Europarecht

Schadensersatz aufgrund des Erwerbs eines vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs (hier: Skoda Fabia)

Aktenzeichen  30 U 4258/19

Datum:
28.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 32848
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 242, § 288, § 291, § 826, § 849
FZV § 3 Abs. 1 S. 2, § 5 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Zur VW-Abgasskandal-Thematik vgl. grundlegend BGH BeckRS 2020, 10555; vgl. auch OLG München BeckRS 2020, 34041; BeckRS 2020, 34151; BeckRS 2020, 34153; OLG Bamberg BeckRS 2020, 33045; BeckRS 2020, 33157; sowie die Aufzählung ähnlich gelagerter VW-Diesel-Fälle bei OLG München BeckRS 2020, 25691 (dort Ls. 1); OLG München BeckRS 2020, 27215 (dort Ls. 1); OLG Köln BeckRS 2019, 42328 (dort Ls. 1); OLG Koblenz BeckRS 2020, 14352 (dort Ls. 1), OLG Stuttgart BeckRS 2020, 7002 (dort Ls. 1), OLG Jena BeckRS 2020, 8618 (dort Ls. 1), OLG Oldenburg BeckRS 2020, 6234 (dort Ls. 1) und KG BeckRS 2019, 29883 (dort Ls. 5); mit gegenteiligem Ergebnis noch: OLG München BeckRS 2019, 33738; BeckRS 2019, 33753; OLG Braunschweig BeckRS 2019, 2737. (redaktioneller Leitsatz)
2. Dem Käufer eines vom Diesel-Abgasskandal erfassten Fahrzeugs steht gegen die Herstellerin des Motors ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB auf Erstattung des für den Erwerb des Fahrzeugs aufgewandten Kaufpreises abzüglich Vorteilsausgleich für die Nutzung Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs zu. (Rn. 25 und 65) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zu typischen Detailfragen aus VW-Dieselfällen hier: Gesamtlaufleistung 200.000 km; kein Annahmeverzug; keine Verzugszinsen; keine Deliktszinsen; Geschäftsgebühr von 1,3, da der Prozessbevollmächtigte der Klagepartei gerichtsbekannt in einer Vielzahl gleich gelagerte Fälle tätig wird. (Rn. 87, 89, 94, 95 und 102) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

34 O 4751/18 2019-06-27 Urt LGAUGSBURG LG Augsburg

Tenor

I. Auf die Berufung der Klagepartei wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 27.06.2019 (Az. 34 O 4751/18) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Skoda Fabia mit der Fahrgestell-Nr. … 19 an den Kläger 12.787,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 28.01.2019 zu zahlen.
I. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seines Rechtsanwaltes M. H. in Höhe von 1.029,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 28.01.2019 freizustellen.
I. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen trägt der Kläger 34% und die Beklagte 66%.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 19.335,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klagepartei verlangt von der Beklagten Schadensersatz, weil sie ein Fahrzeug erworben hat, in welchem ein Dieselmotor des Typs EA 189 verbaut ist.
Die Klagepartei kaufte am 27.06.2011 von dem Autohaus S. A. in A. einen neuen Pkw Skoda Fabia mit der Fahrgestell-Nr. … 19 zum Preis von 19.335,00 € brutto.
Der von der Beklagten hergestellte Dieselmotor des Typs EA 189 war mit einer Motorsteuerungssoftware ausgestattet, die erkannte, ob sich das Fahrzeug im regulären Straßenbetrieb oder auf einem Rollenprüfstand zur Durchführung des NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) befindet. Auf dem Rollenprüfstand war der Abgasrückführungsmodus 1 mit einer NOx-optimierten höheren Abgasrückführungsrate aktiv, während die Software im normalen Straßenverkehr auf einen partikeloptimierten Modus 0 umschaltete. Nur im Modus 1 wurden die im Datenblatt aufgeführten Stickoxidwerte eingehalten. Die für das Fahrzeug erteilte Betriebserlaubnis wurde nicht aufgehoben; das Fahrzeug ist als solches mit der Abgasnorm EU 5 klassifiziert.
Mit rechtskräftigem Bescheid vom 14.10.2015 stellte das Kraftfahrtbundesamt fest, dass es sich bei der von der Beklagten verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 715/2007 in Verbindung mit Art. 3 Nummer 10 VO (EG) 715/2007 handelt und ordnete den verpflichtenden Rückruf der Dieselfahrzeuge an. Die Beklagte stimmte mit dem Kraftfahrtbundesamt Anfang Dezember 2015 einen Zeit- und Maßnahmenplan ab. Mit Bescheid vom 21.07.2016 (Anlage B1) gab das Kraftfahrtbundesamt die von der Beklagten entwickelte technische Maßnahme für Fahrzeuge des Typs VW Tiguan 2,0 l, TDI, 130 kW frei und bestätigte, dass das Software – Update geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge herzustellen sowie dass Kraftstoffverbrauchswerte, CO2 – Emissionen, Motorleistung und Geräuschemissionen unverändert sind. Das Software – Update wurde bei dem klägerischen Fahrzeug aufgespielt.
Mit Schreiben des anwaltlichen Vertreters der Klagepartei vom 06.12.2018 wurde die Beklagte aufgefordert, den Kaufpreis in Höhe von € 19.335,00 Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw’s bis zum 12.12.2018 zurückzuzahlen. Im Übrigen wird auf das Schreiben Bezug genommen.
Das Fahrzeug wies am 02.03.2020 einen Kilometerstand von 84.660 km auf.
Die Klagepartei behauptet, der damalige Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. W. habe aus reiner Gewinnsucht und Betrugsabsicht einen erheblichen Wertverlust gegenüber dem vorherigen Gebrauchtwagenwert billigend in Kauf genommen, sobald die Mängel auf dem Markt bekannt würden. Prof. Dr. W. habe bereits 2004 in seiner damaligen Funktion als Mitglied des Vorstands und Forschungs- und Entwicklungsleiter die R. B. GmbH beauftragt, das Motorsteuergerät EDC 17 zu konstruieren und dieses in der Folgezeit weiterentwickelt. In den Jahren 2005 und 2006 habe die Beklagte festgestellt, dass die Erhöhung der Abgasrückführungswerte zu einem früheren Verschleiß der Partikelfilter führt. Mit Kenntnis von Prof. Dr. W. hätten die Entwicklungsingenieure entschieden, eine Software einzusetzen, die ausschließlich im Testmodus durch erhöhte Abgasrückführung für die Einhaltung der erforderlichen Stickoxidwerte sorgt. Die Klagepartei trägt ferner vor, in Kenntnis des tatsächlichen Sachverhalts hätte sie das Fahrzeug nicht erworben.
Die Beklagte bestreitet, dass ihr damaliger Vorstandsvorsitzende oder andere Mitglieder des Vorstands seinerzeit von der Entwicklung der Software wussten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 27.06.2019 Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Das Landgericht Augsburg hat die Klage mit Endurteil vom 27.06.2019 die Klage abgewiesen. Dem Kläger stünde aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch gegen die Beklagte zu.
Gegen das der Klagepartei am 06.07.2019 zugestellte Urteil hat die Klagepartei mit Schriftsatz des Klägervertreters Vom 02.08.2019, eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 06.09.2019, eingegangen am selben Tag, begründet.
In der Berufungsbegründung vom 06.09.2019 beantragte die Klagepartei, das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 27.06.2019 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei 19.335,00 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw’s nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.12.2018 zu zahlen sowie ihn von außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.613,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen und festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeuges in Annahmeverzug befindet. Mit Schriftsatz vom 07.02.2020, der Beklagten zugestellt am 17.02.2020, hat die Klagepartei ihre Berufungsanträge geändert und verlangt nun im Hauptantrag Zahlung von Zinsen bereits seit dem 27.06.2011.
Die Klagepartei ist der Auffassung, dass die in der Berufungsinstanz erfolgte Klageänderung zulässig sei. Der vorliegende Prozessstoff bleibe Entscheidungsgrundlage, die geänderten Anträge seien sachdienlich. Zinsen aus § 849 BGB stünden ihr ab Kaufpreiszahlung bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit zu; ihr sei Geld durch eine unerlaubte Handlung entzogen worden.
Die Klagepartei beantragt zuletzt unter Abänderung des am 27.06.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Augsburg:
V. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Skoda Fabia mit der Fahrgestell-Nr. …19 an den Kläger 19.335,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 27.06.2011 zu zahlen.
V. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.613,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit freizustellen.
V. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des in Ziffer 1. Des in Klageantrag Ziffer 1 genannten Fahrzeugs seit dem 13.12.2018 in Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klagepartei zurückzuweisen.
Das Landgericht habe die Klage zurecht abgewiesen. Klägerseits sei kein ersatzfähiger Schaden entstanden. Der Vertragsschluss sei nicht wirtschaftlich nachteilig gewesen, da das Fahrzeug durch das Bekanntwerden der Software keinen Wertverlust erlitten habe und für die klägerischen Zwecke uneingeschränkt brauchbar gewesen sei. Die „Zulassungsfähigkeit“ des Fahrzeugs sei nicht beeinträchtigt gewesen. Ein vermeintlich eingetretener Schaden sei auch nicht vom Schutzzweck der Norm umfasst. Der Preisverfall von gebrauchten Dieselfahrzeugen stehe nicht im Zusammenhang mit der Umschaltlogik, sondern sei auf drohende Fahrverbote in einigen Innenstädten zurückzuführen.
Selbst wenn man einen ersatzfähigen Schaden bejahen wollte, sei dieser Schaden spätestens aufgrund des Software-Updates entfallen. Jedenfalls sei im Wege der Vorteilsanrechnung ein Nutzungsersatz in Abzug zu bringen, der nach der degressiven Methode zu bemessen sei, weil der Wertverlust, den ein Fahrzeug durch die ersten gefahrenen 10.000 km realisiere, deutlich höher sei als der Wertverlust, den das Fahrzeug bei einer Laufleistung von 100.000 km bis zu 110.000 km erfahre. Jedenfalls sei von einer Gesamtlaufleistung von 200.000 km bis 250.000 km auszugehen.
Ferner habe die Klagepartei die haftungsbegründende Kausalität nicht hinreichend nachgewiesen. Es fehle schon eine Täuschungshandlung gegenüber der Klagepartei. Sie sei am Kaufvertragsabschluss nicht beteiligt gewesen. Im Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Motors liege keine aktive Täuschung, auch eine Pflicht der Beklagten, die Klagepartei über das Abgasverhalten des erworbenen Fahrzeugs bzw. die Umschaltlogik aufzuklären, habe nicht bestanden.
Weiterhin scheiterten die Ansprüche am fehlenden Schädigungsvorsatz. Die Beklagte verfüge derzeit über keine Erkenntnisse dafür, dass einzelne Vorstandsmitglieder im Sinne des Aktienrechts an der Entwicklung der Umschaltlogik beteiligt waren oder die Entwicklung oder Verwendung der Umschaltlogik für den EA 189 seinerzeit in Auftrag gegeben oder gebilligt haben.
Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seien nicht ersatzfähig, da bei verständiger Betrachtung von vornherein nicht damit zu rechnen gewesen sei, dass die Beklagte durch Einschaltung eines Rechtsanwalts zur freiwilligen Zahlung zu bewegen sein würde.
Eine Verzinsung des Schadensersatzanspruchs – das Bestehen eines solchen unterstellt – ab Zahlung des Kaufpreises widerspreche dem Normzweck des § 849 BGB. Eine verzinsungsfähige Werteinbuße bestehe nicht.
Ergänzend wird auf die von den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klagepartei ist gemäß §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO zulässig und überwiegend begründet.
I. Die Berufung ist hinsichtlich des Antrags Ziff. 1 in der Hauptsache (Verurteilung zur Zahlung von 19.335,00 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs) teilweise begründet.
I. Der Anspruch der Klagepartei ergibt sich aus §§ 826, 31 BGB. Die Frage, ob auch die Voraussetzungen anderer Anspruchsgrundlagen erfüllt sind, kann offenbleiben, denn diese würden nicht zu einem weitergehenden Schadensersatzanspruch führen. Der Senat folgt insoweit nach gründlicher eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage den Erwägungen des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München im Urteil vom 15.01.2020, Az. 20 U 3219/18 sowie des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München im Urteil vom 05.02.2020, Az. 13 U 4071/18:
a) Das Inverkehrbringen eines Motors mit der streitgegenständlichen Umschaltlogik stellt eine konkludente Täuschung der Klagepartei durch die Beklagte dar (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019, 13 U 142/18, juris Rn. 9 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 21 ff.; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, juris Rn. 22 ff.; OLG Hamm, Urteil v. 10.09.2019, 13 U 149/18, juris Rn. 44 ff.; OLG Stuttgart, Urteil v. 24.09.2019, 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215 Rn. 33 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss v. 25.09.2019, 17 U 45/19, juris Rn. 4 ff.).
(I) Mit dem Inverkehrbringen des entsprechenden Motors hat die Beklagte konkludent zum Ausdruck gebracht, dass ein damit ausgerüstetes Fahrzeug ausgehend von seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf.
Bevor ein Kraftfahrzeughersteller berechtigt ist, ein Fahrzeug für die Nutzung im Straßenverkehr auf den Markt zu bringen, hat er die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren erfolgreich zu absolvieren. Insbesondere ist die sogenannte EG-Typgenehmigung durch das Kraftfahrtbundesamt (nachfolgend: KBA) als zuständiger Behörde (§ 2 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung; im Folgenden: EG-FGV) einzuholen und eine Übereinstimmungsbescheinigung auszustellen (§ 27 Abs. 1 EG-FGV).
Stellt das KBA nach Erteilung einer formell wirksamen Typgenehmigung fest, dass ein Fahrzeug nicht die materiellen Voraussetzungen für den genehmigten Typ einhält, kann es zur Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge entweder gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung anordnen oder gemäß § 25 Abs. 3 EG-FGV die EG-Typgenehmigung ganz oder teilweise widerrufen bzw. zurücknehmen.
Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (im Folgenden: FZV) dürfen Fahrzeuge allerdings nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind, was gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 FZV voraussetzt, dass sie einem genehmigten Typ entsprechen. Wird die EG-Typgenehmigung entzogen oder mit Nebenbestimmungen versehen, entspricht das Fahrzeug – im Fall der Nebenbestimmung: bis zur Nachrüstung – keinem genehmigten Typ mehr. Die Zulassungsbehörde kann dem Eigentümer oder Halter dann gemäß § 5 Abs. 1 FZV eine Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen.
Der Käufer eines Kraftfahrzeugs kann vor diesem Hintergrund nicht nur davon ausgehen, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs die notwendige EG-Typgenehmigung formal vorliegt, sondern auch davon, dass keine nachträgliche Rücknahme oder Änderung droht, weil die materiellen Voraussetzungen bereits bei Erteilung nicht vorgelegen haben. Entsprechend dieser Käufererwartung ist der Inverkehrgabe eines Motors der Erklärungswert beizumessen, dass auch die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge, in denen dieser Motor eingebaut wird, vorlagen.
(I) Vorliegend enthielt jedoch die im streitgegenständlichen Fahrzeug installierte Motorsteuerungssoftware eine Umschaltlogik, die als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der VO [EG] Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. 2007 L 171; im Folgenden: VO [EG] Nr. 715/2007) zu qualifizieren ist (so auch BGH, Hinweisbeschluss vom 08.01.2019, VIII ZR 225/17, juris Rn. 5 ff.; OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019, 13 U 142/18, juris Rn. 15; OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 27; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, juris Rn. 25 ff.; OLG Hamm, Urteil v. 10.09.2019, 13 U 149/18, juris Rn. 45; OLG Stuttgart, Urteil v. 24.09.2019, 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215 Rn. 35).
Aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung waren gerade nicht die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung gegeben, so dass die Gefahr einer Betriebsuntersagung des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Zulassungsbehörde bestand.
b) Durch diese Täuschung entsteht den Käufern der betroffenen Fahrzeuge ein Schaden, der in dem Abschluss des Kaufvertrages zu sehen ist (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019, 13 U 142/18, juris Rn. 17 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 28 ff.; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, juris Rn. 80 ff.; OLG Köln, Urteil v. 17.07.2019, 16 U 199/18, juris Rn. 15 ff.; OLG Hamm, Urteil v. 10.09.2019, 13 U 149/18, juris Rn. 49 ff.; OLG Stuttgart, Urteil v. 24.09.2019, 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215 Rn. 38 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss v. 25.09.2019, 17 U 45/19, juris Rn. 18 f.).
(I) § 826 BGB stellt hinsichtlich des Schadens begrifflich nicht auf die Verletzung bestimmter Rechte und Rechtsgüter ab, weshalb der nach dieser Norm ersatzfähige Schaden weit verstanden wird. Schaden ist danach nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung (BGH, Urteil v. 19.07.2004, II ZR 402/02, juris Rn. 41).
Es kommt nicht darauf an, ob das Fahrzeug im Zeitpunkt des Erwerbs angesichts der unzulässigen Abschalteinrichtung einen geringeren Marktwert hatte. Der Schaden liegt in der Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit, nicht erst in dadurch verursachten wirtschaftlichen Nachteilen. Entscheidend ist allein, dass der Geschädigte durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar war (BGH, Urteil vom 28.10.2014, VI ZR 15/14, juris Rn. 18.).
(I) Diese Voraussetzungen lagen im maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses vor. Wegen der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung drohte die Entziehung der EG-Typgenehmigung bzw. die Anordnung von Nebenbestimmungen, mit der Folge, dass das Fahrzeug keinem genehmigten Typ mehr entsprechen würde. Der Hauptzweck des Fahrzeugs, dieses im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen, war damit bereits vor einer tatsächlichen Stilllegung unmittelbar gefährdet. Das streitgegenständliche Fahrzeug war mithin für die Zwecke der Klagepartei nicht voll brauchbar, der Abschluss des Kaufvertrags begründete damit für die Klagepartei eine so nicht gewollte Verbindlichkeit.
c) Das Verhalten der Beklagten war auch sittenwidrig.
Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt.
Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., BGH, Urteil v. 15.10.2013, VI ZR 124/12, juris Rn. 8 m.w.N.). Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteil v. 28.06.2016, VI ZR 536/15, juris Rn. 16).
Nach diesem Maßstab ist von einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten auszugehen (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019, 13 U 142/18, juris Rn. 31 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 42 ff.; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, juris Rn. 45 ff.; OLG Köln, Urteil v. 17.07.2019, 16 U 199/18, juris Rn. 5 ff.; OLG Hamm, Urteil v. 10.09.2019, 13 U 149/18, juris Rn. 64 ff.; OLG Stuttgart, Urteil v. 24.09.2019, 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215 Rn. 46 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss v. 25.09.2019, 17 U 45/19, juris Rn. 4 ff.):
Als Beweggrund für das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Motors kommt vorliegend allein eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht. Zwar ist allein ein Handeln mit Gewinnstreben nicht als verwerflich zu beurteilen. Aber bereits das Ausmaß der Täuschung, nämlich der Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Motortyp, der in einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fahrzeugen verschiedener Marken des Konzerns verbaut wurde, mit der Folge einer entsprechend hohen Zahl getäuschter Käufer, rechtfertigt vorliegend das besondere Unwerturteil.
Überdies erscheint auch die Art und Weise der Täuschung als verwerflich: Durch die Täuschung der Typgenehmigungsbehörde zur Erlangung der EG-Typgenehmigung hat sich die Beklagte das Vertrauen der Käufer in den ordnungsgemäßen Ablauf des öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens und damit auch in die Objektivität der staatlichen Behörde zunutze gemacht. Die Verwerflichkeit des Handelns ergibt sich des Weiteren aus den resultierenden Folgen, da den Käufern erheblicher Schaden in Form der Stilllegung des erworbenen Fahrzeugs drohte.
Das von der Beklagten angebotene Software-Update stellt allein ein Angebot der Schadensbegrenzung dar.
Überdies liegt im vorliegenden Fall eine vorsätzliche Täuschung vor (hierzu unten) mit dem Ziel, unter Ausnutzung der Fehlvorstellung der Kunden hohe Absatzzahlen zu erreichen. Allein dieser Umstand rechtfertigt es schon, Sittenwidrigkeit im Sinn des § 826 BGB zu bejahen (vgl. BGH, Urteil v. 28.06.2016, VI ZR 536/15, juris Rn. 16).
d) Auch die subjektiven Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten nach § 826 BGB liegen vor.
In subjektiver Hinsicht setzt § 826 BGB Schädigungsvorsatz sowie Kenntnis der Tatumstände, die das Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen, voraus.
Der erforderliche Schädigungsvorsatz bezieht sich darauf, dass durch die Handlung einem anderen Schaden zugefügt wird. Er enthält ein Wissens- und Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (st. Rspr., BGH, Urteil v. 28.06.2016, VI ZR 536/15, juris Rn. 25 m.w.N.).
Für den eigens festzustellenden subjektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit genügt die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die das Sittenwidrigkeitsurteil begründen (BGH, Urteil v. 13.09.2004, II ZR 276/02, juris Rn. 36). Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt voraus, dass ein „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinn des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand verwirklicht hat.
Die Beklagte hat den diesbezüglichen, substantiierten Sachvortrag der Klagepartei nicht gemäß § 138 Abs. 4 ZPO wirksam bestritten, sodass er gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.
(I) Der Vortrag der Klagepartei ist substantiiert und erfolgte nicht unzulässig unter Verstoß gegen die Pflichten aus § 138 Abs. 1 ZPO „ins Blaue hinein“. Zwar hat die Klagepartei offensichtlich keine positive Kenntnis von der Richtigkeit ihres Tatsachenvortrags, jedoch bestehen hierfür ausreichende Anhaltspunkte (MüKo/Fritsche, ZPO, 5. Aufl., § 138 Rn. 8-10 m.w.N., str.). Diese sind in der Annahme zu sehen, dass eine so bedeutsame Entscheidung wie die Entwicklung einer unzulässigen Abschalteinrichtung und deren heimliche Implementierung in einen Motor, der konzernweit in eine enorme Vielzahl von Fahrzeugen eingebaut wird, nicht ohne Kenntnis der zuständigen Vorstände einschließlich des Vorstandsvorsitzenden erfolgt.
(I) Das Bestreiten der Beklagten erfolgte unzulässig mit Nichtwissen und ist damit gemäß § 138 Abs. 4 ZPO unbeachtlich, sodass der Vortrag der Klagepartei gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.
So beschränkt sich das Vorbringen der Klagepartei darauf, dass sie derzeit über keine Erkenntnisse dafür verfügt, dass einzelne Vorstandsmitglieder im Sinne des Aktienrechts an der Entwicklung der Umschaltlogik beteiligt waren oder die Entwicklung oder Verwendung der Umschaltlogik für den EA 189 seinerzeit in Auftrag gegeben oder gebilligt haben.
Gemäß § 138 Abs. 4 ZPO ist ein Bestreiten mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Dabei stellt die Rechtsprechung Vorgänge im eigenen Geschäfts – und Verantwortungsbereich den eigenen Handlungen oder Wahrnehmungen im Sinne des § 138 Abs. 4 ZPO gleich; die Partei kann sich nicht durch arbeitsteilige Organisation ihrer prozessualen Erklärungspflichten entziehen, sondern muss Informationen von den Personen einholen, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind und das Ergebnis ihrer Erkundigungen in den Prozess einführen (BGH, Urteil vom 10.10.1994 – II ZR 95/93, NJW 1995, 130, beck-online; BGH, Urteil vom 19.04.2001 – I ZR 238/98, NJW-RR 2002, 612, beck-online; Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 138 Rn. 16). Dies gilt auch, soweit verantwortliche Organe bereits ausgeschieden sind (zum früheren Geschäftsführer: BGH, Urteil vom 19.4.2001 – I ZR 238/98, NJW-RR 2002, 612, beck-online).
Nach diesen Maßstäben hätte die Beklagte offenlegen müssen, welche Ermittlungen sie durchgeführt hat und zu welchen Ergebnissen sie dabei gelangt ist. Dann hätte das Gericht zu prüfen gehabt, ob die Ermittlungen – unter Berücksichtigung der Bedeutung der Angelegenheit auch über den Einzelfall hinaus – ausreichend waren, um den prozessualen Erklärungspflichten zu genügen und ob den von der Beklagten gezogenen Schlüssen gefolgt werden kann.
Der Senat bejaht ebenso wie andere Gerichte (OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019, 13 U 142/18, juris Rn. 51 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 79 ff.; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, juris Rn. 75 ff.; OLG Köln, Urteil v. 17.07.2019, 16 U 199/18, juris Rn. 10 ff.; OLG Hamm, Urteil v. 10.09.2019, 13 U 149/18, juris Rn. 70 ff.) die Voraussetzungen einer sekundären Darlegungslast, die auch zu einer Herabsetzung der primären Darlegungslast führt. Dem Prozessgegner, der im Gegensatz zu dem außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs stehenden Darlegungspflichtigen die wesentlichen Tatsachen kennt, ist im Rahmen seiner Erklärungslast nach § 138 Abs. 2 ZPO ausnahmsweise zuzumuten, dem Beweispflichtigen eine prozessordnungsgemäße Darlegung durch nähere Angaben über die betreffenden, zu seinem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse zu ermöglichen. Voraussetzung und zugleich Grund für die sekundäre Darlegungslast ist – ebenso wie für die Zulässigkeit einer Behauptung einer Tatsache ohne positive Kenntnis -, dass greifbare Anhaltspunkte für die Richtigkeit des Vortrags der Klagepartei vorliegen (zu den Grundsätzen: Zöller/Greger, a.a.O., vor § 284 Rn. 34).
e) Der Schadensersatzanspruch scheitert – entgegen den Ausführungen des Oberlandesgerichts Braunschweig (Urteil v. 19.02.2019, 7 U 134/17, juris Rn. 186 ff.) – nicht am Institut des Schutzzwecks der Norm (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019, 13 U 142/18, juris Rn. 39 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 49 ff.; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, juris Rn. 93 ff.; OLG Köln, Urteil v. 17.07.2019, 16 U 199/18, juris Rn. 21 ff.; OLG Hamm, Urteil v. 10.09.2019, 13 U 149/18, juris Rn. 81 f.; OLG Stuttgart, Urteil v. 24.09.2019, 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215 Rn. 51 f. OLG Frankfurt, Beschluss v. 25.09.2019, 17 U 45/19, juris Rn. 24 ff.):
Zwar ist, um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten, auch im Bereich des § 826 BGB der Haftungsumfang nach Maßgabe des Schutzzwecks der Norm zu beschränken (st. Rspr. BGH, Urteil v. 03.03.2008, II ZR 310/06, juris Rn. 15 m.w.N.).
Doch besteht vorliegend keine Veranlassung für eine solche Beschränkung: Denn die Haftung aus § 826 BGB knüpft – anders als etwa ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit bestimmten europarechtlichen Normen – nicht unmittelbar an den Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO [EG] Nr. 715/2007 an, sondern folgt aus der mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs verbundenen Täuschung über die Erfüllung der materiellen Typengenehmigungsvoraussetzungen. Diese Pflichtverletzung ist für den Rechtskreis des Käufers ersichtlich von Bedeutung, weil über einen die Kaufentscheidung wesentlich beeinflussenden Umstand getäuscht wird.
I. Der Klagepartei ist hierdurch ein Schaden in Höhe des gezahlten Kaufpreises, also in Höhe von 19.335,00 € entstanden.
a) Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klagepartei das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn sie Kenntnis von der streitgegenständlichen Software und ihrer Wirkungsweise gehabt hätte. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Kraftfahrzeugkäufer vom Kauf eines Fahrzeugs Abstand nehmen würden, wenn ihnen bekannt wäre, dass Maßnahmen bis hin zur Stilllegung drohen, weil das betreffende Fahrzeug zwar formal über eine EG-Typgenehmigung verfügt, aber wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung diese nicht hätte erhalten dürfen (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019, 13 U 142/18, juris Rn. 25; OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 38; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, juris Rn. 91; OLG Köln, Urteil v. 17.07.2019, 16 U 199/18, juris Rn. 20; OLG Stuttgart, Urteil v. 24.09.2019, 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215 Rn. 44; OLG Frankfurt, Beschluss v. 25.09.2019, 17 U 45/19, juris Rn. 21).
b) Besteht der Schaden in der sittenwidrigen Herbeiführung eines Vertrages, richtet sich der Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses; die Klagepartei ist so zu stellen, als hätte sie den Kaufvertrag nicht abgeschlossen (Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl., § 826 Rn. 15, Einf v § 823 Rn. 24, Palandt/Grüneberg, Vorb vor § 249 Rn. 17, jeweils mit weiteren Nachweisen).
c) Das von der Beklagten erhebliche Zeit nach Abschluss des Kaufvertrages angebotene, vom Kraftfahrtbundesamt genehmigte Software-Update, das die Klagepartei nach Kaufvertragsabschluss aufspielen ließ, lässt den Schaden nicht entfallen, denn dieser liegt im Abschluss des von der Klagepartei nicht gewollten Vertrages. Es handelt sich lediglich um ein Angebot zur Schadensbegrenzung.
d) Die Klagepartei verhält sich auch nicht im Sinne des § 242 BGB treuwidrig, wenn sie trotz Durchführung des Software-Updates Schadensersatz verlangt. Ohne Software-Update wäre der Fortbestand der Betriebserlaubnis gefährdet gewesen. Ob – wie die Beklagte unter Hinweis auf Feststellungen des Kraftfahrtbundesamtes behauptet – mit dem Software-Update die zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses versprochenen Werte erreicht werden, ohne dass dies mit Nachteilen sonstiger Art verbunden wäre, muss vorliegend nicht durch Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden. Im Rahmen der Prüfung der Treuwidrigkeit nach § 242 BGB sind alle Umstände abzuwägen. Vorliegend wurde die Klagepartei durch eine vorsätzlich sittenwidrige Handlung geschädigt.
I. Die Klagepartei muss sich jedoch als Vorteilsausgleich eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 6.547,60 € anrechnen lassen.
a) Wenn ein Geschädigter durch Täuschung zum Abschluss eines Vertrags veranlasst wurde, steht ihm im Rahmen der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen dieses Vertrags zu. Er ist wirtschaftlich möglichst so zu stellen, wie er ohne das schadensbegründende Ereignis stünde (BGH, NJW-RR 2015, 275 Rn. 25).
Der Schadensersatzanspruch ist jedoch nur mit der Einschränkung begründet, dass gleichzeitig die Vorteile herausgegeben werden. Gleichartige Gegenansprüche sind hierbei zu saldieren. Solange Ersatzanspruch und Vorteil nicht gleichartig sind, muss der Schädiger Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten.
Darauf, ob der Schädiger die Herausgabe des Vorteils verlangt, kommt es nicht an, insbesondere bedarf es anders als in den Fällen der §§ 320, 322, 348 BGB keines besonderen Antrags oder einer Einrede des Schädigers (BGH, NJW 2015, 3160 Rn. 21 ff; BGH, NJW-RR 2005, 70 Palandt/Grüneberg, a.a.O., Vorb v § 249 Rn. 71).
Mithilfe des Vorteilsausgleichs soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Der Geschädigte darf nicht bessergestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde; andererseits sind nicht alle durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, sondern nur solche, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, d.h. dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet.
Maßgeblich ist, ob die Anrechnung von Vorteilen im Einzelfall nach Sinn und Zweck des Schadensersatzrechts unter Berücksichtigung der gesamten Interessenlage der Beteiligten nach Treu und Glauben dem Geschädigten zugemutet werden kann (BGH, NJW 2012, 928 Rn. 58; BGH, NJW 2007, 2695 Rn. 18).
b) Dementsprechend hat vorliegend eine Anrechnung der von der Klagepartei durch die Nutzung des Fahrzeuges erzielten Gebrauchsvorteile stattzufinden. Diese hat das Fahrzeug fortlaufend – auch noch nach Bekanntwerden der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung – bestimmungsgemäß genutzt und auf diese Art und Weise Aufwendungen für ein anderes Transportmittel erspart, d.h. einen geldwerten Vorteil erlangt.
c) Soweit die Klagepartei grundsätzliche Einwände gegen einen Vorteilsausgleich im Rahmen der deliktischen Haftung vorbringt, greifen diese nicht durch (vgl. bereits BGH, NJW 1962, 1909f; Palandt/Grüneberg, a.a.O., Vorb v § 249 Rn. 94).
Der Senat folgt insoweit der bislang wohl einhelligen Meinung der Obergerichte, wonach auch im Rahmen der sog. „Diesel-Problematik“ bei einer Verurteilung gemäß § 826 BGB ein Vorteilsausgleich stattzufinden hat (so etwa: OLG München, BeckRS 2019, 25424 Rn. 77 ff; OLG Koblenz, NJW 2019, 2237 Rn. 82 ff; OLG Karlsruhe, BeckRS 2019, 3395 Rn. 110 ff; OLG Köln, NJW-RR 2019, 984 Rn. 45; KG Berlin, BeckRS 2019, 22712 Rn. 116 ff, OLG Naumburg, Urteil vom 27. September 2019, 7 U 24/19 – juris, Rn. 107 ff; OLG Düsseldorf, BeckRS 2019, 32199 Rn. 82 ff; OLG Frankfurt a.M., BeckRS 2019, 30941 Rn. 34 ff; OLG Stuttgart, BeckRS 2019, 30073 Rn. 51 ff).
(I) Der Einwand, der wegen Arglist haftende Hersteller dürfe die Wertschöpfung des inkriminierten Warenansatzes nicht doch noch im Wege der Schadensberechnung zeitweilig realisieren, da dies dazu führen würde, dass die Haftung für ihn rein wirtschaftlich nahezu keinen Unterschied mache und die Präventionsfunktion des Deliktrechts verfehlt würde (Heese, Herstellerhaftung für manipulierte Diesel-Kraftfahrzeuge, NJW 2019, 257, 261), überzeugt nicht hinreichend.
Die Regelung des § 826 BGB sieht als Rechtsfolge einer unerlaubten Handlung ausschließlich den Schadensausgleich (§§ 249 ff BGB) vor. Eine Bestrafung oder eine – im Rahmen der Schuld angemessene – Präventionswirkung sind mögliche Ziele des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, nicht aber des Zivilrechts (OLG Koblenz, BeckRS 2019, 21606, Rn. 52; OLG Karlsruhe, BeckRS 2019, 3395 Rn. 117; Riehm, Deliktischer Schadensersatz in den „Diesel-Abgas-Fällen“, NJW 2019, 1105, 1107 f).
(I) Soweit gegen einen Vorteilsausgleich argumentiert wird, dass die Kunden das Fahrzeug kaufen, nicht aber „mieten“ wollen (Heese, a.a.O., S. 261f), greift dieser Einwand ebenfalls nicht durch. Entscheidend ist, dass der Käufer durch das schädigende Ereignis zwar keine Nachteile erleiden, aber auch keine Vorteile daraus ziehen soll. Immerhin hatte der Kunde während der gesamten Zeit bis zur Rückgabe des Fahrzeugs faktisch ein gebrauchsfähiges Auto, das er sich ohne den inkriminierten Vertragsschluss anderweitig am Markt gegen Geld hätte besorgen müssen; er hat sich folglich die Aufwendungen für ein anderes Fahrzeug erspart.
Hinzu kommt, dass die Klagepartei zu keinem Zeitpunkt die Erwartung hegen konnte, sein fahrtüchtiges Fahrzeug nutzen zu können, ohne das Risiko der Wertminderung durch fortschreitende Nutzung desselben tragen zu müssen (Riehm, a.a.O., S. 1108).
(I) Entgegen einer in der Literatur teilweise vertretenen Meinung (vgl. etwa Harke, Herstellerhaftung im Abgasskandal, VuR 2017, 83) stehen auch europarechtliche Vorschriften der Berücksichtigung des Vorteilsausgleichs nicht entgegen.
Soweit argumentiert wird, der im Europarecht zu beachtende Effektivitätsgrundsatz verbiete eine unbillige Belastung des Geschädigten und unbillige Entlastung des Schädigers, wird verkannt, dass es bereits an einer unbilligen Belastung des Geschädigten fehlt: Dieser muss sich ausschließlich den Wert tatsächlich gezogener Nutzungen entgegenhalten lassen, nicht etwa zusätzlich einen Wertverlust der Sache etwa allein durch Alterung oder Modellwechsel.
Ebenso wenig überzeugt das weitere Argument, die einschlägigen europarechtlichen Normen enthielten das Gebot abschreckender Sanktionen. Zwar ist es richtig, dass die einschlägigen europarechtlichen Regelungen dem nationalen Gesetzgeber auferlegen, für Verstöße wirksame Sanktionen zu verhängen, beispielsweise Art. 13 Abs. 2 Buchst. d VO (EG) 715/2007 betreffend das Verbot illegaler Abschalteinrichtungen. Derartige Sanktionen sind aber – wie dargelegt – im deutschen Recht regelmäßig dem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht vorbehalten.
Auch verbietet sich vorliegend eine Parallele zur Frage des kaufvertraglichen Gewährleistungsanspruchs auf Nachlieferung. Denn in der die Nachlieferung regelnden Richtlinie 1999/44/EG ist in Art. 3 Abs. 3 ausdrücklich die Unentgeltlichkeit der Nachlieferung normiert.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs steht es dem nationalen Gesetzgeber demgegenüber insbesondere frei, im Fall der vertraglichen Rückabwicklung dem Verbraucher die Erstattung von Nutzungsersatz aufzuerlegen (vgl. EuGH, Urteil vom 17.04.2008, C-404/06, juris Rn. 39; BGH, Urteil vom 16.09.2009, VIII ZR 243/08, juris Rn. 14 f). Regelungen der deliktischen Schadensersatzpflicht des Herstellers bei Verstößen lassen sich den europarechtlichen Vorschriften zur Typgenehmigung nicht entnehmen (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 119 ff).
(I) Schließlich besteht auch kein Anlass, den Nutzungsersatz im Hinblick auf den der Sache anhaftenden Mangel herabzusetzen (a.A.: Harke, a.a.O., S. 91 f). Die Berücksichtigung des mit dem Mangel verbundenen Minderwerts kommt nur in Betracht, wenn der Mangel die tatsächliche Nutzung erheblich einschränkt. Vorliegend war allein die fortdauernde Nutzbarkeit aus Rechtsgründen nicht sichergestellt; auf den tatsächlichen Gebrauch hatte dies aber keine unmittelbaren Auswirkungen (so auch OLG München, a.a.O., Rn. 84 f).
(I) Der in Abzug zu bringende Nutzungsvorteil ist auch nicht auf die Zeit bis zum Eintritt des Verzuges zu begrenzen. Gegenteiliges kann auch nicht aus Billigkeitserwägungen (§ 242 BGB) hergeleitet werden. Der Einwand, die Beklagte habe es sonst in der Hand, den Rückabwicklungsanspruch zu ihren eigenen Gunsten zu beeinflussen, indem sie die berechtigten Ansprüche nicht befriedige (Bruns, Aktuelles zur Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Diesel-Skandal, NJW 2019, 2211), greift nicht durch (OLG Koblenz, NJW 2019, 2237 Rn. 86). Die Klagepartei hat es im übrigen selbst in der Hand, das Fahrzeug einem weiteren Anstieg der Nutzungsvorteils zu entziehen.
d) Die zeitanteilige lineare Wertminderung ist im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln (BGH, NJW 1995, 2159, 2161; Beck, Der Rücktritt vom Kfz-Kaufvertrag und seine prozessuale Durchführung, NJW 2018, 29).
Anknüpfungspunkt ist der gezahlte Bruttokaufpreis, der den Nutzungswert des Fahrzeugs verkörpert. Die im Einzelfall unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende Gesamtfahrlaufleistung stellt den Gesamtgebrauchswert dar. Die bei Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufs für jeden gefahrenen Kilometer zu zahlende Nutzungsentschädigung ist somit in der Weise zu ermitteln, dass der vereinbarte (Brutto-)Kaufpreis durch die voraussichtliche Restlaufleistung des Fahrzeugs (im Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer) geteilt wird (vgl. BGH, BeckRS 2015, 1267).
e) Der Senat schätzt gemäß § 287 ZPO die Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf 250.000 km. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Fahrleistung, die ein Fahrzeug in seiner Lebensdauer zurücklegen kann, von verschiedenen Faktoren abhängig ist, nicht nur von der Lebensdauer des Motors, sondern auch derjenigen der anderen Bauteile. Die Lebensdauer des Motors ist unter anderem von Größe und Leistung des Motors und insbesondere auch vom Nutzungsverhalten abhängig. Für Dieselfahrzeuge dieser Preisklasse und Qualität schätzt der Senat die durchschnittliche Laufleistung auf 250.000 km.
f) Dies ergibt folgende Abrechnung: da es sich vorliegend um ein Neufahrzeug handelte sind 84.660 gefahrene Kilometer auf die Gesamtlaufleistung und den Kaufpreis aufzuteilen (84.660/250.000 × 19.335 € = 6.547,60 €).
I. Der Antrag, festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 13.12.2017 mit der Rücknahme des im Klageantrag I bezeichnen Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet, ist unbegründet.
Die Klagepartei hat mit Schreiben ihres anwaltlichen Vertreters vom 06.12.2018 die Beklagte aufgefordert, das Fahrzeug Zug um Zug gegen Rückzahlung des gesamten Kaufpreises in Höhe von 19.335,00 € bis 06.09.2017 zurückzunehmen. Geschuldet ist, wie oben ausgeführt, jedoch lediglich eine Rückzahlung von 12.787,40. €. Die Voraussetzungen für ein wörtliches Angebot zur Begründung des Annahmeverzuges gemäß § 295 BGB liegen nicht vor. Auch ein wörtliches Angebot ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn offenkundig ist, dass die Gläubigerin auf ihrer Weigerung beharren wird (BGH, Versäumnisurteil vom 21.02.2017, XI ZR 467/15, juris Rn. 30), also unter keinen Umständen bereit ist, die Leistung anzunehmen (BGH, Urteil vom 09.10.2000, II ZR 75/99, juris Rn. 5). Eine solche Offenkundigkeit erscheint fraglich, zumal die Beklagte, wie dem Senat bekannt ist, zu späteren Zeitpunkten zahlreiche Rückabwicklungsvergleiche geschlossen hat. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass die Klagepartei nicht bereit gewesen wäre, das Fahrzeug Zug um Zug gegen Zahlung des tatsächlich geschuldeten Betrages in Höhe von 17.840 € an die Beklagte zurückzugeben. Auch im vorliegenden Prozess hat die Klagepartei die Auffassung vertreten, eine Nutzungsentschädigung nicht zu schulden.
II. Die Klage auf Zahlung von Zinsen ist nur teilweise begründet.
II. Die Erweiterung des Zinszeitraums in der Berufungsinstanz ist gemäß §§ 533, 264 Nr. 2 ZPO zulässig.
II. Dem Kläger stehen Rechtshängigkeitszinsen gem. §§ 291, 288 BGB zu, beginnend mit Zustellung der Klageschrift am 28.01.2019.
Ein Anspruch auf Verzugszinsen gemäß §§ 286 Abs. 1 BGB scheitert daran, dass die Gegenleistung nicht in einer den Gläubigerverzug begründenden Weise angeboten wurde (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 286 Rn. 14 m.w.N. aus der Rspr.).
II. Ein weitergehender Anspruch auf Verzinsung bereits ab dem Datum des Kaufvertragsschlusses oder der Zahlung des Kaufpreises ergibt sich nicht aus § 849 BGB.
Vorliegend scheitert ein Anspruch nach § 849 BGB daran, dass der Regelung des § 849 BGB kein allgemeiner Rechtssatz entnommen werden kann, wonach deliktische Schadensersatzansprüche stets von ihrer Entstehung an zu verzinsen sind (BGH, Urteil vom 12.06.2018, KZR 56/16, juris Rn. 45 m.w.N.). Sinn und Zweck des § 849 BGB ist der Ausgleich des endgültig verbleibenden Verlusts an Nutzbarkeit der Sache, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann (BGH, Urteil vom 24.02.1983, VI ZR 191/81, NJW 1983, 1614, 1614 f.).
Dem Kläger wurde der Kaufpreis nicht ersatzlos entzogen. Vielmehr hat er im Gegenzug Eigentum und Besitz an dem streitgegenständlichen Fahrzeug erhalten und konnte dieses nutzen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 137; OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019, 13 U 149/18, juris Rn. 99; OLG Koblenz, Urteil vom 28.08.2019, 5 U 1218/18, juris Rn. 136; einschränkend unter Abzug einer Wertminderung des Fahrzeugs: OLG Koblenz, Urteil vom 16.09.2019, 12 U 61/19, juris Rn. 84; a.A.: OLG Oldenburg, Urteil vom 02.10.2019, 5 U 47/19, juris, Rn. 47 ff; OLG Köln, Beschluss vom 27.06.2019, 27 U 14/19, juris Rn. 34f; OLG Köln, Beschluss vom 17.07.2019, 16 U 199/18, juris Rn. 29).
Die Berücksichtigung eines mit dem Mangel verbundenen Minderwerts käme nur in Betracht, wenn der Mangel die tatsächliche Nutzbarkeit des Fahrzeugs relevant eingeschränkt hätte. Lediglich die fortdauernde Nutzbarkeit war aus Rechtsgründen nicht sichergestellt.
Darüber hinaus wäre dem Kläger der Geldbetrag, den er hier aufgrund der Täuschung zum Erwerb des verfahrensgegenständlichen Fahrzeugs verwendet hat, auch dann nicht zur Nutzung zur Verfügung gestanden, wenn er den verfahrensgegenständlichen Kaufvertrag nicht abgeschlossen und das Geld stattdessen zum Erwerb eines anderen Fahrzeugs eingesetzt hätte (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, juris Rn. 139 OLG Koblenz, Urteil vom 28.08.2019 – 5 U 1218/18, juris Rn. 136).
III. Der Antrag Ziff. 3 auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist lediglich in Höhe von in Höhe von 1.029,35 € aus §§ 826, 249 Abs. 1 BGB begründet.
Der Klagepartei stand es zu (Palandt/Grüneberg, a.a.O., Vorb v § 249 Rn. 41), zur Verfolgung ihrer Ansprüche aus § 826 BGB gegen die Beklagte einen Rechtsanwalt zu mandatieren.
Zu diesem Zeitpunkt Ende November 2018 bestand ein Schadensersatzanspruch der Klagepartei in Höhe von 13.535,00 €, der als Gegenstandswert zugrunde zu legen ist. Von einer gleichmäßigen Verteilung der zwischen Erwerb des Fahrzeugs und mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gefahrenen Kilometer ausgehend (zur linearen Verteilung: BGH, Beschluss vom 09. Dezember 2014, VIII ZR 196/14, juris Rn. 2) ist die Klagepartei bis Ende November 2018 die angegebenen ca. 75.000 km gefahren. Dies ergibt nach der oben durchgeführten Berechnung eine Nutzungsentschädigung in Höhe von ca. 5.800,00 € und damit einen verbleibenden Anspruch in Höhe von 13.535,00 €. Anzusetzen ist eine Mittelgebühr von 1,3 gemäß Nummer 2300 VV RVG. Zwar trifft es zu, dass die vorliegende Angelegenheit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht besonders komplex und schwierig ist, dies wird jedoch dadurch kompensiert, dass der Prozessbevollmächtigte der Klagepartei gerichtsbekannt in einer Vielzahl gleich gelagerte Fälle tätig wird.
Dies ergibt insgesamt einen Anspruch in Höhe von 1.029,35 € [(845,00 € +20 €) × 1,19].
Zinsen waren antragsgemäß ab Rechtshängigkeit gemäß §§ 288, 291 BGB auszusprechen.
III.
I. Die Kostenentscheidung ergibt sich für die beide Instanzen aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
III. Gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO war die Revision zuzulassen. Soweit der Senat einen Anspruch aus §§ 826,31 BGB bejaht, weicht er sowohl von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte, als auch von Entscheidungen des 3. Senats des Oberlandesgerichts München ab.


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