Familienrecht

Zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gegen Rechtswegverweisungen

Aktenzeichen  22 C 17.375

Datum:
28.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GVG GVG § 17a Abs. 4 S. 3, Abs. 2 S. 3

 

Leitsatz

1 Für Klagen auf Akteneinsicht im Verfahren auf Abschluss eines Konzessionsvertrages ist der Rechtsweg zu den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit gegeben (Verweis auf BVerwG BeckRS 2016, 111168). (redaktioneller Leitsatz)
2 Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nach § 17a Abs. 4 S. 3 GVG ist ausschließlich die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs. Die Beschwerde kann nicht darauf gestützt werden kann, dass ein anderes Gericht innerhalb des Rechtswegs, in den die Streitsache verwiesen wurde, zur Entscheidung sachlich oder örtlich zuständig sei (Verweis auf BAG BeckRS 9998, 22753; VGH BW BeckRS 2006, 23808; BayVGH BeckRS 2014, 51291). (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Bindungswirkung des § 17a Abs. 2 S. 3 GVG gilt nur hinsichtlich des Rechtswegs. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 24 K 16.3633 2017-02-02 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt mit ihrer zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhobenen Klage die Verpflichtung der Beklagten, ihr Einsicht in alle Akten zu gewähren, die in einem Verfahren über die Neuvergabe der Konzession zur Nutzung des Gasversorgungsnetzes der Beklagten angefallen sind.
Durch Beschluss vom 2. Februar 2017, der Beklagten zugestellt am 8. Februar 2017, 3 erklärte das Verwaltungsgericht den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht München II – Kammer für Handelssachen.
Mit der am 17. Februar 2017 eingelegten Beschwerde beantragt die Beklagte, 5 unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht München I – Kammer für Handelssachen – zu verweisen.
Im angefochtenen Beschluss sei der Verwaltungsrechtsweg zutreffend für unzulässig erklärt worden. Da § 46 EnWG kartellrechtlich motiviert sei, handele es sich bei dem geltend gemachten Anspruch ebenfalls um einen solchen kartellrechtlicher Art. Für die demnach inmitten stehende Kartellsache sei sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Sinn und Zweck des § 33 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten im Bereich des Staatsministeriums der Justiz vom 11. Juni 2012 (GVBl S. 295; BayRS 300-3-1-J), zuletzt geändert durch Verordnung vom 28. August 2016 (GVBl S. 282), eine Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I örtlich und sachlich zuständig. Auch wenn ein Verweisungsbeschluss grundsätzlich nur hinsichtlich des Rechtswegs binde, trete eine Bindung hinsichtlich der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit dann ein, wenn das verweisende Gericht sie ohne Willkür gewollt und erklärt habe. Aus den Ausführungen auf Seite 7 des angefochtenen Beschlusses ergebe sich, dass das Verwaltungsgericht die von ihm angenommene Zuständigkeit des Landgerichts München II geprüft habe.
Das Verwaltungsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, so dass über sie ohne Anhörung der Klägerin entschieden werden konnte.
Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass der angefochtene Beschluss den Verwaltungsrechtsweg zu Recht verneint hat; angesichts der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. November 2016 (10 AV 1.16 – juris) begegnet die Richtigkeit dieses Standpunkts auch unabhängig hiervon keinen Zweifeln. Die Beklagte wendet sich vielmehr ausschließlich dagegen, dass der Rechtsstreit an das Landgericht München II – Kammer für Handelssachen – statt an das von ihr für zuständig erachtete Landgericht München I – Kammer für Handelssachen – verwiesen wurde.
Mit einem derartigen Vorbringen kann ein Beteiligter in einem Beschwerdeverfahren nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG nicht gehört werden. Gegenstand der auf ein solches Rechtsmittel hin ergehenden Beschwerdeentscheidung bildet ausschließlich die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs (Zimmermann in Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 4. Aufl. 2013, § 17a GVG Rn. 34), während die Beschwerde nicht darauf gestützt werden kann, dass ein anderes Gericht innerhalb des Rechtswegs, in den die Streitsache verwiesen wurde, zur Entscheidung sachlich oder örtlich zuständig sei (BAG, B.v. 20.9.1995 – 5 AZB 1/95 – NJW 1996, 742; VGH BW, B.v. 18.5.2006 – 12 S 664/06 – VBlBW 2007, 33; BayVGH, B.v. 5.5.2014 – 4 C 14.449 – juris Rn. 17; Kissel, GVG, 8. Aufl. 2015, § 17 Rn. 41). Diese Beschränkung des entscheidungserheblichen Beschwerdevorbringens rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass das Gericht, an das die Streitsache verwiesen wurde, nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG befugt ist, innerhalb „seines“ Rechtswegs eine Weiterverweisung an das von ihm als örtlich oder sachlich zuständig angesehene Gericht vorzunehmen (BAG, B.v. 20.9.1995 – 5 AZB 1/95 – NJW 1996, 742 m.w.N.). Das gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG angerufene Beschwerdegericht wäre vor diesem Hintergrund nicht in der Lage, mit verbindlicher Wirkung zu klären, welches Gericht eines anderen Rechtszugs über ein Rechtsschutzbegehren, für das der beschrittene Rechtsweg nicht eröffnet ist, nach der innerhalb des anderen Rechtszugs geltenden Ordnung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit zu befinden hat (BAG, B.v. 20.9.1995 a.a.O. S. 742). Ob anderes dann gilt, wenn die Bestimmung des Gerichts, an das verwiesen wurde, auf Willkür beruht (vgl. auch dazu BAG, B.v. 20.9.1995 a.a.O. S. 742) oder im Vorfeld des Verweisungsbeschlusses ein nicht mehr heilbarer Verfahrensmangel unterlaufen ist (HambOVG, B.v. 14.8.2000 – 3 So 54/00 – NVwZ-RR 2001, 203/204), kann dahinstehen, da eine solche Fallgestaltung hier nicht inmitten steht.
Aus dem Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 1. Oktober 2001 (2Z AR 1/01 – juris), auf den sich die Beklagte beruft, folgt ein anderes Ergebnis ebenso wenig wie aus dem in der letztgenannten Entscheidung in Bezug genommenen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26. November 1997 (XII ARZ 34/97 – FamRZ 1999, 501). Denn beide Entscheidungen betreffen die Sachverhaltsgestaltung, dass sich ein Amtsgericht in seiner Eigenschaft als Gericht der streitigen Zivilgerichtsbarkeit wegen Überschreitung des Streitwerts, bis zu dem die Amtsgerichte sachlich zuständig sind, für unzuständig erklärt und das Verfahren gemäß § 281 ZPO an das Landgericht verwiesen hatte. In beiden Fällen hat damit keine Rechtswegeverweisung, sondern eine Verweisung wegen sachlicher Unzuständigkeit stattgefunden. Nachdem die jeweils mit den Verfahren befassten Landgerichte zu der Auffassung gelangt waren, es stünden Rechtsschutzgesuche inmitten, die nicht vor den Gerichten der streitigen, sondern der freiwilligen Gerichtsbarkeit (in dem vom Bayerischen Obersten Landesgericht entschiedenen Fall vor dem Wohnungseigentums-, in dem vom Bundesgerichtshof behandelten Verfahren vor dem Familiengericht) anhängig zu machen seien, stellte sich die Frage, ob eine auf § 281 ZPO gestützte Verweisung wegen sachlicher Unzuständigkeit einer Weiterverweisung an ein Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit entgegensteht. Der Bundesgerichtshof und das Bayerische Oberste Landesgericht bejahten dies unter der Voraussetzung, dass das verweisende Gericht auch diese „andere“ Zuständigkeitsfrage (d.h. auf die die erfolgte Verweisung nicht gestützt wurde) geprüft und bejaht hat.
Mit der hier inmitten stehenden Konstellation, dass eine Verweisung nicht wegen sachlicher (oder örtlicher) Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts, sondern wegen fehlender Eröffnung des beschrittenen Rechtswegs erfolgte, ist die den Beschlüssen des Bundesgerichtshofs vom 26. November 1997 (XII ARZ 34/97 – FamRZ 1999, 501) und des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 1. Oktober 2001 (2Z AR 1/01 – juris) zugrunde liegende rechtliche Problematik angesichts der unterschiedlichen gesetzlichen Ausgangslage nicht vergleichbar. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO erklärt – ebenso wie § 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO in der bei Erlass der beiden letztgenannten Gerichtsentscheidungen geltenden Fassung – Verweisungsbeschlüsse als bindend, ohne die sachliche Reichweite dieser Bindung einzuschränken. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG ordnet bei Rechtswegeverweisungen eine solche Bindung demgegenüber nur „hinsichtlich des Rechtsweges“ an.
Dem entspricht auch der klar fassbare Wille des historischen Gesetzgebers. § 17a GVG wurde durch das Gesetz zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (4. VwGOÄndG) vom 17. Dezember 1990 (BGBl I S. 2809) mit Wirkung ab dem 1. Januar 1991 geschaffen. Die Begründung zum diesbezüglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 11/7030, S. 37) führt in Bezug auf § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG aus:
„Satz 3 spricht die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses aus. … Die aufdrängende Wirkung einer im Fall der Unzulässigkeit des Rechtsweges ergangenen Verweisungsentscheidung erstreckt sich nur auf den Rechtsweg. Hinsichtlich der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit bindet die Entscheidung nicht. Das verweisende Gericht muss zwar [die] sachliche und örtliche Zuständigkeit des Gerichts des anderen Gerichtszweiges prüfen und entscheiden. Dem Gericht des anderen Gerichtszweiges bleibt jedoch die Möglichkeit der Weiterverweisung.“
Angesichts dieses eindeutig feststellbaren Willens des historischen Gesetzgebers, der auch im Wortlaut des § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG Ausdruck gefunden hat, kann der unter Hinweis auf den Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 1. Oktober 2001 (2Z AR 1/01 – juris) beiläufig vertretenen Meinung von Hartmann (in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Aufl. 2017, § 17a GVG, Rn. 12), auf § 17a GVG gestützte Verweisungsbeschlüsse würden Bindungswirkung auch hinsichtlich anderer Zuständigkeitsgesichtspunkte als der Eröffnung des Rechtswegs entfalten, sofern das verweisende Gericht diese Bindung „ohne Willkür mitgewollt und erklärt“ habe, entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gefolgt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Anlass, gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG gegen diesen Beschluss die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zuzulassen, besteht nicht, da die Voraussetzungen des § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG nicht erfüllt sind. Insbesondere weicht die vorliegende Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht vom Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26. November 1997 (XII ARZ 34/97 – FamRZ 1999, 501) ab, da dieser nicht zu § 17a GVG, sondern zu § 281 ZPO ergangen ist. Die vereinzelt gebliebene Auffassung von Hartmann (in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Aufl. 2017, § 17a GVG, Rn. 12) verleiht der Rechtsfrage, ob auf § 17a GVG gestützte Verweisungsbeschlüsse Bindungswirkung auch hinsichtlich der sachlichen, örtlichen und funktionellen Zuständigkeit des Gerichts entfalten, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, und ob dies bejahendenfalls zur Folge hat, dass die aus der Sicht eines Verfahrensbeteiligten unzutreffende Beantwortung einer der letztgenannten Zuständigkeitsfragen im Rahmen einer Beschwerde nach § 17a Abs. 4 Satz 3 VwGO in beachtlicher Weise gerügt werden kann, angesichts der im Übrigen einhelligen Verneinung dieser Frage in Rechtsprechung und Schrifttum keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG.


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