Europarecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Fahrzeug, Verwaltungsakt, Annahmeverzug, Sittenwidrigkeit, Nebenbestimmung, Berichterstattung, untersagung, Berufung, Streitwert, Vertragsschluss, Haftung, Beteiligung, juristische Person, entsprechende Anwendung, unerlaubten Handlung

Aktenzeichen  34 O 2247/20

Datum:
8.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9241
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 36.677,49 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Verurteilung erfolgt Zugum-Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs der Marke VW vom Typ Touareg 3.0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) …70 nebst zwei Fahrzeugschlüsseln, Kfz-Schein und Serviceheft, Übertragung des Anwartschaftsrechts sowie Abtretung etwaiger Herausgabeansprüche an dem Fahrzeug und dem Fahrzeugbrief gegenüber der Volkswagen Bank GmbH aus dem Darlehensvertrag Nr. 1056457962, welchen der Kläger mit der Volkswagen Bank GmbH am 30. November 2017 hinsichtlich des vorgenannten Fahrzeugs geschlossen hat
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in dem Klageantrag zu
1) genannten Zug um-Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.452,10 EUR freizustellen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Beklagte trägt die Koste des Verfahrens.
6. Der Streitwert wird auf 46.193,93 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
Die von der Beklagten getroffene unternehmerische Entscheidung, den mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Motor in unterschiedlichen Fahrzeugtypen und damit auch in dem streitgegenständlichen Fahrzeug zum Einbau in den Verkehr zu bringen, war sittenwidrig (vergleiche hierzu OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2019,17 U 160/18; LG Ingolstadt Endurteil v. 28.2.2020 – 51 O 926/19, BeckRS 2020, 9629 Rn. 17). Durch diese Entscheidung ist der Klagepartei ein kausaler Schaden entstanden, da sie in Unkenntnis der durchgeführten Manipulation an der Abschalteinrichtung einen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug abgeschlossen hat, den sie bei entsprechender Kenntnis nicht eingegangen wäre. Der Beklagten ist zum Zeitpunkt der ihr zur Last zu legenden Handlung des Inverkehrbringens die Kenntnis hinsichtlich hierdurch kausal verursachter Schäden beim Erwerb solcher Fahrzeuge, die bei den für sie handelnden Organen vorlag, zuzurechnen. Gleiches gilt für die Sittenwidrigkeit des Verhaltens ihrer Organe.
1.
Der klägerische Anspruch ergibt sich aus § 826 BGB.
a.
Für das streitgegenständliche Fahrzeug liegt ein Rückruf des KBA unter dem Code 23X6 vor. Gegenstand des Rückrufs ist die Anordnung der Entfernung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Emissionskontrollsystem des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps.
Dem Gericht ist es aufgrund der sog. Tatbestandswirkung des Rückrufbescheides des KBA für das streitgegenständliche Fahrzeug verwehrt zu prüfen und festzustellen, ob in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt (ebenso OLG Oldenburg Urt. v. 16.10.2020 – 11 U 2/20, BeckRS 2020, 26911 Rn. 41). Dieser Umstand ist durch das Gericht der Entscheidung zugrunde zu legen. Der Rückrufbescheid stellt einen Verwaltungsakt dar und entfaltet sog. Tatbestandswirkung. Die Tatbestandswirkung besteht, solange der Verwaltungsakt wirksam ist und auch nicht in seiner Wirkung vorläufig suspendiert ist (vgl. § 80 Abs. 1 VwGO) (BeckOK VwVfG/Schemmer, 49. Ed. 1.10.2020, VwVfG § 43 Rn. 28; BGH, Urteil vom 14.06.2007 – I ZR 125/04 -, Rn. 14, juris; BGH, Urteil vom 30.04.2015 – I ZR 13/14, BGHZ 205, 195, Rn. 31; OLG Stuttgart, Urteil vom 22. September 2020 – 16a U 55/19 -, Rn. 54).
b.
Durch das Inverkehrbringen eines Motors mit der streitgegenständlichen Strategie A bzw. eines mit einem solchen Motor ausgestatteten Fahrzeugs hat die Beklagte die Klagepartei konkludent über die Gesetzeskonformität des Fahrzeuges getäuscht. Das Inverkehrbringen eines solchen Motors enthält zumindest einen konkludenten Erklärungswert, dass der Motor bzw. ein mit diesem bestücktes Fahrzeug dem obligatorischen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren bei der zuständigen Behörde, dem KBA, unterzogen worden ist und alle materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung vorlagen (OLG München BeckRS 2019, 33717 Rn. 32 ff., 34). Der durchschnittliche Erwerber eines Kraftfahrzeugs darf daher berechtigt darauf vertrauen, ein Fahrzeug zu erhalten, das objektiv zur dauerhaften Nutzung im Straßenverkehr geeignet ist.
Diese berechtigte Erwartungshaltung hat die Beklagte durch Verschweigen der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung der Dieselmotoren zum Zweck des Weiterverkaufs wissentlich und willentlich enttäuscht. Die streitgegenständliche Motorsteuerungssoftware war nämlich so programmiert, dass sie auf den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durch ihre konkrete Bedatung angepasst war. Eine Genehmigungsfähigkeit und Vorschriftsmäßigkeit des streitgegenständlichen Motors lag mithin anfänglich nicht vor.
Die Täuschung durch das Inverkehrbringen des vorschriftswidrigen Motors wirkt auch bei Weiterveräußerung in der Käuferkette fort (OLG München Endurteil v. 15.10.2019 – 24 U 797/19, BeckRS 2019, 25424; OLG München BeckRS 2019, 33717 Rn. 40). Der Umstand, dass ein Fahrzeug nicht unmittelbar von der Beklagten erworben wurde, berührt die Haftung nicht (BeckOGK/Spindler § 826 Rn. 12.1; OLG München Endurteil v. 15.10.2019 – 24 U 797/19, BeckRS 2019, 25424).
2.
Die schädigende Handlung ist der Beklagten als Herstellerin des Motors zuzurechnen, § 31 BGB analog.
Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung vom 25.05.2020, dass einen beklagten Automobilhersteller, der selbst als Motorenentwickler am Markt agiert, eine sekundäre Darlegungslast dahingehend trifft, wenn die primär darlegungsbelastete Partei hinreichend Anhaltspunkte für die Kenntnis des Vorstandes von der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorbringt (BGH, Urteil vom 25.5.2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, 1967 Rn. 39). Für die Verwendung der Umschaltlogik in der EA 189 – Motorenreihe hat der BGH es als ausreichend angesehen, dass es bei der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung um eine grundlegende, weltweit alle Fahrzeuge mit den Motoren der Serie betreffende Strategieentscheidung handelte, die mit erheblichen Risiken für den gesamten Konzern und auch mit persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen verbunden war. Dies gelte insbesondere wegen Bedeutung gesetzlicher Grenzwerte und der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten ihrer Einhaltung für die Geschäftstätigkeit des Herstellers. Dies ist auf die vorliegende Konstellation übertragbar. Bei den betroffenen Drei-Liter-Motoren handelt es sich um Bauteile aus dem Premium-Segment, die einer Vielzahl unterschiedlicher Fahrzeugklassen der Beklagten und der Konzernmutter zur Anwendung gelangen sollten.
Jeder Hersteller hat bei von Motoren die Verpflichtung nur solche Bauteile zu verwenden, die in ihrer Konstruktion, Fertigung und Montage geeignet sind, dass das Fahrzeug dann sämtlichen gesetzlich vorgegebenen Betriebsbedingungen entspricht (s. Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 715/2007 bezogen auf die Bauteile, die das Emissionsverhalten betreffen). Vorsätzliche Manipulationen einzelner Bauteile, die eine „Abschalteinrichtung“ platzieren, die auch nicht von den ausdrücklich normierten Ausnahmetatbeständen der gesetzlichen Vorgaben gedeckt sind, muss sich der Hersteller auch dann über § 31 BGB zurechnen lassen, wenn er sich – wie hier – konzernintern absprachegemäß serienmäßig Bauteile vom Mutterkonzern zum Einbau liefern lässt. Anderenfalls würde die Beklagte sich als Hersteller jeglicher Haftung für das von ihr produzierte Fahrzeug entziehen können, weil sie das betreffende Bauteil nicht hergestellt hat, und der Mutterkonzern mit der Begründung, dass sie zwar den Motor, aber nicht das betreffende Fahrzeug hergestellt und in den Verkehr gebracht hat. Dieser absurde Zirkelschluss würde zu dem untragbaren Ergebnis führen, dass alleine durch die Aufgabenverteilung innerhalb eines Konzerns auf verschiedene Mutter- und Tochtergesellschaften letztlich niemand mehr für deliktische Handlungen im Zusammenhang mit der Herstellung und Inverkehrbringung mangelhafter Delikte haften müsste.
Die jeweils verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten bzw. ihres Mutterkonzerns haben zunächst die unzulässige Software aufgespielt und in Kenntnis der Tatsache, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Typenzulassung wegen des Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 EG (VO) 715/2007/EG gemäß Art. 10 Abs. 2 EG (VO) Nr. 715/2007 nicht vorliegen, vorsätzlich eine falsche Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne des § 6 Abs. 1 EG-FGV für das Fahrzeug ausgestellt. Die damit einhergehende Täuschungshandlung ist nach Überzeugung der Kammer auch nur vorsätzlich denkbar, weil die Beklagte als etablierte Fahrzeugherstellerin sowie Herstellerin des Motors die Kenntnis der Programmierung ihrer eigenen Fahrzeuge sowie der für sie einschlägigen Rechtsnormen unterstellt werden kann. Jedenfalls liegt insofern aufgrund der substanziierten Darlegung der Klagepartei eine sekundäre Darlegungslast bei der Beklagten, welcher die Beklagte nicht genügt hat.
Eine Zurechnung der jeweiligen Handlungen auch verschiedener Mitarbeiter an die Beklagte erfolgt über eine entsprechende Anwendung von § 31 BGB. Dabei muss im Rahmen der Rechtsprechung zur Repräsentantenhaftung auch denjenigen Personen das deliktische Handeln der Mitarbeiter nach § 31 BGB zugerechnet werden, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame Funktionen zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob diese Personen satzungsgemäß oder (nur) im Rechtsverkehr die juristische Person vertreten, da letztere nicht selbst darüber entscheiden soll (durch die eigene Satzung), für welche Personen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will.
Es bedarf keiner konkreten Feststellung, welcher Repräsentant der Beklagten vorsätzlich handelte. Dies festzustellen ist der Klagepartei, die keine Einblicke in die betriebsinterne Aufgabenverteilung der Beklagten hat, nicht dezidiert möglich. Sie hat jedoch – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – substantiiert vorgetragen, so dass es der Beklagten im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast oblegen hätte, den Vortrag zu entkräften oder die Repräsentanten, der für die Entwicklung, den Einsatz wie Einbau der Software verantwortlich zeichnet, zu benennen. Beides ist nicht erfolgt.
Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die jeweiligen Repräsentanten Kenntnis zur Zeit der Software-Entwicklung hatten. Abzustellen ist vielmehr auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens der betroffenen Fahrzeuge. Eine Kenntnis der entsprechenden Repräsentanten zu diesem Zeitpunkt ist für die Kammer jedoch nicht anzuzweifeln, da insoweit ein eigenmächtiges Handeln von Mitarbeitern, die nicht als Repräsentanten im obigen Sinne zu sehen sind, zur Überzeugung des Gerichts nicht vorstellbar ist. Es ist vielmehr von einer tatsächlichen Vermutung dahingehend auszugehen, dass ein Vorstand oder Repräsentant des Herstellers den Einsatz einer beanstandeten Motorsteuerungssoftware gekannt und gebilligt hat und ein „Verhaltensexzess eines untergeordneten Mitarbeiters“ mit der Lebenswirklichkeit in Anbetracht der vorhandenen Konzernstrukturen nicht vereinbar erscheint (OLG München, Verfügung vom 04.07.2019 – 18 U 4761/18 BeckRS 2019, 16812 unter Bezugnahme auf OLG Karlsruhe BeckRS 2019, 3395 Rn. 55 ff m. w. Nachweisen).
Nach den Maßstäben der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist die Beklagtenpartei der Behauptung des Klägers, die Vertreter der Beklagten hätte um die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung gewusst, nicht hinreichend substantiiert entgegen getreten, mit der Folge, dass der Vortrag als zugestanden anzusehen war, § 138 Abs. 3 ZPO (zu den Maßstäben BGH, Urteil vom 25.5.2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, 1965 Rn. 29 ff.).
3.
Die Beklagte hat der Klagepartei den Schaden vorsätzlich zugefügt.
Die Programmierung der hier in Rede stehenden Software setzt eine aktive und ergebnisorientierte präzise Programmierung der Motorsteuersoftware voraus. Die Annahme einer fahrlässigen Herbeiführung dieses Zustandes ist daher zur Überzeugung der Kammer ausgeschlossen, so dass es keiner weiteren Beweisaufnahme hierzu bedurfte, § 291 ZPO. Mangels jeglicher entgegenstehender Anhaltspunkte muss ebenso davon ausgegangen werden, dass den Organen der Beklagten völlig klar war, dass die in den Fahrzeugen verbauten Motoren hinsichtlich der Abgaswerte nicht den einschlägigen Vorschriften entsprachen, und dass somit die Kunden der Beklagten sowie die Käufer von betroffenen Gebrauchtwagen wirtschaftlich nachteilige Kaufverträge abschlossen.
4.
Bei einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalles verstößt das Verhalten der Beklagten gegen die guten Sitten.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Verhalten sittenwidrig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (BGH NJW 2014, 1098).
Das Verhalten der Beklagten ist deshalb als sittenwidrig anzusehen, da als Beweggrund für das Inverkehrbringen der mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Motorsteuerung nur eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung in Betracht kommt, außerdem die Beklagte die EG-Typengenehmigung für alle mit der Motorsteuerungssoftware ausgestatteten Kfz von den dafür zuständigen Erteilungsbehörden erschlichen hat, ohne dass die materiellen Voraussetzungen dafür vorlagen und zudem den Käufern eines mit einer derart erschlichenen EG-Typengenehmigung versehenen Fahrzeugs die Stilllegung des erworbenen Fahrzeugs droht und das Fahrzeug insoweit auch bemäkelt ist. Bei Würdigung dieser Umstände ist das Verhalten der Beklagten als Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zu werten.
Dabei geht das Gericht davon aus, dass die von der Beklagten durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs zum Einsatz gebrachte Motorsteuerung einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 715/2007 i.V. m. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 darstellt, weil sie eine Abschalteinrichtung ist, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringert. Aus Art. 3 Nr. 4, 6 VO (EG) 715/2007 ergibt sich, dass Stickoxide, auf die sich die fragliche Motorsteuerung auswirkt, Immissionen im Sinne der Richtlinie sind. Nach Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 definiert die Abschalteinrichtung als ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl, den eingelegten Getriebegang, den Unterdrück im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirkung des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird. Aus der umfassenden Formulierung und dem weitgefassten Schutzzweck der Richtlinie, die der Verbesserung der Luftqualität und der Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte sowie insbesondere einer erheblichen Minderung der Stickoxidemissionen bei Fahrzeugen mit Dieselmotoren dient – vergleiche Nr. 6 der Erwägungsgründe zur Richtlinie VO (EG) 715/2007 -, wird erkennbar, dass die Vorschrift umfassend auch solche Konstellationen abdecken soll, in denen konstruktionsbedingt, auch durch Steuerung technischer Einrichtungen mittels Software, Unterschiede zwischen dem Schadstoffausstoß im Testbetrieb und im Normalbetrieb bestehen. Dies folgt auch aus Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2007: Danach hat der Hersteller ein Fahrzeug so auszurüsten und Bauteile, die das Emissionsverhalten zu beeinflussen geeignet sind, so zu konstruieren, zu fertigen und zu montieren, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen der Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Hierdurch wird erkennbar, dass eine Einrichtung, die zu geringerem Schadstoffausstoß im Testbetrieb und demgegenüber höherem Schadstoffausstoß bei Nutzung des Fahrzeugs im regulären Straßenverkehr führt, unterbunden werden soll.
Die maßgebliche Schädigungshandlung der Beklagten liegt damit im Inverkehrbringen des Dieselmotors mit der gesetzeswidrigen Motorsteuerung. Dabei setzte sich die Beklagte gezielt – denn anders als gezielt ist der Einbau der geschilderten Motorsteuerung nicht denkbar – über die einschlägigen Rechtsvorschriften hinweg.
Als Beweggrund für das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Motors kommt vorliegend allein eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht. Ein anderer Grund ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht ersichtlich und die Beklagte trägt hierzu auch keinen anderen konkreten Grund vor.
Zwar ist Gewinnstreben als Motiv des Handelns eines Wirtschaftsunternehmens nicht verwerflich; im Gegenteil ist es der in einer Marktwirtschaft anerkannte Zweck eines Unternehmens, wirtschaftliche Gewinne zu erzielen und zu mehren. Allerdings führen die Tragweite der Entscheidung über den Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Motortyp, der in einer hohen Zahl von Fahrzeugen verbaut wird, die Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in den ordnungsgemäßen Ablauf des öffentlichrechtlichen Genehmigungsverfahrens sowie die in Kauf genommenen drohenden erheblichen Folgen für die Käufer in Form der Stilllegung der erworbenen Fahrzeuge zur Sittenwidrigkeit der Entscheidung der Beklagten im Sinne des § 826 BGB.
Das an sich erlaubte Ziel der Gewinnmaximierung erweist sich auch deshalb als verwerflich, wenn es auf der Grundlage einer strategischen Unternehmensentscheidung durch arglistige Täuschung der zuständigen Typgenehmigungs- und Marktüberwachungsbehörde – des KBA (§ 2 I EG-FGV) – erreicht werden soll (BGH, Urteil vom 25.5.2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, 1964 Rn 23). Die hier als unzulässige Abschalteinrichtung einzustufende Strategie A (Aufheizstrategie) weist unstreitig einen klaren Prüfstandsbezug auf und ersichtlich dafür konzipiert, die Entdeckung in der Prüfsituation durch die zuständige Behörde zu vermeiden.
Vorliegend hat sich die Beklagte in diesem Gewinnstreben nicht nur gezielt über zwingende Rechtsvorschriften hinweggesetzt und damit deren dem Schutz der Allgemeinheit vor Luftverschmutzung und Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen dienenden Zweck missachtet. Vielmehr hat sie zugleich dadurch die Interessen einer großen Zahl an Käufern derartiger Fahrzeuge und damit auch der Klagepartei verletzt. Der zum Einsatz gebrachte Dieselmotor wurde in Großserie produziert und in hohen Stückzahlen verkauft. Die Beklagte hat durch ihr Verhalten bewirkt, dass eine unübersehbare Vielzahl an Kunden, die um die Hintergründe der Motorsteuerung weder wussten noch wissen konnten, weil diese erst später bekannt wurden, Fahrzeuge erhielten, die wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung den einschlägigen Zulassungsvorschriften nicht entsprachen und die erforderliche Typgenehmigung nur erhalten hatten, weil die Beklagte die Funktionsweise der Motorsteuerung im Genehmigungsverfahren nicht offengelegt hatte. Die Käufer trugen damit das Risiko, dass den mit diesem Motor ausgestatteten Fahrzeugen die Typgenehmigung entzogen werden könnte. Diese Möglichkeit war nicht fernliegend und zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages im Grad ihres Risikos nicht abschätzbar. Dies ergibt sich aus der Anordnung seitens des Kraftfahrzeugbundesamtes zur Entwicklung von Nachrüstungsmaßnahmen für die betroffenen Fahrzeuge durch die Beklagte, damit die betroffenen Fahrzeuge letztlich die behördliche Freigabe erhielten und damit einen Entzug der Typgenehmigung verhinderten. Diese Entwicklung war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages jedoch nicht absehbar, insbesondere deshalb, weil die infolge der Einstufung der Abschalteinrichtung als unzulässig durch das Kraftfahrt-Bundesamt erforderlich gewordenen Nachrüstungsmaßnahmen durch die Beklagte erst – aufwendig – entwickelt werden mussten. Den Käufern eines betroffenen Fahrzeugs drohte damit zunächst ein Schaden in Form der Stilllegung des erworbenen Fahrzeugs und nach Aufspielen des Softwareupdates bleibt zumindest eine Bemäkelung des Fahrzeugs. Es ist zudem naheliegend, dass reine Software-Lösungen (ohne Veränderung der Hardware) keine vollkommene Abhilfe bezüglich der erhöhten Abgaswerte bei gleichbleibender Funktionalität des Fahrzeugs schaffen können, da ansonsten für die Beklagte von Anfang an überhaupt kein Grund bestanden hätte, die ursprüngliche Software zu verwenden.
Darüber hinaus hat sich die Beklagte über die Interessen einer Vielzahl von Kraftfahrzeug-Verkäufern hinweggesetzt, denen die Motorsteuerung der Dieselmotoren zunächst ebenso wenig bekannt war und bekannt sein konnte wie den Käufern. Die Verkäufer, unter denen vor allem eigene Vertragshändler der Beklagten waren, hafteten den Käufern gegenüber verschuldensunabhängig aus kaufrechtlicher Gewährleistung, weil die Ausstattung eines Fahrzeugs mit der rechtswidrigen Motorsteuerung eine Abweichung von der üblicherweise zu erwartenden Beschaffenheit eines Fahrzeugs ist und damit einen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB begründet. Die Beklagte hat so eine Vielzahl von gutgläubigen Verkäufern, insbesondere solche, mit denen sie selbst langfristig vertraglich verbunden ist, verschuldensunabhängigen Gewährleistungsrechten der Käufer ausgesetzt.
Dem Schadensersatzanspruch des Klägers aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß § 826 BGB steht nicht entgegen, dass die rechtlichen Regelungen für die Typgenehmigung, insbesondere die VO (EG) 715/2007, nicht primär dem Individualschutz dienen, sondern Belangen der Allgemeinheit. Der relevante Schutzzweckzusammenhang zwischen der deliktischen Handlung der Beklagten und dem eingetretenen Vermögensschaden ist gegeben.
5.
Der Klagepartei ist nach Überzeugung der Kammer durch die Bindung an einen nicht erwartungsgerechten Vertrag ein Schaden entstanden, der einen Anspruch auf Schadensersatz in Gestalt der Rückabwicklung des Fahrzeugerwerbs gemäß §§ 249 ff. BGB auslöst.
Der Bundesgerichtshof hat in seiner ersten Entscheidung zum sog. Dieselskandal mit allgemeinem Geltungsanspruch klar gestellt, dass der Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten dient, sondern auch dazu, dass sich der Geschädigte von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer „ungewollten“ Verpflichtung wieder befreien kann (BGH, Urteil vom 25.5.2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, 1968 Rn 47).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auch bei objektiver Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung eine Verpflichtung zum Schadensersatz in Form der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB gegeben, wenn ein getäuschter Vertragspartner den Vertrag ohne das haftungsauslösende Verhalten, also die Ausstellung der unrichtigen Bescheinigung, nicht eingegangen wäre (grundlegend für den Dieselskandal, BGH, Urteil vom 25.5.2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 ff., BGH NJW 1998, 302; BGH NJW-RR 2005, 611; BGH NJW 2005, 1579; BGH NJW 2010, 2506; VersR 2012, 1237). Voraussetzung ist lediglich, dass der Geschädigte die erfolgte Vertragsbindung nicht willkürlich als Schaden ansieht, sondern dass sie sich auch nach der Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls als unvernünftig erweist (BGH NJW 1998, 302; BGH NJW 2005, 1579). Hierfür genügt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass die Leistung des anderen Vertragspartners, obwohl objektiv werthaltig, für die Zwecke des geschädigten Kontrahenten nicht vollumfänglich brauchbar ist (BGH NJW-RR 2005, 611; BGH NJW 2005, 1579; VersR 2012, 1237; NJW-RR 2014, 277). Der Schaden besteht dann allein in dem durch das haftungsauslösende Verhalten bewirkten Eingriff in das Recht, über die Verwendung des eigenen Vermögens selbst zu bestimmen (BGH NJW 2010, 2506) und in der Entstehung einer ungewollten Verpflichtung aus diesem Vertragsverhältnis (BGH NJW-RR 2005, 611).
Wendet man diese Grundsätze auf den hier vorliegenden Fall an, kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass ein Fahrzeugerwerber, wie die Klagepartei hier, infolge des dem Hersteller zur Last liegenden Fehlverhaltens eine zweckwidrige Vertragsbindung eingegangen ist, die zur Rückabwicklung des Kaufvertrags führt.
Hätte der Hersteller offengelegt, dass die mit dem Motor in Verkehr gebrachten Fahrzeuge gerade keinem genehmigten Typ entsprechen, hätte deren Erwerber davon abgesehen, diese Fahrzeuge zu kaufen. Mit dem Motor ist einer der wertvollsten und elementarsten Bestandteile eines Kraftfahrzeugs betroffen. Die hier in Rede stehenden Daten haben Einfluss auf die Schadstoffklasseneingruppierung und die Zulassung dieses Fahrzeugs. Nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass die Daten der Übereinstimmungsbescheinigung auf die Kaufentscheidung des Käufers Einfluss hatten, ohne dass es darauf ankommt, ob er im Ankaufsgespräch konkret äußerte, ein besonders schadstoffarmes Fahrzeug oder ein Fahrzeug mit einer bestimmten Art der Zulassung erwerben zu wollen. Es spielt keine Rolle, welches konkrete Motiv für den einzelnen Erwerber bestimmend gewesen wäre. Ein Teil der Käufer mag besonderen Wert daraufgelegt haben, im Interesse des Umweltschutzes ein Fahrzeug zu nutzen, das die geltenden Grenzwerte für Abgasemissionen einhält, ein anderer Teil nicht. Es ist nach der Lebenserfahrung jedenfalls davon auszugehen, dass der Käufer ein Fahrzeug erwerben wollte, welches den gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Vorschriften entsprach. Nach Überzeugung der Kammer lässt sich keinem der Erwerber unterstellen, ihm wäre gleichgültig gewesen, ob das Fahrzeug ordnungsgemäß produziert und in den Verkehr gebracht worden ist oder nicht. Die Investition in ein neues Fahrzeug war deshalb aus Sicht der Erwerber jedenfalls zweckwidrig, selbst wenn man unterstellt, dass das haftungsträchtige Verhalten zu keinerlei in Geld zu bemessender Einbuße bei den Fahrzeugerwerbern geführt hat.
Nach Ansicht der Kammer liegt hierin auch kein allgemeiner Vermögensschutz, der im Deliktsrecht ja gerade nicht gelten soll. Vielmehr wird konkret auf den Vertragsschluss als Schaden abgestellt. Dass dies auch die Rückzahlung des Kaufpreises nach sich zieht, ist die konsequente Wirkung dieser Rechtsfolge. Dass das Vermögen allein aber nicht geschützt wird, ist auch aus der anzurechnenden Nutzungsentschädigung für gefahrene Kilometer ersichtlich, welche sich manche Kläger unter Berufung auf den rechtswidrigen Zustand nicht anrechnen lassen wollen.
Die Klagepartei hat daher gegen die Beklagte einen Anspruch auf beantragte Zugum-Zug Rückabwicklung des Kaufvertrags und des Finanzierungsgeschäfts unter Anrechnung von Gebrauchsvorteilen im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB. Dabei sind die gezahlten Zinsen als Finanzierungskosten im Sinne von § 249 BGB ebenfalls zu erstatten.
6.
Die oben genannte Entscheidung der Beklagten ist auch kausal für den der Klagepartei entstandenen Schaden.
Es ist anerkannt, dass es bei täuschendem bzw. manipulativem Verhalten für die Darlegung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung ausreichend ist, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten und nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung gehabt haben können (vgl. BGH vom 12.05.1995, Az. V ZR 34/94, NJW 1995, 2361). Nach Überzeugung des Bundesgerichtshofs ist ein sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung und der Art des zu beurteilenden Geschäfts ergebenden Erfahrungssatz, wonach auszuschließen ist, dass ein Käufer ein Fahrzeug erwirbt, dem eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung droht und bei dem im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar ist, ob dieses Problem behoben werden kann, als Grundlage der tatrichterlichen Überzeugung von der Kausalität nicht revisionsrechtlich angreifbar und zu beanstanden (BGH, Urteil vom 25.5.2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, 1968 Rn 49). Der Bundesgerichtshof gelangt zu folgendem Grundsatz:
„Bei einem zur eigenen Nutzung erworbenen Kraftfahrzeug sind dessen Gebrauchsfähigkeit und ständige Verfügbarkeit für den Eigentümer von so großer Bedeutung, dass die vorübergehende Entziehung eines Kraftfahrzeugs auch bei der Anlegung des gebotenen strengen Maßstabs einen Vermögensschaden darstellt. Der Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs wirkt sich typischerweise als solcher auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant aus; bei generalisierender Betrachtung erfolgen Anschaffung und Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs in erster Linie um des wirtschaftlichen Vorteils willen, der in der Zeitersparnis liegt (stRspr, vgl. etwa Senat BGHZ 217, 218 = NJW 2018, 1393 Rn. 5-7 mwN). Das rechtfertigt nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Annahme, dass ein Käufer, der – wie hier der Kl. – ein Fahrzeug zur eigenen Nutzung erwirbt, bei der bestehenden Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung von dem Erwerb des Fahrzeugs abgesehen hätte (vgl. auch Heese JZ 2020, 178 [182]).“
Ein Abweichen von diesen Grundsätzen ist aufgrund der Vergleichbarkeit der Sachverhaltskonstellationen nicht geboten.
Es ist daher nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass der Käufer ein Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn er von der oben beschriebenen Software gewusst hätte. Denn bei Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung drohen Maßnahmen der zuständigen Behörden bis hin zur Stilllegung. Hauptzweck des Autokaufs ist, wie auch im vorliegenden Fall, grundsätzlich das Führen des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr.
Im Zeitpunkt des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs war die vollumfängliche Brauchbarkeit des Fahrzeuges nicht sichergestellt. Die Gefahr einer behördlichen Maßnahme hatte sich anders als in den Fällen der EA 189 – Motorenreihe von der latenten Gefahr zur konkreten Gefahr der Betriebsbeschränkung bzw. -untersagung iSv § 5 Abs. 1 FZV verdichtet. Die Vollziehung der Rückrufe war entscheidend mit der ungewissen Tatsache verknüpft, ob die Beklagte dem KBA Software-Update vorlegen wird können, die gesetzlich erforderliche Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems erstmalig herstellen.
Due Beklagte hat den aufgestellten Erfahrungssatz auch nicht erschüttern können. Die bloße Bezugnahme auf obergerichtliche Entscheidungen vermag keinen substantiierten Sachvortrag zu ersetzen. Sofern die Beklagte selbst den Erfahrungssatz selbst als erschüttert ansieht, ist in diesem Zusammenhang beachtlich, dass der Kauf des Fahrzeuges hier vor der Pressemitteilung des KBA vom 23.01.2018 liegt, in der die Betroffenheit von 3.0 l – Fahrzeugmodellen der Beklagten öffentlich bekannt wurde. Aus der informatorischen Anhörung des Klägers ist im Übrigen deutlich geworden, dass er sich bewusst für ein Fahrzeug mit der neuesten Motortechnik entschieden hat. Diese bewusste Kaufentscheidung offenbart selbst ohne konkrete Rückfrage beim Kauf des Fahrzeuges, dass es dem Kläger darauf ankam, ein Fahrzeug zu erwerben, das nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist. Von einer Betroffenheit von EURO 6 Fahrzeugen war im Jahr 2017 nicht im Ansatz auszugehen.
7.
Die Klagepartei hat sich im Wege der Vorteilsausgleichung eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 9.516,44 EUR anrechnen zu lassen.
Im Rahmen der Rückabwicklung muss sich die Klagepartei nach den von der Rechtsprechung im Bereich des Schadensersatzrechts entwickelten Grundsätzen der Vorteilsausgleichung den Abzug von Gebrauchsvorteilen in Form einer Nutzungsentschädigung gefallen lassen (grundlegend für die Fallkonstellationen im sog. „Dieselskandal“ BGH, Urteil vom 25.5.2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, 1970 Rn. 65 ff.), welche sie auch bereits selbst in ihrem Klageantrag berücksichtigte. Sofern die Klagepartei die Auffassung vertritt, die Anrechnung von Nutztungsersatz sei mit dem Wesen des Deliktsrechts als auch mit dem zu beachtenden europarechtlichen Grundsatz „effet utile“ unvereinbar, folgt das erkennende Gericht dem ausdrücklich nicht. Wesensprägend für das deutsche Deliktsrecht ist das schadensrechtliche Bereicherungsverbot, das eine Überkompensation auf Seiten des Geschädigten vermeiden will (zuletzt Riehm NJW 2019, 1105, 1106). Ein sog. Strafschadensersatz (“punitive damages“), der eine zusätzliche Kompensation bewirken soll, entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers (Riehm aaO unter Hinweis auf BGH NJW 1992, 3096, 3102; BGH, Urteil vom 25.5.2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, 1970 Rn. 66). Der Grundsatz des „effet utile“ führt ebenfalls nicht zum Entfall des Nutzungsersatzes. Selbst wenn das Gericht die Entscheidung an entscheidenden Weichen mit dem Verstoß gegen europarechtliche Normen begründet, kann – angesichts der derzeitigen Klagewelle – schon aus rechtstatsächlichen Gründen nicht angenommen werden, dass der nach deutschem Recht gebotene (aA Heese NJW 2019, 257) Abzug von Nutzungsersatz die Durchsetzung europäischen Normen hindert (im Ergebnis ebenso LG Krefeld BeckRS 2019, 1580 Rn. 38 ff.; LG München II, BeckRS 2019, 1631 Rn. 53 ff.). Zu einem anderen Ergebnis gebietet auch nicht die Vorschrift des § 817 S. 2 BGB, der als klare Ausnahmevorschrift für das Bereicherungsrecht kein verallgemeinerungsfähiger Rechtsgedanke zu entnehmen ist (BGH, Urteil vom 25.5.2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, 1970 Rn. 71).
Die Nutzungsentschädigung, deren Abzug die Klagepartei bei Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung hinzunehmen hat, ist nach Überzeugung der Kammer nach folgender Formel zu berechnen:
Die Klagepartei hat das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 24296 km erworben. Zum Schluss der mündlichen Verhandlung betrug der Kilometerstand 85.455 km, so dass eine Nutzungsentschädigung für 61.159 gefahrene Kilometer zu leisten ist.
Das Gericht geht im Rahmen der Berechnung weiter aufgrund einer Schätzung gemäß § 287 ZPO von einer Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Höhe von 300.000 km aus.
Die Nutzungsentschädigung beläuft sich daher auf 42.900 EUR (Bruttokaufpreis) x 61.159 km (gefahrene km) : 300.000 km (Restlaufzeit bei Kauf) = 9.516,44 EUR.
Der Rückzahlungsbetrag liegt daher bei 33.383,56 EUR, der um die gezahlten Zinsen in Höhe von 3.293,93 EUR zu erhöhen ist.
III.
Der klägerische Anspruch ist nach §§ 291, 288, 187 Abs. 1 analog BGB beginnend ab dem Rechtshängigkeit zu verzinsen (BGH Urt. v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, BeckRS 2017, 121208 Rn. 103).
2.
Der Antrag zu 2) ist zulässig, das Feststellungsinteresse ergibt sich aus §§ 256, 756 Abs. 1, 765 ZPO. Die materiellen Voraussetzungen des Annahmeverzugs nach §§ 293 ff. BGB liegen seit Klageabweisungsantrag vor.
3.
Der Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus §§ 826, 249 BGB in der tenorierten Höhe aus dem zuzusprechenden Klageantrag zu 1) und ist nebst Verzugszinsen zu ersetzen.
IV.
Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
1. Die Beklagte schuldet aus Rechtsgründen keine Zinsen nach §§ 849, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4, 288 BGB. Der Antrag aus
Die Ablehnung in der Sache beruht auf folgenden Erwägungen:
Es ist zwar anerkannt, dass die Vorschrift des § 849 BGB über den bloßen Wortlaut hinaus auch auf die Entziehung von Geldmitteln Anwendung findet (Spindler, in: BeckOK, § 849 Rn. 2), allerdings ist der Anwendungsbereich auf Fallgestaltungen der unfreiwilligen Überlassung von Geldmittel ohne gleichzeitig nutzbare Gegenleistung zu beschränken. Ein allgemeiner Rechtsgedanke dahingehend, dass Schadensersatzansprüche ab dem Zeitpunkt der Entstehung zu verzinsen seien, ist dem deutschen Recht fremd (Wagner, in: MüKo, § 849 Rn. 4). In Fällen von Anlagegeschäften soll die Anwendung von § 849 BGB zwar den Verlust der Nutzbarkeit des hingegebenen Geldes als eine Art Mindestschadensersatz ausgleichen. Diese von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgeleiteten Grundgedanken sind auf vorliegende Situation nicht übertragbar. Der Geschädigte hat eine nutzbare Gegenleistung erhalten, auch wenn diese später im Rahmen eines Schadensersatzanspruches an den Schädiger rückübereignet wird. Denn durch einen Fahrzeugkauf, den die Klagepartei in jedem Fall beabsichtigte und nach dem sie das Fahrzeug auch nutzte, hätte sie auch ohne die Täuschung der Beklagten den Kaufpreis nicht gewinnbringend anlegen können. Der Kaufpreis wurde nicht unfreiwillig, sondern bewusst und nicht an die Beklagte, sondern an den Vertragspartner des Klägers gezahlt.
Mit Blick auf die schadensrechtliche Differenzhypothese ist zudem zu berücksichtigen, dass der Geschädigte ein anderes Fahrzeug erworben und das Geld nicht anderweitig hätte (Riehm NJW 2019, 1105, 1107; LG Offenburg BeckRS 2019, 18470 Rn. 26).
Dies erscheint auch im Hinblick darauf, dass dem Kläger umgekehrt eine Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs vom Kaufpreis in Abzug gebracht wird, nicht unbillig. Denn anders als der Kaufpreis, der im vorliegenden Fall auch nicht an die Beklagte, sondern an einen Händler bezahlt wurde, wird das streitgegenständliche Fahrzeug durch die bestimmungsgemäße Nutzung tatsächlich „verbraucht“ und verliert dadurch zunehmend an Wert, während der abstrakte Geldwert als solcher nicht „verbraucht“ wird, und allenfalls einer möglichen, aber nicht zwingenden Inflation unterfällt. Zudem ist nicht davon auszugehen, dass die Beklagte den irgendwann aufgrund eines eigenen Vertragsverhältnisses unabhängig vom Kläger als späteren Endkunden erhaltenen Händlereinkaufspreis zur gewinnbringenden Nutzung zur Verfügung hatte, da von diesem Preis zunächst ihre eigenen Aufwendungen für die Entwicklung, Produktion und Vertrieb des streitgegenständlichen Fahrzeugs abzuziehen wären, so dass allenfalls ein hier nicht näher bekannter möglicher Gewinnanteil der Beklagten verbleiben würde, aus dem diese einen wirtschaftlichen Nutzen gezogen haben könnte.
Dies hat auch der Bundesgerichtshof (BGH Urt. v. 30.7.2020 – VI ZR 354/19, BeckRS 2020, 19274 Rn. 17 ff.) bestätigt.
2. Eine Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist nicht in voller Höhe zuzusprechen.
Bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten war die Klage abzuweisen, soweit mehr als 1,3 Geschäftsgebühren geltend gemacht wurden. Im Übrigen war der Gegenstandwert entsprechend zum Grad des Unterliegens zu kürzen.
Da es sich vorliegend um ein Massenverfahren handelt, bei dem der wesentliche Aufwand beim Klägervertreter gleichzeitig für eine Vielzahl von Verfahren anfällt, und es sich bei den eingereichten Schriftsätzen um solche handelt, die in hohen Maße unter Verwendung von fallspezifischen Textbausteinen erstellt wurden, ist ein höherer Ansatz als der Mittelsatz von 1,3 für die Geschäftsgebühr (Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG) nicht gerechtfertigt. Die Sach- und Rechtslage ist weder umfangreich noch schwierig i.S.d. Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG. Erstattungsfähig sind zudem nach § 249 BGB vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten lediglich, soweit sie tatsächlich berechtigt sind.
Dem Anspruch des Geschädigten auf Freistellung bzw. Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Verhältnis zum Schädiger ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (BGH BeckRS 2017, 138416 Rn. 7).
Abzustellen ist dabei auf die nach dem Urteil begründete Forderung (OLG München, BeckRS 2016 Rn. 4574 Rn. 31; aA wohl LG München II BeckRS 2019, 1631 Rn. 63 f., das auf den 34 O 2247/20 – Seite 19 – Zeitpunkt des anwaltlichen Schreibens abstellt und den Nutzungsersatz bezogen auf diesen Zeitpunkt „zurückrechnet“). Der Gegenstand ist daher mit 36.677,49 EUR anzusetzen, so dass vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in der zugesprochenen Höhe erstattungsfähig sind.
3. Die Klage war zudem in Höhe der Differenz des Nutzungsersatzes abzuweisen.
4. Der Antrag auf Feststellung gem. Ziff. 5 ist als unzulässig abzuweisen. Dem Antrag fehlt es am erforderlichen Feststellungsinteresse iSv § 256 ZPO. Die Vorschriften der §§ 302, 850 f Abs. 2 ZPO vermögen dieses nicht zu begründen, als diese lediglich auf natürliche Personen Anwendung finden.
V.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709 S. 1, 2, 708 Nr. 11 Var. 2, 711 ZPO.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3 ZPO, 39, 68 GKG. Den Feststellungsanträgen kommt kein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zu.


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