braucht, dass das Lebensmittel geeignet ist, die Gesundheit zu schädigen (in derartigen Fällen greift Art. 14 Abs. 2 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 178/2002). Im vorliegenden Fall kann nach den der Kammer vorliegenden Untersuchungsergebnissen ohne Zweifel von erheblichen nachteiligen Beeinflussungen ausgegangen werden.
2.1.3 Der Kläger hat außerdem auch gegen die Vorschriften des § 14 Weinverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. April 2009 (BGBl. I S. 827), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 4. Januar 2016 (BGBl. I S. 2) – WeinVO – in Verbindung mit § 3 der Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln (Lebensmittelhygiene-Verordnung – LMHV) vom 8. August 2007 (BGBl. I 2007, 1816 f.), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 14. Juli 2010 (BGBl. I S. 929), verstoßen. Erzeugnisse dürfen nach § 14 WeinVO nur unter Beachtung der Anforderungen des § 3 LMHV gewerbsmäßig verarbeitet, befördert, gelagert, verwertet oder in den Verkehr gebracht werden. § 3 LMHV schreibt vor, dass Lebensmittel nur so hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht werden dürfen, dass sie bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung nicht ausgesetzt sind. Diese gesetzlich normierten Anforderungen hat der Kläger nicht beachtet. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen (unter 2.1.1 und 2.1.2) verwiesen.
2.1.4 Schließlich hat der Kläger auch gegen Art. 18 Abs. 1-3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 i. V. m. § 29 Weingesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2011 (BGBl. I S. 66), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 16. Januar 2016 (BGBl. I S. 52), verstoßen.
Nach Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 178/2002 ist die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln und Futtermitteln, von der Lebensmittelgewinnung dienenden Tieren und allen sonstigen Stoffen, die dazu bestimmt sind oder von denen erwartet werden kann, dass sie in einem Lebensmittel oder Futtermittel verarbeitet werden, in allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen sicherzustellen. Entgegen dieser Vorschrift verfügt der Kläger nicht über ein geeignetes System zur vollständigen Rückverfolgbarkeit seiner Erzeugnisse. So konnte er bei der im August 2015 durchgeführten Betriebskontrolle kein ordentlich geführtes, fristgerechtes und plausibles Weinbuch im Sinne des § 7 Wein-Überwachungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Mai 2002 (BGBl. I S. 1624), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 4. Januar 2016 (BGBl. I S. 2) vorlegen. Des Weiteren hat er – entgegen der Pflicht nach § 10 Wein-Überwachungsverordnung – seine Behältnisse, die nicht abgefüllte Erzeugnisse enthalten, und Flaschenstapel nicht ordnungsgemäß gekennzeichnet. Der Kläger konnte ferner keine Nachweise über den Verbleib der Jahrgänge 2010 und 2011 erbringen.
2.2 Die unter Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides angeordneten Maßnahmen wurden – wie von Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 vorausgesetzt – seitens des Landratsamts getroffen, damit der Kläger Abhilfe schafft.
Die angefochtene Verfügung begegnet auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken. Der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde kam bei der Anordnung nach Art. 54 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b der Verordnung (EG) 882/2004 kein Entschließungsermessen zu. Vielmehr war sie verpflichtet, bei Vorliegen eines Verstoßes die erforderlichen Maßnahmen zu treffen (vgl. BayVGH, U. v. 9.7.2015 – 20 BV 14.1490 -, juris; VGH Baden-Württemberg, U.v. 16.6.2014 – 9 S 1273/13 -, juris). Auch ein Auswahlermessen war der Behörde nicht eingeräumt. Vielmehr kam als Reaktion auf den Rechtsverstoß allein die Untersagung der Abgabe von Wein am Stammbetrieb des Klägers als zulässige und im Sinne Art. 54 Abs. 1 Verordnung (EG) 882/2004 „erforderliche“ Maßnahme in Betracht (im Ergebnis vergleichbar BayVGH, Beschluss vom 17. 01. 2011 – 9 ZB 09.2654 -, juris).
Schließlich erweist sich die Anordnung in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides auch nicht als unverhältnismäßig im Einzelfall. Nach Art. 54 Abs. 1 Satz 2 berücksichtigt die Behörde die Art des Verstoßes und das bisherige Verhalten des betreffenden Unternehmers mit Blick auf Verstöße. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, sind im vorliegenden Fall mehrere erhebliche Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften gegeben. Hinzu kommt, dass der Kläger bereits in der Vergangenheit wegen fehlender Hygiene in seinem Betrieb aufgefallen war und er diese mangelhaften Zustände nicht beseitigt hat, sondern sich diese vielmehr noch verschlimmert haben. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte – auch ohne das Vorliegen einer konkreten Gesundheitsgefahr – dem mit den lebensmittelrechtlichen Regelungen geschützten öffentlichen Interesse am vorbeugenden Gesundheits- und Verbraucherschutz potentieller Konsumenten und damit hochrangigen Rechtsgütern den Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen des Klägers am Weinverkauf eingeräumt hat. Die Anordnung unter Nr. 1 entsprach mithin dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
3. Auch die unter Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheides ausgesprochene Zwangsgeldandrohung ist rechtmäßig. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor (Art. 19, 29, 30, 31 und 36 BayVwZVG). Da es sich im vorliegenden Fall bei der Zwangsgeldandrohung nicht um die Durchsetzung einer Handlungsverpflichtung handelt, bedurfte es auch nicht der Bestimmung einer kalendermäßig eindeutigen Frist nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG. Diese Bestimmung gilt naturgemäß nicht für Unterlassungsverpflichtungen, die in jedem Zeitpunkt zu erfüllen sind (vgl. BayVGH, U.v. 24.09.1985 – 20 B 85 A 17 – BayVBl. 1986, 176, 178).
Das angedrohte Zwangsgeld von 2.500,00 Euro ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Es hält sich im Rahmen der Vorschrift des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG, wonach das Zwangsgeld mindestens 15,00 und höchstens 50.000,00 EUR beträgt.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Einen Anspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit hat die Kammer nicht als veranlasst gesehen, weil der Beklagte seine Kosten nicht vor Rechtskraft des Urteils vollstreckt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung
1) Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Frist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München:
Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München:
Postfach 34 01 48, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
eingeht.
Die Beschwerde ist in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR nicht übersteigt.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
2) Gegen die Festsetzung des Streitwerts steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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