IT- und Medienrecht

Keine Feststellungsklage des Käufers eines vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs gegen Herstellerin bei abgeschlossener Schadensentwicklung zulässig

Aktenzeichen  8 U 1281/20

Datum:
26.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51990
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 123, § 134, § 218, § 278, § 438, § 826
ZPO § 256 Abs. 1, § 287, § 522 Abs. 2
EGFGV § 27 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ein Hersteller oder Lieferant ist nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers im Rahmen von dessen kaufrechtlichen Pflichten; dies gilt auch für die Fahrzeugbranche (stRspr BGH BeckRS 2020). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist die Schadensentwicklung schon bei Klageerhebung abgeschlossen, steht dem Käufer eines vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs grundsätzlich nur die Leistungsklage – und nicht die Feststellungsklage – zur Verfügung. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

33 O 279/19 2020-01-29 Endurteil LGINGOLSTADT LG Ingolstadt

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 29.01.2020, Az. 33 O 279/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht für den Kläger und Berufungsführer Gelegenheit zur Stellungnahme bis 23.12.2020.
3. Der Senat beabsichtigt weiter, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 46.890,00 € festzusetzen.

Gründe

A.
Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann eine Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Beides ist vorliegend nicht der Fall. Das Landgericht hat die Klage zutreffend abgewiesen.
Bezüglich der Beklagten zu 1) gilt dies aus folgenden Gründen:
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs und Zahlung einer von der Beklagten zu 1) noch darzulegenden Nutzungsentschädigung (Klageantrag Ziffer 1).
1.1. Ein hierauf gerichteter bereicherungsrechtlicher Anspruch aus Leistungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 S.1 1.Alt. BGB besteht nicht.
Der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag ist entgegen der Auffassung der Berufung wirksam, d.h. die Beklagte zu 1) hat den Kaufpreis nicht ohne Rechtsgrund erlangt.
a. Der Kaufvertrag ist nicht gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig.
Zwar können europäische Rechtsvorschriften Verbotsgesetze i.S.d. § 134 BGB unter der Voraussetzung sein, dass die betreffende Norm ein konkretes Verbot ausspricht und im Verhältnis zwischen den beteiligten Privatrechtssubjekten unmittelbar anwendbar ist (vgl. BeckOGK/Vossler, 1.9.2020 Rn. 37, BGB § 134 Rn. 37).
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt jedoch das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit – hier zum Abschluss des Kaufvertrags über das streitgegenständliche Fahrzeug – veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich des vom Kläger als verletzt gerügten § 27 Abs. 1 EGFGV (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962).
Dient besagte Norm nicht dem Schutz der individuellen Vermögensinteressen der Fahrzeugkäufer, ist ihr auch eine Nichtigkeitssanktion betreffend die einzelnen Kaufverträge nicht zu entnehmen.
b. Eine Nichtigkeit des Kaufvertrages lässt sich zudem nicht auf eine Arglistanfechtung gemäß § 123 BGB stützen.
(1) § 123 Abs. 1 BGB würde grundsätzlich eine Täuschung durch die Beklagte zu 1) voraussetzen. Diese darf jedenfalls nicht Dritte im Sinne des § 123 Abs. 2 S.1 BGB gewesen sein.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein am Zustandekommen eines Vertrags Beteiligter dann nicht Dritter im Sinne der genannten Vorschrift, wenn sein Verhalten dem des Anfechtungsgegners gleichzusetzen ist (vgl. BGH, NJW-RR 1992, 1005; NJW 1996, 1051). Dies ist über den Bereich der gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertretung hinaus auch bejaht worden bei einem vom Erklärungsempfänger beauftragten Verhandlungsführer oder -gehilfen (vgl. BGH NJW 1967, 1026) sowie bei einem Beteiligten, dessen Verhalten sich der Erklärungsempfänger wegen besonders enger Beziehungen zwischen beiden oder wegen sonstiger besonderer Umstände billigerweise zurechnen lassen muss (vgl. BGH, NJW 1989, 2879; NJW 1996, 1051).
In Bezug auf einen Fall zum sogenannten Dieselskandal hat der BGH zwischenzeitlich ausgesprochen, dass eine solche Beziehung zwischen (Vertrags-)Händler und Herstellerin, die aus Billigkeitsgründen eine Zurechnung des Verhaltens der Herstellerin gebieten würde, bezüglich des allein maßgeblichen Abschlusses des Kaufvertrags mit dem Kunden ersichtlich nicht bestehe. Weiter sei höchstrichterlich geklärt, dass sich die Zurechnung des Verhaltens einer sonstigen Hilfsperson nach denselben Maßstäben wie bei § 278 BGB bestimme, so dass es darauf ankomme, ob eine von ihr vorgenommene Handlung zu dem allgemeinen Umkreis des Aufgabenbereichs gehöre, zu dessen Wahrnehmung sie bestellt sei (vgl. BGH, Urt. v. 28.09.1988 – VIII ZR 160/87, NJW 1989, 287 unter II 4 c; Urt. v. 30.03.2011 – VIII ZR 94/10, NJW 2011, 2874 Rn. 16; jeweils mwN). Wie der Senat aber in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen habe, sei ein Hersteller oder Lieferant nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers im Rahmen seiner kaufrechtlichen Pflichten (vgl. etwa BGB, Urt. vom 02.04.2014 – VIII ZR 46/13, BGHZ 200, 337 Rn. 31 mwN). Dies gelte auch für die Fahrzeugbranche (vgl. etwa BGH, Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 97). Unter Anwendung der Maßstäbe des § 278 BGB könne daher eine Zurechnung des Verhaltens der Herstellerin nicht erfolgen (vgl. BGH Beschluss vom 09.06.2020 – VIII ZR 315/19, BeckRS 2020, 14453 Rn. 1719).
Eine Täuschung durch die Beklagte zu 1) ist vorliegend nicht ersichtlich. Der Berufungsbegründung ist insoweit nur zu entnehmen, dass sich die Beklagte zu 1) jedenfalls die Arglist der Beklagten zu 2) zurechnen lassen müsse, welche über tatsächliche Werte, die erfolgte Manipulation und die Zulassungsfähigkeit getäuscht habe. Diese gelte deshalb, weil diese Vertragshändlerin sei.
Nach obigen zutreffenden Darlegungen genügt dies jedoch für eine Zurechnung nicht. Die Beklagte zu 1) ist nach eigenem Vortrag eine unabhängige Händlerin, die weder eine Gesellschaft des VW-Konzerns ist noch berechtigt wäre, die Beklagte zu 2) beim Abschluss von Kaufverträgen zu vertreten.
(2) § 123 Abs. 2 BGB ist gleichfalls nicht einschlägig, d.h. auch eine diesbezügliche Zurechnung – die Vorwürfe gegen die Beklagte zu 2) als richtig unterstellt – findet nicht statt.
Sie würde nämlich voraussetzen, dass die Beklagte zu 1) die Täuschung der Beklagten zu 2) kannte oder kennen hätte müssen, wofür sich – wie dargelegt – bei Abstellen auf die Berufungsbegründung nichts ergibt.
1.2. Der Kläger kann seinen Anspruch gegen die Beklagte zu 1) auch nicht auf ein ihm zustehendes kaufvertragliches Gewährleistungsrecht gemäß § 437 BGB stützen. Ein solches ist nicht mehr durchsetzbar.
Nach §§ 438 Abs. 1 Ziffer 3, Abs. 2, Abs. 4, 218 BGB verjähren die Mängelansprüche auf Nacherfüllung und Schadensersatz in zwei Jahren mit Ablieferung der Sache. Der Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistungen ist zudem unwirksam, wenn der Anspruch auf Leistung oder Nacherfüllung verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft.
Gemäß § 438 Abs. 3 BGB unterliegen lediglich dann Mängelansprüche der regelmäßigen Verjährungsfrist kenntnisabhängig, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat.
Auf § 438 Abs. 3 BGB kann sich der Kläger hier aber nicht berufen. Ein eigenes arglistiges Verhalten der Beklagten zu 1) hat er nicht dargelegt. Das Verhalten der Beklagten zu 2) ist ihr – wie ausgeführt – darüber hinaus nicht zuzurechnen.
Weshalb die vom Landgericht im Übrigen zutreffend angenommene Verjährung unzutreffend sein sollte, ist der Berufungsbegründung nicht zu entnehmen. Ausweislich der Berufungserwiderung wurde das Fahrzeug am 01.08.2016 übergeben und ist ein Rücktritt erst mit Schreiben vom 24.08.2018 erfolgt. Die Klage datiert zudem erst vom 08.02.2019.
1.3. Auch weitere Anspruchsgrundlagen, aufgrund derer dem Kläger die gegen die Beklagte zu 1) geltend gemachte Forderung zustehen würde, sind nicht gegeben. Solche, d.h. insbesondere ein eigenes pflichtwidriges bzw. deliktisches Verhalten der Beklagten zu 1) wurde auch in der Berufungsbegründung nicht aufgezeigt.
2. Demgemäß waren auch die Klageanträge zu Ziffer 3 und 4 betreffend die Beklagte zu 1) abzuweisen.
Nachdem der gegen sie geltend gemachte Anspruch nicht besteht, hat sie sich nicht im Annahmeverzug befunden. Auch schuldet sie nicht die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Bezüglich der Beklagten zu 2) ist die Klageabweisung aus folgenden Gründen im Ergebnis zutreffend:
1. Der Kläger kann nicht die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 2) für Schäden beanspruchen, die ihm daraus resultieren, dass sie näher beschriebene Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut hat (Klageantrag zu Ziffer 2).
Insoweit ist seine Klage bereits unzulässig.
1.1. Ein gerichtlicher Hinweis ist entbehrlich, wenn die Partei bereits von der Gegenseite die gebotene Unterrichtung erhalten hat (BGH NJW-RR 2008, 581; NJW 2007, 759; IX ZR 206/14; „deutlicher Hinweis des gegnerischen Anwalts“).
Vorliegend wurde von der Beklagten zu 2) bereits in der Klageerwiderung vom 31.05.2019 (Seiten 3, 29ff. bzw. Bl.278, 363ff.) ausführlich die Unzulässigkeit der gegen sie gerichteten Klage, insbesondere bei Verweis auf den Vorrang der Leistungsklage, gerügt. Zudem ist die Auffassung des Senats zum Vorrang der Leistungsklage seit dem Hinweisbeschluss vom 12.06.2018, Az.: 8 U 3169/17, veröffentlicht in NJW-RR 2019, 184, bekannt.
Weiterer Hinweise bedurfte es daher nicht. Der Kläger – bzw. seine Prozessbevollmächtigten, die z. B. im Verfahren 8 U 5012/20 einen hilfsweisen Leistungsantrag gestellt haben – hatte Kenntnis von der diesbezüglichen Problematik. Gleichwohl verhält sich die Berufungsbegründung dazu nicht.
1.2. Grundsätzlich fehlt bei einer Feststellungsklage indessen das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, wenn es dem Kläger möglich ist, eine sein Rechtsschutzziel erschöpfende Klage auf Leistung zu erheben, wobei auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen ist.
a. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht dann, wenn davon ausgegangen werden kann, dass eine Erledigung der Streitpunkte durch ein rechtskräftiges Feststellungsurteil zu erwarten ist (vgl. BeckOK ZPO/Bacher, § 256 Rn. 26-30.1; wohl enger BGH, NJW-RR 2017, 815: Es müsse im konkreten Fall gesichert sein, dass auch ein bloßes Feststellungsurteil die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinige).
Dafür ist hier schon deshalb nichts ersichtlich, weil der Kläger geltend macht, seinen Gesamtschaden noch nicht abschließend beziffern zu können, so dass auch nicht erwartet werden kann, dass die Streitpunkte durch ein rechtskräftiges Feststellungsurteil erledigt werden. Hinzu kommt, dass im Streitfall das Vorbringen der Parteien nahezu in jedem Punkt streitig ist, so dass auch deshalb nicht zu erwarten ist, dass die Beklagte zu 2) auf ein Feststellungsurteil hin ihren – unterstellten – rechtlichen Verpflichtungen nachkommen würde.
b. Zudem kann ein Kläger nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dann, wenn eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren (vgl. BGH, Urt. v. 30.03.1983 – VIII ZR 3/82 -, juris Rn. 27; BGH, Urt. v. 19. 04.2016 – VI ZR 506/14 -, juris Rn. 6).
Befürchtet er den Eintritt eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden reinen Vermögensschadens, hängt die Zulässigkeit einer Feststellungsklage nach ständiger Rechtsprechung des BGH von der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts ab (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 15.10.1992 – IX ZR 43/92 -, juris Rn. 77; Urt. v. 24.01.2006 – XI ZR 384/03 -, juris Rn. 27 mwN). Es ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass nach der Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein erst künftig aus dem Rechtsverhältnis erwachsender Schaden angenommen werden kann. Dagegen besteht ein Feststellungsinteresse für einen künftigen Anspruch auf Ersatz eines allgemeinen Vermögensschadens regelmäßig dann nicht, wenn der Eintritt irgendeines Schadens noch ungewiss ist (vgl. BGH, Urt. v. 10.07.2014 – IX ZR 197/12 -, juris Rn. 11 mwN).
Ein auf den Ersatz künftiger Schäden gerichteter Feststellungsantrag kann also nur dann Erfolg haben, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vorliegen, d.h. ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu möglichen künftigen Schäden führen kann (vgl. BGH NJW 2018, 1242 Rn. 49).
Dabei kann die Möglichkeit ersatzpflichtiger künftiger Schäden ohne Weiteres zu bejahen sein, wenn ein deliktsrechtlich geschütztes absolutes Rechtsgut verletzt wurde und bereits ein Schaden eingetreten ist.
Haftet die Beklagtenpartei jedoch nicht wegen der Verletzung eines absolut geschützten Rechtsguts, sondern wegen der sittenwidrigen vorsätzlichen Herbeiführung eines ungewollten Vertragsschlusses wird der in diesem selbst liegende Schaden bereits von der Verurteilung zur Kaufpreiserstattung erfasst. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse setzt daher zunächst Vortrag der insoweit darlegungsbelasteten Partei voraus, welche weiteren Schäden sie aus dem Fahrzeugerwerb befürchtet (vgl. BGH NJW-RR 2015, 626), und weiter, dass solche Schäden möglich sind und auch insoweit die materiellen Haftungsvoraussetzungen des § 826 BGB (oder einer anderen Anspruchsgrundlage) erfüllt sind (vgl. BGH, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 397/19, NJW 2020, 2806).
Ist die Schadensentwicklung schon bei Klageerhebung abgeschlossen, steht dem Kläger grundsätzlich nur die Leistungsklage zur Verfügung. Das gilt auch dann, wenn der Schaden nur mit Hilfe eines Sachverständigen und unter Aufwendung von Kosten beziffert werden kann (BGH NJW-RR 1988, 445).
Ein Schadenposten, der Gegenstand einer bezifferten Leistungsklage ist, kann zudem grundsätzlich nicht in identischem Umfang Gegenstand eines (auch hilfsweise gestellten) Feststellungsantrags sein. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Leistungsbegehren als derzeit unbegründet abzuweisen ist, weil die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist (BGH NJW 1998, 1633).
(1) Mangels vertraglicher Beziehung zur Beklagten zu 2) kommt hier allenfalls eine deliktische Haftung derselben in Betracht.
Das Inverkehrbringen mit einer Manipulationssoftware versehener Motoren ist bei Vorliegen der weiteren hierfür erforderlichen Voraussetzungen grundsätzlich geeignet, gegenüber Fahrzeugerwerbern eine Haftung auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB und gegebenenfalls auch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB zu begründen.
(2) Bei § 826 BGB liegt der den Erwerbern durch das sittenwidrige Verhalten entstandene Schaden im Abschluss des Kaufvertrags über das bemakelte Fahrzeug, d.h. der (ungewollte) Vertragsabschluss begründet einen Schadensersatzanspruch, der darauf gerichtet ist, einen Käufer so zu stellen, als hätte er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962).
– Für die Frage, ob ein zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, ist deshalb nach der sogenannten Differenzhypothese grundsätzlich die in Folge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretene Vermögenslage mit derjenigen zu vergleichen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte. Demgemäß steht einem arglistig getäuschten Käufer gegen einen Dritten, der die Täuschung verübt hat, gegebenenfalls nur ein Anspruch zu, der darauf gerichtet, dass er so gestellt wird, wie er stünde, wenn er nicht getäuscht worden wäre, er also entsprechend seiner Behauptung das Fahrzeug nicht erworben hätte.
Hiervon zu unterscheiden ist der Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses. Dieses ist zu ersetzen, wenn der Geschädigte verlangen kann, so gestellt zu werden, als ob eine Verbindlichkeit ordnungsgemäß erfüllt worden wäre.
Dabei ist anerkannt, dass die Anwendung der Differenzhypothese in dem Fall, in dem der Geschädigte nachweist, dass er ohne die für den Abschluss des Vertrags ursächliche Täuschungshandlung einen anderen, günstigeren Vertrag – mit dem Verkäufer oder einem Dritten – abgeschlossen hätte, im Ergebnis das Erfüllungsinteresse verlangen kann, und zwar deswegen, weil der Schaden in diesem Ausnahmefall dem Erfüllungsinteresse entspricht (BGHZ NJW 2011, 1962 Rn. 8 ff.; Senat, Hinweisbeschluss vom 02.01.2020 – 8 U 5307/19, NJW-RR 2020, 342, beckonline).
– Der Kläger hat zur Begründung seines Feststellungsantrags ausgeführt, der Inhalt seines Schadensersatzanspruchs stehe noch nicht fest. Aufgrund der Desinformationspolitik der Beklagten zu 2) wolle er sich noch nicht abschließend entscheiden, ob er das Fahrzeug zurückgebe. Abgesehen davon, dass dies im diametralen Gegensatz zum Klageantrag Ziffer 1 steht, ist dieser Vortrag bei Abstellen auf obige Ausführungen nicht geeignet, ein Feststellungsinteresse zu begründen. Der Schaden befindet sich nicht deshalb weiter in Entwicklung, weil sich der Kläger nicht entscheiden kann, in welcher Form er entschädigt werden will. Ist es ihm möglich, einen – abhängig von seinem Vortrag – unterschiedlich zu berechnenden Schaden zu beziffern, hat er auf Leistung zu klagen.
Der Kläger konnte vorliegend seinen Schaden beziffern.
Bei der sittenwidrigen vorsätzlichen Herbeiführung eines ungewollten Vertragsschlusses wird der, in diesem liegende Schaden – wie ausgeführt – durch die Verurteilung zur Kaufpreiserstattung erfasst. Den Kaufpreis konnte der Kläger benennen und hat er benannt. Bezüglich des Vorteilsausgleichs war es ihm im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast möglich und zumutbar, die Schätzgrundlagen für die Anwendung von § 287 ZPO mitzuteilen (km-Stand, angenommene durchschnittliche Gesamtlaufleistung). Er hätte gestützt darauf die von ihm für angemessen gehaltene Nutzungsentschädigung als Abzugsposten beziffern, diesbezüglich in seinem Antrag auf die von ihm anzugebende Laufleistung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abstellen oder entsprechend seinem Antrag bezüglich der Beklagten zu 1) vorgehen können. Für die Berechnung der Nutzungsentschädigung war schließlich nicht auf den Minderwert des Fahrzeugs infolge des Dieselskandals abzustellen. Im Rahmen der Vorteilsausgleichung kommt es allein auf die aus dem erworbenen Fahrzeug (tatsächlich) gezogenen Vorteile an. Diese liegen darin, dass der Kläger das Fahrzeug genutzt hat (vgl. BGH NJW 2020, 1962 Rn. 81). Konnte er mit diesem wie mit einem mangelfreien Fahrzeug fahren, hatte er keinen geringeren Nutzungsvorteil, weshalb bei dessen Berechnung der Bruttokaufpreis heranzuziehen ist.
Sollte letztlich – wofür sich nach dem Klägervortrag nichts ergibt – davon auszugehen sein, dass hier der Differenzschaden ausnahmsweise dem Erfüllungsinteresse entspricht, wäre gleichfalls eine Bezifferung des Schadens möglich gewesen. Der zu ersetzende Schaden bestünde dann nämlich in der Differenz, um die der Kläger das bemakelte Fahrzeug in Kenntnis des Sachmangels billiger hätte erwerben können und nicht in etwaigen nach dem Kauf aus dem Mangel erwachsenden Nachteilen. Auch insoweit war daher die Schadensentwicklung abgeschlossen.
Letztlich hat der Kläger seinen Anspruch, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn er nicht getäuscht worden wäre, bezüglich der Beklagten zu 1) zum Gegenstand einer bezifferten Leistungsklage gemacht, d.h. der insoweit geltend gemachte Schaden kann schon deshalb nicht Gegenstand eines hierauf gerichteten Feststellungsantrags gegen die Beklagte zu 2) sein.
– Über den Ersatz des negativen Interesses hinausgehende, in der Entwicklung befindliche bzw. künftig aus dem Fahrzeugerwerb drohende Schäden wurden vom Kläger nicht, d.h. jedenfalls nicht schlüssig, dargelegt.
Soweit er sich bezüglich künftiger Schäden auf mögliche, von zahlreichen Unwägbarkeiten abhängige Steuernachforderungen berufen hat, ist ein Schadenseintritt noch völlig ungewiss. Bezüglich der befürchteten Steuernachteile besteht damit keine hinreichende, eine Feststellungsinteresse begründende Wahrscheinlichkeit.
Der Verweis auf mögliche Prozessverfolgungskosten für den Fall, dass gegen ein mögliches Vorgehen der Zulassungsstelle Rechtsbehelfe eingelegt werden müssen, um im Hinblick auf den Zustand des Fahrzeuges vor einem durchzuführenden Update nicht beweisfällig zu bleiben, erschließt sich letztlich nicht. Im Rahmen eines ihm nach § 826 BGB zustehenden Schadensersatzanspruchs kommt es bereits nicht auf den Zustand seines Fahrzeugs vor und nach einem Update an. Im Übrigen ist es dem Kläger unbenommen, dieses jederzeit begutachten zu lassen.
(3) Auf eine etwaige deliktische Haftung der Beklagten zu 2) gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB muss an dieser Stelle und im Folgenden nicht weiter eingegangen werden, weil eine solche jedenfalls wegen fehlender Stoffgleichheit zwischen Vermögenseinbuße des Klägers und Vermögensvorteil der Beklagten zu 2) nicht gegeben ist.
Die Anforderungen an die Feststellung eines Vermögensschadens i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB sind andere als an die Feststellung eines Schadens i.S.v. § 826 BGB (vgl. zu Letzterem BGH NJW 2020, 1962). Bei einem durch behauptetes betrügerisches Verhalten bewirkten Vertragsabschluss ergibt ein Vergleich der Vermögenslage vor und nach dem Vertragsabschluss, ob ein Vermögensschaden eingetreten ist. Der Kläger hätte danach einen solchen erlitten, wenn sein Fahrzeug wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung und etwaige damit verbundene Risiken den vereinbarten und gezahlten Kaufpreis nicht wert war. Die Vermögenseinbuße ist dann auf die Differenz zwischen gezahltem Kaufpreis und Wert des erworbenen Fahrzeugs zu beziffern.
Es besteht indessen keine Stoffgleichheit dieser Vermögenseinbuße mit den denkbaren Vermögensvorteilen, die ein verfassungsmäßiger Vertreter der Beklagten zu 2) (§ 31 BGB) für sich oder einen Dritten erstrebt haben könnte. Eine Absicht der verfassungsmäßigen Vertreter, sich bzw. die Beklagte zu 2) an dem Gebrauchtwagenverkauf unmittelbar zu bereichern, ist aus Rechtsgründen schon deshalb ausgeschlossen, weil sie bzw. die Beklagte zu 2) aus dem Kaufvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) über den streitgegenständlichen Gebrauchtwagen keinen unmittelbaren Vorteil ziehen konnten. Ein etwaiger, dem Kläger entstandener Schaden kann stoffgleich allenfalls mit dem Vorteil sein, der der Beklagten zu 1) aus dem Fahrzeugverkauf zugeflossen ist. Eine Absicht der verfassungsmäßigen Vertreter, der Beklagten zu 1) einen mit dem Schaden des Klägers stoffgleichen Vermögensvorteil zu verschaffen, kann dabei ausgeschlossen werden. Insbesondere kann die Bereicherung der Beklagten zu 1) um den Anteil des Kaufpreises, der über den Wert des Fahrzeugs hinausging, nicht als notwendiges und beabsichtigtes Zwischenziel zur Erreichung der eigenen Ziele der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten zu 2) angesehen werden. Wie der BGH in seinem Urteil vom 25.05.2020 (NJW 2020, 1962) zu einer Haftung der VW-AG aus § 826 BGB ausgeführt hat, bestand das Ziel der verfassungsmäßigen Vertreter im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen von Fahrzeugen mit unzulässiger Abschalteinrichtung darin, diese Fahrzeuge kostengünstiger als ihr sonst möglich zu produzieren, möglichst viele von ihnen abzusetzen und damit ihren Gewinn zu erhöhen. Dieses Ziel ließ sich mit dem Verkauf der Neuwagen erreichen. Die Erreichung des Ziels setzte dagegen nicht notwendig voraus, dass bei etwaigen späteren Zweit- oder Drittverkäufen derselben Fahrzeuge als Gebrauchtwagen zugunsten des jeweiligen Gebrauchtwagenverkäufers ein etwaiger über dem Wert des jeweiligen Fahrzeugs liegender Kaufpreis erneut realisiert würde (vgl. BGH NJW 2020, 2798).
Für eine Haftung der Beklagten zu 2) gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB ergibt sich danach unter Abstellen darauf auch vorliegend nichts.
2. Der Klageantrag zu Ziffer 4 war betreffend die Beklagte zu 2) gleichfalls abzuweisen, dies selbst etwaige Schadensersatzansprüche gegen diese unterstellt.
Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch auch die Erstattung von Rechtsanwaltskosten umfasst, ist zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch im geltend gemachten Umfang ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und dass die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (BGH, Urt. v. 19.10.2010 – VI ZR 237/09, Rz. 15; BGH, Urt. v. 26.02.2013 – XI ZR 345/10, Rz.38).
Dabei ist auch zu prüfen, ob vertretbare sachliche Gründe für eine rein außergerichtliche Geltendmachung bestanden haben oder ob dadurch lediglich Mehrkosten verursacht worden sind (vgl. BGH, Urt. v. 04.12.2007 – VI ZR 277/06, Rz.17). Ist der Gläubiger bekanntermaßen zahlungsunwillig und erscheint der Versuch einer außergerichtlichen Forderungsdurchsetzung auch nicht aus sonstigen Gründen erfolgversprechend, sind die dadurch verursachten Kosten nicht zweckmäßig. Insoweit kommt es allerdings auf die (Gesamt-)Umstände des Einzelfalls an, deren Würdigung dem Tatrichter obliegt (vgl. BGH, Urt. v. 26.02.2013, XI ZR 345/10, Rz.38).
Dabei handelt es sich um echte, vom Geschädigten darzulegende und zu beweisende Anspruchsvoraussetzungen und nicht lediglich um im Rahmen des § 254 BGB bedeutsame, die Ersatzpflicht beschränkende und damit in die Darlegungs- und Beweislast des Schädigers fallende Umstände (vgl. BGH, Urt. v. 27.07.2010 – VI ZR 261/09, Rz.26). Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten sind Nebenforderungen gemäß § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO. Daher war nach § 139 Abs. 2 ZPO auch kein diesbezüglicher Hinweis des Gerichts erforderlich (BGH, Urt. v. 21.02.2017 – XI ZR 467/15, Rz.37).
Der Kläger hat danach bereits nicht schlüssig zum Vorliegen eines auch die geltend gemachten außergerichtlichen Kosten umfassenden Schadensersatzanspruches vorgetragen, d.h. seinen Ausführungen ist nicht zu entnehmen, dass und weshalb die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus seiner Sicht mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war.
B.
Bei dieser Sachlage wird der Klagepartei schon aus Kostengründen empfohlen, die Berufung zurückzunehmen. Im Fall der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren vorliegend von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr.1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Zu diesen Hinweisen kann der Klagepartei und Berufungsführerin binnen der oben gesetzten Frist Stellung nehmen. Der Senat soll nach der gesetzlichen Regelung die Berufung unverzüglich durch Beschluss zurückweisen, wenn sich Änderungen nicht ergeben. Mit einer einmaligen Verlängerung dieser Frist um maximal 3 Wochen ist daher nur bei Glaubhaftmachung konkreter, triftiger Gründe zu rechnen (vgl. OLG Rostock, OLGR 2004, 127 ff.).


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