Europarecht

Zur Frage der Beihilfefähigkeit von ärztlich verordneten Vitamintabletten

Aktenzeichen  W 1 K 15.21

Datum:
2.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBhV § 2, § 3, § 7, § 18, § 96
AMG AMG § 2
VO (EG) 178/2002 Art. 2
RL 2001/83/EG RL 2001/83/EG Art. 1
BayBG BayBG Art. 96
GG GG Art. 33 Abs. 5

 

Leitsatz

Dass ein Arzneimittel ärztlich verordnet wurde und als Arzneimittel nach § 2 Abs. 4 AMG registriert ist, stellt beihilferechtlich jeweils nur ein Indiz für die Arzneimitteleigenschaft dar (vgl. VGH München BeckRS 2014, 54594). (redaktioneller Leitsatz)
Ärztlich verordnete Vitamintabletten sind keine Arzneimittel im Sinne des § 18 S. 1 Nr. 1 BayBhV. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu voll-streckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beihilfe zu den streitgegenständlichen Aufwendungen aufgrund der Rechnung vom 16. Oktober 2014. Der Ablehnungsbescheid des Landesamtes für Finanzen vom 23. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2014 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Nach Art. 96 Abs. 2 Satz 1 BayBG werden Beihilfeleistungen zu den nachgewiesenen medizinisch notwendigen und angemessenen Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Pflegefällen und zur Gesundheitsvorsorge der Beamtinnen und Beamten sowie deren berücksichtigungsfähiger Angehöriger nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Art. 96 Abs. 5 Satz 1 BayBG (Bayerische Beihilfeverordnung – BayBhV) gewährt. Maßgeblich ist vorliegend die ab dem 1. Oktober 2014 gültige Fassung der Bayerischen Beihilfeverordnung vom 29. Juli 2014, da hinsichtlich der maßgeblichen Sach- und Rechtslage in Beihilfestreitigkeiten grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen abzustellen ist (st. Rspr., z. B. BVerwG, U. v. 6.11.2014 – 5 C 7.14 – juris Rn. 8; U. v. 2.4.2014 – 5 C 40.12 – juris Rn. 9, jeweils m. w. N.), mithin hier auf die Rechnung vom 16. Oktober 2014.
Aufwendungen der beihilfeberechtigten Personen sowie ihrer berücksichtigungsfähigen Angehörigen (§§ 2, 3 BayBhV) in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und sonstigen Fällen sind beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig und der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV). Für beihilfefähige Aufwendungen in Krankheitsfällen enthält § 18 BayBhV Sondervorschriften für Arznei- und Verbandsmittel. Nach § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV sind u. a. beihilfefähig die aus Anlass einer Krankheit bei ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen oder Heilpraktikerleistungen nach den §§ 8 bis 17 BayBhV verbrauchten oder nach Art und Umfang schriftlich verordneten apothekenpflichtigen Arzneimittel nach § 2 des Arzneimittelgesetzes – AMG. Nicht beihilfefähig sind hingegen nach § 18 Satz 4 BayBhV (u. a.) Aufwendungen für Mittel, die (Nr. 2) geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, sowie (Nr. 3) Vitaminpräparate, die keine Fertigarzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes darstellen.
a) Gemessen an diesen Vorschriften fallen die vom Kläger angeschafften Vitamin C-Tabletten schon nicht unter den Begriff des Arzneimittels nach § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV.
Als Ausgangspunkt ist die arzneimittelrechtliche Begriffsdefinition heranzuziehen. Im vorliegenden Zusammenhang ist dabei zunächst maßgeblich die Abgrenzung zum Begriff des Lebensmittels. Keine Arzneimittel sind nämlich nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG die Lebensmittel i. S. d. § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs – LFBG. Die letztgenannte Vorschrift verweist ihrerseits auf das europäische Unionsrecht, nämlich auf Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31, S. 1 ff.). Nach Art. 2 Abs. 2d VO (EG) Nr. 178/2002 gehören zu den Lebensmitteln nicht Arzneimittel im Sinne der Richtlinien 65/65/EWG und 92/73/EWG. Die beiden letztgenannten Richtlinien wurden zwar durch die Richtlinie 2001/83/EG vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67 ff.) ersetzt, allerdings sind nach deren Art. 128 Satz 2 Verweise auf die Vorgängerrichtlinien nunmehr als Verweise auf diese Richtlinie zu verstehen (vgl. BVerwG, U. v. 25.7.2007 – 3 C 21.06 – juris Rn. 22 ff.). Art. 1 Nr. 2 RL 2001/83/EG enthält eine Begriffsdefinition des Arzneimittels, welcher diejenige des § 2 Abs. 1 AMG im Wesentlichen entspricht. Nach § 2 Abs. 1 AMG sind unter (Human-)Arzneimitteln zum einen (Nr. 1) Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind (sog. Präsentationsarzneimittel), zum anderen (Nr. 2) aber auch solche Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen (sog. Funktionsarzneimittel).
Dieser arzneimittelrechtliche Begriff ist jedoch aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen der beiden Rechtsgebiete nicht deckungsgleich mit demjenigen des Beihilferechts. Das Beihilferecht enthält zwar keine Begriffsdefinition, sondern setzt den Begriff des Arzneimittels voraus (BayVGH, U. v. 13.12.2010 – 14 BV 08.198 – juris Rn. 26). Für die Abgrenzung des Arzneimittels von nach § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossenen Lebensmitteln ist nach ständiger Rechtsprechung, der sich das erkennende Gericht anschließt, die objektiv überwiegende Zweckbestimmung des Mittels für den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher entscheidend (BayVGH, U. v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – juris Rn. 30 ff.; B. v. 24.7.2014 – 14 ZB 14.1045 – juris Rn. 8). Dass ein Arzneimittel ärztlich verordnet wurde und als Arzneimittel nach § 2 Abs. 4 AMG registriert ist, also wie die streitgegenständlichen Vitamintabletten in der „Roten Liste“ verzeichnet und/oder mit einer Pharmazentralnummer (PZN) versehen ist, kann hingegen beihilferechtlich jeweils nur ein Indiz für die Arzneimitteleigenschaft darstellen (vgl. BayVGH, B. v. 24.7.2014 – 14 ZB 14.1045 – juris Rn. 8; U. v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – juris Rn. 28 f.). Maßgeblich ist im vorliegenden Falle, dass die streitgegenständlichen Vitamintabletten nach der objektiv überwiegenden Zweckbestimmung des Mittels für den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher nicht zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG dienen, sondern der Nahrungsergänzung (vgl. für „Vita Sprint B 12 Trinkampullen“ VG München, U. v. 17.8.2015 – M 17 K 15.1706 – juris). Darauf deuten auch die Herstellerangaben hin, wonach die Tabletten der „Therapie von Vitamin-C-Mangelzuständen (dienen), die ernährungsmäßig nicht behoben werden können“ (… abgerufen am 2.8.2016). Der vom Hersteller verwendete Begriff der Therapie kann in diesem Zusammenhang ersichtlich nicht als Behandlung einer Krankheit verstanden werden, sondern als Behebung eines ernährungsphysiologischen Mangels. Zu diesem Zweck würde jedoch auch ein durchschnittlicher Verbraucher nach der Lebenserfahrung unter Umständen auf die Vitamintabletten zurückgreifen, selbst wenn er seinen Vitaminbedarf ganz oder teilweise durch den Verzehr von Obst oder anderen vitaminhaltigen Nahrungsmitteln könnte.
Ein als Nahrungsergänzungsmittel bezeichnetes Produkt kann gleichwohl entsprechend dem durch Art. 1 Nr. 2 RL 2001/83/EG vorgegebenen, in § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG übernommenen Begriff des Funktionsarzneimittels als Arzneimittel angesehen werden, wenn eine pharmakologische Wirkung in Betracht kommt, wenn also durch das Produkt über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustandes und der Funktion des Körpers stattfindet. Diesen Begriff legt das Bundesverwaltungsgericht allerdings unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) einschränkend dahingehend aus, dass die Anwendung eines Arzneimittels die physiologischen Funktionen des menschlichen Körpers im Sinne eines Funktionsarzneimittels nur dann beeinflusst, wenn sie zu einer erheblichen Veränderung der Funktionsbedingungen des Organismus führt und Wirkungen hervorruft, die außerhalb der normalen im menschlichen Körper ablaufenden Lebensvorgänge liegen (BVerwG, U. v. 25.7.2007 – 3 C 21.06 – juris Rn. 28). Ausgehend hiervon wurde die Arzneimitteleigenschaft in der Rechtsprechung verneint u. a. für verschiedene hochdosierte Vitaminpräparate (BayVGH, U. v. 13.12.2010 a. a. O. juris Rn. 31; VG München, U. v. 17.8.2015 – M 17 K 15.1706 – juris, jeweils m. w. N.). Denn Vitamintabletten führen nicht zu einer solchen erheblichen Funktionsveränderung, weil sie keine Wirkungen hervorrufen, die außerhalb der normalen im menschlichen Körper ablaufenden Lebensvorgänge liegen. Vielmehr geht ihre Wirkung im Allgemeinen nicht darüber hinaus, dass dem Organismus lebensnotwendige Stoffe in konzentrierter Form zugeführt werden, welche er sich unter normalen Bedingungen auch aus der Nahrung ziehen kann. Hierauf abstellend liegt mit den streitgegenständlichen Vitamintabletten kein Arzneimittel vor, weil die Vitamintabletten – auch nach dem konkreten Einsatz im Falle des Klägers – keine pharmakologische Wirkung entfalten sollen, also gerade nicht über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustandes und der Funktion des Körpers erzielt werden soll. Vielmehr geht es hier einzig darum, den ernährungsphysiologischen Vitaminbedarf zu befriedigen, den der Kläger aufgrund seiner Erkrankung nicht auf andere Weise, z. B. durch den Verzehr von Obst oder anderen Nahrungsmitteln, (ausreichend) decken kann.
Es kann mithin offen bleiben, ob es sich bei den streitgegenständlichen Vitamintabletten um ein nach §§ 43 ff. AMG i. V. m. der nach § 45 Abs. 1 erlassenen Rechtsverordnung – Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel vom 24.11.1988, BGBl. I, 2150, AMVerkV – um ein apothekenpflichtiges Arzneimittel handelt, welches § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV in der hier maßgeblichen Fassung ab 1. Oktober 2014 als zusätzliches Tatbestandsmerkmal der Beihilfefähigkeit verlangt.
b) Es handelt sich bei den streitgegenständlichen Vitamintabletten auch schon begrifflich nicht um Medizinprodukte i. S. d. § 18 Satz 1 Nr. 4 BayBhV i. V. m. § 3 Nr. 1 bis 3 des Medizinproduktegesetzes – MPG (vgl. für „Vita Sprint B 12 Trinkampullen“ VG München, U. v. 17.8.2015 – M 17 K 15.1706 – juris).
c) Des Weiteren fällt das streitige Vitaminpräparat auch unter den Beihilfeausschluss nach § 18 Satz 4 BayBhV.
Es handelt sich zwar nicht um ein nach § 18 Satz 4 Nr. 3 BayBhV von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossenes Vitaminpräparat, das kein Fertigarzneimittel darstellt. Unter Fertigarzneimitteln sind nach § 4 AMG Arzneimittel zu verstehen, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden. Fertigarzneimittel sind hingegen nicht Zwischenprodukte, die für eine weitere Verarbeitung durch einen Hersteller bestimmt sind. Die streitgegenständlichen Vitamintabletten werden gerade im Voraus hergestellt sowie in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht und sind keine zur weiteren Verarbeitung durch einen Hersteller bestimmte Zwischenprodukte, mithin Fertigarzneimittel.
Die streitgegenständlichen Vitamintabletten sind jedoch nach § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, weil sie keine Arzneimittel darstellen, sondern als Nahrungsergänzungsmittel geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Güter des täglichen Bedarfs sind all diejenigen Kosten, die als allgemeine Lebenshaltungskosten dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung bei jedermann anfallen (Mildenberger, Beihilferecht, Bd. 1, A III, Anm. 3 zu § 22 BBhV). Maßgeblich ist auch hier die objektive Zweckbestimmung, wie sie sich aus der Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers darstellt. Danach handelt es sich hier, wie bereits ausgeführt, um Nahrungsergänzungsmittel (vgl. für „Vita Sprint B 12 Trinkampullen“ VG München, U. v. 17.8.2015 – M 17 K 15.1706 – juris).
Es kann auch nicht im Gegenschluss aus § 18 Satz 4 Nr. 3 BayBhV – wonach Vitaminpräparate, die keine Fertigarzneimittel darstellen, von der Beihilfe ausgeschlossen sind – gefolgert werden, dass andere Vitaminpräparate generell beihilfefähig sein sollen. Dies wäre dann anzunehmen, wenn § 18 Satz 4 Nr. 3 BayBhV eine abschließende Sondervorschrift gegenüber der Nr. 2 derselben Vorschrift für Vitaminpräparate darstellen würde. Für eine derartige Privilegierung von Vitaminpräparaten gegenüber vergleichbaren Präparaten wie z. B. Mineralstoffen ergeben sich aus der Verordnung jedoch keinerlei Hinweise. Vielmehr zeigt die systematische Stellung der Nr. 3 im Zusammenhang mit der Nr. 2 des § 18 Satz 4 BayBhV, dass eine Sonderregelung lediglich für solche Vitaminpräparate für erforderlich angesehen wurde, die keine Fertigarzneimittel darstellen, weil solche Vitaminpräparate eigens für den Verbraucher hergestellt werden und somit nicht i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 1 AMG im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden bzw. bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt bzw. die gewerblich hergestellt werden. Denn bei eigens für den Verbraucher hergestellten Präparaten liegt es nahe, diese als Arzneimittel und damit nicht als Güter des täglichen Bedarfs, letztlich mithin Lebensmittel, anzusehen. Aus diesem Grunde erschien dem Verordnungsgeber eine ausdrückliche Klarstellung notwendig. Hingegen ist bei Vitaminpräparaten, die wie Fertigarzneimittel hergestellt werden, entscheidend, ob diese nach der Verkehrsauffassung als Arzneimittel oder als Nahrungsergänzungsmittel anzusehen sind, die Güter des täglichen Bedarfs ersetzen sollen und deshalb bereits nach § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV von der Beihilfe ausgeschlossen sind (vgl. Mildenberger, Beihilferecht, Bd. 2, A V, Anm. 17 zu § 18 BayBhV).
d) Zweifel an der Vereinbarkeit des § 18 Satz 4 BayBhV mit höherrangigem Recht, insbesondere Verfassungsrecht, bestehen nach der Überzeugung des Gerichtes nicht. Der Verordnungsgeber verstößt zum einen nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 BV), in dem er in § 18 Satz 4 BayBhV bestimmte Mittel von der Beihilfefähigkeit generell ausschließt. Der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber ist bei der Ausgestaltung von Normen grundsätzlich berechtigt, aus sachlichen Gründen zu generalisieren und zu pauschalieren und dabei von durch die Erfahrung begründeten Gesamtbildern auszugehen (BVerfGE 11, 254; 17, 23; 21, 27). Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es nicht von vornherein willkürlich, wenn er sich beim generellen Ausschluss bestimmter Präparate und Behandlungsmethoden von der Zielsetzung leiten lässt, aufwendige Einzelfallprüfungen zu vermeiden. So hat der Verordnungsgeber in § 18 Satz 4 BayBhV mit dem Tatbestandsmerkmal der Eignung, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, zu erkennen gegeben, dass es dabei auf den konkreten Einsatzzweck des Präparats im Einzelfall nicht ankommen soll.
Des Weiteren kann der Kläger auch aus der Sicht der nach Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich abgesicherten beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht keinen Anspruch auf Beihilfegewährung ableiten, weshalb auch ein Verfahren nach § 49 Abs. 2 BayBhV (Härtefallregelung) von vornherein keinen Erfolg versprach. Die Gewährung von Beihilfe findet ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Sie ergänzt die Alimentation; dadurch soll der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten u. a. auch in Krankheits- oder Pflegefall gesichert werden (BVerfGE 106, 225/233; BVerwGE 118, 277/284 f.; BVerwG, U. v. 20.3.2008 – 2 C 49.07 – juris). Die verfassungsrechtlich verankerte Fürsorgepflicht fordert vom Dienstherrn, Vorkehrungen für den Fall besonderer finanzieller Belastungen durch Krankheits-, Geburts- oder Todesfälle zu treffen, damit der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie nicht gefährdet wird. Im verfassungsrechtlich durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Kernbereich der Fürsorgepflicht ist dafür Sorge zu tragen, dass der Beamte im Krankheitsfall nicht mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet bleibt, die er – in zumutbarer Weise – aus seiner Alimentation nicht bestreiten kann. Ob der Dienstherr seiner so umrissenen verfassungsrechtlichen Pflicht zur Fürsorge durch eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise Genüge tut, bleibt von Verfassungswegen seiner Entscheidung überlassen (BVerfG, a. a. O.).
Dem Dienstherrn ist es damit von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht verwehrt, im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Denn die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht fordert keine lückenlose Erstattung aller Kosten in Krankheits-, Geburts-, Pflege- oder Todesfällen, die durch die Leistungen einer beihilfenkonformen Krankenversicherung nicht gedeckt sind. Der Dienstherr muss zwar eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall gewährleisten. Das bedeutet jedoch nicht, dass er die Aufwendungen eines medizinisch notwendigen Arzneimittels in jedem Fall erstatten muss. Er kann grundsätzlich bestimmte Medikamente ganz oder teilweise von der Beihilfe ausschließen, solange er dadurch den Maßstab des medizinisch gebotenen nicht unterschreitet. Nach dem gegenwärtigen System nicht ausschließbar sind lediglich Aufwendungen, wenn der absehbare Erfolg einer Maßnahme von existenzieller Bedeutung oder notwendig ist, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens erledigen zu können (vgl. BVerfGE 106, 225/233; BVerwG, U. v. 31.1.2002 – 2 C 1.01 – NJW 2002, 2045 ff.; U. v. 28.5.2008 – 2 C 24.07 – juris m. w. N.).
Derartige Gründe stehen im vorliegenden Fall einem Beihilfeausschluss auch nicht ausnahmsweise entgegen. Zwar nimmt das Gericht zur Kenntnis, dass nach Angabe des Klägerbevollmächtigten aufgrund des täglichen Verbrauchs an Vitamintabletten monatlich ein erheblicher Geldbetrag aufzuwenden ist. Ausweislich der vorgelegten Rechnung kosten 500 Vitamin C-Tabletten des Herstellers W. zu je 1000 mg 107,80 Euro. Dieser Betrag bewegt sich jedoch noch nicht in einer Größenordnung, in der anzunehmen wäre, dass es dem Kläger nicht mehr möglich und zumutbar wäre, die Anschaffung aus den laufenden Ruhestandsbezügen zu bestreiten.
2. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg,
Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg,
schriftlich zu beantragen. Hierfür besteht Vertretungszwang.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte, Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 75,46 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Für die Streitwertbeschwerde besteht kein Vertretungszwang.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg,
Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.


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