Handels- und Gesellschaftsrecht

Anteilige Haftung für Liegegeldkosten und Ladungsschäden in Folge der weisungsbedingten Verweigerung der Löschung der Ladung bei einem internationalen Binnenschifffahrtstransport

Aktenzeichen  2 HK O 1833/16

Datum:
7.7.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 150063
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
CMNI Art. 3, Art. 8 Abs. 1 S. 2, Art. 14, Art. 15c

 

Leitsatz

1. Erteilt der Auftraggeber dem Frachtführer eines Binnenschifffahrttransportes die Weisung, eine bestimmte Barge nicht löschen zu lassen, hat er dem Frachtführer gemäß Art. 15c CMNI alle Kosten und Schäden zu ersetzen, die durch die Ausführung der Weisung entstanden sind. (redaktioneller Leitsatz)
2. Unter Billigkeitsgesichtspunkten kann von einer hälftigen Mitverursachung eingetretener Schäden ausgegangen werden, wenn Frachtführer und Weisungsgeber kollusiv zusammenwirken, indem sie sich in einer Abtretungserklärung darauf verständigen, im Verhältnis zu Absender und Empfänger der Ladung die wahren Vertragsverhältnisse zu verschleiern und damit dem Weisungsgeber abgetretene Rechte zu verschaffen, die ansonsten nicht zu begründen wären. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Unter Klageabweisung im übrigen wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 37.840,61 € zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreites werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Streitwert wird auf 75.629,21 € festgesetzt.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Regensburg ist gemäß Artikel 4 Abs. 1,5 Abs. 1 EuGGVO in Verbindung mit § 17 ZPO sachlich und örtlich zuständig. Es handelt sich um eine Handelssache im Sinne von § 95 GVG. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus Art. 15 c CMNI Anspruch auf Ersatz der ihr auf Grund der Weisung der Beklagten entstandenen Kosten und Schäden jedoch gem. Art 8 Abs. 1 S. 2 CMNI gekürzt durch mitverursachendes Verhalten auf die Hälfte der Klageforderung.
Das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten unterliegt dem Budapester Übereinkommen (CMNI), weil die Beklagte zur Überzeugung der Kammer die Klägerin mit der Beförderung der streitgegenständlichen Ladung Getreide am 12.06.2015 beauftragt hat. Diese Überzeugung gewinnt das Gericht aus den vorgelegten Anlagen. Aus der Anlage B 4 (4 Seiten) ergibt sich eindeutig, dass die Beklagte den Frachtauftrag zunächst von der Firma … unter den 12.06.2015 erhalten und noch am selben Tag an die Klägerin weiter gereicht hat. Konsequenterweise hat die Beklagte auch der Firma … – ihrer Vertragspartnerin – die vereinbarte Fracht in Höhe von 28.547,44 € am 26.06.2015 in Rechnung gestellt. Ebenso konsequent erfolgte unter den 28.06.2015 eine Inrechnungstellung der Fracht seitens der Klägerin in Höhe von vereinbaren 26.380,16 € an die Beklagte.
Soweit die Beklagte sich dahingehend positioniert hat, sie sei lediglich Vermittler jedoch nicht Auftraggeber der Klägerin gewesen, ist dieses Vorbringen in Anbetracht der Eindeutigkeit der vorgelegten Anlagen unerheblich. Demzufolge war gem Art. 3 CMNI die Klägerin verpflichtet, die Güter zu befördern und an den Empfänger abzuliefern. Nach Artikel 14 Abs. 1 CMNI ist der Absender also hier die Beklagte als Auftraggeberin über das Frachtgut verfügungsberechtigt und damit auch gegenüber der von ihr beauftragten Klägerin weisungsbefugt. Die Beklagte hat der Klägerin auch unstreitig am 07.07.2015 die Weisung erteilt, eine der beiden Bargen nicht löschen zu lassen.
Gem. Art. 15 c CMNI hat daher die Beklagte grundsätzlich der Klägerin als Frachtführer alle Kosten und Schäden ersetzen, die durch die Ausführung der Weisung entstanden sind.
Die der Klägerin insoweit entstandenen Kosten sind zum einen der Schadensersatz in Höhe von 45.978,21 €, den die Klägerin der Absenderin/Empfängerin geleistet hat sowie Liegekosten für zwei Leichter und ein Schubboot vom 06.07.2015 bis 12.07.2015 in Höhe von 6.120,00 € sowie für den verbleibenden Leichter vor Ort in der Zeit von 13.07.2015 bis 15.10.2015 in Höhe von 23.531,25 €. Maßgeblich für die Berechnung des Liegegeldes ist insoweit die zwischen der Beklagten und der Klägerin am 12.06.2015 getroffenen Liegegeldvereinbarung (Anlage B 4).
Das Bestreiten der Beklagten bzgl. des an der Ladung eingetretenen Schadens ist unerheblich, da ins Blaue hinein erfolgt. Insbesondere hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt, dass die Klägerin der Firma … Schadensersatz in behaupteter Höhe geleistet hat. Daneben liegt mit der Anlage K 3 ein qualifiziertes Gutachten über die eingetretenen Schäden an der Ladung vor, das die Beklagte inhaltlich nicht substanziiert angegriffen hat. Für die Kammer bestehen in Anbetracht aller zu berücksichtigenden Umstände keine Bedenken dahingehend, dass die Ladung tatsächlich zum Zeitpunkt der Entscheidung der Klägerin die Löschung zuzulassen, bereits teilweise unbrauchbar geworden war. Insoweit ist zu sehen, dass die Barge während der gesamten Zeit bei hoher Luftfeuchtigkeit im Hafen der Stadt … lag und mit der mit Oktober ein hergehenden Temperaturabsenkung unweigerlich zu verderben begonnen haben musste. Die Beklagte hat insoweit auch nicht für sich in Anspruch genommen, dass ihr keine Teilhabe an der Untersuchung am 14.10.2015 gewährt worden wäre. Vielmehr wäre die Beklagte jederzeit in der Lage gewesen, ihreseits im Oktober 2015 die Fracht auf Schäden zu untersuchen; sie hat sich vielmehr darauf beschränkt, die Klägerin nochmals auf die erteilte Weisung hinzuweisen und die Rückforderung der bezahlten Fracht anzudrohen. Deshalb hält die Kammer die Klägerseits behauptete Tatsache sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach für erwiesen.
Unter Berücksichtigung des unstreitig an die Klägerin abgetretenen Schadenersatzanspruches in Höhe von 45.978,21 € und im Hinblick auf die Liegekosten in Höhe von 29.651,00 € ergibt sich dem zufolge ein Kostenbetrag bei der Klägerin als Frachtführerin in Höhe von 75.629,21 €. Dieser Betrag ist unstreitig in Ausführung der Weisung der Beklagten gegenüber der Klägerin entstanden.
Der klägerische Anspruch auf Erstattung der durch die Weisung der Beklagten entstandenen Kosten ist jedoch im konkreten Fall gemäß Artikel 8 Abs. 1 Satz 2 CMNI um die Hälfte zu kürzen. Denn die Klägerin ihrerseits trifft ein anspruchsminderdes Verschulden am Entstehen der Kosten, das die Kammer hälftig wertet.
Denn das „Subrogation Agreement“ zwischen der Klägerin und der Beklagten stellt sich zur Überzeugung der Kammer als kollusives Zusammenwirken der Streitparteien zum Nachteil von Absender/Empfänger der Ladung dar. Dies ergibt sich daraus, dass sich die Streitparteien entgegen den in Anlage B 4 eindeutig gegebenen Vertragsverhältnissen in dieser Abtretungserklärung dahingehend verständigt haben, im Verhältnis zu Absender/Empfänger der Ladung die wahren Vertragsverhältnisse zu verschleiern und damit der Beklagten, die ihrerseits von ihrem Auftraggeber die Fracht nicht erhalten hatte, abgetretene Rechte im Verhältnis zu Absender und Empfänger zu verschaffen, die ansonsten nicht zu begründen gewesen wären. Um diesen Zweck zu erreichen, haben die Streitparteien in der Präambel der Abtretungvereinbarung wahrheitswidrig ausgeführt, dass die Klägerin einen Transportvertrag mit der … geschlossen und die Beklagte die von … der Klägerin geschuldete Fracht bezahlt habe. Damit wollten sowohl die Klägerin als auch die Beklagte erreichen, dass die Beklagte ein Pfandrecht an der Landung als Druckmittel gegenüber Absender/Empfänger erhalten sollte, zumal bereits zu diesem Zeitpunkt ersichtlich war, dass die Beklagte seitens ihres Auftraggebers der … die geschuldete Fracht nicht erhalten werde. Den Streitparteien war bei Abschluss dieser Abtretungserklärung bewusst, dass die Vertragsverhältnisse in der Präambel unzutreffend dargestellt worden waren, die Klägerin von der Beklagten die von jener geschuldete Fracht tatsächlich bereits erhalten hatte und damit ein Pfandrecht der Klägerin gar nicht entstehen hatte können. Gleichwohl hat sich auch die Klägerin an dieser Vereinbarung wissend um alle Umstände beteiligt. Die Klägerin hätte daher bereits am 06.07.2015 nach Erhalt der Fracht die Löschung der Ladung zulassen müssen. Insbesondere hätte die Klägerin Schadenersatzansprüche der Beklagten dabei nicht befürchten müssen.
Ausgehend von dieser Gesamtsituation hat zur Überzeugung der Kammer die Klägerin in Ausführung der Weisung der Beklagten entstandenen Kosten und Schäden selbst verantwortlich mitverursacht. Es entspricht daher der Billigkeit, den klägerischen Anspruch gegen die Beklagte gem. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 CMNI hälftig zu kürzen. Eine andere Quote entspricht in Anbetracht des kollusiven Zusammenwirkens der Streitparteien nicht der Billigkeit.
Der Einwand der Beklagten, die Klägerin sei aufgrund des „subrogation agreement“ nicht Anspruchsinhaber und damit nicht aktivlegitimiert, greift nicht. Zum einen hat die Klägerin damit nur ihrerseits bestehende Ansprüche – solche bestanden tatsächlich nicht, weil die Klägerin ihre Fracht bereits erhalten hatte – gegen Absender und Empfänger an die Beklagte abzutreten versucht, andererseits waren die Ansprüche aus Art. 14 CMNI gerade nicht Gegenstand der Abtretung.
Soweit die Beklagte Prozessaufrechnung mit einem nicht näher aufgeschlüsselten Betrag in Höhe von 63.198,69 € erklärt, geht diese ins Leere. Die Beklagte hat in Anbetracht des Frachtvertrages, den sie mit der Klägerin geschlossen hat, weder Anspruch auf Rückzahlung der Fracht noch auf Zahlung von Liegegeld aus vermeintlich abgetretenem klägerischem recht gegenüber Absender/Empfänger. Die Zustimmung der Klägerin zur Löschung der verbliebenen Ladung am 14.10.2015 war zur Meidung weiterer Schäden dringend geboten. Der Beklagtenseits insoweit erklärte Widerspruch war daher rechtlich bedeutungslos. Darüber hinaus stehen der Beklagten aber auch keinerlei Ansprüche auf Liegegeldzahlung gegen die Klägerin zu. Auch wenn das „Subrogation Agreement“ zwischen den Parteien nach nationalem Recht wirksam sein sollte, würde dies lediglich dazu führen, dass der Beklagten etwaige Liegegeldansprüche gegen Absender/Empfänger abgetreten worden wären. Solche sind jedoch nicht entstanden, da die Klägerin im Verhältnis zu Absender/Empfänger im Hinblick auf die Beklagtenseits fristgerecht bezahlte Fracht nicht zur Zurückbehaltung der Ladung berechtigt war. Umgekehrt ergaben sich aber aus der von der Beklagten erteilten Weisung zwangsläufig Ausfälle bei der Klägerin in Höhe der vereinbarten Liegegelder.
Es war daher zu entscheiden wie folgt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Verkündet am 07.07.2017


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