Europarecht

Schadensersatzanspruch, Bescheid, Fahrzeug, Berufung, Vertragsschluss, Marke, Schadensersatz, Kaufpreis, Annahmeverzug, Sittenwidrigkeit, Berichterstattung, Kenntnis, Umwelt, Anrechnung, Art und Weise, sofortiges Anerkenntnis, erste Instanz

Aktenzeichen  8 U 253/20

Datum:
1.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 10356
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

42 O 105/20 2020-09-01 Endurteil LGBAMBERG LG Bamberg

Tenor

I. Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Bamberg vom 01.09.2020, Az.: 42 O 105/20, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.603,32 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 09.05.2020 zu zahlen, Zugum-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi Q 5 2.0 TDI (Fahrzeug-Identifizierungsnummer: …55).
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten seiner Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwälte H. …, …, i.H.v. 1.358,86 Euro freizustellen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreites der ersten Instanz tragen der Kläger 35% und die Beklagte 65%. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 22% und die Beklagte 78%.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger und die Beklagte können jeweils die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der Kläger nimmt die Beklagte als Motorherstellerin nach dem Erwerb eines Neufahrzeugs in Anspruch.
Der Kläger erwarb am 01.10.2013 beim Audi-Zentrum Bayreuth den neuen Pkw Audi Q 5 2.0 TDI (FIN: …55) zum Kaufpreis von 40.700,00 Euro. In das Fahrzeug war ein von der Beklagten entwickelter und hergestellter Dieselmotor vom Typ EA 189 eingebaut. Zum Erwerbszeitpunkt hatte das Fahrzeug einen Kilometerstand von 10 km. Beim Vertragsschluss war die Beklagte weder eingebunden noch hatte sie Kenntnis von diesem Fahrzeugerwerb. Für den vom Kläger erworbenen Fahrzeugtyp wurde die Typengenehmigung für die Schadstoffklasse Euro 5 erteilt (Verordnung (EG) Nr. 715/2007).
Die im Motor des erworbenen Fahrzeugs installierte Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem sog. Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid(NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigerem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb eines Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typengenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1, das heißt, wenn sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befand, eingehalten. Weder die Zulassungsbehörde noch eine andere Institution wurden über den Einsatz dieser Motorsteuerungssoftware informiert. Mit Hilfe dieser Software erreichte die Beklagte, dass einerseits die Grenzwerte des Testzyklusses eingehalten wurden und andererseits der Motor die für den Betrieb erforderliche EG-Typengenehmigung erhielt.
Im September 2015 informierte die Beklagte mittels einer Adhoc-Mitteilung vom 22.09.2015 den Kapitalmarkt sowie mittels einer Presseinformation die Öffentlichkeit über den Einsatz und die Wirkungsweise der Motorsteuerungssoftware. Im Folgenden entwickelte sich in den nationalen und internationalen Medien eine ausführliche Berichterstattung über die Vorgehensweise der Beklagten. Unter dem 15.10.2015 erging gegen die Beklagte ein Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) mit nachträglichen Nebenbestimmungen zur Typengenehmigung. Der Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts erlangte Bestandskraft. In seinem Bescheid ging das Kraftfahrt-Bundesamt vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und gab der Beklagten auf, diese zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten. Die Beklagte gab mit Pressemitteilung vom 25.11.2015 bekannt, Software-Updates durchzuführen, mit denen die Motorsteuerungssoftware aus allen Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA 189 entfernt werden sollte. Das durch die Beklagte entwickelte Software-Update wurde von Kraftfahrt-Bundesamt zur Verwendung freigegeben. In der Folgezeit wurde auch beim Fahrzeug des Klägers das Software-Update aufgespielt.
Mit Schreiben vom 06.04.2020 forderten die Klägervertreter die Beklagte unter Beifügung eines Klageentwurfs zur Begleichung der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf. Mit Klageschrift vom 14.04.2020 erhob der Kläger Klage gegen die Beklagte. Rechtshängigkeit trat am 08.05.2020 ein.
Der Kläger behauptet, er habe erwarten können, ein technisch einwandfreies und den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug zu erwerben. Aufgrund der eingesetzten Motorsteuerungssoftware hätte das Fahrzeug aber nicht den gegebenen gesetzlichen Bestimmungen entsprochen. Vielmehr sei das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen gewesen.
Rechtlich vertritt der Kläger die Auffassung, die Beklagte habe eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung gemäß § 826 BGB verwirklicht. Die Typengenehmigung des Fahrzeugs sei arglistig erschlichen worden. Hierfür würde die Beklagte nach den §§ 826, 31 BGB zu haften haben. Falls Nutzungsersatz für das Fahrzeug zu leisten sei, müsse von einer Gesamtfahrleistung vom 400.000 km ausgegangen werden. Im Übrigen vertritt der Kläger die Auffassung, sein Anspruch sei nicht verjährt.
Zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 30.06.2020 wies das Fahrzeug des Klägers einen Kilometerstand von 93.125 km auf.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
1.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 31.577,20 Euro nebst Zinsen i.H.v. 4% aus 40.700,00 Euro seit dem 09.10.2013 bis zum 09.04.2020 und seit dem 10.04.2020 i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen, Zugum-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi Q 5, Fahrzeugidentifikationsnummer …55.
2.Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs Audi Q 5, Fahrzeugidentifikationsnummer …55 in Annahmeverzug befindet.
3.Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den vorgerichtlichen Gebühren seiner Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwälte … und Partner mbH, …, i.H.v. 1.474,89 Euro freizustellen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich die Abweisung der Klage beantragt.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, das erworbene Fahrzeug verfüge über eine wirksame EG-Typengenehmigung für die Emissionsklasse 5. Durch den Einsatz der Software, die keine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, hätte das Fahrzeug auch keinen Wertverlust erlitten. Eine Stilllegung drohe für das Fahrzeug nicht. Das Kraftfahrt-Bundesamt habe die EG-Typengenehmigung auch nicht widerrufen. Vielmehr bestehe diese Typengenehmigung fort. Außerdem habe das Kraftfahrt-Bundesamt ein Software-Update für den im Fahrzeug verwendeten Motor freigegeben. Spätestens nach dieser Freigabe habe kein Widerruf der Typengenehmigung mehr gedroht. Auch führe das Software-Update nicht zu einer negativen Beeinflussung der Leistung.
Außerdem erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung. Der Kläger habe aufgrund der Medienberichterstattung bereits im Jahr 2015 ausreichende Kenntnis von sämtlichen anspruchsbegründenden Umständen erlangen müssen. Bei Klageeinreichung im Jahr 2020 sei die dreijährige Verjährungsfrist bereits abgelaufen gewesen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 01.09.2020 sowie die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten Bezug genommen.
Das Landgericht Bamberg hat mit Endurteil vom 01.09.2020 die Beklagte zur Zahlung eines Betrags von 25.540,88 Euro nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.04.2020 Zugum-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi Q 5 verurteilt. Weiterhin wurde die Beklagte verurteilt, die Klagepartei von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung ihrer Prozessbevollmächtigten i.H.v. 1.358,86 Euro freizustellen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreites wurden dem Kläger 19% und der Beklagten 81% auferlegt.
Durch das Landgericht Bamberg wurde eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gemäß § 826 BGB angenommen. Dies führe zu einer Rückabwicklung des Kaufvertrags. Hierbei habe sich der Kläger aber Nutzungsersatz für die gefahrenen Kilometer anrechnen zu lassen. Das Landgericht Bamberg ging von einer Gesamtfahrleistung von 250.000,00 km aus. Sowohl das Vorliegen einer Verjährung als auch ein Anspruch auf „Deliktszinsen“ gemäß § 849 BGB wurde durch das Landgericht Bamberg verneint. Auf die weiteren Ausführungen der Entscheidungsgründe des Landgerichts Bamberg wird Bezug genommen.
Gegen das dem Klägervertreter und den Beklagtenvertretern am 02.09.2020 zugestellte Endurteil des Landgerichts Bamberg vom 01.09.2020 haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 30.09.2020, eingegangen bei dem Oberlandesgericht Bamberg am gleichen Tag, und der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 02.10.2020, eingegangen bei dem Oberlandesgericht Bamberg am gleichen Tag, Berufung eingelegt.
Mit Schriftsatz vom 27.11.2020, eingegangen am selben Tag, wurde die Berufung der Beklagten – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 02.12.2020 – begründet. Mit Schriftsatz der Klägervertreter vom 28.10.2020, eingegangen am 30.10.2020 bei dem Oberlandesgericht Bamberg, wurde die Berufung des Klägers begründet.
Durch die Beklagte wird die Aufhebung des Endurteils des Landgerichts Bamberg vom 01.09.2020 und die vollständige Klageabweisung als Berufungsziel verfolgt. Ein etwaiger Anspruch des Klägers sei verjährt. Spätestens im Jahr 2016 sei eine Klageeinreichung zumutbar gewesen. Dem Kläger müsse man zumindest grobe Fahrlässigkeit vorwerfen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger mit Ausnahme der erstinstanzlich noch geltend gemachten Deliktszinsen sein erstinstanzliches Begehren weiter. Außerdem stellt der Kläger mit Schriftsatz vom 24.02.20221 noch nachfolgenden Hilfsantrag in Form einer Stufenklage:
1. Stufe:
1. Die Beklagte wird verurteilt, die unzulässigen Abschalteinrichtungen, insbesondere die als „Aufwärmfunktion“ und „Thermofenster“ bezeichneten Funktionen im Fahrzeug Audi Q 5, Fahrzeugidentifikationsnummer …55, zu entfernen und das Fahrzeug Audi Q 5, Fahrzeugidentifikationsnummer …55, in einen rechtskonformen, insbesondere einen der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 entsprechenden Zustand zu versetzen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft darüber zu erteilen, was sie durch den Verkauf des Fahrzeugs Audi Q 5, Fahrzeugidentifikationsnummer …55, erlangt hat.
2. Stufe:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klagepartei dasjenige nach den Grundsätzen über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben, was sie in Zusammenhang mit dem Verkauf des Fahrzeugs Audi Q 5, Fahrzeugidentifikationsnummer …55, erlangt hat. Dabei muss die Beklagte bei Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs durch die Klagepartei nicht mehr herausgeben, als die Klagepartei bei Rückforderung des Kaufpreises unter Anrechnung der bis dahin gezogenen Nutzungen erhalten würde. Bei nichterfolgter Rückgabe des Fahrzeugs muss die Beklagte nicht mehr herausgeben, als den Minderwert des Fahrzeugs, der aufgrund des Bestehens der Abschalteinrichtung eingetreten ist.
Der Kläger vertritt die Auffassung, Verjährung sei nicht eingetreten. Der Kläger habe 2015 und 2016 keine Kenntnis bzw. keine grob fahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen gehabt. Erst im Jahr 2017 seien Urteile ergangen, nach denen VW-Kunden bewusst sein musste, dass ihnen Ansprüche zustehen. Im Übrigen wird die erstinstanzliche Argumentation vertieft und erweitert.
In der öffentlichen Sitzung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 10.03.2021 wurde der aktuelle Kilometerstand des Fahrzeugs mit 98.880 km unstreitig gestellt. Außerdem hat der Senat den Kläger persönlich angehört.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren sowie den Inhalt der Anhörung des Klägers wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der öffentlichen Sitzung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 10.03.2021 Bezug genommen.
II.
1. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache nur zu einem geringen Teil Erfolg. Demgegenüber führt die Berufung des Klägers zu keinem höheren Schadensersatzanspruch.
Der Kläger kann von der Beklagten gemäß den §§ 826, 31 BGB eine Zahlung von 24.603,32 Euro Zugum-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Pkws Marke Audi Q 5 2.0 TDI verlangen, da die Beklagte in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise dem Kläger vorsätzlich einen Schaden zugefügt hat.
2.
a.
Die Beklagte hat in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise gehandelt, indem sie den konkreten Motor hergestellt und anschließend in den Verkehr gebracht hat.
Sittenwidrig ist ein Verhalten, welches nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 15, NJW 2020, 1962, 1963; BGH, Urteil vom 28.06.2016, VI ZR 536/15, WM 2016, 1975). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteil vom 28.06.2016, VI ZR 536/15, WM 2016, 1975). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass dem Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urteil vom 07.05.2019, VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164).
b. Im vorliegenden Fall ist das Verhalten der Beklagten im Verhältnis zum Kläger objektiv als sittenwidrig zu qualifizieren.
Die Beklagte hat auf der Grundlage einer für ihren Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes systematisch, langjährig und in Bezug auf den Dieselmotor der Baureihe EA 189 in großer Stückzahl den Motor in den Verkehr gebracht, obwohl dessen Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 16, NJW 2020, 1962, 1963). Durch die Verwendung des Motors gingen einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Sickoxiden und andererseits die Gefahr einher, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder eine Betriebsuntersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 21, NJW 2020, 1962, 1964). Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren.
c. Die unzulässige Abschalteinrichtung wurde auf der Grundlage einer strategischen unternehmerischen Entscheidung über Jahre hinweg nicht nur im Unternehmen der Beklagten selbst, sondern auch bei mehreren Tochterunternehmen bzw. Konzernunternehmen – wie der Firma Audi – in verschiedenen Fahrzeugmodellen durch aktive, im Hinblick auf dieses Ergebnis gewollte präzise Programmierung der Motorsteuerungssoftware zur Beeinflussung der Abgasrückführung in die Motorsteuerung eingebaut, wobei eine Entdeckung der verwendeten Motorsteuerungssoftware eine Betriebsbeschränkung oder eine Betriebsuntersagung hätte auslösen können, weil das Fahrzeug wegen der gegen Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG verstoßenden Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ (§ 3 Abs. 1 S. 2 Fahrzeug-Zulassungsverordnung) entsprach (BGH, Beschluss vom 08.01.2019, VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133). Nach dem Bekanntwerden der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung musste von der Beklagten zunächst eine technische Lösung entwickelt werden, die anschließend vom Kraftfahrt-Bundesamt freizugeben und in verschiedene Fahrzeugmodelle einzubauen war. Bis zu diesem Zeitpunkt bestand die Gefahr, dass die erforderliche technische Entwicklung nicht gelingen würde und die von dem Kraftfahrt-Bundesamt nachträglich angeordnete Nebenbestimmung zur Typengenehmigung nicht erfüllt werden könnte (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 20, NJW 2020, 1962, 1964).
Zusätzlich zu den tatsächlichen Unwägbarkeiten bestanden weiterhin erhebliche rechtliche Risiken. Die unzulässige Abschalteinrichtung hätte grundsätzlich dazu führen können, dass die Zulassungsbehörden eine Betriebsbeschränkung oder eine Betriebsuntersagung nach § 5 Abs. 1 Fahrzeugs-Zulassungsverordnung vornehmen, da das Fahrzeug wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ entsprach (BGH, Beschluss vom 08.01.2019, VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133). Möglich wären unter Umständen auch die Rücknahme der rechtswidrig erlangten Typengenehmigung durch das Kraftfahrt-Bundesamt gewesen. Diese Gefahr bestand insbesondere aufgrund der rechtswidrigen Erlangung der Typengenehmigung (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 21, NJW 2020, 1962, 1964).
Ein Vertrauensschutz bestand insoweit nicht, da die Beklagte die Typengenehmigung durch die arglistige Täuschung erwirkt hatte (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 21, NJW 2020, 1962, 1964). Welche Maßnahmen die Behörden im Falle der Aufdeckung der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung ergreifen würden, stand insbesondere im Hinblick auf die arglistige Täuschung, die große Zahl der betroffenen Fahrzeuge und die nicht vorhersehbaren emissionsschutzrechtlichen Rahmenbedingungen im Vorhinein nicht fest (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 21, NJW 2020, 1962, 1964).
Das Ziel der Beklagten bestand darin, kostengünstiger als ihr sonst möglich zu produzieren und damit ihren Gewinn zu erhöhen. Auch wenn eine derartige Zielsetzung erlaubt und nicht von vornherein verwerflich ist, ist eine Verwerflichkeit aber dann anzunehmen, wenn das Ziel der Erhöhung des Gewinns auf der Grundlage einer strategischen Unternehmensentscheidung durch arglistige Täuschung der zuständigen Behörden erreicht werden soll und dieses Ziel mit einer Gesinnung verbunden ist, die sich sowohl im Hinblick auf die für den einzelnen Käufer möglicherweise eintretenden Folgen und Schäden als auch im Hinblick auf die insoweit geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt, gleichgültig zeigt (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 23, NJW 2020, 1962, 1964). Ein solches Verhalten verstößt in einer Weise gegen die Mindestanforderungen im Rechts- oder Geschäftsverkehr auf dem hier betroffenen Markt für Kraftfahrzeuge, dass ein Ausgleich der bei dem einzelnen Käufer verursachten Vermögensschäden geboten erscheint. Gerade wenn sich die Käufer keine konkreten Vorstellungen über die Rechtsbeständigkeit der Typengenehmigung und die Erfüllung der gesetzlichen Abgasgrenzwerte gemacht haben, war das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Motors sittenwidrig und stand Wertungsmäßig einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Käufer gleich (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 23, NJW 2020, 1962, 1964). Aufgrund der technischen Funktionsweise mussten arglose Käufer mangels eigener Möglichkeiten, die Einhaltung entsprechender gesetzlicher Vorgaben zu kontrollieren bzw. nachzuvollziehen, darauf vertrauen, dass die Beklagte als Herstellerin des Motors bei ihrem Fahrzeug die gesetzlichen Vorgaben einhielt. Aufgrund der gesetzlichen Regelungen sowie der Pflichten im Hinblick auf das Typengenehmigungsverfahren konnten sich die Käufer insoweit auf ein rechtmäßiges Verhalten der Beklagten verlassen (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 25219). Der Käufer eines Fahrzeugs setzt daher die Einhaltung der entsprechenden Vorgaben arglos als selbstverständlich voraus. Hierbei ist es gleichgültig, ob es sich um einen Neuwagen oder ein gebrauchtes Fahrzeug handelt und ob die manipulierte Motorsteuerungssoftware in einem Fahrzeug der Beklagten oder einem Tochterunternehmen wie der Audi AG verbaut wurde.
Die Beklagte trifft das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade im Hinblick auf die Schädigung aller unwissenden Käufer der bemakelten Fahrzeuge. Diese Schädigung stellt die zwangsläufige Folge des Inverkehrbringens des mit der unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Motors dar und liegt unmittelbar in der Zielrichtung des sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 25, NJW 2020, 1962, 1965).
3. Die grundlegende strategische Entscheidung in Bezug auf die Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Motorsteuerungssoftware wurde von den im Haus der Beklagten für die Motorentwicklung verantwortlichen Personen, namentlich dem vormaligen Leiter der Entwicklungsabteilung und den für die Forschung- und Entwicklungsaktivitäten der Beklagten verantwortlichen Vorstandsmitgliedern, wenn nicht selbst, so zumindest mit ihrer Kenntnis und Billigung getroffen bzw. jahrelang umgesetzt. Dieses Verhalten ist der Beklagten gemäß § 31 BGB zuzurechnen (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 33, NJW 2020, 1962, 1966).
Der Leiter der Entwicklungsabteilung eines großen, weltweit tätigen Automobilherstellers wie der Beklagten hat eine für dessen Kerngeschäft verantwortliche, in besonderer Weise herausgehobenen Position als Führungskraft inne. Daraus folgt unmittelbar, dass ihm bedeutsame, wesentliche Funktionen des Unternehmens zur selbständigen eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, er also das Unternehmen auf diese Weise repräsentiert (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 33, NJW 2020, 1962, 1966). Damit handelt es sich bei dem Leiter der Entwicklungsabteilung um einen verfassungsgemäßen Vertreter der Beklagten.
Zudem hat der vormalige Vorstand der Beklagten von der Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung gewusst (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 45, NJW 2020, 1962, 1966). Im vorliegenden Fall trägt die Beklagte auch eine sekundäre Darlegungslast. Die Beklagte hat aber trotz des schlüssigen Vortrags des Klägers und der Beweisanträge in der Klageschrift nicht ausreichend dargelegt, welche Ermittlungen mit welchem Ergebnis sie im Hinblick auf die Verwendung der unzulässigen Motorsteuerungssoftware angestellt hat und über welche Erkenntnisse sie insoweit verfügt. Dies wäre der Beklagten möglich und zumutbar gewesen (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 39, NJW 2020, 1962, 1967).
4.
a.
Dem Kläger ist durch das sittenwidrige Verhalten der Beklagten ein Schaden in Gestalt des Abschlusses des Kaufvertrags über das mit einer unzulässigen Motorsteuerungssoftware ausgestattete Fahrzeug Audi Q 5 2.0 TDI entstanden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Schaden nicht nur dann gegeben, wenn sich bei dem vorzunehmenden Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt. Auch wenn es nach der sog. „Differenzhypothese“ zu keinem rechnerischen Schaden kommt, ist die Bejahung eines Vermögensschadens auf einer anderen Beurteilungsgrundlage nicht von vorn herein ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 45, NJW 2020, 1962, 1967). Die sog. „Differenzhypothese“ muss stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden. Hierbei ist einerseits das konkret haftungsbegründende Ereignis als Haftungsgrundlage zu berücksichtigen. Andererseits ist die darauf beruhende Vermögensminderung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände sowie der Verkehrsauffassung in die Betrachtung einzubeziehen. Erforderlich ist eine wertende Überprüfung des anhand der sog. „Differenzhypothese“ gewonnenen Ergebnisses gemessen am Schutzzweck der Haftung und an der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes. Da der Schadensersatz dazu dient, den konkreten Nachteil des Geschädigten auszugleichen, ist der Schadensbegriff im Ansatz subjektbezogen. Wird jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrags gebracht, den er sonst nicht abgeschlossen hätte, kann er auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung einen Vermögensschaden dadurch erleiden, dass die Leistung für seinen Zweck nicht voll brauchbar ist. Die Bejahung eines Vermögensschadens unter diesem Aspekt setzt allerdings voraus, dass die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiver Sicht als Schaden angesehen wird, sondern dass auch die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht (BGH, Urteil vom 28.10.2014, VI ZR 15/14, WM 2014, 2318).
Im Fall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer „ungewollten“ Verpflichtung wieder befreien können. Schon eine solche stellt unter den dargelegten Voraussetzungen einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 47, NJW 2020, 1962, 1968).
b. Im vorliegenden Fall wurde der Kläger durch ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten dazu veranlasst, mit dem Erwerb des streitgegenständlichen Pkws Marke Audi eine ungewollte Verpflichtung einzugehen.
Hierbei kann dahinstehen, ob der Kläger einen Vermögensschaden dadurch erlitten hat, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs eine objektive Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung nicht gegeben war. Ein Schaden ist jedenfalls dadurch eingetreten, dass der Erwerb des Pkws Marke Audi nach den oben genannten Grundsätzen als unvernünftig anzusehen ist. Der Kläger hat durch den ungewollten Vertragsschluss eine Leistung erhalten, die für seinen Zweck nicht voll brauchbar war. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist auszuschließen, dass ein Käufer ein Fahrzeug erwirbt, dem eine Betriebsbeschränkung oder Betriebsuntersagung droht und bei dem im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar ist, ob dieses Problem behoben werden kann (BGH, Urteil vom 25.05.2020, IV ZR 252/19, Rn. 49, NJW 2020, 1962, 1968).
Von diesen sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergebenden Erfahrungssatz geht auch der Senat aus (§ 286 ZPO). Bei einem zum persönlichen Nutzen erworbenen Kraftfahrzeug sind dessen Gebrauchsfähigkeit und dessen ständige Verfügbarkeit von so großer Bedeutung, dass die vorübergehende Entziehung bzw. die Gefahr der vorübergehenden Entziehung dieses Fahrzeugs einen Vermögensschaden darstellt. Ein Käufer, dem es auf die Gebrauchsfähigkeit seines Fahrzeugs ankommt, würde niemals ein Modell mit einem Motor erwerben, bei dem auch nur die abstrakte Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder Betriebsuntersagung besteht. Aufgrund der Existenz der unzulässigen Motorsteuerungssoftware war das Fahrzeug im Erwerbszeitpunkt mit einem „verdeckten Sachmangel“ behaftet, der zu einer Betriebsbeschränkung oder Betriebsuntersagung hätte führen können (BGH, Beschluss vom 08.01.2019, VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133).
c. Der gemäß § 249 Abs. 1 BGB mit Vertragsschluss entstandene Schadensersatzanspruch des Klägers auf Rückzahlung des für das bemakelte Fahrzeug bezahlten Kaufpreises erlischt nicht, wenn sich der objektive Wert oder der Zustand des Fahrzeugs infolge neuer Umstände, beispielsweise der Aufdeckung des „verdeckten Sachmangels“ oder der Durchführung eines Software-Updates verändert. Der unter Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des Klägers sittenwidrig herbeigeführte ungewollte Vertragsschluss wird durch das später durchgeführte Software-Update nicht rückwirkend zu einem gewollten Vertragsschluss (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 58, NJW 2020, 1962, 1969).
5. Die verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten haben hierbei auch vorsätzlich gehandelt.
Der nach § 826 BGB erforderliche Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Hierbei braucht der Handelnde nicht zu wissen, welche oder wie viele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden. Vielmehr reicht es aus, dass er die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer Personen auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen hat (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 61, NJW 2020, 1962, 1969; BGH, Urteil vom 19.07.2004, II ZR 402/02, BGHZ 160, 149 156). Es genügt hierbei nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte erkennen können oder erkennen müssen oder die sich ihm hätten aufdrängen müssen. In einer solchen Situation ist lediglich Fahrlässigkeit gegeben. Es kann aber durchaus gerechtfertigt sein, beim Einzelfall aus dem Wissen einer natürlichen Person auf deren Willen zu schließen. Aus der Art und Weise eines sittenwidrigen Handelns kann sich die Schlussfolgerung ergeben, dass mit Schädigungsvorsatz gehandelt worden ist (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 63, NJW 2020, 1962, 1969).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Senat davon überzeugt, dass die für die Beklagte handelnden Personen, namentlich der vormalige Leiter der Entwicklungsabteilung und das für Forschung und Entwicklung zuständige ehemalige Vorstandsmitglied, mit dem erforderlichen Schädigungsgrundsatz handelten. Bereits nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass diesen bewusst war, dass niemand ein Fahrzeug mit dem Risiko einer Betriebsbeschränkung oder Betriebsuntersagung erwerben oder bei Kenntnis dieses Risikos einen erheblichen Abschlag vom Kaufpreis fordern würden.
6.
a.
Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist auch nicht verjährt, § 214 BGB.
Die dreijährige Verjährungsfirst des § 199 Abs. 1 BGB begann nach Überzeugung des Senats weder im Jahr 2015 noch im Jahr 2016 zu laufen. Der Senat hat den Kläger in der Berufungsverhandlung angehört. Er hat glaubhaft angegeben, dass er erst durch ein Schreiben Anfang des Jahres 2017 Kenntnis erlangt hat, dass sein Fahrzeug der Marke Audi mit einem Motor der Beklagten ausgestattet ist, der über eine unzulässige Abschaltautomatik verfügt.
b. Eine grob fahrlässige Unkenntnis kann dem Kläger jedenfalls bis Anfang des Jahres 2017 nicht vorgeworfen werden.
Grob fahrlässige Unkenntnis liegt dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet wurde, was jedem hätte einleuchten müssen. Dabei bezieht sich die grob fahrlässige Unkenntnis ebenso wie die Kenntnis auf Tatsachen, auf alle Merkmale der Anspruchsgrundlage und bei der Verschuldenshaftung auf das Vertretenmüssen des Schuldners, wobei es auf eine zutreffende rechtliche Würdigung nicht ankommt (BGH, Urteil vom 10.11.2009, VI ZR 247/08, NJW-RR 2010, 681, 683). Nicht erforderlich ist, dass der Gläubiger zutreffende rechtliche Schlüsse zieht. Nur ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifende Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20). Das Hinausschieben des Beginns der regelmäßigen Verjährungsfrist wegen unsicherer und zweifelhafter Rechtslage kann allerdings nur in eng begrenzten, besonders begründeten Ausnahmefällen angenommen werden. Mit der Einführung der dreijährigen Regelverjährungsfrist verfolgt der Gesetzgeber die Absicht, in einem überschaubaren Zeitraum Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu schaffen. Angesichts dieses Schutzwecks erfordert das Verjährungsrecht eindeutige Regeln und eine Auslegung, die die gebotene Rechtssicherheit gewährleisten. Deshalb ist es grundsätzlich erforderlich, sich bei der Anwendung solcher Vorschriften eng an deren Wortlaut zu halten. Mit Rücksicht auf den formalen Charakter der Verjährungsvorschriften sind aber an die Rechtfertigung einer über den Wortlaut der Norm hinausgehenden Anwendung besonders strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20). Auch mit Blick auf rechtliche Unsicherheiten gilt allenfalls der allgemeine Grundsatz, dass eine Klageerhebung dann zumutbar ist, wenn die Klage bei verständiger Würdigung hinreichende Erfolgsaussichten hat. Nicht erforderlich ist, dass die Rechtsverfolgung risikolos möglich ist. Eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage besteht nicht schon dann, wenn noch keine höchstrichterliche Entscheidung einer bestimmten Frage vorliegt. Wird die Rechtslage erst unsicher, nachdem die Verjährungsfrist zu laufen begonnen hat, so schiebt dies den Beginn der Verjährungsfrist nicht nachträglich hinaus (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20).
Aufgrund des Umstandes, dass in der Adhoc-Mitteilung im September 2015 zunächst nur von Unregelmäßigkeiten die Rede war und erst im Oktober 2015 eine Internetseite seitens der Beklagten gestartet worden ist, die eine Prüfung unter der Eingabe der Fahrzeugidentifikationsnummer ermöglicht hätte, begegnet es in verjährungsrechtlicher Hinsicht keinen durchgreifenden Bedenken, dass sich der Kläger nicht bereits im Jahr 2015 mit der Frage beschäftigt hat, ob er individuell von der Thematik überhaupt betroffen ist, zumal das streitgegenständliche Fahrzeug kein Fahrzeug der Beklagten, sondern der Firma Audi AG ist.
Nach Anhörung des Klägers in der Berufungsverhandlung hat der Senat in verjährungsrechtlicher Hinsicht auch keine durchgreifenden Bedenken, dass sich der Kläger auch im Jahr 2016 nicht damit beschäftigt hat, ob sein Fahrzeug von der „Diesel-Thematik“ betroffen ist. Der Kläger, der beruflich als Verwaltungsbeamter in der Bauverwaltung des Landratsamts Forchheim arbeitet, erwarb mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug sein erstes Dieselfahrzeug. Erst im Januar oder Februar 2017 habe er ein Schreiben bekommen, dass er ein Software-Update aufspielen lassen solle. Dieses Schreiben sei von der Beklagten oder von der Audi AG gekommen. Vor diesem Schreiben hab er „die Sache nicht weiter bewusst hinterfragt“. Der Motor habe ja funktioniert. Vor 2017 habe er auch nicht gewusst, dass man über eine Internetrecherche herausbekommen könne, ob ein Fahrzeug von der „Diesel-Thematik“ betroffen sei. Persönlich habe er auch erst im Jahr 2019 die entsprechende Recherche durchgeführt. Er habe auch nicht gewusst, dass in seinem Fahrzeug der Marke Audi ein Motor der Beklagten verbaut ist. Darüber habe er sich keine Gedanken gemacht. Auch auf den Umstand, dass nicht die Audi AG, sondern die Volkswagen AG von ihm verklagt werde, habe er keinen Einfluss gehabt. Dies hätte sein Rechtsanwalt entschieden.
Aufgrund der glaubhaften Angaben des Klägers ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger erst im Jahr 2017 durch ein Schreiben über die Durchführung eines Software-Updates erste Anhaltspunkte dafür erhalten hat, dass sein Fahrzeug von der „Diesel-Thematik“ betroffen sein könnte. Positive Kenntnis erlangte er erst durch eine Internet-Recherche im Jahr 2019. Aufgrund des Umstands, dass der Kläger kein Fahrzeug der Beklagten erworben hat und auch keine Kenntnis davon hatte, dass in dem von ihm erworbenen Fahrzeug ein Motor der Beklagten verbaut war, kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, er habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt. Der als Verwaltungsbeamter arbeitende Kläger erwarb im Oktober 2013 mit dem streitgegenständlichen Audi sein erstes Dieselfahrzeug. Bei technischen Problemen schaltet er stets eine Werkstatt ein. Dies erscheint für den Senat auch nachvollziehbar, zumal der Kläger in der Berufungsverhandlung angab, er sei „nicht so der Techniker“. Aufgrund der Anhörung des Klägers in der Berufungsverhandlung ist der Senat davon überzeugt, dass diesem im Hinblick auf seine glaubhaft geschilderte Lebenssituation sowie das Anschreiben zur Durchführung eines Software-Updates aus dem Jahr 2017 nicht vorgeworfen werden kann, er habe grob fahrlässig gehandelt.
Dem Kläger kann aus Sicht des Senats auch nicht vorgeworfen werden, er habe sich im Jahr 2016 grob fahrlässig nicht im Internet oder anderen Medien nach der Betroffenheit seines Fahrzeugmodells Marke Audi erkundigt. Im September 2015 wurde in den Medien berichtet, der Motor vom Typ EA 189 sei in den Audi-Modellen A1, A3, A4 und A6 eingebaut worden (von der Beklagten vorgelegte Meldung auf tagesschau.de vom 25.09.2015). Das vom Kläger erworbene Modell Audi Q5 war insoweit nicht erwähnt. Auch gab die Beklagte in ihrer Pressemitteilung vom 22.09.2015 ausdrücklich an, dass „die betroffene Steuerungssoftware auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns vorhanden “ sei. „Bei der Mehrheit dieser Motoren “ habe „die Software keinerlei Auswirkungen “. Unabhängig davon, ob der Kläger von diesen Informationen konkrete Kenntnis erlangt hat oder erlangen konnte, mussten sich bei diesem Informationsstand für den Kläger ohne zusätzliche Anhaltspunkte, die der Senat nicht erkennen vermag, keine weiteren Nachforschungen aufdrängen.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung des OLG Stuttgart vom 07.04.2020 (Az.: 10 U 512/19), da die Klägerin im dortigen Verfahren bereits bei Kauf positiv wusste, dass in ihrem Fahrzeug Marke Skoda ein VW-Dieselmotor verbaut war. Im Unterschied dazu hatte der Kläger im vorliegenden Fall keine derartige Kenntnis hinsichtlich seines Fahrzeugs Marke Audi.
7.
a.
Grundsätzlich ist dem Kläger ein Schaden in Höhe des Kaufpreises entstanden, wobei er sich hierauf im Wege des Vorteilsausgleichs die von ihm gezogenen Nutzungen in Gestalt der langjährigen Fahrten mit dem Fahrzeug anrechnen lassen muss.
Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung gelten auch für einen Anspruch aus vorsätzlich sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB (BGH, Urteil vom 25.05.20220, VI ZR 252/19, Rn. 66, NJW 2020, 1962, 1970). Durch den Vorteilsausgleich soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Die geschädigte Person darf einerseits im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht besser gestellt werden, als sie ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nur diejenigen durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, also dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 65, NJW 2020, 1962, 1970).
Der Anrechnung des Nutzungsersatzes steht auch nicht die sich aus § 817 S. 2 BGB ergebende Wertung entgegen. Der Ausnahmecharakter der Vorschrift des § 817 BGB verbietet es, ihr einen über das Bereicherungsrecht hinausgehenden allgemeinen Rechtsgedanken zu entnehmen und das Rückforderungsverbot auf andere als bereicherungsrechtlich Ansprüche auszudehnen (BGH, Urteil vom 09.10.1991, VIII ZR 19/91, NJW 1992, 310, 311).
b. In der Berufungsverhandlung vom 10.03.2021 haben die Parteien unstreitig gestellt, dass der Pkw Audi Q 5 des Klägers insgesamt 98.880 km gefahren wurde. Bei Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger betrug der Kilometerstand des Fahrzeugs 10 km. Die zu erwartende Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs schätzt der Senat gemäß § 287 ZPO auf 250.000 km (OLG Bamberg, Urteil vom 27.01.2021, 8 U 161/20). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Motoren der Beklagten eine überdurchschnittliche Qualität haben. Dies gilt auch für Fahrzeuge, in die die Motoren eingebaut wurden. Es ist jedoch auch zu beachten, dass Fahrzeuge, die eine Laufleistung von mehr als 250.000 km haben, auf dem Markt nahezu keinen wirtschaftlichen Wert mehr besitzen (OLG Bamberg, Urteil vom 29.07.2020, 8 U 231/19).
Die Höhe des Vorteilsausgleichs errechnet sich nach der Formel „Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer des Klägers: erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt“. Der Kläger ist mit dem Fahrzeug 98.870 km gefahren. Dies ergibt einen auszugleichenden Gebrauchsvorteil i.H.v. 16.096,68 Euro, der von dem Kaufpreis i.H.v. 40.700,00 Euro in Abzug zu bringen ist.
c. Der Kläger ist zudem im Wege des Vorteilsausgleichs verpflichtet, das Fahrzeug Audi Q 5 an die Beklagte zu übergeben und zu übereignen. Somit besteht ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz i.H.v. 24.603,32 Euro Zugum-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi Q 5 2.0 TDI (FIN: …55).
8. Die Beklagte befindet sich nicht in Annahmeverzug hinsichtlich des Zugum-Zug zu übereignendem und zu übergebendem Fahrzeug.
Ein Annahmeverzug tritt ein, wenn der Gläubiger die ihm in gesetzmäßiger Weise angebotene Leistung nicht annimmt. Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt, dass er die Leistung nicht annehmen werde. Im vorliegenden Fall ist der Kläger jedoch bis zur Berufungsinstanz der Auffassung gewesen, beim Nutzungsersatz müsse von einer Gesamtfahrleistung des Motors von 400.000 km ausgegangen werden. Dies ist aber – wie oben dargelegt – nicht der Fall. Insoweit hat der Kläger der Beklagten kein sofort annahmefähiges Angebot unterbreitet. Die überhöhte Forderung des Klägers hat zur Folge, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, das Angebot des Klägers anzunehmen. Ein Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs ist daher nicht begründet.
9. Der Kläger hat einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten aus einem Streitwert von 25.538,64 Euro.
Maßgeblich ist der zum Zeitpunkt der Beauftragung der Geltendmachung des Anspruchs anzusetzende Wert. Zu diesem Zeitpunkt ist die Gebühr nach 2300 VV-RVG angefallen. Diese Gebühr entsteht bereits bei einleitenden Tätigkeiten, beispielsweise der Anlegung der Akten und der Ermittlung weiterer Informationen zur Vorbereitung eines Klageverfahrens. Unerheblich ist, ob die schriftliche Aufforderung zur Leistungserbringung durch Anwaltsschriftsatz vom 06.04.2020 notwendig war oder nicht. Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass zunächst eine außergerichtliche Geltendmachung der Forderung stets angezeigt ist, um zu verhindern, dass bei sofortiger Klageerhebung ein sofortiges Anerkenntnis mit der Kostenfolge des § 93 ZPO abgegeben werden kann.
Hierbei hat der Senat eine Geschäftsgebühr von 1,3 zugrunde gelegt. Die Sache ist weder besonders schwierig noch besonders umfangreich. Die Problematik ist in der Rechtsprechung und der Lehre intensiv thematisiert worden. Der Sachverhalt ist zudem überschaubar. Einschließlich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer ergibt sich daher ein Betrag von 1.358,86 Euro (Geschäftsgebühr: 1.121,90 Euro; Auslagenpauschale: 20,00 Euro; Umsatzsteuer: 216,96 Euro = 1.358,86 Euro). Beim Streitwert wurde hinsichtlich des Nutzungsersatzes – mangels anderweitigen klägerischen Vortrags – der in der Sitzung des Landgerichts Bamberg vom 30.06.2020 angegebenen Kilometerstand von 93.125 km mindernd berücksichtigt.
10.
a.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 291, 288 BGB. Für den Beginn des Zinslaufs findet § 187 BGB analog Anwendung (Dornis in BeckOGK, Stand 01.03.2020, § 291 ZPO, Rn. 22).
b. Ein Anspruch auf Zinsen nach den §§ 286, 288 BGB besteht nicht, da sich die Beklagte vor Klageerhebung nicht in Verzug gemäß § 286 BGB befand.
Der Kläger hat mit Anwaltsschriftsatz vom 06.04.2020 unter Fristsetzung zum 09.04.2020 von der Beklagten die Begleichung der im Klageentwurf angegebenen Ansprüche gefordert. Voraussetzung für das Vorliegen eines Verzugs ist, dass der Schuldner den tatsächlich geschuldeten Betrag zuverlässig ermitteln kann (BGH, Urteil vom 12.07.2006, X ZR 157/05, NJW 2006, 3271, 3272; OLG Hamm, Urteil vom 05.11.2012, 17 U 162/11, NJW-RR 2013, 345, 346). Im vorliegenden Fall konnte die Beklagte nicht klar ermitteln, in welcher Höhe ein Nutzungsvorteil auszugleichen ist. Durch den Kläger wurde nicht konkret angegeben, in welchem Umfang sie das Fahrzeug bis zum Anwaltsschriftsatz genutzt hat. Außerdem wurde von einer (überhöhten) Gesamtfahrleistung von 400.000 km ausgegangen. Die Forderung eines zu hohen Betrags ist aber nur dann eine wirksame Mahnung, wenn der Schuldner die Erklärung des Gläubigers nach den Umständen des Falles als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muss und der Gläubiger zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung bereit ist (BGH, Urteil vom 05.10.2005, 10 ZR 276/02). Weitere Verzugsvoraussetzung ist, dass der Schuldner den geschuldeten Betrag zuverlässig ermitteln kann. Im vorliegenden Fall war die Beklagte aufgrund der fragmentarischen Angaben nicht in der Lage, den tatsächlich geschuldeten Betrag zuverlässig zu ermitteln. Auch war nicht klar, welchen Zahlungsbetrag die Klägerseite akzeptieren würde.
III.
a. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO.
b. Bei der Kostenverteilung für die erste Instanz war auch das Unterliegen des Klägers mit den geltend gemachten Deliktszinsen in Ansatz zu bringen. Auch wenn die Zinsforderung sich als Nebenforderung grundsätzlich nicht streitwerterhöhend ausgewirkt hat, ist das diesbezügliche klägerische Unterliegen aufgrund der Höhe der Zinsforderung bei der Kostenverteilung zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 04.06.1992, IX ZR 149/91; OLG Bamberg, Urteil vom 22.07.2020, 8 U 316/19; Zöller/Herget, Kommentar zur ZPO, 33. Aufl. 2020, § 92 ZPO, Rn. 3, 11).
Im vorliegenden Fall haben die erstinstanzlich geltend gemachten Deliktszinsen einen Wert von 10.587,47 Euro gehabt. Dies entspricht ca. 34% der Höhe der erstinstanzlichen Hauptforderung von 31.577,20 Euro. Aufgrund der Höhe der Deliktszinsen sind diese von erheblicher Bedeutung im Rahmen aller vom Kläger erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
V.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
Die für den vorliegenden Fall relevanten Rechtsfragen wurden durch den Bundesgerichtshof zwischenzeitlich entschieden. Der Senat orientiert sich an diesen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, ohne von diesen abzuweichen. Es besteht auch hinsichtlich der Frage des Eintritts der Verjährung im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalles keine Divergenz zu Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte.


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