Europarecht

Örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts für Ausbildungsförderung im Ausland

Aktenzeichen  M 15 K 16.2061

Datum:
19.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 52 Nr. 3 S. 2, 83 S. 1
BAföG BAföG § 45 Abs. 4 S. 1
BAföG-AuslandszuständigeitsV § 1 Abs. 1 Nr. 9
GVG GVG § 17a Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Die Zuständigkeit einer Behörde erstreckt sich nur dann iSd § 52 Nr. 3 S. 2 Alt. 1 VwGO auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke, wenn ein räumlicher Bezug zu einem Verwaltungsgerichtsbezirk vorhanden ist. Dies ist nicht der Fall, wenn es um die Ausbildungsförderung im Ausland geht, für die durch § 45 Abs. 4 BAfÖG iVm § 1 Abs. 1 BAföG-AuslandszuständigkeitsV zentrale sachliche Zuständigkeiten begründet worden sind (Abweichung zu BVerwGE 56, 306). (redaktioneller Leitsatz)
Bei den durch die Bundesländer für die Förderung der Ausbildung im Ausland als zuständig erklärten Behörden handelt es sich nicht um gemeinsame Landesbehörden mehrerer oder aller Länder iSd § 52 Nr. 3 S. 2 Alt. 2 VwGO.  (redaktioneller Leitsatz)
§ 52 Abs. 3 S. 2 VwGO, wonach sich die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts nach dem Wohnsitz des Beschwerten richtet, ist eine eng auszulegende Ausnahmebestimmung. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf Streitigkeiten, in denen es um die Förderung einer Ausbildung im Ausland geht, ist abzulehnen.   (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Das Verwaltungsgericht München erklärt sich für örtlich unzuständig.
II.
Der Rechtsstreit wird an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Hannover verwiesen.

Gründe

Das Verwaltungsgericht München ist für die vorliegende Klage, mit der sich der Kläger gegen den Bescheid der Region Hannover vom 6. April 2016 wendet, durch den ihm Ausbildungsförderung für seinen Bachelor-Fernstudiengang in der Fachrichtung „Computing and Information Systems“ an der …, aufgrund seines Antrags vom 27. September 2015 abgelehnt wurde, gemäß § 52 Nr. 3 Satz 1 und Satz 5 VwGO unzuständig. Die verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit richtet sich hier vielmehr nach dem Bezirk, in dem der angefochtene Verwaltungsakt erlassen wurde. Dies ist hier der Bezirk des Verwaltungsgerichts Hannover.
Die Voraussetzungen der in § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO geregelten (und mithin eng auszulegenden) Ausnahme, wonach sich die Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Beschwerten richtet, was eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts München begründen würde, liegen hier nicht vor. Bei der beklagten Behörde, der Region …, handelt es sich, soweit sie in ihrer Zuständigkeit gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 BAföG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 9 der BAföG-AuslandszuständigkeitsV über die Förderung einer Ausbildung des Klägers in … zu entscheiden hat, weder um eine Behörde, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt (vgl. nachfolgend 1.), noch um eine gemeinsame Behörde mehrerer oder aller Bundesländer (vgl. nachfolgend 2.). Auch der Regelungszweck des § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO gebietet keine dementsprechende Auslegung (vgl. nachfolgend 3.).
1. Die Zuständigkeit des Beklagten für die Entscheidung über die Förderung einer Ausbildung in … erstreckt sich nicht i. S. von § 52 Nr. 3 Satz 2 Alt. 1 VwGO auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke (vgl. HessVGH, U.v. 1.2.1983 – IX OE 36/82 – juris; BayVGH, U.v. 31.7.1974 – 203 VII 73 – DÖV 1974,748; VG Schleswig-Holstein, B.v. 14.11.2005 – 15 A 227/05 – juris; VG Hamburg, B.v. 17.2.2006 – 8 K 241/06 – juris; VG Frankfurt/Oder, B.v. 17.3.2008 – 3 K 693/07 – juris).
Zwar hat das BVerwG (B.v. 6.10.1978 – 5 ER 402/78 – juris Rn. 2) die Auffassung vertreten, das Merkmal der sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckenden Zuständigkeit sei dahingehend zu verstehen, dass die Behörde für einen Bereich zuständig sein müsse, der mehr als nur einen Verwaltungsgerichtsbezirk umfasst. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass § 52 Nr. 3 Satz 2 Alt. 1 VwGO nach seinem Wortlaut nur Anwendung findet, wenn sich die Zuständigkeit der Behörde auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt, was einen räumlichen Bezug zu einem Verwaltungsgerichtsbezirk voraussetzt. Dies ist bei der Förderung von Auslandsausbildungen aber nicht der Fall, denn die Zuständigkeit des jeweiligen Amtes für Ausbildungsförderung bestimmt sich ausschließlich nach dem Land, in dem die Ausbildungsstätte liegt (§ 45 Abs. 4 BAföG i. V. m. der BAföG-AuslandszuständigkeitsV). Die Auslandszuständigkeit des Beklagten kann sich schon begrifflich nicht auf andere Verwaltungsgerichtsbezirke und damit auch nicht auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstrecken (vgl. HessVGH, U.v. 1.2.1983 – IX OE 36/82 – juris), weil es sich bei der Belegenheit der Ausbildungsstätte in einem ausländischen Staat um keinen Umstand handelt, der mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke berührt.
Im Übrigen handelt es sich nach Ansicht des Gerichts trotz des Wortlautes von § 45 Abs. 4 BAföG, der in Satz 1 von örtlicher Zuständigkeit spricht, nicht um die Bestimmung der örtlichen, sondern der sachlichen Zuständigkeit, wenn – wie hier – der Beklagte nicht nur für einen räumlich abgegrenzten Teil des Bundesgebiets, sondern für den Vollzug einer gesetzlichen Vorschrift im ganzen Bundesgebiet zuständig ist (vgl. BayVGH, U.v. 31.7.1974 – 203 VII 73 – DÖV 1974,748.). Auch deshalb kann sich die Zuständigkeit der Ämter für Ausbildungsförderung nicht auf andere Verwaltungsgerichtsbezirke erstrecken, denn dies wäre nur bei einer abgegrenzten örtlichen Zuständigkeit möglich.
Mit der Zuständigkeitsregelung des § 45 Abs. 4 BAföG hat der Gesetzgeber für die Auslandsförderung das Ausbildungsort- (vgl. § 45 Abs. 1 BAföG) und Wohnortprinzip (vgl. § 45 Abs. 2 BAföG) aufgegeben und sich für eine Regelung entschieden, wonach jeweils ein einzelnes Ausbildungsförderungsamt für die Entscheidung über die Ausbildung in einem bestimmten Staat zuständig ist. Der Anknüpfungspunkt der in einem anderen Staat gelegenen Ausbildungsstätte liegt hierbei außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und steht deshalb zu keinem einzigen Verwaltungsgerichtsbezirk der Bundesrepublik Deutschland in Beziehung. Dies wird besonders deutlich bei der Zuständigkeit gemäß § 45 Abs. 4 BAföG für eine Auslandsförderung von Deutschen, die ihren ständigen Wohnsitz in einem ausländischen Staat haben (vgl. § 6 BAföG), wo ein Inlandsbezug von vorneherein nicht vorliegt. Deshalb ist § 52 Nr. 3 Satz 2 Alt. 1 VwGO vorliegend nicht einschlägig.
2. Bei der Beklagten handelt es sich auch nicht um eine gemeinsame Landesbehörde mehrerer oder aller Länder i. S. von § 52 Nr. 3 Satz 2 Alt. 2 VwGO, die von mehreren Ländern errichtet wurde oder aufgrund einer Vereinbarung Zuständigkeiten über die Grenzen des Landes hinaus wahrnimmt (VG Frankfurt/Oder, B.v. 17.3.2008 – 3 K 693/07 – juris Rn. 4). Die Zuständigkeit der Beklagten für die Förderung der Auslandsausbildung des Klägers in … ergibt sich nämlich weder aus einem Errichtungsakt noch aus einem Regelungsakt einzelner oder mehrerer Bundesländer, sondern vielmehr aufgrund von Landesrecht in Ausfüllung einer bundesrechtlich (§ 1 Abs. 1 Nr. 9 BAföG-AuslandszuständigkeitsV) dem Land Niedersachsen zugewiesenen Regelungszuständigkeit.
3. Auch der Regelungszweck des § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO gebietet keine Auslegung in der Weise, dass sich der Gerichtsstand bei einer Auslandsförderung gemäß § 45 Abs. 4 BAföG nach dem Wohnsitz des Beschwerten bestimmt.
Zwar soll mit dieser gerichtlichen Zuständigkeitsregelung vermieden werden, dass sich Rechtsstreitigkeiten nur bei einem Gericht konzentrieren, das für den Sitz einer Behörde mit weiträumigen Wirkungsbereich zuständig wäre (vgl. BVerwG, B.v. 6.10.1978 – 5 ER 402/78 – juris Rn. 2). Dieses Argument trifft aber auf den Fall der Zuständigkeit für die Förderung einer Auslandsausbildung nicht zu, da nach § 1 der BAföG-AuslandszuständigkeitsV die Zuständigkeit für die Ausbildung im Ausland auf sämtliche Bundesländer verteilt wird. Wenn für die Förderung einer Ausbildung im Ausland bei der örtlichen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts entsprechend § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO auf den Wohnsitz des Beschwerten abzustellen wäre, würde vielmehr der Regelungszweck des § 45 Abs. 4 BAföG ins Leere laufen, der darin besteht, dass sich ein bestimmtes Amt für Ausbildungsförderung mit den Besonderheiten der Ausbildung in dem betreffenden ausländischen Staat vertraut machen soll, um dabei eine möglichst hohe Sachkompetenz zu erreichen; dieser Vorteil wiegt auch den Nachteil auf, dass die Auszubildenden an einer ausländischen Ausbildungsstätte ggf. nur schriftlich dem zuständigen Amt für Ausbildungsförderung vortragen können und überwiegend wegen der großen Entfernung praktisch keine Möglichkeit zu einer persönlichen Vorsprache haben (Spielbauer in Rothe/Blanke, BAföG, Stand: Mai 2014, § 45 Rn. 15). Daher ist es nur folgerichtig, wenn nicht nur bei der Behörde, sondern auch bei demjenigen Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk das zuständige Amt für Ausbildungsförderung seinen Sitz hat, eine Konzentration der Zuständigkeit für die mit der Ausbildungsförderung in einem bestimmten ausländischen Staat zusammenhängenden Fragen besteht. Es liegt deshalb auch im Sinne der Effektivität der Rechtsprechung, wenn die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts sich in solchen Fällen nicht nach dem Wohnsitz der Beschwerten, sondern nach dem Sitz der zuständigen Fachbehörde richtet (vgl. HessVGH, U.v. 1.2.1983 – IX OE 36/82 – juris; VG Hamburg, B.v. 17.2.2006 – 8 K 241/06 – juris). Eine entsprechende Konzentrationswirkung bezweckt im Übrigen auch § 52 Nr. 3 Satz 4 VwGO.
Für eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts am Sitz des zuständigen Amtes für Ausbildungsförderung spricht weiter auch der Umstand, dass andernfalls – unabhängig von der Frage, ob nach dem jeweiligen Landesrecht ein Widerspruchsverfahren erforderlich bzw. möglich ist (VG Frankfurt/Oder, B.v. 17.3.2008 – 3 K 693/07 – juris Rn. 5) – ein durch die Behörde eines Bundeslandes erlassener Verwaltungsakt der Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte eines anderen Bundeslandes unterworfen würde, wenn – wie hier – der Auszubildende seinen (inländischen) Wohnsitz außerhalb des für die Ausbildungsförderung in dem jeweiligen ausländischen Staat zuständigen Bundeslandes hat, ohne dass hierfür eine entsprechende Regelung durch die betroffenen Bundesländer, wie sie auch § 52 Nr. 3 Satz 2 Alt. 2 VwGO voraussetzt, existieren würde.
Die Zuständigkeit des jeweiligen Amtes für Ausbildungsförderung im Rahmen der Auslandsausbildung ist zudem vergleichbar mit der einer bundesweit zuständigen Behörde, denn das jeweilige Amt für Ausbildungsförderung besitzt in Ausführung von Bundesrecht für einen Teilbereich des BAföG eine das gesamte Bundesgebiet umfassende Verwaltungskompetenz. Es wird damit aufgrund besonderer bundesgesetzlicher Anordnung bei der Förderung einer Ausbildung in einem ausländischen Staat wie eine entsprechende Bundesbehörde tätig (vgl. BayVGH, U.v. 31.7.1974 – 203 VII 73 – DÖV 1974,748 unter Hinweis auf Barbey DVBl 1973, 233f.), bei denen sich die Zuständigkeit ebenfalls nach dem Sitz der Behörde (§ 52 Nr. 2 Satz 1 und 2 VwGO) und nicht nach dem Wohnsitz des Beschwerten richtet. Auch dies spricht dafür, hinsichtlich der Entscheidungen der jeweiligen Ämter für Ausbildungsförderung über die Förderung einer Auslandsausbildung eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts nach dem Behördensitz (§ 52 Nr. 3 Satz 1 und Satz 5 VwGO) anzunehmen. Entsprechend bejaht die Kammer ungeachtet des Wohnsitzes des Auszubildenden regelmäßig ihre Zuständigkeit in Fällen, in denen die Landeshauptstadt München aufgrund ihrer Zuständigkeit für Studiengänge in Österreich tätig wird.
Somit ist der Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das nach § 52 Nr. 3 Satz 1 und Satz 5 VwGO örtlich zuständige Verwaltungsgericht Hannover zu verweisen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 83 Satz 2 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben