IT- und Medienrecht

Keine sittenwidrige Schädigung durch Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit Motorsteuerungssoftware “Thermofenster”

Aktenzeichen  4 U 147/19

Datum:
17.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 43152
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 522 Abs. 2
BGB § 826

 

Leitsatz

1. Ein Rückruf wegen Softwareupdates von Fahrzeugen einer Herstellerin lässt nicht zwingend darauf schließen, dass auch andere Fahrzeugmotoren dieser Herstellerin von der benannten Problematik betroffen sind. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine rein spekulative Übernahme der Argumentation zum VW-Motor EA 189 genügt nicht, um für Motoren anderer Hersteller das Vorliegen illegaler Abschalteinrichtungen darzulegen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3. Vgl. auch zur Thematik des “Thermofensters” bei Daimler-Fällen im Ergebnis wie hier: KG, BeckRS 2020, 9869, mwN in Rn. 17; OLG Köln, BeckRS 2019, 38788; BeckRS 2020, 8398; OLG Stuttgart, BeckRS 2019, 17247; OLG Koblenz, BeckRS 2019, 25135; BeckRS 2019, 32707; BeckRS 2020, 9863; OLG Celle, BeckRS 2019, 33326; OLG Frankfurt, BeckRS 2019, 30856; OLG Schleswig, BeckRS 2019, 23793; OLG Oldenburg, BeckRS 2020, 8864. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

12 O 2136/18 2019-04-25 Urt LGWUERZBURG LG Würzburg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 25.04.2019, Aktenzeichen 12 O 2136/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Würzburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 24.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Würzburg von 25.04.2019 Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger unter Aufhebung des angefochtenen Urteils Zahlung von 24.000 € und Zinsen Zug um Zug gegen Rückübereignung des in Rede stehenden Fahrzeugs und Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten (1.242,84 €).
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 25.04.2019, Aktenzeichen 12 O 2136/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats und die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts unter Ziffer 2 b (LGU S. 5) der Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Die Einwände des Klägers gegen den Hinweis im Schriftsatz vom 15.10.2019 (Bl. 199 ff.) sind vage, nicht konkret (spekulativ) und letztendlich unsubstantiiert.
Ein Rückruff wegen Softwareupdates lässt nicht zwingend darauf schließen, dass „der Fahrzeugmotor von der benannten Problematik betroffen ist“, zumal bezüglich des in Rede stehenden Motors kein Rückruf behauptet wird.
Es geht auch nicht darum, ob der Senat einer „einfachen Schutzbehauptung“ vertraut, sondern darum, ob ein konkreter Anhaltspunkt dafür besteht, dass der klägerische Motor mangelhaft ist. Den vom Kläger behaupteten Nachweis, dass „die Motorbaureihe OM 642“ illegale Abschalteinrichtungen und illegale Thermofenster enthält (Schriftsatz S. 2 im 4. Absatz) kann der Senat nicht erkennen. Er verweist auf eine von der Beklagten zitierte einschlägige Entscheidung des OLG Köln (3 U 148/18, Anlage BB 5, Berufungserwiderung S. 10, RN 31, 32. Bl. 153 d.A.), die er für zutreffend hält.
Bezüglich der Abschalteinrichtung hat die Beklagte zutreffend auf die rein spekulative Übernahme der Argumentation zum VW-Motor EA 189 verwiesen (Berufungserwiderung S. 12, RN 38, Bl. 153 d.A.).
Bezüglich des Thermofensters verweist die Beklagte ebenfalls nachvollziehbar auf einen Industriestandard (a.a.O., RN 43, S. 13) und beruft sich (aus Sicht des Senats zu Recht) auf vergleichbare obergerichtiche Entscheidungen (im Einzelnen bezeichnet: a.a.O., RN 45-64. S. 13-21, Oberlandesgerichte Düsseldorf, Oldenburg, Köln, Stuttgart, Nürnberg, München, Celle, Dresden, Koblenz, Zweibrücken), deren der Senat folgt.
Deshalb kommt auch die Erholung eines Sachverständigengutachtens nicht in Betracht, wobei der Senat den in der Berufungserwiderung aufgezeigten Rechtsprechungsnachweisen folgt (a.a.O., RN 66-68, S. 22/23; OLG Celle 7 U 262/18 und 7 U 875/19, OLG Köln 16 U 25/19).
Soweit der Kläger auf eine Fahrzeugliste verweist (Schriftsatz vom 28.06.2019, S. 6), deren Herkunft unklar ist, ist dort der hier in Rede stehende Motor zweifellos nicht enthalten, weil es sich um einen solchen aus dem Baujahr 2007 handelt (vgl. Hinweis unter Ziffer II im 5. Absatz).
Zur Typengenehmigung durch das KBA hat die Beklagte nachvollziehbar vorgetragen (a.a.O., RN 68.78, S. 23-25). Einen „Sprinter“ fährt der Kläger nicht.
Auf eine evtl. Beweislastumkehr kommt es nicht an; die zitierte Entscheidung 3 U 101/18 OLG Stuttgart ist weder in JURIS noch bei BECK-ONLINE veröffentlicht und dem Senat nicht zugänglich, steht aber evtl. im Gegensatz zu OLG Stuttgart 14 U 95/19 und 10 U 134/19 (Anlagen BB 9, 10, Berufungserwiderung RN 52, 53, S. 16/17).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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