Handels- und Gesellschaftsrecht

Sofortige Beschwerde gegen eine Kostenentscheidung im Endurteil- eine einseitige Teilerledigterklärung

Aktenzeichen  7 W 1932/16

Datum:
6.6.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 113818
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 91a Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 99 Abs. 1, Abs. 2, § 269 Abs. 3, Abs. 5

 

Leitsatz

1 Da keine übereinstimmende teilweise Erledigterklärung, sondern nur eine einseitige Teilerledigterklärung vorliegt, ist keiner der Ausnahmetatbestände zu § 99 Abs. 1 ZPO erfüllt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Nach der Rechtsprechung des BGH muss eine Partei eine von § 91a ZPO vorausgesetzte Teilerledigungserklärung nicht wörtlich oder ausdrücklich abgeben. Es genügt vielmehr, wenn sich ihr hierauf gerichteter Wille konkludent im Wege der Auslegung ihres prozessualen Verhaltens ermitteln lässt. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

15 HK O 15108/15 2016-09-09 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen die Kostenentscheidung im Endurteil des Landgerichts München I vom 09.09.2016, Az. 15 HK O 15108/15, wird verworfen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12.981,35 € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Klägerin machte mit ihrer der Beklagten am 17.09.2015 zugestellten Klage in der Hauptsache restliche Kaufpreisansprüche gegen die Beklagte in Höhe von zunächst 1.097.228,45 € aus dem Verkauf einer … Universalstopfmaschine … an die Beklagte geltend. Zur Sicherung der Kaufpreisforderung der Klägerin und einer anderen, nicht streitgegenständlichen Forderung der . Partnerschaftsgesellschaft übereignete die Beklagte der Klägerin und der . Partnerschaftsgesellschaft die Schienenschleifmaschine . mit der Seriennummer …
Mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 05.02.2016, der dem Beklagtenvertreter noch am selben Tag ohne einen Hinweis nach § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO von Anwalt zu Anwalt zugestellt wurde, „reduzierte“ die Klägerin ihre Forderung um 211.671,90 € auf 885.556,50 € bei weiterhin voller Kostentragung durch die Beklagte mit der Begründung, dass die Klägerin und die . Partnerschaftsgesellschaft die sicherungsübereignete Schienenschleifmaschine, die einen Wert von 300.000,00 € abzüglich verauslagter Reparaturkosten von 64.808,99 € habe, am 05.02.2016 zur Verwertung in Eigenbesitz genommen hätten.
Mit Schriftsätzen ihrer Prozessbevollmächtigten vom 10.02.2016 und 14.03.2016 bestritt die Beklagte, dass das Sicherungsgut erst am 05.02.2016 verwertet worden sei. Vielmehr sei die Schienenschleifmaschine bereits im Frühjahr 2015 von der Klägerin verwertet worden.
Mit Schriftsatz der Klägervertreter vom 22.08.2016, der dem Beklagtenvertreter am 30.08.2016 ohne einen Hinweis nach § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO zugestellt wurde, „reduzierte“ die Klägerin unter Beibehaltung ihres Kostenantrages die Klageforderung auf 797.228,45 €. Begründet wurde die „Reduzierung“ damit, dass die . Partnerschaftsgesellschaft ihren 10-prozentigen Anteil am Sicherungsgut auf die Klägerin übertragen habe und die Klägerin darauf verzichte, die Reparaturkosten von 64.808.99 € von der Kaufpreisrestforderung in Abzug zu bringen.
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 02.09.2016 erwiderte die Beklagte, dass die Verwertung der Schleifmaschine schon im Jahr 2015 durch die Klägerin erfolgt sei.
Mit Endurteil vom 09.09.2016, der Klägerin zugestellt am 19.09.2016, verurteilte das Landgericht München I die Beklagte in der Hauptsache zur Zahlung von 797.228,45 € und wies die Klage im Übrigen ab. Die Kosten des Rechtsstreits wurden gemäß §§ 91 Abs. 1, 269 ZPO zu 1/3 der Klägerin und zu 2/3 der Beklagten auferlegt.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 20.09.2016 wendet sich die Klägerin gegen die landgerichtliche Kostenentscheidung. Die Kosten des Rechtsstreits seien zur Gänze der Beklagten aufzuerlegen. Die Klägerin habe nämlich ihre Klage nicht teilweise zurückgenommen. Vielmehr lägen zwei Teilerledigterklärungen vor, denen die Beklagte nicht entgegengetreten sei.
Die Beklagte erwidert, dass die sofortige Beschwerde der Klägerin gemäß § 99 Abs. 1 ZPO unzulässig sei. Die Klägerin hätte Berufung einlegen müssen.
Nach zwischenzeitlicher Unterbrechung des Verfahrens nach § 240 ZPO half das Landgericht München I mit Beschluss vom 23.05.2017 „aus den im angefochtenen Zwischenurteil genannten Gründen“ der sofortigen Beschwerde nicht ab.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 99 Abs. 1 ZPO unzulässig.
§ 99 Abs. 1 ZPO sieht vor, dass die Anfechtung einer Kostenentscheidung grundsätzlich nur durch die Einlegung eines Rechtsmittels in der Hauptsache erfolgen kann. Von diesem Grundsatz sieht das Gesetz nur eng umgrenzte Ausnahmen vor. Danach kann die Kostenentscheidung isoliert angefochten werden, wenn die Hauptsache durch eine aufgrund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurteilung erledigt ist (§ 99 Abs. 2 ZPO), wenn die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben (§ 91 a Abs. 2 ZPO) oder wenn die Klage wirksam zurückgenommen worden ist (§ 269 Abs. 5 ZPO) (BGH, Beschluss vom 28.02.2007, Az. XII ZB 165/06, Rdnr. 6 und 7). Zwar ist unter diesen Voraussetzungen eine einheitliche Kostenentscheidung auch insoweit isoliert anfechtbar, als sie neben dem Obsiegen und Unterliegen in dem zur Hauptsache entschiedenen Teil auch auf einer teilweisen Rücknahme, einer teilweisen Erledigung oder einem teilweisen Anerkenntnis beruht (BGH, Beschluss vom 28.02.2007, Az. XII ZB 165/06, Rdnr. 8), jedoch liegt im streitgegenständlichen Fall keiner der Ausnahmetatbestände der §§ 99 Abs. 2, 91a Abs. 2 oder § 269 Abs. 5 ZPO vor, so dass die Klägerin zur Korrektur der Kostenentscheidung Berufung gegen das Endurteil vom 09.09.2016 hätte einlegen müssen.
Die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt ein Anerkenntnis abgegeben.
Bei den „Reduzierungen“ der Klageforderung im Schriftsatz der Klagevertreter vom 05.02.2016 um 211.671,90 € und im Schriftsatz vom 22.08.2016 um weitere 88.328,05 € handelt es sich auch nicht – wie das Landgericht annahm – um Teilklagerücknahmen, sondern um konkludente Teilerledigterklärungen. Nach der Rechtsprechung des BGH muss eine Partei eine von § 91a ZPO vorausgesetzte Erklärung nämlich nicht wörtlich oder ausdrücklich abgeben. Es genügt vielmehr, wenn sich ihr hierauf gerichteter Wille konkludent im Wege der Auslegung ihres prozessualen Verhaltens ermitteln lässt (BGH, Beschluss vom 12.03.1991, Az. XI ZR 148/90, Rdnr. 12). Im streitgegenständlichen Fall kann den Erklärungen vom 05.02.2016 und 22.08.2016 kein anderer Sinn als der einer Erledigungserklärung beigelegt werden. Denn die Klägerin geht in beiden Schriftsätzen hinsichtlich der „Reduzierungen“ davon aus, dass die Verwertung der sicherungsübereigneten Schienenschleifmaschine und damit das erledigende Ereignis nach Rechtshängigkeit eingetreten ist, so dass die Kostenfolge die Beklagte träfe. Dass die Klägerin insoweit mit der für sie ungünstigen Kostenfolge des § 269 Abs. 3 ZPO zurücknehmen wollte, kann daher nicht angenommen werden, zumal sie in beiden infolge der „Reduzierungen“ neu gefassten Anträgen weiterhin die gesamten Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegen will (vgl. BGH, Beschluss vom 12.03.1991, Az. XI ZR 148/90, Rdnr. 13, Schulz in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage, München 2016, Rdnr. 29 zu § 91a ZPO). Damit liegt keine wirksame Teilklagerücknahme nach § 269 ZPO vor, die eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 5 ZPO eröffnen würde.
Es ist aber auch kein Fall der übereinstimmenden teilweisen Erledigterklärung nach § 91a Abs. 1 ZPO gegeben. Denn die Beklagtenseite hat den Teilerledigterklärungen der Klageseite vom 05.02.2016 und 22.08.2016 weder ausdrücklich noch konkludent noch durch Schweigen zugestimmt.
In ihrem Schriftsatz vom 10.02.2016 hat die Beklagtenseite nämlich ausdrücklich bestritten, dass die Verwertung des Sicherungsgutes erst am 05.02.2016 und damit nach Eintritt der Rechtshängigkeit der Klage am 17.09.2015 erfolgt sei. Sie behauptet vielmehr ausdrücklich, die Verwertung des Sicherungsgutes und damit das erledigende Ereignis sei bereits im Frühjahr 2015 und damit vor Rechtshängigkeit erfolgt. Die Beklagte widersetzt sich damit der Teilerledigterklärung der Klägerin vom 05.02.2016.
Selbst wenn man aber mit der Klägerin davon ausgehen sollte, dass die Beklagte der Teilerledigterklärung der Klägerin vom 05.02.2016 nicht entgegengetreten sei (Beschwerdeschriftsatz der Klägerin vom 20.09.2016, dort Seite 3, Bl. 140 d.A.), so würde dies zu keiner übereinstimmenden Erledigterklärung führen, da bloßes Schweigen auf eine Erledigterklärung nur im Fall des § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO ausreicht (Schulz in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage, München 2016, Rdnr. 29 zu § 91a ZPO). Hier fehlt es aber vorliegend an dem dort geforderten Hinweis auf die Folgen eines Schweigens auf die Erledigterklärung, der auch bei anwaltlich vertretenen Parteien nicht entbehrlich ist (BGH, Beschluss vom 11.03.2009, Az. VIII ZB 70/07, Rdnr. 10).
Die Beklagte hat aber auch der Teilerledigterklärung vom 22.08.2016 nicht zugestimmt. Vielmehr hat sie im Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 02.09.2016 erneut darauf hingewiesen, dass sich die Klägerin bereits Anfang 2015 den Besitz an der Schienenschleifmaschine verschafft habe, so dass die Verwertung und damit das erledigende Ereignis iSd. § 91 a ZPO bereits vor Rechtshängigkeit eingetreten sei. Im Übrigen gilt auch hier -wie bereits oben dargelegt -, dass die Beklagte jedenfalls der Teilerledigterklärung nicht zugestimmt hat und selbst ein von der Beklagten behauptetes Schweigen der Beklagten auf die Teilerledigterklärung nach § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO nicht für eine übereinstimmende Erledigterklärung ausgereicht hätte.
Da nach alledem auch keine übereinstimmende teilweise Erledigterklärung, sondern nur eine einseitige Teilerledigterklärung vorliegt, ist keiner der Ausnahmetatbestände zu § 99 Abs. 1 ZPO erfüllt. Bei einer lediglich einseitigen Erledigterklärung der Hauptsache ist gegen die Kostenentscheidung die sofortige Beschwerde nicht eröffnet (auch nicht in entsprechender Anwendung des § 91a Abs. 2 ZPO), so dass die Klägerin gegen das Endurteil hätte Berufung einlegen müssen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 17.05.2016, Az. 1 W 9/16, Rdnr. 4 und 5 mit eingehender Begründung, auf die Bezug genommen wird). Im Berufungsverfahren hätte sodann die Kostenentscheidung korrigiert werden können, wenn die ursprünglich erhobene Klage zunächst zulässig und begründet war und nach Eintritt der Rechtshängigkeit durch den Eintritt eines erledigende Ereignisses unzulässig oder unbegründet wurde.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem Kosteninteresse der Parteien. Zugrundegelegt wurde jeweils ein Drittel der Gerichtskosten in Höhe von 17.088,00 € und der Anwaltskosten in der in den Kostenausgleichsanträgen vom 19.09.2016 (Bl. 142/143 d.A.) und 20.09.2016 (Bl. 144/145 d.A.) geltend gemachten Höhe.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand kein Anlass. Weder hat die Entscheidung grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.


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