IT- und Medienrecht

Aufwendungen in Folge eines Arbeitsunfalls

Aktenzeichen  53 O 1800/17

Datum:
9.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 59253
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
SGB VII § 110
ZPO § 62 Abs. 1, § 85 Abs. 1 S. 2
BGB § 254, § 432 Abs. 2, § 425 Abs. 2, § 428, § 429 Abs. 3
SGB X § 117 Abs. 1
UVV § 36
RVO § 640

 

Leitsatz

Über einen Feststellungsantrag kann grundsätzlich nicht durch umfassendes Grundurteil entschieden werden (vgl. BGH NJW 2009, 2814). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte dem Grunde nach der Klägerin für gemäß § 110 SGB VII erstattungsfähige Aufwendungen bis zur Höhe des fiktiven zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches haftet, die der Klägerin anlässlich des Unfalls des Herrn A. G., geboren am …, vom 15.12.2011 in I., K.gasse, entstanden sind, beschränkt auf das sich aus dem Recht der Klägerin zur Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Beklagten gegen seinen Haftpflichtversicherer, die … Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand M. K., M. S., R. S., H. T., E. Straße 9 – 15, 6. M., Versicherungsnummer … ergebende Pfandrecht in Höhe der Leistungen aus de Entschädigungsforderung gegen den Haftpflichtversicherer des Beklagten, die … Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand M. K., M. S., R. S., H. T., E. Straße 9 – 15, 6. M., Versicherungsnummer … Es wird festgestellt, dass die Höhe des fiktiven zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches wegen eines Mitverschuldens des Zeugen G. in Höhe von 35 Prozent auf 65 Prozent des Schadens beschränkt ist.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren gemäß § 110 SGB VII erstattungsfähigen Aufwendungen bis zur Höhe des fiktiven zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches zu erstatten, die der Klägerin anlässlich des Unfalls des Herrn A. G., geboren am …1977, vom 15.12.2011 in I., K.gasse, entstanden sind und noch entstehen werden, beschränkt auf das sich aus dem Recht der Klägerin zur Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Beklagten gegen seinen Haftpflichtversicherer, die … Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand M. K., M. S., R. S., H. T. E. Straße 9 – 15, 6. M., Versicherungsnummer … ergebende Pfandrecht in Höhe der Leistungen aus der Entschädigungsforderung gegen den Haftpflichtversicherer des Beklagten, die … Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand M. K., M. S., R. S., H. T., E. Straße 9 – 15, 6. M., Versicherungsnummer … Es wird festgestellt, dass die Höhe des fiktiven zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches wegen eines Mitverschuldens des Zeugen G. in Höhe von 35 Prozent auf 65 Prozent des Schadens beschränkt ist.
3. Die Entscheidung über die Höhe des Anspruchs gemäß Klageantrag zu 1) sowie über die Kosten bleibt im Übrigen dem Endurteil vorbehalten.

Gründe

A.
Die Klage ist zulässig.
Insbesondere liegt keine notwendige Streitgenossenschaft nach § 62 Abs. 1 ZPO vor. Zwar sind die Klägerin und die Deutsche Rentenversicherung als Unfallversicherungsträgerin und Rentenversicherungsträgerin in analoger Anwendung des § 117 Abs. 1 SGB X wie Gesamtgläubiger zu behandeln. Als Konsequenz hieraus kann jeder Sozialversicherungsträger, vorliegend also auch die Klägerin als Unfallversicherungsträgerin bis zur Höhe der von ihr erbrachten Sozialleistungen die gesamte Ersatzleistung einfordern, wobei eine solche Leistung des Beklagten an die Klägerin Befreiungswirkung gemäß § 428 BGB im Hinblick auf den weiteren Sozialversicherungsträger, hier die Deutsche Rentenversicherung, hat. Es besteht also gerade nicht die Gefahr, dass der Beklagte über den fiktiven zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch hinaus in Anspruch genommen wird, denn er kann gegenüber der Deutschen Rentenversicherung nach Zahlung des vollen fiktiven zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch an die Klägerin Erfüllung einwenden. Auch ist die Klägerin nicht darauf beschränkt, den ihr im Innenverhältnis zur Deutschen Rentenversicherung aufgrund ihrer Aufwendungen zustehenden Anteil des fiktiven zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches gegenüber dem Beklagten geltend zu machen. Nur untereinander sind die Sozialversicherungsträger gemäß § 117 S. 2 SGB X analog im Verhältnis ihrer Sozialleistung zum Ausgleich verpflichtet. Im Außenverhältnis zur beschränkt haftenden Person gilt dies aber gerade nicht (siehe zum Ganzen den Aufsatz von Irina Vatter, der Regress gemäß § 110 SGB VII bei konkurrierenden Ansprüchen mehrerer Sozialversicherungsträger, NZV 2010, 537, mit ausführlicher Begründung und weiteren Nachweisen).
Dass Ansprüche der Deutschen Rentenversicherung gegen den Beklagten verjährt sein könnten, dürfte keine Auswirkung auf den vorliegenden Prozess haben. Der Verjährungseinrede gegenüber einzelnen Gesamtgläubigern kommt keine irgendwie geartete Gesamtwirkung zu. Sie betrifft nur das Verhältnis zwischen dem Beklagten und demjenigen Sozialversicherungsträger, der seinen Anspruch hat verjähren lassen, vergleiche §§ 432 Abs. 2, 429 Abs. 3, 425 Abs. 2 BGB. Bei einer Mehrheit von Gläubigern lässt der eventuelle Verjährungseintritt in der Person eines Gläubigers die Ansprüche der übrigen Gläubiger unberührt (siehe zur Verjährung bei Gesamtschuldnern grundlegend BGH, Urteil vom 21.2.1985, VII ZR 72/84, NJW 1985, 1551). Dass dem Beklagten vorliegend das ihm möglicherweise zustehende Leistungsverweigerungsrecht gegenüber der Deutschen Rentenversicherung im Ergebnis nichts nützt, liegt daran, dass er gegenüber allen Sozialversicherungsträgern zu unterschiedlichen Leistungen (jeweiliger Aufwendungsersatz) verpflichtet ist, die lediglich der Höhe nach durch dieselbe Beschränkung begrenzt sind (Höhe des fiktiven Schadensersatzes). Verjähren kann ohnehin nur der Aufwendungsersatzanspruch, nicht aber dessen Begrenzung der Höhe nach. Diese Lösung ist auch vom Ergebnis her zutreffend: Andernfalls würde die beschränkt haftenden Person besser stehen, wenn (wie vorliegend) zwei Sozialversicherungsträger Leistungen erbringen und einer von ihnen seine Ansprüche vor Zahlung der beschränkt haftenden Person an den anderen Sozialversicherungsträger verjähren lässt, gegenüber den folgenden beiden Vergleichsfällen: Erstens wenn zwei Sozialversicherungsträger Leistungen erbringen und die vollständige Zahlung der beschränkt haftenden Person an einen Sozialversicherungsträger vor Ablauf irgendeiner Verjährungsfrist erfolgt (dann Frage des Innenregresses zwischen den Sozialversicherungsträgern); zweitens wenn nur ein Sozialversicherungsträger Leistungen erbringt und diese geltend macht. In den beiden letztgenannten Fällen greift auch keine Beschränkung zugunsten des Beklagten. Es besteht daher auch keine Veranlassung, von dem Grundsatz der vollen Haftung des Beklagten im vorliegenden Fall aus Billigkeitsgründen abzuweichen.
B.
Die Klage ist nach der bisher erfolgten Beweisaufnahme jedenfalls in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet.
I. Die Haftung des Beklagten dem Grunde nach ergibt sich aus § 110 SGB VII. Die Vorschrift bestimmt Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines originären Ersatzanspruchs des Sozialversicherungsträgers gegen den in seiner Haftung beschränkten Schädiger, wenn dieser den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführt. Das Verschulden braucht sich dabei nur auf das den Versicherungsfall verursachende Handeln oder Unterlassen zu beziehen.
Nach der Beweisaufnahme zum Bestehen des Anspruchs aus § 110 Abs. 1 SGB VII dem Grunde nach steht für das Gericht fest, dass der Beklagte den Versicherungsfall objektiv wie auch subjektiv grob fahrlässig herbeigeführt hat:
Der Begriff der groben Fahrlässigkeit richtet sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen. Nach stRspr der Zivilsenate des BGH handelt derjenige grob fahrlässig, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsse; im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muss es sich bei einem grob fahrlässigen Verhalten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (BGH NJW 2007, 2988 mwN). Es muss sich aber um einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß handeln, so dass es in aller Regel erforderlich ist, nicht nur zur objektiven Schwere der Pflichtwidrigkeit, sondern auch zur subjektiven (personalen) Seite konkrete Feststellungen zu treffen; es darf nicht schon aus einem objektiv groben Pflichtenverstoß allein deshalb auf ein entspr. gesteigertes personales Verschulden geschlossen werden, weil ein solches häufig damit einherzugehen pflegt (BGH NJW 1988, 1265). Vielmehr erscheint eine Inanspruchnahme des haftungsprivilegierten Schädigers im Wege des Rückgriffs nur dann gerechtfertigt, wenn eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, die das in § 276 Abs. 1 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet (BGH NJW 2001, 2092). Daher stellt auch nicht jeder Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften (UVV) für sich schon eine schwere Verletzung der Sorgfaltspflicht im Sinne einer groben Fahrlässigkeit dar; vielmehr ist bei Anwendung des § 110 Abs. 1 S. 1 eine Wertung des Verhaltens des Schädigers geboten, in die auch die weiteren Umstände des Einzelfalls einzubeziehen sind (siehe zum Ganzen BeckOK SozR/Stelljes, 54. Ed. 1.3.2018, SGB VII § 110 Rn. 16 mwN).
Vorliegend hat der Beklagte gegen die UVV für Krane verstoßen: Nach § 36 darf der Kranführer Personen mit der Last oder der Lastaufnahmeeinrichtung, zu der die Gitterbox gehört, nicht befördern, angehobene Lasten oder angehobene Lastaufnahmemittel dürfen nicht betreten werden. Selbst das Befördern von Personen mit Personenaufnahmemitteln und das Arbeiten von diesen Personenaufnahmemitteln aus, zu denen die vorliegend genutzte Gitterbox unstreitig nicht zählt, ist nur dann gestattet, wenn der Unternehmer geeignete Sicherheitsmaßnahmen trifft und die beabsichtigten Vorhaben der Berufsgenossenschaft schriftlich mitteilt.
Gegen diese Vorschrift wurde vorliegend verstoßen. Der Beklagte selbst hat in seiner informatorischen Anhörung erklärt hat, die Gitterbox sei ausschließlich für Materialien gewesen. Ihm sei auch klar gewesen, dass der Transport von Personen gegen die Unfallverhütungsvorschriften verstoße. Er habe natürlich gewusst, dass er mit der Box keinen Menschen hochheben dürfe. Er selbst habe auch noch nie zuvor Personen in einer solchen Gitterbox transportiert habe. Dass er den Transport an einer Gitterbox an einem Kran (und nicht mit dem Gabelstapler) überhaupt schon einmal gesehen hat, musste der Beklagte auf Nachfrage ebenfalls verneinen. Von einem „branchenüblichen Schlendrian“ kann damit entgegen der Behauptung des Beklagtenvertreters bereits nach Angaben des Beklagten nicht ausgegangen werden. Diese decken sich auch mit den Angeben des Zeugen R. Der Beklagte gab weiter an, er könne sich selbst nicht erklären, warum er den Zeugen G2. mit einem Kran in der Gitterbox hochgehoben habe, zumal von den vier am Kran befindlichen Ketten mit Haken nur zwei Haken an zwei gegenüberliegenden Ecken der Box befestigt wurden. Auch habe der Zeuge G2. keinen Helm getragen und sei nicht an der Box gesichert gewesen. Es wurden schlicht keinerlei Sicherungsmaßnahmen seitens des Beklagten ergriffen. Die Aussagen der vernommenen Zeugen konnten insofern den Unfallhergang auch nicht über den Beklagtenvortrag hinaus weiter aufklären, jedenfalls ist aber das Gericht bereits nach den Angaben des Beklagten selbst, welche das Gericht trotz entgegenstehendem Tatsachenvortrag des Beklagtenvertreters nach § 85 Abs. 1 S. 2 ZPO zugrundezulegen hat und für authentisch, und nachvollziehbar hält, von der objektiv wie subjektiv groben Fahrlässigkeit des Handelns des Beklagten überzeugt:
Besteht – wie hier – die Pflichtverletzung des Schädigers in einem Verstoß gegen eine Unfallverhütungsvorschrift, so kommt es darauf an, ob es sich um eine Unfallverhütungsvorschrift handelt, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befasst und somit elementare Sicherungspflichten zum Inhalt hat. Dabei spielt insbesondere eine Rolle, ob der Schädiger nur unzureichende Sicherungsmaßnahmen getroffen oder von den vorgeschriebenen Schutzvorkehrungen völlig abgesehen hat, obwohl die Sicherungsanweisungen eindeutig waren. Im letzteren Fall kann der objektive Verstoß gegen elementare Sicherungspflichten ein solches Gewicht haben, dass der Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden gerechtfertigt ist (vgl. Senat, NJW 1989, 339 = LM § 640 RVO Nr. 23 = VersR 1989, 109 [110]). § 36 der UVV für Krane dient dem Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren. Sie hat eine elementare Sicherungspflicht zum Inhalt. Dass ein Sturz von einer mittels Kran bewegten Lasteneinrichtung ohne Helm oder Anseilung zum Tod führen kann, steht jedermann klar vor Augen. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift hat deshalb ein solches Gewicht, dass er schon für sich den Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden nahe legt. Dies gilt erst recht, wenn der Sicherungspflichtige – wie hier – jegliche Schutzvorkehrungen versäumt hat, so dass schon ein bloßer Fehltritt in der nur an zwei Ecken befestigten Box zu einem tödlichen Sturz führen konnte. Die Deutlichkeit und das Maß der Gefährdung, der der Beklagte seinen Mitarbeiter ausgesetzt hat, kennzeichnen seinen Pflichtverstoß als derart unentschuldbar, dass sich die Bewertung seines Versäumnisses als grob fahrlässig i.S. von § 110 I SGB VII aufdrängt. In derartigen Fällen hat der Senat in dem Versäumnis des Schädigers eine besonders krasse und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung erblickt (BGH, NJW 2001, 2092, beckonline). Außerdem hätte jedem und eben auch dem Beklagten einleuchten müssen, dass man für den ohnehin unzulässigen Transport des Zeugen G2. zumindest die Gitterbox an allen vier Ecken hätte befestigen müssen, um wenigstens ein Mindestmaß an Stabilität zu gewinnen. Dies gilt unabhängig vom Gewicht der Laterne und der Absturzhöhe. Eine entsprechende Sicherung wäre aufgrund der örtlichen Situation und dem vorhandenen Material (Kranketten) auch ohne Weiteres möglich gewesen. Auch insofern liegt eine besonders krasse und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung des Beklagten vor. Dass der Beklagtenvertreter die ständige Rechtsprechung des BGH unlogisch findet, ändert an dieser rechtlichen Bewertung nichts. Folgte man nämlich der Ansicht des Beklagtenvertreters, dass subjektiv grobe Fahrlässigkeit bereits dann ausgeschlossen wäre, wenn die Beteiligten nicht daran denken, dass ihr objektiv grob fahrlässiges Tun tatsächlich so gefährlich war, wie es in Wirklichkeit der Fall war (siehe Bl. 188 d.A), so gäbe es überhaupt keinen Anwendungsfall für grobe Fahrlässigkeit mehr.
Mit Blick auf die Höhe des bestehenden Anspruchs steht bezüglich der Obergrenze des Anspruchs, nämlich dem fiktiven zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch, nach erfolgter Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass den Zeugen G2. ein Mitverschulden trifft.
Der nach § 110 Abs. 1 in Anspruch genommene Schuldner kann ein Mitverschulden des Unfallversicherungsträgers zB bei falscher Beratung zu Unfallverhütungsmaßnahmen oder bei Übersehen von UVV-Verstößen sowie ein Mitverschulden des Verletzten dem Unfallversicherungsträger gegenüber entsprechend § 254 Abs. 1 BGB einwenden. Eine direkte Anwendung des § 254 BGB scheidet aus, weil es sich bei dem Anspruch nach § 110 nicht um einen von dem Geschädigten abgeleiteten Schadensersatzanspruch, sondern um originären Rückgriffsanspruch handelt, der einen „Schaden“ iSv § 254 Abs. 1 BGB nicht zur Voraussetzung hat. Aus dem Umstand, dass es sich bei dem Rückgriffsanspruch nach § 110 um einen selbständigen, originären Anspruch und nicht um ein von dem Geschädigten abgeleitetes Recht handelt, folgt, dass ein Mitverschulden des Geschädigten die Haftung des Schädigers nicht mindert. Ein Mitverschulden des Geschädigten wirkt sich aber dahin aus, dass sich dadurch die Höhe eines (fiktiven) zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs nach § 254 BGB mindert, der seinerseits den Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen des Sozialversicherungsträgers der Höhe nach begrenzt (siehe zum Ganzen BeckOK SozR/Stelljes, 54. Ed. 1.3.2018, SGB VII § 110 Rn. 20).
Die Beweisaufnahme hat insofern ergeben, dass jedenfalls die Idee, die Laterne entsprechend dem tatsächlichen Ablauf aufzuhängen, von dem Zeuge G2. stammte. Dies hat der Zeuge R1. so angegeben, dessen Aussage nach Richterwechsel im Urkundsbeweis zu verwerten ist. Da der Beklagte und die übrigen Zeugen insofern angaben, keine Erinnerung zu haben und keine abweichenden Angeben machen konnten, hat das Gericht keinerlei Anlass, an dem Wahrheitsgehalt der protokollierten Aussage des Zeugen R1. zu zweifeln. Das sich hieraus ergebende Mitverschulden des Zeugen G2. bemisst das Gericht auf 35 Prozent, denn auch wenn die Idee zur Umsetzung vom Zeugen G2. stammte, so wurde er entsprechend der Aussage des Zeugen R1. doch auf Weisung des Beklagten tätig. Im Übrigen trug der Beklagte als Arbeitgeber die Hauptverantwortung für die Sicherheit seines Arbeitnehmers. Der fiktive Schadensersatzanspruch ist somit auf 65 Prozent gemindert.
II.
Mit Blick auf den Feststellungsantrag zu 2) war ein Teilendurteil zu erlassen. Über einen Feststellungsantrag kann grundsätzlich nicht durch umfassendes Grundurteil entschieden werden (BGH NJW 2009, 2814 Rn. 10; 2003, 2380 (2381); 2002, 302 (303); 2000, 1572; NJW-RR 1994, 319; 1992, 531; aA Foerster ZZP 127 (2014), 203 (218 f.)). Etwas anderes gilt, wenn der Kläger mit einer Leistungsklage auf bezifferten Schadenersatz den Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz eines weitergehenden Schadens verbindet (BGH NJW 2009, 2814 Rn. 10). Zwar kann kein umfassendes Grundurteil ergehen. Das Gericht kann aber über die Leistungsklage mit Grundurteil entscheiden und dieses – dann zwingend (BGH NJW 2009, 2814 Rn. 10) – mit einem (Teil-)Endurteil über den Feststellungsantrag zu einem Grund- und Teilurteil verbinden (BGH NJW 2009, 2814 Rn. 10; OLG Hamm BeckRS 2016, 14112; OLG Koblenz BeckRS 2011, 02738).
Da die Verletzungen des Zeugen G2. unstreitig nicht ausgeheilt sind, war mit Blick auf zukünftige Schäden die Haftung des Beklagten mit einer Begrenzung des fiktiven Schadensersatzanspruches entsprechend dem Mitverschuldensanteil des Zeugen G2. festzustellen.
Verkündet am 09.12.2019
Verfügung
1. Urteil vom 09.12.2019 mit Bitte um Mitteilung für den Fall der Berufungseinlegung hinausgeben an:
Prozessbevollmächtigte der Klägerin B. zustellen
Prozessbevollmächtigter des Beklagten M. zustellen
2. Wiedervorlage 2 Monate (Akte von OLG angefordert? Ansonsten Sachstandsanfrage bei PV)


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