IT- und Medienrecht

Kundenabsprachen – Anscheinsbeweis für kartellbedingte Preiserhöhung

Aktenzeichen  U 3497/16 Kart

Datum:
8.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
WRP – 2018, 893
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 830 Abs. 1, § 840 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ebenso wie bei einem Quotenkartell und reinen Preisabsprachen besteht auch bei Kundenschutzabsprachen („Stammkundenmodell”) ein Anscheinsbeweis für eine kartellbedingte Preiserhöhung. (Rn. 69 – 70)
2. Kartellanten sind zum Ersatz des aus einem Kartellverstoß entstehenden Schadens nach § 33 GWB verpflichtet; ein solcher Schaden kann auch in einem sogenannten Preisschirmeffekt („umbrella pricing”) begründet sein. Preisschirmeffekte bezeichnen Preisveränderungen von Kartellaußenseitern als Reaktion auf veränderte Marktbedingungen durch ein Kartell. Sie setzen regelmäßig die Transparenz der Marktverhältnisse und eine Marktbeobachtung durch Kartellaußenseiter voraus. Preisschirmeffekte entstehen daher typischerweise erst mit zeitlicher Verzögerung. (Rn. 143 – 144)
3. Vor dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle entstandene Kartellschadensersatzansprüche unterliegen der Verjährungshemmung nach § 33 Abs. 5 Satz 1 GWB 2005, sofern sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Vorschrift am 1. Juli 2005 nicht bereits verjährt waren und das zu Grunde liegende kartellbehördliche Verfahren zumindest noch nicht bestandsbzw. rechtskräftig abgeschlossen war. (Rn. 96)

Verfahrensgang

37 O 24526/14 2016-07-27 Teil-Grund- und Teil-Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten zu 2) wird das Teilend- und -grundurteil des Landgerichts München I vom 27. Juli 2016 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Klageantrag ist hinsichtlich der Beklagten zu 1), 2) und 3) dem Grunde nach gerechtfertigt, soweit die Schadensersatzansprüche auf den Beschaffungsvorgängen BT 2, BT 3, BT 4 und BT 7 beruhen:
– Auftragserteilung für vier Weichen mit Schreiben vom 4. Dezember 2002 über 151.065,- €, Rechnung vom 2. Juni 2003 auf 150.416,- € (BT 2);
– Auftragserteilung insbesondere für Weichen mit Schreiben vom 8. März 2005 über 371.503,25 € (BT 3);
– Auftragserteilung für neun Weichen mit Schreiben vom 30. Oktober 2008 über 515.031,70 € (BT 4);
– Auftragserteilung für Schienen mit Schreiben vom 8. März 2005 über 295.249,86 € (BT 7).
2. Der Klageantrag ist darüber hinaus hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 3) dem Grunde nach gerechtfertigt, soweit die Schadensersatzansprüche auf dem Beschaffungsvorgang BT 1 beruhen:
– Auftragserteilung für zwei Weichen mit Schreiben vom 13. September 2001 über 121.976,-€ mit Schlussrechnung vom 13. März 2002 über 121.588,44 € Nettopreis (BT 1).
3. Im Übrigen wird die Klage gegen die Beklagte zu 2) hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 1 und gegen die Beklagten zu 1) bis 3) hinsichtlich der Beschaffungsvorgänge BT 6, BT 8, BT 9 und BT 10 abgewiesen.
II. Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.
III. Für die Kosten des Berufungsverfahrens gilt:
Von den Gerichtskosten haben die Klägerin 62%, die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner 36% und die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner weitere 2% zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner 36% und die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner weitere 2% zu tragen. Die Klägerin hat von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 3) jeweils 8%, von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) 16%, von den außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenientin zu 1) bis 7) 5% und von den außergerichtlichen Kosten der Streithelferin zu 1) und 2) 16% zu tragen. Im Übrigen tragen die Parteien, die Nebenintervenientin zu 1) bis 7) und die Streithelferin zu 1) und 2) ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Dieses Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des jeweils vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die jeweils Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision wird zugelassen, soweit die Klage hinsichtlich der Beschaffungsvorgänge BT 1 und BT 2 dem Grunde nach gerechtfertigt ist.

Gründe

A.
Die Klägerin macht kartellrechtliche Schadensersatzansprüche gegenüber den Beklagten wegen deren Beteiligung am „Kartell der Schienenfreunde“ geltend.
Die Klägerin ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts unter anderem für den öffentlichen Nahverkehr in der Landeshauptstadt München verantwortlich und beschafft zur Erfüllung ihrer Aufgaben Gleisoberbaumaterialien, unter anderem Schienen, Weichen und Schwellen.
Die Beklagte zu 1) befasst sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Weichen, Kreuzungen und sonstigen Teilen des Oberbaus von Schienenbahnen. Sie ist Gesamtrechtsnachfolgerin der SH. GmbH, die Anfang 2011 auf die Beklagte zu 1) verschmolzen wurde. Zuvor war die Beklagte zu 1) seit 1989 zu 100% an der SH. GmbH beteiligt. Seit 2008 gehört die Beklagte zu 1) zur B.-Gruppe, einem internationalen Bau- und Dienstleistungskonzern, der in Deutschland insbesondere über die Beklagte zu 2) im Bereich Schienentechnik tätig ist. Im Jahr 2010 übertrug die Beklagte zu 1) im Wege der Umwandlung durch Abspaltung den Geschäftsbereich „Gleisbau“ auf die Beklagte zu 2).
Die Beklagte zu 3) gehört zum T-Konzern, der weltweit Gleisoberbaumaterialien herstellt und vertreibt. Auf die Beklagte zu 3) wurde aufgrund Ausgliederungs- und Übernahmevertrages vom 30. März 2004 der Geschäftsbereich „Gleistechnik“ der T. R. GmbH übertragen. Diese firmierte zuvor unter anderem als T. G. mbH sowie K. G. mbH. Der Geschäftsbereich „Gleistechnik“ umfasst insbesondere die technische Entwicklung, Herstellung, Vermietung sowie den Kauf und Verkauf von Oberbaumaterialien wie Schienen, Schwellen, Weichen und Befestigungsmaterial.
Die Beklagten zu 4) bis 7) gehören zum v.-Konzern, einem Anbieter von Gleisoberbaumaterialien.
Die Beklagten zu 1), 3) bis 7) beteiligten sich von 2001 bis Mai 2011 an wettbewerbsbeschränkenden Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen. Die Absprachen betrafen insbesondere den Vertrieb von Schienen, Weichen und Schwellen an Nahverkehrsunternehmen. Dabei ging es um die Aufteilung von Ausschreibungen unter den Kartellbeteiligten. Mit Bescheiden vom 18. Juli 2013 verhängte das Bundeskartellamt Bußgelder gegen acht Hersteller und Lieferanten, unter anderem gegen die Beklagten zu 1), 3) und 5) (vgl. Anlagen K 1, K 16). Von der Beklagten zu 4) wurde das Kartell durch einen Kronzeugenantrag aufgedeckt. Mit den Beklagten zu 1), 3) bis 7) kam es jeweils zu einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung, in deren Rahmen sie geständige Einlassungen abgaben.
Die Klägerin macht gegenüber den Beklagten Schadensersatz aus kartellbedingt überhöhten Preisen geltend. Streitgegenständlich waren im ersten Rechtszug zehn Beschaffungsvorgänge der Klägerin. Hierbei betrafen die Beschaffungsvorgänge BT 1 bis 5 Auftragserteilungen an Kartellanten und die Beschaffungsvorgänge BT 6 bis 10 Auftragserteilungen an Kartellaußenseiter.
Beim Beschaffungsvorgang BT 1 erteilte die Klägerin der SH. GmbH einen Auftrag zur Lieferung von zwei Weichen und anderem mit Schreiben vom 13. September 2001 über 121.976,-EUR, der mit Rechnung vom 13. März 2002 nach Abzug von Minderleistungen in Höhe von 121.588,44 EUR schlussgerechnet wurde. Unter Zugrundelegung eines Kartellaufschlags von 16,6% macht die Klägerin einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 20.183,68 € geltend.
Den Beschaffungsvorgängen BT 2 bis 4 liegen Auftragserteilungen an die T. G. mbH und die Beklagte zu 3) zugrunde. Der Beschaffungsvorgang BT 2 betrifft eine Auftragserteilung an die T. G. mbH, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte zu 3) ist, unter anderem für vier Weichen mit Schreiben vom 4. Dezember 2002 über 151.065,- €, die am 2. Juni 2003 mit 150.416,- € schlussgerechnet wurde (Schadensforderung: 24.371,46 €). Dem Beschaffungsvorgang BT 3 liegt ein Auftrag an die Beklagte zu 3) insbesondere für Weichen mit Schreiben vom 8. März 2005 über 371.503,25 € zugrunde (Schadensforderung: 61.749,08 €). Dem Beschaffungsvorgang BT 4 liegt eine europaweite Ausschreibung der Klägerin und eine Auftragserteilung an die Beklagte zu 3) unter anderem für neun Weichen mit Schreiben vom 30. Oktober 2008 über 515.031,70 € zugrunde (Schadensforderung: 82.139,61 €).
Dem Beschaffungsvorgang BT 5 liegt ein Auftrag für die Lieferung von Vignolschienen an die Beklagte zu 4) vom 17. November 2008 über 671.688,- € zugrunde (Schadensforderung: 72.283,83 €).
Den Beschaffungsvorgängen BT 6 und BT 7 liegen Auftragserteilungen an die Kartellaußenseiterin G. GmbH zugrunde. Sie betrafen Aufträge für die Lieferung von Vignolschienen, die mit Schreiben vom 13. September 2001 über 160.424,27 € (BT 6, Schadensforderung: 15.323,25 €) sowie mit Schreiben vom 8. März 2005 über 295.249,86 € (BT 7, Schadensforderung: 28.877,99 €) erteilt wurden.
Den Beschaffungsvorgängen BT 8, BT 9 und BT 10 liegen Auftragserteilungen an Kartellaußenseiter für Kiefernholzgleisschwellen zugrunde.
Den Beschaffungsvorgängen BT 1 bis 5 legte die Klägerin ihre Zusätzlichen Vertragsbedingungen zugrunde (vgl. Anlagen K 12, K 13, K 14). Deren Ziffer 19 Absatz 3 lautet:
Wird nach Zuschlagserteilung offenbar, dass das zugrundeliegende Angebot durch Preisabsprache zustande kam oder dass der Bieter in anderer Weise den Wettbewerb eingeschränkt hatte, so hat der Auftragnehmer als Schadensersatz 5% der Auftragssumme an die Stadt zu zahlen, es sei denn, dass eine andere Schadenshöhe nachgewiesen wird.
Die Klägerin machte erstinstanzlich von den Beklagten für die zehn Beschaffungsvorgänge Schadensersatz in Höhe von mindestens 454.457,44 € geltend und verlangt hinsichtlich der Beschaffungsvorgänge BT 1 bis 5 hilfsweise auf der Grundlage ihrer Zusätzlichen Vertragsbedingungen einen pauschalierten Schadensersatz in Höhe von 107.993,34 €. Zur Schadensberechnung holte die Klägerin ein Gutachten des I. e.V. ein (im Folgenden: I-Gutachten, vgl. Anlage K 10). Dabei wurden ausgehend von Daten der Klägerin und weiterer 49 Abnehmer die Preise für Oberbaumaterialien im Kartellzeitraum mit denen nach dem Kartell im Wege einer statistischen Regressionsanalyse verglichen. Auf der Grundlage dieses Gutachtens setzt die Klägerin zur Berechnung ihres Schadens bei den Aufträgen für Weichenlieferungen (BT 1 bis 4) jeweils 16,6% der Angebotspreise als Kartellaufschlag, bei den Aufträgen zur Lieferung von Vignolschienen (BT 5 bis 7) jeweils 10,7% und bei den Holzschwellen (BT 8 bis 10) jeweils 20,5% an.
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 15. August 2014 die Einleitung eines Güteverfahrens gegen die Beklagte zu 1) hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 1 bei einer staatlich anerkannten Gütestelle (Anlage K 20). Die Beklagte zu 1) teilte der Gütestelle mit Schreiben vom 12. September 2014 mit, dass sie nicht in das Verfahren eintreten werde. Mit Schreiben vom 19. September 2014 stellte die Gütestelle das Scheitern des Güteverfahrens fest (Anlage K 21). Mit der Beklagten zu 3) schloss die Klägerin am 21. Dezember 2012 eine Verjährungsverzichtsvereinbarung hinsichtlich der bis dahin noch nicht verjährten Ansprüche mit Wirkung bis zum 31. Dezember 2014.
Die Klägerin behauptet, ihr sei durch kartellbedingte Preiserhöhungen ein Schaden entstanden und stützt sich hierbei auf das I-Gutachten, nach dem statistisch signifikante Kartellaufschläge bestünden. Sie ist der Auffassung, dass ihr aufgrund eines Preisschirmeffekts auch Schäden aus den Schienen- und Schwelleneinkäufen von Kartellaußenseitern entstanden seien.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldnerinnen verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz zu zahlen in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, mindestens jedoch in Höhe von 454.457,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von jährlich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des DiskontsatzÜberleitungs-Gesetzes vom 9. Juni 1998 aus § 288 Abs. 1 S. 1 BGB bis zum 31. Dezember 2001, in Höhe von jährlich 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz bis zum 28. Juli 2014 und in Höhe von jährlich 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 29. Juli 2014 aus 33.078,29 EUR seit dem 27. Juni 2001, aus weiteren 35.506,93 EUR seit dem 14. September 2001, aus weiteren 24.371,46 EUR seit dem 5. Dezember 2002, aus weiteren 37.269,00 EUR seit dem 16. Februar 2005, aus weiteren 90.627,07 EUR seit dem 09. März 2005, aus weiteren 79.181,25 EUR seit dem 10. Oktober 2008, aus weiteren 82.139,61 EUR seit dem 31. Oktober 2008 und aus weiteren 72.283,83 EUR seit dem 18. Oktober 2008.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldnerinnen verurteilt, an die Klägerin Gutachterkosten in Höhe von 12.126,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von jährlich 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagten werden als Gesamtschuldnerinnen verurteilt, die Klägerin von Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.030,45 EUR freizustellen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben vorgetragen, dass nicht alle Beklagten über den gesamten relevanten Kartellzeitraum an den Absprachen beteiligt gewesen seien. Die Absprachen hätten sich nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes hinsichtlich Struktur und Teilnehmern verändert und nicht alle an den Absprachen beteiligten Unternehmen hätten auch alle betroffenen Produkte angeboten bzw. seien bundesweit tätig gewesen. Die Beklagten sind der Auffassung, die Klägerin trage die volle Darlegungs- und Beweislast für alle anspruchsbegründenden Tatsachen, es greife weder ein Anscheinsbeweis zu Gunsten der Klägerin noch eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast bzw. eine sekundäre Darlegungslast zu Ungunsten der Beklagten. Die Klägerin habe die Kartellbetroffenheit der einzelnen Lieferungen nicht ausreichend dargelegt. Es bestehe hierfür keine Bindungswirkung der Bußgeldbescheide des Bundeskartellamtes.
Auch habe die Klägerin den Nachweis eines kartellrechtlichen Schadens nicht geführt. Für die Frage, ob ein Schaden eingetreten sei, gelte der Strengbeweis gemäß § 286 ZPO. Zu einer generellen Preiserhöhung sowie zu einem Preisschirmeffekt sei es nicht gekommen, hierfür gäbe es auch keinen Anscheinsbeweis. Das von der Klägerin eingeholte Gutachten stelle keine geeignete Schätzgrundlage für die Höhe eines etwaigen Schadens dar. Die Beklagte zu 1) habe sich nicht an dem Kartell beteiligt, um das Preisniveau zu heben, sondern um eine gleichmäßige Auslastung ihrer Weichenwerke sicherzustellen. Ein von den Beklagten durchgeführter Vergleich ihrer Angebotspreise mit den durchschnittlichen Kartell- und Nachkartellpreisen gemäß dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten habe ergeben, dass die Angebotspreise der Beklagten unterhalb des Nachkartelldurchschnitts lägen. Zudem habe die Klägerin einen etwaigen kartellbedingten Preisaufschlag durch Preiserhöhungen auf ihre Fahrgäste umgelegt und vom Freistaat Bayern Zuwendungen erhalten, so dass ihr gar kein Schaden entstanden sei. Jedenfalls müsse sich die Klägerin ein Mitverschulden anrechnen lassen. Die Klägerin habe durch ihre Ausschreibungs- und Vergabepraxis ihre Sorgfaltspflicht verletzt und wesentlich zur Entstehung des Schadens beigetragen. Infolge spezifischer Kundenwünsche und technischer Spezifizierungen sei häufig schon vor Abgabe eines Angebotes festgestanden, welches Unternehmen den Auftrag erhalten sollte. Es bestehe auch kein vertraglicher Anspruch auf pauschalierten Schadensersatz, da Ziffer 19.3 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen der Klägerin einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB, § 309 Nr. 5 a) BGB nicht standhalte. Für die Annahme eines Preisschirmeffektes bzw. „Umbrella-Effektes“ fehle es an der Transparenz der Angebotspreise für die Kartellaußenseiter sowie an der Homogenität der Produkte.
Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben.
Mit Teilend- und -grundurteil vom 27. Juli 2016, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Klageantrag dem Grunde nach für gerechtfertigt angesehen, soweit die Schadensersatzansprüche auf den Beschaffungsvorgängen BT 1 bis 5 beruhen, und die Klage hinsichtlich der Beschaffungsvorgänge BT 6 bis 10 abgewiesen.
Mit Ergänzungsurteil vom 11. Januar 2017 hat das Landgericht den Antrag der Klägerin auf Urteilsergänzung abgelehnt und klargestellt, dass es im Teilend- und -grundurteil vom 27. Juli 2016 hinsichtlich der geltend gemachten Zinsen und Gutachterkosten bewusst keine Entscheidung getroffen habe, da es sich insoweit jeweils nicht um anspruchsbegründende Tatsachen, sondern um Fragen der Höhe des Schadensersatzes handele.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen die teilweise Abweisung der Klage hinsichtlich der Beschaffungsvorgänge BT 6 und BT 7. Die Beklagten wenden sich gegen das Teil-Grundurteil hinsichtlich der Beschaffungsvorgänge BT 1 bis 5. Die Parteien wiederholen und vertiefen ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug.
Die Klägerin und die Beklagten zu 4) bis 7) haben mit Schriftsätzen vom 26. Juli 2017 den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Klägerin und die Beklagten zu 1) bis 3) haben mit Schriftsätzen vom 26. Juli 2017 und 21. August 2017 den Rechtsstreit hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 5 übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
1.Das Teilend- und -grundurteil des Landgerichts München I vom 27. Juli 2016, Az.: 37 O 24526/14, wird teilweise abgeändert.
2.Ziffer 1. des Tenors des Teilend- und -grundurteils des Landgerichts München I vom 27. Juli 2016, Az.: 37 O 24526/14, wird wie folgt gefasst:
Der Klageantrag ist hinsichtlich der Beklagten zu 1) bis 3) dem Grunde nach gerechtfertigt, soweit die Schadensersatzansprüche auf den Beschaffungsvorgängen 1 bis 4, 6 und 7 beruhen (vgl. Tabelle 1 Ziffer I bis IV auf den Seiten 38/39 der Klageschrift, sowie Anlagen K BT 1-7:
Auftragserteilung zwei Weichen mit Schreiben vom 13. September 2001 über 121.976,- EUR mit Schlussrechnung vom 13. März 2002 über 121.588,44 € Nettopreis (BT 1); Auftragserteilung vier Weichen mit Schreiben vom 4. Dezember 2002 über 151.065,- EUR, Rechnung vom 2. Juni 2003 auf 150.416,- EUR (BT 2);
Auftragserteilung insbesondere für Weichen mit Schreiben vom 8. März 2005 über 371.503,25 EUR (BT 3);
Auftragserteilung für neun Weichen mit Schreiben vom 30. Oktober 2008 über 515.031,70 EUR (BT 4);
Auftragserteilung für Schienen mit Schreiben vom 13. September 2001 über 160.424,27 EUR (BT 6)
sowie Auftragserteilung für Schienen mit Schreiben vom 8. März 2005 über 295.249,86 EUR (BT 7)).
Die Beklagten zu 1) bis 3) beantragen,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, das Teilend- und -grundurteil des Landgerichts München I vom 27. Juli 2016, Az.: 37 O 24526/14, abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufungen der Beklagten zu 1) bis 3) zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27. Juli 2017 Bezug genommen.
B.
Die Berufungen sind zulässig. Die Berufung der Beklagten zu 2) ist teilweise begründet, soweit das Landgericht die Klage gegen sie hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 1 dem Grunde nach für gerechtfertigt gehalten hat. Die Berufungen der Beklagten zu 1) und 3) haben keinen Erfolg. Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet, soweit das Landgericht die Klage gegen die Beklagten zu 1) bis 3) hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 7 abgewiesen hat.
I.
Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die Klage gegen die Beklagten zu 1) und 3) hinsichtlich der Beschaffungsvorgänge BT 1, BT 2, BT 3 und BT 4 sowie gegen die Beklagte zu 2) hinsichtlich der Beschaffungsvorgänge BT 2, BT 3 und BT 4 dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 1 ist die Klageforderung gegen die Beklagte zu 2) verjährt. Im Übrigen haben die Berufungen der Beklagten zu 1) bis 3) keinen Erfolg.
1. Die Klage ist hinreichend bestimmt i. S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und auch im Übrigen zulässig. Die Klägerin macht den bezifferten Schaden hinsichtlich der einzelnen Beschaffungsvorgänge aus konkret bezeichneten Aufträgen unter Angabe von Auftragsdatum und -summe geltend. Sie hat erstinstanzlich auch klargestellt, dass sie ihre Klage in erster Linie aus eigenem Recht verfolgt und nur hilfsweise auf vom Freistaat Bayern an sie abgetretene Ansprüche stützt.
2. Der Erlass des Teil-Grundurteils nach § 304 ZPO ist zulässig. Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht gemäß § 304 Abs. 1 ZPO über den Grund vorab entscheiden. Ein Zwischenurteil über den Grund darf nur ergehen, soweit alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und es nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (st. Rspr., vgl. BGH NJW-RR 2012, 880 Tz. 13 m. w. N.).
Das ist im Streitfall hinsichtlich der einzelnen Beschaffungsvorgänge der Fall, soweit die Klage nicht unbegründet und insoweit durch Endurteil abzuweisen ist. Die Beklagten zu 1) bis 3) stellen die geltend gemachten bezifferten Schadensersatzansprüche schon dem Grunde nach in Abrede, indem sie insbesondere die Kartellbetroffenheit der einzelnen Beschaffungsvorgänge und das Bestehen eines Schadens bestreiten, Ziffer 19 Abs. 3 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen der Klägerin für unwirksam halten und die Einrede der Verjährung erheben. Streitig ist aber auch die Höhe des Schadens; insofern ist der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif, da die Höhe des Schadensersatzanspruches ohne Beweisaufnahme nicht bestimmt werden kann.
3. Die Klage ist gegen die Beklagten zu 1) und 3) hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 1 – Auftragserteilung an die SH. GmbH für zwei Weichen vom 13. September 2001 – dem Grunde nach gerechtfertigt. Hinsichtlich der Beklagten zu 2) ist die geltend gemachte Schadensersatzforderung hingegen verjährt.
a) Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen eines Kartellverstoßes hinsichtlich der Auftragserteilung vom 13. September 2001 ist § 33 GWB i. V. m. § 1 GWB in der Fassung vom 26. August 1998 (gültig vom 1. Januar 1999 bis 30. Juni 2005, im Folgenden: GWB 1998). Für den Schadensersatzanspruch ist das in dem jeweiligen Belieferungszeitraum geltende Recht anwendbar (vgl. BGH GRUR 2012, 291 Tz. 13 – ORWI).
Nach § 33 Satz 1 GWB 1998 ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes verstößt, die den Schutz eines anderen bezweckt, diesem zum Ersatz des aus dem Verstoß entstandenen Schadens verpflichtet. Bei dem Kartellverbot gemäß § 1 GWB 1998 handelt es sich um ein solches Schutzgesetz. Danach sind Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten.
Da es sich bei der Verabredung und Durchführung eines Kartells um eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung handelt, haften die Beklagten zu 1) und 3) als Kartellteilnehmer nach § 830 Abs. 1, § 840 Abs. 1 BGB für die durch das Kartell verursachten Schäden als Gesamtschuldner (vgl. BGH a.a.O., Tz. 80 – ORWI). Die Beklagte zu 2) hat im Jahr 2010 im Wege einer Umwandlung durch Abspaltung den Geschäftsbereich „Gleisbau“ der Beklagten zu 1) erworben. Für vor Wirksamkeit der Spaltung begründete Verbindlichkeiten, zu denen auch die Schadensersatzpflicht wegen Kartellverstößen gehört, haften daher die Beklagten zu 1) und zu 2) gesamtschuldnerisch (§ 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG).
b) Aufgrund der Bußgeldbescheide des Bundeskartellamtes steht nach § 33 Abs. 4 GWB in der Fassung vom 7. Juli 2005 (im Folgenden: GWB 2005) fest, dass die Beklagten zu 1) und 3) zumindest von 2001 bis Mai 2011 zusammen mit den Beklagten zu 4) bis 7) und anderen Unternehmen als Hersteller bzw. Händler von Schienen, Weichen und Schwellen auf dem Privatmarkt in Deutschland kartellrechtswidrige Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen getroffen haben und damit gegen das Kartellverbot des § 1 GWB 1998 verstoßen haben.
aa) Das Bundeskartellamt hat dies mit rechtskräftigen Bußgeldbescheiden gegen die Beklagten zu 1) und 3) vom 18. Juli 2013 (Anlagen K 1, K 16) auch mit Wirkung für den vorliegenden Zivilrechtsstreit festgestellt (§ 33 Abs. 4 GWB 2005). Danach ist das Gericht im Schadensersatzprozess wegen eines Kartellverstoßes an die Feststellung des Verstoßes gebunden, wie sie in einer bestandskräftigen Entscheidung der Kartellbehörde, der Europäischen Kommission oder der Wettbewerbsbehörde oder des als solche handelnden Gerichts getroffen wurde.
Der Anwendung des § 33 Abs. 4 GWB 2005 steht dabei nicht entgegen, dass die Vorschrift erst im Juli 2005 in Kraft getreten ist, der streitgegenständliche Auftrag an die SH. GmbH aber bereits am 13. September 2001 erteilt worden war, da das kartellbehördliche Verfahren im Juli 2005 nicht bereits bestandskräftig abgeschlossen gewesen ist. Die Grundsätze des intertemporalen Rechts dienen dem Schutz des Vertrauens darin, dass das rechtserhebliche Handeln eines Rechtssubjektes auch in Zukunft nur nach dem zu seiner Vornahme (oder Unterlassung) geltenden Recht beurteilt wird. Dieses schutzwürdige Vertrauen gebietet ein Verbot der Rückwirkung ungünstigeren neuen Rechts bzw. ein Gebot zur Anwendung günstigeren alten Rechts jedoch nur in Bezug auf das materielle Recht. Die Regelung des § 33 Abs. 4 GWB 2005 stellt zwar eine gegenüber der alten Rechtslage wesentliche Neuerung dar, hat aber lediglich eine Beweiserleichterung für potentielle Privatkläger zur Ermöglichung von Anschlussklagen („Followon“-Verfahren) und damit eine prozessuale Frage zum Gegenstand. Dies führt dazu, dass für die Anwendbarkeit dieser prozessualen Vorschrift nicht auf die Entstehung des Rechtsverhältnisses oder die Eröffnung des kartellbehördlichen oder gerichtlichen Verfahrens, sondern auf den Zeitpunkt dessen bestands- oder rechtskräftigen Abschlusses abzustellen ist. Denn erst der mit Unanfechtbarkeit der Entscheidung einhergehende Abschluss des Verfahrens führt zu einem nunmehr unabänderbaren prozessual erheblichen Sachverhalt. Erlangt die Entscheidung daher wie vorliegend erst nach dem 1. Juli 2005 Bestandsbzw. Rechtskraft, liegt weder eine unzulässige Rückwirkung noch eine sonstige Enttäuschung schutzwürdigen Vertrauens vor, so dass § 33 Abs. 4 GWB 2005 ohne weiteres eingreift (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. September 2009 – VI-U (Kart) 17/08 (V) -, juris Tz. 34 f. m. w. N.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. November 2016 – 6 U 204/15 Kart (2) -, juris Tz. 47 – Grauzementkartell m. w. N.; Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 22. Februar 2017 – 2 U 583/15 Kart -, juris Tz. 54 – Schienenkartell).
bb) Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes haben die Kartellanten im Zeitraum von 2001 bis zur Aufdeckung des Kartells im Mai 2011 Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen getroffen. Diese Absprachen, die sich mit der Zeit hinsichtlich Struktur und Teilnehmern mit den Marktgegebenheiten verändert haben, sind nach den – im vorliegenden Rechtsstreit unbestrittenen – Feststellungen der Kartellbehörde in regional unterschiedlicher Intensität, aber immer mit demselben Grundverständnis sowie mit vergleichbarem Ablauf und ähnlicher Umsetzung erfolgt. Die Absprachen haben den Vertrieb von Schienen, Weichen und Schwellen an Nahverkehrsunternehmen und Privatbzw. Regionalbahnen betroffen. Dabei ist es um die Aufteilung von Ausschreibungen unter den Kartellbeteiligten gegangen.
Im Bereich Schienen und Schwellen sind die Beklagten zu 4), 6) und 7) sowie die Beklagte zu 3) als Händlerin der Beklagten zu 7) im gesamten Zeitraum bundesweit an den Absprachen beteiligt gewesen. Die Beklagte zu 1) hat regional bei Ausschreibungen an Absprachen teilgenommen, nach der Übernahme durch die B.-Gruppe im August 2008 nur noch in Einzelfällen.
Im Bereich Weichen sind Aufträge jedenfalls bis Ende 2008 vor allem im Rahmen bzw. am Rand von Sitzungen des Arbeitskreises Marketing innerhalb des Fachverbandes Weichenbau beziehungsweise innerhalb des Verbandes der Bahnindustrie e.V. (VDB) abgesprochen worden. Hieran sind unter anderem die Beklagte zu 1) und 3) beteiligt gewesen.
Die Absprachepraxis im Privatmarkt hat maßgeblich darauf basiert, dass den einzelnen Unternehmen bestimmte „Altkunden“ bzw. Stammkunden zugeordnet gewesen sind. Diese Zuordnung der Kunden zu bestimmten Unternehmen ist von den Kartellteilnehmern grundsätzlich respektiert worden. Sie haben diese Unternehmen „geschützt“, indem sie bewusst auf die Abgabe von Angeboten verzichtet, diese erst nach Ablauf der Angebotsabgabefrist eingereicht oder gezielt überteuerte Angebote abgegeben haben, so dass der Auftrag an das „vorbestimmte“ Unternehmen gehen konnte. Umgesetzt worden sind die Absprachen vorwiegend über telefonische Kontakte und persönliche Treffen sowie E-Mails. Dabei ist aufgrund der über Jahre praktizierten Absprachen und gewachsenen Kundenbeziehungen und -vorlieben allen Beteiligten von vornherein klar gewesen, wer den ausgeschriebenen Auftrag bekommt, dieser ist auch „Spielführer“ bzw. „Führender“ genannt worden. Insoweit ist im Rahmen des ersten Kontakts bestätigt worden, welches Unternehmen im konkreten Fall den Auftrag ausführen sollte, also das „führende“ Unternehmen sein sollte, und wie die anderen Unternehmen an dem Projekt partizipieren sollten. Dem führenden Unternehmen ist bei der Umsetzung der Absprachen insgesamt eine organisatorische und koordinierende Funktion zugekommen. Ihm hat es oblegen, den anderen teilnehmenden Unternehmen entweder die Preise zu nennen, die diese in ihrem Angebot an den Kunden kommunizieren sollten (sogenannte „Schutzangebote“, welche über den Preisen des führenden Unternehmens und dessen Angebot gegenüber dem Kunden gelegen haben) oder aber den sogenannten „Null-Preis“ (häufig mit Sicherheitspuffer für Nachverhandlungen mit dem Kunden), zu dem das führende Unternehmen den Auftrag buchen wollte und auf den die übrigen Kartellteilnehmer einen Aufschlag vornehmen sollten. Mit der Zeit hat sich der Ablauf zwischen den Beteiligten so eingespielt, dass das „führende Unternehmen“ nicht selten Schutzpreise auch ohne vorherige Anfrage der anderen Unternehmen übersandt hat. Die Kommunikation solcher Preise ist auch telefonisch erfolgt, getarnt als Aktienbzw. Börsenwerte oder Lottozahlen sowie in persönlichen Treffen.
Als Ausgleich für die Abgabe der Schutzangebote sind die Unternehmen zumeist durch Unteraufträge beteiligt worden. Teilweise ist auch vereinbart worden, dass die Unternehmen, die nicht durch Unteraufträge beteiligt worden sind, bei den nächsten gleichwertigen Ausschreibungen den Vortritt bekommen sollten. In anderen Fällen haben Unternehmen als Gegenleistung für die Abgabe eines abgesprochenen erhöhten Angebots auch einen Planungsauftrag oder einen Auftrag für ein Gutachten, die zumindest in Einzelfällen nicht erstellt, aber abgerechnet worden sind (sogenannte Kompensationsgeschäfte), erhalten. Insofern haben die Absprachen einzelne projektbezogene Ausschreibungen betroffen. Als Gegenleistung für die Abgabe eines Schutzangebotes in einem konkreten Projekt hat der „Schützende“ grundsätzlich davon ausgehen können, dass er seinerseits bei einem anderen Projekt von den Mitkartellanten geschützt wird. Der Ablauf der Absprache ist insgesamt als Spielregel so etabliert gewesen, dass es häufig keiner ausdrücklichen Einzelfallabsprache zwischen den beteiligten Unternehmen bei dem jeweiligen Projekt mehr bedurft hat.
Im Bereich Weichen sind im Rahmen der Sitzungen des Arbeitskreises Marketing auch konkrete Projekte diskutiert und deren Zuteilung abgesprochen worden. Dabei sind die beteiligten Unternehmen übereingekommen, sich bei der Aufteilung der Projekte an Stammkunden zu orientieren bzw. Projekte jeweils dem Unternehmen zuzuteilen, das diesen Kunden bereits zuvor beliefert hatte. Um das Entdeckungsrisiko dieser Strategie zu verringern, ist gelegentlich von diesem Vorgehen abgewichen worden, indem einem Kartellunternehmen ein Portraitprojekt eines Kunden zugeteilt worden ist, bei dem es nicht Stammlieferant gewesen ist. Der Stammlieferant hat als Ausgleich einen Unterauftrag erhalten. Im Fachverband Weichenbau ist es auch immer wieder zu Diskussionen über Preiserhöhungen gekommen. Die Kartellunternehmen haben sich mehrfach darauf verständigt, die Preiserhöhung der Vormaterialpreise entsprechend weiterzugeben.
cc) Insoweit und auch nach dem nicht bestrittenen Sachvortrag der Klägerin (§ 138 Abs. 3 ZPO) steht die Mitwirkung der Beklagten zu 1) und 3) an einem Kartellverstoß fest. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Feststellungen der Kartellbehörde im Rahmen der Bußgeldbescheide, die gegen die Beklagten zu 1) und 3) gerichtet waren, auf deren geständigen Einlassungen beruhten.
c) Die Beklagten zu 1) und 3) haben vorsätzlich gehandelt.
d) Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass der Beschaffungsvorgang BT 1 kartellbefangen und die Klägerin somit vom Kartell betroffen ist.
Ob der Anspruchsteller durch den Kartellverstoß betroffen ist, ist nach § 286 ZPO festzustellen (vgl. BGH NJW 2016, 3527 Tz. 47 – Lottoblock II). Im Streitfall besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Auftragserteilung vom 13. September 2001 an die SH. GmbH, die Anfang 2011 mit der Beklagten zu 1) verschmolzen ist, nicht frei von Einflüssen des Kartells gewesen ist, die Klägerin hinsichtlich dieses Beschaffungsvorgangs also vom Kartell betroffen ist. Die Beklagten zu 1) bis 3) haben diesen Anscheinsbeweis nicht erschüttert.
aa) Die Darlegungs- und Beweislast für die konkrete Kartellbetroffenheit trägt die Klägerin. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins bei typischen Geschehensabläufen anwendbar, das heißt in Fällen, in denen ein bestimmter Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist. Dabei bedeutet Typizität nicht, dass die Ursächlichkeit einer Tatsache für den Erfolg bei allen Sachverhalten der Fallgruppe immer vorhanden sein muss; sie muss aber so häufig gegeben sein, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (vgl. BGH NJW 2013, 1092 Tz. 26).
bb) Der Anschein der Kartellbetroffenheit ergibt sich hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 1 dadurch, dass dieser sich in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht in die vom Bundeskartellamt festgestellte Kartellabsprache einfügt.
(1) In sachlicher Hinsicht fügt sich der Beschaffungsvorgang BT 1 uneingeschränkt ein. Der Auftragserteilung an die SH. GmbH am 13. September 2001 hat eine nationale Ausschreibung (offenes Verfahren) der Klägerin vom 27. Juli 2001 zur Beschaffung von Weichen zugrunde gelegen. Auf die Ausschreibung haben die SH. GmbH ein Angebot über 238.564,32 DM (121.976,- €), die K. G. mbH – die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 3) – ein Angebot über 249.939,43 DM (127.742,- €) und die Beklagte zu 4) ein Angebot über 245.904,55 DM (125.729,- €) abgegeben (vgl. Anlagenkonvolut K BT 1a). Den Zuschlag hat die SH. GmbH mit dem günstigsten Angebot erhalten.
An der Ausschreibung der Klägerin für (kartellierte) Weichen haben sich somit ausschließlich Kartellanten beteiligt. Im Bereich Weichen sind Aufträge jedenfalls bis Ende 2008 vor allem im Rahmen der Sitzungen des Arbeitskreises Marketing innerhalb des Fachverbandes Weichenbau abgesprochen worden, woran die Beklagten zu 1) und 3) beteiligt gewesen sind.
(2) Auch in zeitlicher Hinsicht fügt sich der Auftrag vom 13. September 2001 in die vom Bundeskartellamt festgestellte Dauer des Kartells von 2001 bis 2011 ein.
(3) In räumlicher Hinsicht fügt sich der Beschaffungsvorgang schon deshalb ein, da nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes bestimmte Unternehmen, unter anderem die Beklagten zu 3) und 4), bundesweit in allen Regionen an den Kartellabsprachen beteiligt gewesen sind.
Die Beklagte zu 1), die sich – im Bereich Schienen und Schwellen – nur regional bei Ausschreibungen an Absprachen beteiligt hat, hat ihren Firmensitz in München. Für den Bereich Weichen trifft der Bußgeldbescheid keine Feststellung darüber, dass sich die Beklagte zu 1) in räumlicher Hinsicht nur eingeschränkt an den Absprachen beteiligt hat. Die Beklagte zu 1) bzw. ihre damalige 100%ige Tochterfirma SH. GmbH haben sich auch an den Ausschreibungen der Klägerin hinsichtlich der Beschaffungsvorgänge BT 2, BT 3, BT 4 und BT 7 beteiligt; zudem ist die SH. GmbH bei den Beschaffungsvorgängen BT 2 und BT 4 jeweils von der Beklagten zu 3), die die entsprechenden Aufträge erhalten hat, als Nachunternehmerin benannt worden. Im Übrigen hat die Beklagte zu 1) in der Klageerwiderung selbst eingeräumt, dass die Beschaffungsvorgänge BT 3 und BT 4 der Klägerin von Kartellabsprachen betroffen gewesen seien und sie damit an Absprachen in der Region München mitgewirkt habe (Seite 2 = Bl. 288 d. A.).
(4) Es besteht somit in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die SH. GmbH bei der streitgegenständlichen Ausschreibung von Weichen zu Beginn des Kartellzeitraums im Jahr 2001 als „Spielführer“ und Stammlieferant der Klägerin im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens den Beklagten zu 3) und 4) ihren „Nullpreis“ bzw. Schutzpreise mitgeteilt hat und diese aufgrund einer getroffenen Absprache entsprechend höhere Angebote abgegeben haben.
cc) Die Beklagten zu 1) bis 3) haben den Anscheinsbeweis der Kartellbetroffenheit nicht erschüttert.
Insbesondere vermag das Vorbringen der Beklagten zu 1) und 2), umfangreiche interne Ermittlungen hätten lediglich die Beteiligung der Beklagten zu 1) an Kartellabsprachen hinsichtlich der Beschaffungsvorgänge BT 3 und BT 4, nicht hingegen an den weiteren Beschaffungsvorgängen aufgedeckt, den Beweis des ersten Anscheins nicht zu erschüttern. Denn es entspricht gerade dem Wesen eines Kartells, dass Vorgänge geheim gehalten werden bzw. etwaige schriftliche Dokumente nach Aufdeckung des Kartells vernichtet werden. Auch nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes ist die Kommunikation solcher Preise teilweise telefonisch erfolgt, getarnt als Aktienbzw. Börsenwerte oder Lottozahlen sowie in persönlichen Gesprächen. Ebenso entspricht es einem Kartell, dass daran beteiligte Mitarbeiter wegen der Strafbarkeit des entsprechenden Verhaltens sowie der Gefahr von zivilrechtlichen Regressansprüchen und arbeitsrechtlichen Konsequenzen keine freimütigen Auskünfte gegenüber ihrem Arbeitgeber geben. Daher spricht der Umstand, dass bei den behaupteten internen Ermittlungen durch intensive Befragung von Zeugen und Auswertung von E-Mails und sonstigen Dokumenten keine konkreten Hinweise auf ausdrückliche Absprachen hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 1 gefunden worden seien, gerade nicht notwendig dafür, dass dieses Projekt frei von Einflüssen des Kartells gewesen ist.
dd) Dementsprechend haben die Beklagten zu 1) und 2) im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 21. August 2017 auch eingeräumt, dass die SH. GmbH im Jahr 2001 Stammlieferantin der Klägerin gewesen sei und Absprachen mit Wettbewerbern getroffen habe und im Einzelnen ausgeführt, dass die städtischen Mitarbeiter einem Mitarbeiter der Beklagten zu 1) bzw. der SH. GmbH regelmäßig frühzeitig im Jahr lange vor den Ausschreibungen eine Liste mit dem künftigen Beschaffungsbedarf der Klägerin an Weichen für die Münchener U-Bahn übergeben hätten, wodurch es der Beklagten zu 1) bzw. der SH. GmbH möglich gewesen sei, sich frühzeitig auf bevorstehende Ausschreibungen der Klägerin vorzubereiten und darüber hinaus mit Wettbewerbern Absprachen zu treffen, welches Unternehmen am besten welche Weichen liefern sollte. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist aufgrund dieses verspäteten Vorbringens (§ 296a Satz 1, § 525 Satz 1 ZPO) jedoch nicht veranlasst (§ 156 ZPO), da die Kartellbetroffenheit nach den obigen Ausführungen ohnehin gegeben ist.
e) Durch den schuldhaften Verstoß der Beklagten zu 1) und 3) ist der Klägerin hinsichtlich des kartellbefangenen Beschaffungsvorgangs BT 1 mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden in zumindest irgendeiner Höhe entstanden.
aa) Ob der Klägerin aufgrund eines Verstoßes gegen das Kartellrecht ein Schaden entstanden ist, beurteilt sich nach § 287 Abs. 1 ZPO. Für die richterliche Überzeugungsbildung reicht daher eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit aus, dass ein Schaden entstanden ist (vgl. BGH a.a.O. Tz. 41 f. – Lottoblock II).
bb) Bei den im Bereich Weichen zwischen den Kartellanten getroffenen Kundenschutzabsprachen – wie vorliegend hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 1 – besteht eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit i. S. d. § 287 Abs. 1 ZPO dafür, dass der Klägerin ein Schaden entstanden ist. Ebenso wie bei einem Quotenkartell besteht auch bei Kundenschutzabsprachen ein Anscheinsbeweis für eine kartellbedingte Preiserhöhung.
(1) Bei einem Quotenkartell spricht der erste Anschein dafür, dass es sich allgemein preissteigernd auswirkt (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. November 2016 – 6 U 204/15 Kart (2) -, juris Tz. 63 – Grauzementkartell). Es besteht ein Erfahrungssatz, dass die Gründung des Kartells grundsätzlich der Steigerung des Gewinns der im Kartell beteiligten Unternehmen dient. Deshalb spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Kartell gebildet und erhalten wird, weil es höhere als am Markt erzielbare Preise erbringt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2013 – KRB 20/12 -, juris Tz. 76 f. – Grauzementkartell). Die generelle Eignung eines Kartells, für seine Mitglieder wirtschaftliche Vorteile entstehen zu lassen, folgt schon daraus, dass die beteiligten Unternehmen durch die Festlegung bestimmter Quoten der Notwendigkeit enthoben sind, sich im Wettbewerb am Markt zur Erlangung von Aufträgen gegen konkurrierende Unternehmen durchzusetzen, was regelmäßig über die von ihnen angebotenen Preise erfolgt. Wird den beteiligten Unternehmen von vornherein eine fest umrissene Quote zugedacht, können die Marktmechanismen keine Wirkung entfalten. Damit wird grundsätzlich der Preiswettbewerb weitgehend außer Kraft gesetzt. Deshalb liegt es nach der Lebenserfahrung nahe, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise höher liegen als die im Wettbewerb erreichbaren Marktpreise. Das Unternehmen, das auf Grund der ihm eingeräumten Quote nicht im Wettbewerb bestehen muss, wird regelmäßig seine Preissenkungsspielräume nicht nutzen. Die Bildung eines Kartells und seine Durchführung indizieren daher, dass den Kartellanten hieraus auch jeweils ein Vorteil erwächst. Unternehmen bilden derartige Kartelle, um keine Preissenkung vornehmen und damit auch keine Gewinnschmälerung hinnehmen zu müssen. Nach ökonomischen Grundsätzen wird bei Kartellen regelmäßig eine Kartellrendite entstehen. Deshalb spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Kartell gebildet und erhalten wird, weil es höhere als am Markt sonst erzielbare Preise erbringt (vgl. BGH NJW 2006, 163, 164 – Berliner Transportbeton-Kartell).
(2) Ebenso wie bei Quotenkartellen und reinen Preisabsprachen wird auch bei einem Kundenschutzkartell der Preiswettbewerb ausgeschaltet, indem dafür gesorgt wird, dass nicht der effizienteste Anbieter, sondern grundsätzlich der Stammlieferant oder Spielführer den jeweiligen Auftrag bekommt. Dadurch, dass er den „Null-Preis“ bzw. Schutzpreise seinen Mitkartellanten mitteilt, werden diese davon abgehalten, ihrerseits ein günstigeres Angebot abzugeben. Quotenund Kundenschutzabsprachen dienen gleichermaßen dazu, den Unternehmen Preissetzungsspielräume zu eröffnen, die sie erfahrungsgemäß auch nutzen. Andernfalls wären der mit der Koordination und deren Überwachung einer Kartellabsprache einhergehende Aufwand und das damit verbundene Risiko entbehrlich. Der Spielführer, der den Auftrag erhalten soll, hat bei Kundenschutzabsprachen im Vergleich zu einer Situation ohne entsprechende wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung einen geringeren Anreiz zur Senkung seiner Preise. Es liegt auf der Hand, dass dies typischerweise mit der Erhöhung des Preisniveaus einhergeht, zumal wenn mit den Kundenschutzabsprachen der Sinn und Zweck einer durchgeführten Ausschreibung konterkariert wird. Im Übrigen ist es nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes in den Bußgeldbescheiden vom 18. Juli 2013 im Fachverband Weichenbau immer wieder zu Diskussionen über Preiserhöhungen gekommen. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit der Erhöhung der Vormaterialpreise geschehen. Die Kartellunternehmen haben sich mehrfach darauf verständigt, die Preiserhöhung entsprechend weiterzugeben.
Daher besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Klägerin als unmittelbare Abnehmerin einer Kartellantin für den Beschaffungsvorgang BT 1 einen überhöhten Preis bezahlt hat und ihr dadurch ein Schaden entstanden ist.
cc) Diesen Anscheinsbeweis haben die Beklagten zu 1) bis 3) nicht erschüttert.
(1) Eine kartellbedingte Erhöhung des Preisniveaus wird insbesondere nicht durch das Vorbringen der Beklagten zu 1) und 2) infrage gestellt, bei den Absprachen sei es nur darum gegangen, auch in der auftragsschwachen Zeit im Winter Aufträge zu sichern und den Kartellbeteiligten einen auskömmlichen Anteil am Gesamtmarkt zu sichern. Denn der damit zugestandene Verzicht auf einen auf Ausweitung der eigenen Marktanteile gerichteten Preiswettbewerb ist auf Dauer nur aufrechtzuerhalten, wenn die Unternehmen durch einen „auskömmlichen“ Kartellpreis entschädigt werden. Selbst wenn eine gleichmäßige Auslastung der Werke für Oberbaumaterialien das Ziel der Absprachen dargestellt haben sollte, ist dessen Umsetzung mittels der vom Bundeskartellamt festgestellten „Kartell-Spielregeln“ geschehen. Mit diesen ist jedoch ein echter Preiswettbewerb, der der erwünschten gleichmäßigen Verteilung der Aufträge entgegengestanden ist, ausgehebelt worden.
(2) Der Anscheinsbeweis ist auch nicht dadurch erschüttert, dass die Beklagten zu 1) bis 3) ausreichend dargelegt hätten, dass sie die streitgegenständlichen Aufträge zu Preisen erhalten haben, die sogar unter den Nachkartellpreisen lägen.
Zwar ist zutreffend, dass die Beklagten bei ihrem Vergleich mit den Zahlen operieren, die sich aus dem von der Klägerin eingeholten I-Gutachten ergeben. Dieses Gutachten betrifft jedoch eine andere Fragestellung und untersucht nicht die Höhe des Schadens im konkreten Einzelfall. Der Gutachtensauftrag ist dahin gegangen, ein geeignetes Modell für die Schätzung der durchschnittlichen kartellbedingten Preisaufschläge zu entwickeln und dieses mithilfe anerkannter statistischer Methoden zu schätzen. Die Durchschnittspreise sind indes für die Frage der Preisüberhöhung von konkreten Beschaffungen ohne Aussagewert. Denn auch innerhalb der einzelnen Produktkategorien Weichen, Schienen und Schwellen gibt es Unterschiede und Besonderheiten, die Preisunterschiede rechtfertigen. Ein Durchschnittspreis, wie ihn das von der Klägerin vorgelegte Gutachten ermittelt hat und die Beklagten zu 1) bis 3) zur Erschütterung des Anscheinsbeweises heranziehen, wird gerade aufgrund der Berücksichtigung von deutlich niedrigeren und deutlich höheren Preisen als Mittel gebildet. Der Durchschnittspreis besitzt deshalb keine zweifelsfreie Aussagekraft im Hinblick darauf, dass er auch der hypothetische – kartellfreie – Wettbewerbspreis für den konkreten Beschaffungsvorgang gewesen wäre.
Im Übrigen ist binnen eines Jahres nach Beendigung des Kartells regelmäßig noch mit preiserhöhenden Nachwirkungen des Kartells zu rechnen (vgl. BGH a.a.O., Tz. 84 – ORWI), so dass ein Vergleich der Angebotspreise der Kartellanten aus den Jahren 2001 bis 2008 mit den Nachkartellpreisen schon aus diesem Grunde den Anscheinsbeweis der preissteigernden Wirkung nicht erschüttern kann.
f) Eine Anrechnung von öffentlichrechtlichen Zuwendungen durch den Freistaat Bayern auf den Schaden der Klägerin im Wege der Vorteilsausgleichung kommt nicht in Betracht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechen finanzielle Zuwendungen aus dem Haushalt der Bundesrepublik wertungsmäßig dem Verhältnis zwischen Unterhaltsberechtigten und Unterhaltsverpflichteten im Sinne des § 843 Abs. 4 BGB und rechtfertigen eine Kürzung von Schadensersatzansprüchen nicht (vgl. BGH NJW 2000, 3062, 3063). Nichts anderes kann gelten für die Förderung der Beschaffung von Oberbaumaterialien der Klägerin durch den Freistaat Bayern.
Hinzu kommt, dass die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten zu 1) bis 3) ohnehin nicht dargelegt haben, wie hoch diese Zuschüsse waren, ob sie überhaupt von den Preisen für Oberbaumaterialien abhingen und infolgedessen wegen der preissteigernden Wirkung des Kartells im Kartellzeitraum höher waren als im Nichtkartellzeitraum. Sie haben auch nicht vorgetragen, dass die Förderungen zurückzuzahlen sind, wenn sich Beschaffungskosten im Nachhinein als niedriger herausstellen sollten, oder ob sie der Klägerin unabhängig davon verbleiben. Im Einklang mit dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot liegt die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung und insbesondere der Kausalität des Vorteils beim Schädiger (vgl. BGH a.a.O. Tz. 64 – ORWI). Dieser Darlegungslast sind die Beklagten zu 1) bis 3) nicht hinreichend nachgekommen.
g) Auch der von den Beklagten zu 1) bis 3) erhobene Einwand der Schadensweiterreichung („passingon defense“) greift nicht durch. Die Beklagten haben jedenfalls nicht hinreichend dargetan, dass die Klägerin den kartellbedingten Preisaufschlag im Wege der Fahrpreiserhöhung an die Kunden weitergegeben hat.
aa) Dem „passingon“-Einwand liegt der Gedanke zugrunde, dass dem Geschädigten unter bestimmten Voraussetzungen diejenigen Vorteile zuzurechnen sind, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen; denn er soll nicht besser gestellt sein, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Voraussetzung ist aber stets, dass die Preiserhöhung, die der Geschädigte gegenüber seinen Abnehmern durchsetzen kann, in adäquatem Kausalzusammenhang mit dem kartellbedingten Preisaufschlag steht. Der gerechte Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen erfordert einerseits, dass der Geschädigte entsprechend dem schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbot nicht besser gestellt wird als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nicht alle durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, sondern nur solche, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, d. h. dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet (vgl. BGH a.a.O., Tz. 58, 59 – ORWI).
bb) Es kann dahin stehen, ob die Grundsätze der „passingon defense“ im Streitfall überhaupt Anwendung finden. Hieran bestehen erhebliche Zweifel, wenn – wie bei der Weitergabe eines kartellbedingten Preisaufschlags im Wege der Fahrpreiserhöhung an Fahrgäste – der Kartellschaden des unmittelbaren Abnehmers in Gestalt von sogenannten „Streuschäden“ an eine Vielzahl von Endverbrauchern weitergegeben wird. Denn dies würde – zumindest weitgehend -zu einer unangemessenen Entlastung des Schädigers führen, da nicht damit zu rechnen ist, dass die einzelnen Fahrgäste ihrerseits wegen Kleinstbeträgen gegen die Kartellanten vorgehen.
cc) Jedenfalls haben die insofern darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten zu 1) bis 3) schon nicht hinreichend dargetan, dass die Klägerin über die Münchener Verkehrsbetriebe GmbH (MVG), die U-Bahn, Bus und Tram betreibt und mit der Münchener Verkehrs- und Tarifverbund GmbH (MVV) kooperiert, den kartellbedingten Preisaufschlag im Wege der Fahrpreiserhöhung an die Kunden weitergegeben hat. Der Vortrag der Beklagten zu 3), dass die MVV-Tarife im Kartellzeitraum regelmäßig – in aller Regel jährlich – angepasst und um bis zu 5,3% angehoben worden seien, genügt hierfür nicht, da es regelmäßige Preiserhöhungen sowohl vor 2001 als auch nach Aufdeckung des Kartells im Jahr 2011 gegeben hat. Die Klägerin hat eine Weiterreichung des Kartellaufschlags bestritten. Konkrete Anhaltspunkte hierfür bestehen nicht. Denn die Preisbildung bei Fahrtickets steht, anders als diejenige beim Weiterverkauf von Waren, in keiner unmittelbaren Relation zum Einkaufspreis für bestimmte Infrastruktur, sondern es ist eine Fülle anderer Faktoren – unter anderem Personal- und Energiekosten – dafür maßgeblich. Die Kosten für Investitionen in Gleisoberbaumaterialien finden damit lediglich Eingang in eine Mischkalkulation, werden aber nicht eins zu eins an die Fahrgäste weitergegeben. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der den Fahrgästen abverlangte Fahrpreis jedenfalls nicht ausschließlich das Ergebnis einer kaufmännischen Kalkulation darstellt, sondern hierbei auch soziale Faktoren wie der Zugang der Bevölkerung zu bezahlbarer Mobilität in hohem Maß eine Rolle spielen. Der Spielraum für die Weitergabe kartellbedingter Aufschläge wird dadurch erheblich eingeschränkt.
h) Im Streitfall kann auch kein anspruchsminderndes Mitverschulden der Klägerin aufgrund ihres Vergabeverhaltens gemäß § 254 BGB angenommen werden. Der Einwand des Mitverschuldens betrifft den Anspruchsgrund, so dass über ihn im Grundurteil zu entscheiden ist (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 254 Rn. 72).
Auch wenn die Ausschreibung kundenspezifisch auf die SH. GmbH ausgerichtet gewesen sein und dabei die technische Spezifikation eine Rolle gespielt haben sollte, wie dies nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes beim Stammkundenmodell häufig der Fall gewesen ist, begründet dies kein Mitverschulden der Klägerin an dem Kartellverstoß der Beklagten zu 1) und 3). Die Klägerin war aufgrund der durchgeführten Ausschreibung verpflichtet, dem günstigsten Bieter den Zuschlag zu erteilen. Dass die Klägerin die Ausschreibung so gestaltet hat, dass von vornherein nur ein begrenzter Kreis von Anbietern überhaupt als Lieferant in Frage gekommen ist und die SH. GmbH als Stammlieferantin der Klägerin die möglicherweise auf sie zugeschnittenen Leistungsanforderungen erfüllt und aufgrund des günstigsten Angebotes auch – wie von der Klägerin gegebenenfalls gewünscht – den Zuschlag erhalten hat, führt nicht dazu, dass die Klägerin von den Kundenschutzabsprachen der Kartellanten und einem kartellbedingten Preisaufschlag der SH. GmbH Kenntnis hatte oder hätte haben müssen. Insofern ist nicht ersichtlich, wie die Klägerin an der Schadensentstehung mitgewirkt haben sollte.
Soweit die Beklagten zu 1) und 2) im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 21. August 2017 (Bl. 883/892 d. A.) ergänzend vorgetragen haben, dass Mitarbeiter der Klägerin im Vorfeld der Ausschreibungen zu den Beschaffungsvorgängen BT 1 und BT 2 die SH. GmbH über die bevorstehenden Projekte informiert und so die Auftragsvergabe gezielt gesteuert bzw. die Vergabeverfahren in die gewünschte Richtung gelenkt hätten, ist dieser Vortrag gemäß § 296a Satz 1 i. V. m. § 525 Satz 1 ZPO verspätet. Im Übrigen ergibt sich daraus nicht, dass die genannten Mitarbeiter der Klägerin Kenntnis von den Kundenschutzabsprachen der Kartellanten und der preissteigernden Wirkung dieses Kartells gehabt hätten. Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, besteht insofern nicht (§ 156 ZPO).
i) Der gegen die Beklagte zu 2) hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 1 geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 33 Satz 1 i. V. m. § 1 GWB 1998 ist verjährt. Die Beklagte zu 2) ist nach § 214 Abs. 1 BGB berechtigt, die Leistung zu verweigern. Hingegen können sich die Beklagten zu 1) und 3) nicht auf Verjährung berufen.
aa) Im Streitfall wird die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist (§ 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB) von dem 1. Januar 2002 an berechnet (Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB).
(1) Der Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 33 Satz 1 i. V. m. § 1 GWB 1998 unterliegt für den Beschaffungsvorgang BT 1 den seit dem 1. Januar 2002 geltenden Verjährungsvorschriften (§§ 195, 199 BGB); er ist nicht nach § 852 Abs. 1, § 195 § 198 Satz 1 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (im Folgenden: a. F.) zu beurteilen.
Nach §§ 852 Abs. 1, 198 Satz 1 BGB a. F. unterliegen Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung einer Verjährungsfrist von drei Jahren, die in dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in dem der Verletzte von dem entstandenen Schaden und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB (n. F.) sehen ebenfalls eine regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren vor, die grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangt haben müsste.
Soweit Schadensersatzansprüche – wie im Streitfall – bereits vor dem Stichtag des 1. Januar 2002 entstanden, aber bei Inkrafttreten der §§ 195, 199 BGB (n. F.) noch nicht verjährt sind, finden gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB die neuen Verjährungsvorschriften Anwendung; allein der Beginn der Verjährung richtet sich wegen Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB für die Zeit vor dem Stichtag nach der alten Rechtslage. Vorliegend scheidet ein Verjährungsbeginn noch vor dem 1. Januar 2002 jedoch aus.
aaa) Der Schadensersatzanspruch ist bereits mit Erteilung des Auftrages am 13. September 2001 an die SH. GmbH entstanden. Zwar ist der für den Verjährungsbeginn und die Anspruchsentstehung maßgebliche Eintritt eines Schadens erst dann anzunehmen, wenn es zu einer konkreten Verschlechterung der Vermögenslage des Gläubigers gekommen ist, während der Eintritt einer risikobehafteten Situation dafür nicht ausreicht. Eine konkrete Verschlechterung der Vermögenssituation kann allerdings bereits im Abschluss eines wirtschaftlich nachteiligen Vertrages liegen (vgl. BGH NJW 2014, 2348 Tz. 25 m. w. N.). Im Streitfall ist die Klägerin bereits mit der Auftragserteilung eine Verbindlichkeit zur Zahlung des kartellbedingt überhöhten Preises eingegangen; insoweit ist es am 13. September 2001 zu einer konkreten Verschlechterung ihrer Vermögenssituation gekommen. Auf die Schlussrechnung der SH. GmbH vom 13. März 2002 und deren Bezahlung durch die Klägerin am 13. April 2002 kommt es daher für die Anspruchsentstehung nicht an. Die Bezahlung des Kaufpreises führt auch nicht zur Entstehung eines neuen Schadensersatzanspruches. Denn sie beruht auf derselben wettbewerbsbeschränkenden Absprache, die zum Vertragsschluss geführt hat und vertieft den darin bereits begründeten Schaden lediglich.
bbb) Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin vor dem 1. Januar 2002 die für den Verjährungsbeginn i. S. d. § 852 Abs. 1 BGB a. F. nötige Kenntnis gehabt hat. Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten zu 1) und 2) im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 21. August 2017 (Bl. 883/892 d. A.) darauf, dass ein Mitarbeiter der Klägerin, der für die Beschaffung von Weichen für die U-Bahn verantwortlich gewesen sei, bereits bei Auftragserteilung Kenntnis vom Schadensersatzanspruch gehabt habe. Der Vortrag ist gemäß § 296a Satz 1 i. V. m. § 525 Satz 1 ZPO verspätet. Im Übrigen ergibt sich daraus nicht, dass der genannte Mitarbeiter Kenntnis von den Kundenschutzabsprachen der Kartellanten und der preissteigernden Wirkung dieses Kartells gehabt habe.
ccc) Bei dieser Sachlage ist die neue Verjährungsfrist vom 1. Januar 2002 an zu berechnen. Dies folgt aus Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB. Diese Vorschrift sieht für den Fall, dass die Verjährungsfrist nach Maßgabe des neuen Rechts kürzer ist als die nach altem Recht, vor, dass die kürzere Frist vom 1. Januar 2002 an zu berechnen ist. Eine solche Situation liegt hier vor, denn mit der in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB (n. F.) angeordneten Gleichstellung von Kenntnis und grober Fahrlässigkeit ist ein über die Regelungen des § 852 BGB a. F. hinausgehender, verjährungsverkürzender Anwendungsfall eröffnet worden (vgl. BGH NJW-RR 2010, 681 Tz. 10). Die (längere) kenntnisabhängige dreijährige Frist des § 852 Abs. 1 BGB a. F. ist vorliegend auch nicht ausnahmsweise nach Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 2 EGBGB maßgeblich, denn sie ist -wie bereits dargelegt – vor dem Stichtag des 1. Januar 2002 nicht in Gang gesetzt worden; die Frist des § 852 Abs. 1 BGB a. F. konnte mithin nicht, wie in Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 2 EGBGB vorausgesetzt, früher als die Regelverjährung neuen Rechts ablaufen.
(2) Da die Beklagten zu 1) bis 3) auch nicht dargetan haben, dass die Klägerin vor dem Zeitpunkt der Vereinbarung der Verjährungsverzichtserklärung mit der Beklagten zu 3) im Dezember 2012 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und den Beklagten zu 1) bis 3) als Deliktschuldner erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB), ist im Streitfall die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB maßgeblich.
bb) Die ab 1. Januar 2002 laufende Verjährung ist am 28. Februar 2011 durch Einleitung des Kartellordnungswidrigkeitenverfahrens bis 18. Januar 2014 gehemmt worden (§ 33 Abs. 5 GWB 2005, § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB).
(1) Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1) bis 3) ist § 33 Abs. 5 Satz 1 GWB 2005 auch auf vor dem 1. Juli 2005 bereits entstandene Kartellschadensersatzansprüche anzuwenden, sofern an jenem Tag die Ansprüche nicht bereits verjährt waren und das zu Grunde liegende kartellbehördliche Verfahren zumindest noch nicht bestandsbzw. rechtskräftig abgeschlossen war (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. Februar 2015 – VI-U (Kart) 3/14 -, juris Tz. 120 ff. -Zementkartell-Sammelklage; Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 22. Februar 2017 – 2 U 583/15 Kart -, juris Tz. 91 ff. – Schienenkartell; a. A.: OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. November 2016 – 6 U 204/15 Kart (2) -, juris Tz. 81 ff. – Grauzementkartell).
Entgegen der Auffassung des OLG Karlsruhe steht der Wortlaut des § 33 Abs. 5 Satz 1 GWB 2005 nicht entgegen. § 33 Abs. 5 Satz 1 GWB 2005 – in der Fassung vom 18. Dezember 2007 -regelt die Verjährungshemmung von Schadensersatzansprüchen „nach Absatz 3“ (soweit § 33 Abs. 5 Satz 1 GWB 2005 in der Fassung vom 7. Juli 2005 lautete Die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs nach Abs. 2 wird gehemmt…, handelte es sich um ein Redaktionsversehen). Zwar verweist der Wortlaut dieser Hemmungsvorschrift auf Ansprüche nach § 33 Abs. 3 GWB 2005, der für Kartellverstöße vor dem 1. Juli 2005 nicht anwendbar ist (vgl. BGH a.a.O., Tz. 13 – ORWI). Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass Altverstöße nicht von der Verjährungshemmung erfasst werden. Soweit der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 24. Januar 2017 unter Verweis auf die ORWI-Entscheidung festgestellt hat, dass die Neufassung des § 33 GWB 2005 durch die Siebte GWB-Novelle keine Rückwirkung auf bei ihrem Inkrafttreten bereits abgeschlossene Kartellrechtsverstöße entfaltet (vgl. BGH WRP 2017, 563 Tz. 55 – VBLGegenwert II), hat sich diese Entscheidung auf die Anwendbarkeit der Verzinsungsregelung des § 33 Abs. 3 Satz 4 und 5 GWB 2005, nicht hingegen auch auf die Anwendbarkeit der Regelungen des § 33 Abs. 4, Abs. 5 GWB 2005 auf Altfälle bezogen.
Der Normwortlaut des § 33 Abs. 5 Satz 1 GWB 2005 ist offen. Es entspricht der üblichen Gesetzestechnik, dass in Vorschriften auf geltende Normen und nicht auf Vorgängernormen verwiesen wird (vgl. Seifert, Die Verjährung kartellrechtlicher Followon-Schadensersatzansprüche, WuW 2017, 474, 481). Die Hemmungsvorschrift kann auch dahin verstanden werden, dass sie in sachlicher Hinsicht für alle noch unverjährten Schadensersatzansprüche gilt, die auf einen Kartellrechtsverstoß des Anspruchsgegners zurückzuführen sind, gleichgültig, ob der Kartellverstoß vor oder nach Inkrafttreten der Siebten GWB-Novelle begangen worden ist. Für dieses Verständnis des § 33 Abs. 5 Satz 1 GWB 2005 sprechen die Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des mit der Siebten GWB-Novelle 2005 insgesamt neu gefassten § 33 GWB 2005. Mit der Neufassung wollte der Gesetzgeber die Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten von Kartellgeschädigten strukturell verbessern. Die Begründung zum Regierungsentwurf (BT-Drucks. 15/3640, S. 52 ff.) bezeichnet den vor der Siebten GWB-Novelle herrschenden Rechtszustand als unbefriedigend und zum Schutz von Kartellopfern unzureichend. Um die private Rechtsdurchsetzung nach Kartellrechtsverstößen effektiver zu gestalten, hat der Gesetzgeber insbesondere mit § 33 Abs. 4 GWB 2005 das Instrument der Tatbestandswirkung in das Kartellgesetz eingefügt. Um den Kartellgeschädigten in den Genuss dieser Tatbestandswirkung kommen zu lassen, hat der Gesetzgeber zudem in § 33 Abs. 5 GWB 2005 die Hemmung der Anspruchsverjährung während eines kartellbehördlichen Verfahrens eingeführt.
Es fehlt jeglicher Anhaltspunkt für die Annahme, dass ausschließlich die zivilrechtliche Verfolgung der erst nach dem 1. Juli 2005 entstandenen Ersatzansprüche verbessert werden sollte, nicht aber die bereits zuvor verwirklichten, noch nicht verjährten Ersatzansprüche. Für eine solche Differenzierung fehlt angesichts des gesetzgeberischen Willens, die Durchsetzung von zivilrechtlichen Ersatzansprüchen bei langandauernden Verwaltungs- oder Bußgeldverfahren zu ermöglichen bzw. zu erleichtern, eine sachliche Rechtfertigung. Die Geschädigten von vor dem Inkrafttreten der Siebten GWB-Novelle begangenen Kartellrechtsverstößen sind nicht weniger schutzbedürftig und schutzwürdig als die erst unter Geltung des GWB 2005 durch Kartellrechtsverstöße geschädigten Marktbeteiligten. Für beide gilt gleichermaßen die Bindungswirkung nach § 33 Abs. 4 GWB 2005 (s.o. I. 3. b) aa)), die aber in einer Vielzahl von Fällen leer laufen würde, wenn vor dem 1. Juli 2005 Geschädigte mangels Verjährungshemmung gerade nicht den Abschluss des kartellbehördlichen Verfahrens abwarten könnten.
Einer Anwendung von § 33 Abs. 5 GWB 2005 auf Altfälle steht auch nicht das systematische Argument des Vergleichs mit dem Wortlaut von § 33 Abs. 4 GWB 2005 entgegen, der sich anders als § 33 Abs. 5 GWB 2005 nicht auf einen Verstoß „nach Abs. 3“ bezieht und damit ohne weiteres eine Anwendung auf Altfälle erlaubt. Aus der Begründung des Regierungsentwurfs ergibt sich nichts dafür, dass der Gesetzgeber bei Abfassung der Formulierungen tatsächlich bewusst einen Unterschied zwischen § 33 Abs. 4 GWB 2005 und § 33 Abs. 5 GWB 2005 machen wollte. Die unterschiedlichen Formulierungen dürften eher redaktioneller Natur sein -ein belastbares Argument für die systematische Auslegung kann hierauf nicht gestützt werden.
Mangels einer gesetzlichen Übergangsregelung und aufgrund einer vergleichbaren Interessenslage ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Verjährungsrechts (vgl. Art. 169 Abs. 1 S. 1, Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1, Art. 231 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB) § 33 Abs. 5 GWB 2005 daher seit dem Tag seiner Geltung auch auf bereits zuvor entstandene und noch nicht verjährte Schadensersatzansprüche anwendbar.
(2) Damit wurde die Verjährung der Schadensersatzansprüche mit Einleitung des Kartellordnungswidrigkeitenverfahrens gegen die Beklagten zu 1) bis 3) nicht vor dem 28. Februar 2011 gehemmt.
Die für den Beginn der Hemmung der Verjährung darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat in der Replik vom 28. Oktober 2015 erstinstanzlich unwidersprochen vorgetragen, dass das Bußgeldverfahren gegen die Beklagten spätestens Anfang 2011 eingeleitet worden sei (Seite 70 = Bl. 395 d. A.). Diesem Vortrag kann nicht entnommen werden, dass die Verfahrenseinleitung vor dem 28. Februar 2011 erfolgt ist. Denn unter Anfang 2011 kann Anfang Januar 2011, aber auch noch Ende Februar 2011 verstanden werden. Der genaue Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens und der damit korrespondierende Beginn der Hemmung sind im Streitfall auch entscheidungserheblich. Denn im Falle der Einleitung des Bußgeldverfahrens bereits Anfang Januar 2011 und einer Hemmungswirkung bis 18. Januar 2014 (§ 204 Abs. 2 Satz 1 BGB) wäre die Verjährung des gegen die Beklagte zu 2) geltend gemachten Schadensersatzanspruchs rechtzeitig mit Erhebung der Klage vom 19. Dezember 2014 erneut gehemmt worden. Hingegen wäre im Falle der Einleitung des Bußgeldverfahrens erst am 28. Februar 2011 der gegen die Beklagte zu 2) geltend gemachte Anspruch im November 2014 verjährt, da die Klägerin mit Schreiben vom 15. August 2014 die Einleitung des Güteverfahrens lediglich gegen die Beklagte zu 1), nicht aber gegen die Beklagte zu 2) beantragt hat (s. u. I. 3. i) dd) und ee)).
Da die Klägerin nicht vorgetragen hat, dass das Bußgeldverfahren bereits im Januar 2011 bzw. vor dem 28. Februar 2011 eingeleitet worden ist, geht der Senat von einem Hemmungsbeginn am 28. Februar 2011 aus. Einen früheren Hemmungsbeginn hat die Klägerin auch im Berufungsverfahren weder dargetan noch unter Beweis gestellt. Soweit die Beklagten zu 1) und 2) erstmals in der Berufungsbegründung vom 1. November 2016 vorgetragen haben, dass die Verjährung frühestens mit Einleitung des Bußgeldverfahrens im Mai 2011 gehemmt worden sei (Seite 9 = Bl. 704 d. A.), ist dieses von der Klägerin bestrittene Verteidigungsvorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO verspätet.
(3) Die zehnjährige Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB wäre ursprünglich am 31. Dezember 2011 abgelaufen. Die Verjährung war indes vom 28. Februar 2011 bis 18. Januar 2014 gehemmt. Die Hemmung endet nach § 33 Abs. 5 Satz 2 GWB 2005 i. V. m. § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Beschlüsse des Bundeskartellamtes, die das Bußgeldverfahren beendet haben, stammen vom 18. Juli 2013, so dass die Verjährung bis 18. Januar 2014 gehemmt war. Nach § 209 BGB wird der Hemmungszeitraum nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet. Unter Hinzurechnung der noch nicht „verbrauchten“ Restverjährungsfrist von zehn Monaten (28. Februar 2011 bis 31. Dezember 2011) wäre die Verjährung am 18. November 2014 eingetreten.
cc) Der Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 3) ist nicht verjährt. Die Beklagte zu 3) hat mit der Klägerin am 21. Dezember 2012 während des Hemmungszeitraumes eine Verjährungsverzichtsvereinbarung hinsichtlich der bis dahin noch nicht verjährten Ansprüche mit Wirkung bis zum 31. Dezember 2014 abgeschlossen. Mit Einreichung der Klageschrift am 19. Dezember 2014 ist die Verjährungsfrist rechtzeitig gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden. Die Klageschrift ist nach Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses am 11. Februar 2015 an die Beklagte zu 3) demnächst i. S. d. § 167 ZPO zugestellt worden.
dd) Auch der Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) ist nicht verjährt. Die Klägerin hat rechtzeitig vor Verjährungseintritt am 18. November 2014 mit Schreiben vom 15. August 2014 die Einleitung eines Güteverfahrens gegen die Beklagte zu 1) hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 1 bei einer staatlich anerkannten Gütestelle beantragt (Anlage K 20). Mit Schreiben vom 19. September 2014 hat die Gütestelle das Scheitern des Güteverfahrens festgestellt (Anlage K 21).
Die Einleitung des Güteverfahrens hat nach § 204 Abs. 1 Nr. 4a BGB zur Hemmung der Verjährung geführt. Die Beantragung des Güteverfahrens war auch nicht rechtsmissbräuchlich. Dem Güteantrag lässt sich nicht entnehmen, dass dieser nicht zumindest auch zum Zwecke einer gütlichen Einigung gestellt worden ist. Soweit im Güteantrag geltend gemacht worden ist, dass dieser erfolge, um das Risiko der Verjährung von Ansprüchen auszuschließen, steht dies der Annahme, die Gütestelle werde jedenfalls auch zum Zwecke der Einigung im Verlauf der durch das Güteverfahren gehemmten Verjährungsfrist angerufen, nicht entgegen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Klägerin im Zeitpunkt des Antrags bereits bekannt gewesen ist, dass die Beklagte zu 1) hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 1 von vornherein nicht zu einer Einigung bereit gewesen wäre. Dies kann nicht schon deshalb angenommen werden, weil sie sich im Jahr 2012 geweigert hat, eine Verjährungsverzichtserklärung abzugeben und im Jahr 2013 nach Erlass des Bußgeldbescheides überhaupt keine Reaktion mehr gezeigt hat.
Mit der Weigerung der Beklagten zu 1), in das Verfahren einzutreten, und der entsprechenden Mitteilung der Gütestelle vom 19. September 2014 an die Klägerin war das Güteverfahren beendet, so dass die Verjährung gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB mit Ablauf des 19. März 2015 wieder zu laufen begonnen hätte. Durch die Zustellung der Klage vom 19. Dezember 2014 an die Beklagte zu 1) am 24. Februar 2015 wurde der Verlauf der Verjährung erneut gehemmt.
ee) Hingegen ist der Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2) verjährt.
Die Klägerin hat die Einleitung des Güteverfahrens lediglich gegen die Beklagte zu 1), nicht jedoch gegen die Beklagte zu 2) beantragt. Die Beklagten zu 1) und zu 2) haften gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG gesamtschuldnerisch. Nach § 425 Abs. 1, Abs. 2 BGB haben der Beginn, der Ablauf, die Hemmung und der Neubeginn der Verjährung grundsätzlich Einzelwirkung (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 425 Rn. 6). Eine Gesamtwirkung tritt nach § 425 Abs. 1 BGB nur ein, wenn sich aus dem Schuldverhältnis etwas anderes ergibt. Hierzu hat die Klägern nichts vorgetragen und ist auch sonst nichts ersichtlich. Da die Übertragung des Geschäftsbereichs „Gleisbau“ auf die Beklagte zu 2) im Wege der Umwandlung durch Abspaltung bereits im Jahr 2010 erfolgt ist, hat die Hemmung der Verjährung gegenüber der Beklagten zu 1) durch Einleitung des Güteverfahrens keine Wirkung gegenüber der Beklagten zu 2).
Danach ist die zehnjährige Verjährungsfrist nach Ende der Hemmung gemäß § 33 Abs. 5 GWB 2005 i. V. m. § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB am 18. Januar 2014 hinsichtlich der Beklagten zu 2) am 18. November 2014 abgelaufen. Die Klage vom 19. Dezember 2014 ist erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erhoben worden und hat daher nicht zu einer erneuten Hemmung der Verjährung geführt.
4. Die Klage ist gegen die Beklagten zu 1) bis 3) hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 2 -Auftragserteilung für vier Weichen an die T. G. mbH vom 4. Dezember 2002 – dem Grunde nach gerechtfertigt. Der Klägerin steht dem Grunde nach ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot gemäß § 33 i. V. m. § 1 GWB 1998, § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG, § 830 Abs. 1, § 840 Abs. 1 BGB zu.
a) Der Beschaffungsvorgang BT 2 ist kartellbefangen. Es besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Auftragserteilung vom 4. Dezember 2002 an die T. G. mbH, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte zu 3) ist, nicht frei von Einflüssen des Kartells gewesen ist, die Klägerin hinsichtlich dieses Beschaffungsvorgangs also vom Kartell betroffen ist. Die Beklagten zu 1) bis 3) haben diesen Anscheinsbeweis nicht erschüttert.
aa) In sachlicher Hinsicht fügt sich der Beschaffungsvorgang BT 2 in die vom Bundeskartellamt festgestellte Kartellabsprache ein. Der Auftragserteilung hat eine nationale Ausschreibung (offenes Verfahren) der Klägerin vom 30. Oktober 2002 zur Beschaffung von Weichen zugrunde gelegen. Auf die Ausschreibung haben die T. G. mbH ein Angebot über 151.065,- €, die SH. GmbH ein Angebot über 153.402,- €, die Beklagte zu 4) ein Angebot über 160.953,- €, die -nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes – an den Kartellabsprachen ebenfalls beteiligte K. GmbH ein Angebot über 164.041,40 € sowie die Kartellaußenseiterin G. GmbH ein Angebot über 159.092,50 € abgegeben (vgl. Anlagenkonvolut K BT 2a). Den Zuschlag hat die T. G. mbH mit dem günstigsten Angebot erhalten. Diese hat bereits in ihrem Angebot vom 25. November 2002 die SH. GmbH als Nachunternehmerin benannt (vgl. Anlagenkonvolut K BT 2a).
An der Ausschreibung der Klägerin für (kartellierte) Weichen haben sich somit vier Kartellanten und eine Kartellaußenseiterin beteiligt. Das Vorgehen der T. G. mbH und der SH. GmbH lässt sich zwanglos mit den Feststellungen des Bundeskartellamtes in Einklang bringen, wonach zur Verringerung des Entdeckungsrisikos zuweilen einem Kartellunternehmen ein Projekt eines Kunden zugeteilt worden ist, bei dem es nicht Stammlieferant gewesen ist, und der eigentliche Stammlieferant – hier die SH. GmbH – als Ausgleich einen Unterauftrag erhalten hat. Es besteht somit in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die T. G. mbH bei der streitgegenständlichen Ausschreibung von Weichen als „Spielführer“ im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens der SH. GmbH, der Beklagten zu 4) und der weiteren Kartellbeteiligten K. GmbH den „Nullpreis“ bzw. Schutzpreise mitgeteilt hat und diese aufgrund einer getroffenen Absprache entsprechend höhere Angebote abgegeben haben.
bb) Diesen Anscheinsbeweis der Kartellbetroffenheit haben die Beklagten zu 1) bis 3) nicht zu erschüttern vermocht.
Soweit bei Ausschreibungen neben Kartellanten auch Kartellaußenseiter wie vorliegend die G. GmbH ebenfalls Angebote abgegeben oder – wie bei den Beschaffungsvorgängen BT 6 bis 10 -diese sogar die Aufträge erhalten haben, spricht dies nicht gegen Absprachen unter den Kartellanten; denn diese haben auf die Angebote der Außenseiter gerade keinen Einfluss ausüben können.
Auch der Einwand der Beklagten zu 1) bis 3), dass sich aus den streitgegenständlichen zehn Beschaffungsvorgängen über verschiedene Jahre hinweg schon nicht ergebe, wer überhaupt Stammlieferant der Klägerin gewesen sei, kann den Anscheinsbeweis der Kartellbetroffenheit nicht erschüttern. Aus dem Bußgeldbescheid ergibt sich nämlich, dass zwar grundsätzlich ein Stammlieferant aufgrund der Absprachen bevorzugt worden ist. Derjenige, der einen Zuschlag erhalten hat, muss aber nach dem Modell des Kartells nicht unbedingt der Stammlieferant gewesen sein. Vielmehr wird im Bußgeldbescheid darüber hinaus beschrieben, dass als Ausgleich für die Abgabe von Schutzangeboten diesen Unternehmen bei folgenden gleichwertigen Ausschreibungen der Vortritt eingeräumt worden ist. Auch andere Formen der Gegenleistung für die Abgabe eines abgesprochenen erhöhten Angebots, wie insbesondere die Beteiligung an dem Projekt in Form eines Unterauftrages, sind vorgesehen gewesen. Es hat eine Vielzahl von Kompensationsgeschäften bzw. Kompensationsmöglichkeiten gegeben. Als Gegenleistung für die Abgabe eines Schutzangebotes hat der „Schützende“ grundsätzlich davon ausgehen können, dass er seinerseits bei einem anderen Projekt von den Mitkartellanten „geschützt“ wird.
Vorliegend kommt es hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 2 schon nicht darauf an, wer Stammlieferant der Klägerin in den Bereichen Schienen und Schwellen gewesen ist. Denn im insoweit maßgeblichen Bereich Weichen haben lediglich die SH. GmbH (BT 1) sowie die Beklagte zu 3) bzw. deren Rechtsvorgängerin T. G. mbH (BT 2, BT 3 und BT 4) Aufträge der Klägerin für die Lieferung von Weichen erhalten. Die Erteilung von Unteraufträgen durch die Beklagte zu 3) bzw. ihre Rechtsvorgängerin an die ursprüngliche Stammlieferantin SH. GmbH (BT 1) bei den zeitlich nachfolgenden Beschaffungsvorgängen BT 2 und BT 4 (s. u., I. 6. b)) entspricht dem vom Bundeskartellamt festgestellten Muster der Absprachen.
b) Aufgrund des Anscheinsbeweises, dass sich Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen grundsätzlich preissteigernd auswirken, besteht für den Beschaffungsvorgang BT 2 auch eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit i. S. d. § 287 Abs. 1 ZPO dafür, dass der Klägerin ein Schaden entstanden ist.
Diesen Anscheinsbeweis haben die Beklagten zu 1) bis 3) nicht erschüttert. Insbesondere spricht das um rund 8.000,- € höhere Angebot der Kartellaußenseiterin G. GmbH im Streitfall nicht gegen ein kartellbedingt überhöhtes Angebot der T. G. mbH. Denn die Kalkulation des Angebotes eines bei einer Ausschreibung teilnehmenden Unternehmens hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, unter anderem von der Auftragslage, freien Kapazitäten und Einkaufspreisen. Von der Höhe des Angebotes eines einzelnen Kartellaußenseiters kann daher nicht ohne weiteres auf den hypothetischen Wettbewerbspreis geschlossen werden. Insoweit kann es hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 2 auch dahin stehen, ob nach rund zweijähriger Dauer des Kartells ein Beweis des ersten Anscheins dafür besteht, dass das Kartell Auswirkungen auf die Preise von Kartellaußenseitern gehabt hat (sog. „Umbrella-Effekt“ bzw. „umbrella pricing“).
c) Die von den Beklagten zu 1) bis 3) erhobenen Einwände der Vorteilsausgleichung sowie des schadensmindernden Mitverschuldens greifen nicht durch (s. o. I. 3. f), g) und h)).
d) Der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten zu 1) bis 3) ist auch nicht verjährt. Die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist (§ 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB) hat mit Erteilung des Auftrages am 4. Dezember 2002 zu laufen begonnen und wäre am
4. Dezember 2012 abgelaufen. Die Verjährung war jedoch gemäß § 33 Abs. 5 Satz 1 GWB 2005 i. V. m. § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB vom 28. Februar 2011 bis 18. Januar 2014 gehemmt. Im Zeitpunkt der Einleitung des Bußgeldverfahrens am 28. Februar 2011 waren rund 21 Monate der zehnjährigen Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen. Mit Einreichung der Klageschrift am 19. Dezember 2014, die demnächst i. S. d. § 167 ZPO an die Beklagten zu 1) bis 3) zugestellt worden ist, ist die Verjährung rechtzeitig gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB erneut gehemmt worden.
5. Der Klägerin steht hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 3 – Auftragserteilung unter anderem für sieben Weichen an die Beklagte zu 3) vom 8. März 2005 – dem Grunde nach gegen die Beklagten zu 1) bis 3) ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot gemäß § 33 i. V. m. § 1 GWB 1998, § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG, § 830 Abs. 1, § 840 Abs. 1 BGB zu.
a) Der Beschaffungsvorgang BT 3 ist kartellbefangen. Die Beklagten zu 1) und 2) haben die Kartellbetroffenheit des Beschaffungsvorgangs BT 3 ausdrücklich eingeräumt (Seite 2 der Klageerwiderung = Bl. 288 d. A.). Im Übrigen besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Auftragserteilung an die Beklagte zu 3) nicht frei von Einflüssen des Kartells gewesen ist, den die Beklagte zu 3) nicht erschüttert hat.
aa) In sachlicher Hinsicht fügt sich der Beschaffungsvorgang BT 3 in die Kartellabsprache ein. Der Auftragserteilung hat eine öffentliche Ausschreibung (nationales Ausschreibungsverfahren) der Klägerin vom 28. Januar 2005 mit drei unterschiedlichen Vergabenummern zur Beschaffung von Vignolschienen (1.), Schienenbefestigungsmitteln (2.) sowie Weichen und einer Kreuzung (3.) zugrunde gelegen. Auf die Ausschreibung für die Lieferung von Weichen und einer Kreuzung (3.) haben die Beklagte zu 3) ein Angebot über 371.502,25 €, die SH. GmbH ein Angebot über 375.266,- € und die Beklagte zu 4) ein Angebot über 373.744,- € abgegeben (vgl. Anlagenkonvolut K BT 3a).
Den Zuschlag zur Lieferung von sieben Weichen und einer Kreuzung (3.) hat die Beklagte zu 3) mit dem günstigsten Angebot erhalten. An der Ausschreibung der Klägerin für Weichen haben sich ausschließlich Kartellanten beteiligt. Es besteht somit in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Beklagte zu 3) bei der streitgegenständlichen Ausschreibung als „Spielführer“ und neuer Stammlieferant der Klägerin für Weichen im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens der SH. GmbH und der Beklagten zu 4) den „Nullpreis“ bzw. Schutzpreise mitgeteilt hat und diese aufgrund einer getroffenen Absprache entsprechend höhere Angebote abgegeben haben.
bb) Es kann dahin stehen, ob die Beklagte zu 3) im Schriftsatz vom 15. Februar 2016 durch ihren Vortrag, der bis 2007 zuständige Leiter des Verkaufsbüros der Beklagten zu 3) in München habe dieser gegenüber eine Beteiligung an oder eine Kenntnis von wettbewerbsbeschränkenden Absprachen hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 3 bestritten (Seite 70 = Bl. 532 d. A.), konkludent die Kartellbetroffenheit bestritten hat (§ 138 Abs. 3 ZPO). Denn jedenfalls hat die Beklagte zu 3) den Anscheinsbeweis der Kartellbefangenheit nicht erschüttert.
b) Auch den Anscheinsbeweis der preissteigernden Wirkung des streitgegenständlichen Kundenschutzkartells haben die Beklagten zu 1) bis 3) nicht erschüttert, so dass auch für den Beschaffungsvorgang BT 3 eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit i. S. d. § 287 Abs. 1 ZPO dafür besteht, dass der Klägerin ein Schaden entstanden ist.
c) Die von den Beklagten zu 1) bis 3) erhobenen Einwände der Vorteilsausgleichung sowie des schadensmindernden Mitverschuldens greifen nicht durch (s. o. I. 3. f), g) und h)).
d) Der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten zu 1) bis 3) ist auch nicht verjährt. Die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist (§ 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB) hat mit Erteilung des Auftrages am 8. März 2005 zu laufen begonnen. Mit Einreichung der Klageschrift am 19. Dezember 2014, die demnächst i. S. d. § 167 ZPO an die Beklagten zu 1) bis 3) zugestellt worden ist, ist die Verjährung rechtzeitig gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden.
6. Die Klage ist gegen die Beklagten zu 1) bis 3) hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 4 -Auftragserteilung für neun Weichen an die Beklagte zu 3) vom 30. Oktober 2008 – dem Grunde nach gerechtfertigt.
a) Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen des Kartellverstoßes hinsichtlich der Auftragserteilung vom 30. Oktober 2008 ist § 33 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 i. V. m. § 1 GWB 2005.
b) Der Beschaffungsvorgang BT 4 ist kartellbefangen. In sachlicher Hinsicht fügt sich der Beschaffungsvorgang BT 4 in die Kartellabsprache ein. Der Auftragserteilung hat eine europaweite Ausschreibung (offenes Verfahren) der Klägerin vom 10. September 2008 zur Beschaffung von Weichen zugrunde gelegen. Auf die Ausschreibung haben die Beklagte zu 3) ein Angebot über 515.031,70 €, die SH. GmbH ein Angebot über 535.586,70 €, die – nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes – an den Kartellabsprachen ebenfalls beteiligte V. L. GmbH & Co KG ein Angebot über 546.788,90 € und die Beklagte zu 4) ein Angebot über 552.880,- € abgegeben (vgl. Anlagenkonvolut K BT 4a).
Den Zuschlag hat die Beklagte zu 3) mit dem günstigsten Angebot erhalten. Diese hat in ihrem Angebot vom 13. Oktober 2008 die SH. GmbH als Nachunternehmerin für die Herstellung und Lieferung von Weichen benannt. An der Ausschreibung der Klägerin für Weichen haben sich ausschließlich Kartellanten beteiligt. Es besteht somit in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Beklagte zu 3) bei der streitgegenständlichen Ausschreibung als „Spielführer“ und mittlerweile etablierter Stammlieferant der Klägerin für Weichen im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens ihren Mitkartellanten den „Nullpreis“ bzw. Schutzpreise mitgeteilt hat und diese aufgrund einer getroffenen Absprache entsprechend höhere Angebote abgegeben haben.
Im Übrigen haben die Beklagten zu 1) und 2) die Kartellbetroffenheit dieses Beschaffungsvorgangs ausdrücklich eingeräumt (Seite 2 der Klageerwiderung = Bl. 288 d. A.). Auch die Beklagte zu 3) hat nach der insoweit zugrunde zu legenden und von der Beklagten zu 3) im Berufungsverfahren nicht gesondert angegriffenen Feststellung des Landgerichts (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) die Kartellbetroffenheit des Beschaffungsvorgangs BT 4 nicht bestritten (vgl. Seite 71 des Schriftsatzes vom 15. Februar 2016 = Bl. 533 d. A.).
c) Den Anscheinsbeweis der preissteigernden Wirkung der Kundenschutzabsprachen haben die Beklagten zu 1) bis 3) nicht erschüttert, so dass auch für den Beschaffungsvorgang BT 4 eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit i. S. d. § 287 Abs. 1 ZPO dafür besteht, dass der Klägerin ein Schaden entstanden ist. Gegen die kartellbedingte Preiserhöhung spricht insbesondere nicht, dass es sich im Streitfall um eine europaweite Ausschreibung gehandelt hat. Unstreitig war der Beschaffungsvorgang BT 4 Gegenstand einer Absprache zwischen den Kartellanten. Dies zeigt, dass sich die Kartellanten bei ihren Kundenschutzabsprachen im Rahmen des Kartells selbst von dem Umstand einer europaweiten Ausschreibung nicht haben beeinflussen lassen. Insofern bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Kartellanten im Falle einer europaweiten Ausschreibung ausnahmsweise von einem Kartellaufschlag abgesehen hätten. Daher ist davon auszugehen, dass das Angebot der Beklagten zu 3) auch hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 4 mit einem kartellbedingten Preisaufschlag versehen gewesen ist.
d) Die von den Beklagten zu 1) bis 3) erhobenen Einwände der Vorteilsausgleichung sowie des schadensmindernden Mitverschuldens greifen nicht durch (s. o. I. 3. f), g) und h)). Der Schadensersatzanspruch ist auch nicht verjährt.
II.
Die Berufung der Klägerin ist begründet, soweit das Landgericht die Klage gegen die Beklagten zu 1) bis 3) hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 7 abgewiesen hat. Im Übrigen hat die Berufung der Klägerin keinen Erfolg.
1. Die Klage ist gegen die Beklagten zu 1) bis 3) hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 7 -Auftragserteilung für Vignolschienen an die Kartellaußenseiterin G. GmbH vom 8. März 2005 – dem Grunde nach gerechtfertigt. Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot gemäß § 33 i. V. m. § 1 GWB 1998, § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG, § 830 Abs. 1, § 840 Abs. 1 BGB zu.
a) Kartellanten sind zum Ersatz des aus einem Kartellverstoß entstehenden Schadens nach § 33 GWB verpflichtet; ein solcher Schaden kann auch in einem sogenannten Preisschirmeffekt begründet sein. Preisschirmeffekte bezeichnen Preisveränderungen von Kartellaußenseitern als Reaktion auf veränderte Marktbedingungen durch ein Kartell. Kartellaußenseiter können somit, sozusagen im Windschatten des Kartells, ebenfalls höhere Preise am Markt erzielen, als sie es ohne das Kartell könnten. Dies hat zur Folge, dass auch Abnehmer von Kartellaußenseitern durch das Kartell geschädigt werden können.
Gelingt es einem Kartell, den Preis für bestimmte Produkte künstlich hoch zu halten, und sind bestimmte Marktbedingungen, insbesondere hinsichtlich der Art des Produkts oder der Größe des von diesem Kartell erfassten Marktes, erfüllt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich das nicht am Kartell beteiligte konkurrierende Unternehmen entschließt, den Preis für sein Angebot höher festzusetzen, als es dies unter normalen Wettbewerbsbedingungen, d. h. ohne das Kartell, getan hätte (vgl. EuGH GRUR 2014, 1018 Tz. 29 – KONE). Der Kartellaußenseiter kann seine Entscheidung über die Festsetzung eines Angebotspreises, auch wenn sie als eine völlig autonome Entscheidung anzusehen ist, unter Bezugnahme auf einen Marktpreis treffen, der durch dieses Kartell verfälscht worden und damit wettbewerbswidrig war (vgl. EuGH a.a.O., Tz. 30 – KONE). Folglich gehört die Schädigung des Kunden eines nicht an einem Kartell beteiligten, aber von den wirtschaftlichen Bedingungen des „umbrella pricing“ profitierenden Unternehmens durch einen Angebotspreis, der höher ist, als er es ohne dieses Kartell gewesen wäre, zu den möglichen Folgen des Kartells, die den Kartellbeteiligten nicht verborgen bleiben können. Daher kann ein durch das „umbrella pricing“ Geschädigter den Ersatz des ihm durch die Mitglieder eines Kartells entstandenen Schadens verlangen, obwohl er insoweit keine vertraglichen Beziehungen zu ihnen hatte, wenn erwiesen ist, dass dieses Kartell nach den Umständen des konkreten Falles und insbesondere den Besonderheiten des betreffenden Marktes ein „umbrella pricing“ durch eigenständig handelnde Dritte zur Folge haben konnte, und wenn diese Umstände und Besonderheiten den Kartellbeteiligten nicht verborgen bleiben konnten (vgl. EuGH a.a.O., Tz. 34 – KONE).
b) Das Bundeskartellamt hat gemäß § 33 Abs. 4 GWB 2005 bindend festgestellt, dass unter anderem die Beklagten zu 1) und 3) zumindest von 2001 bis Mai 2011 zusammen mit den Beklagten zu 4) bis 7) als Hersteller bzw. Händler von Schienen, Weichen und Schwellen auf dem Privatmarkt in Deutschland kartellrechtswidrige Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen getroffen und damit gegen § 1 GWB verstoßen haben. Im Bereich Schienen sind die Beklagten zu 4), 6) und 7) sowie die Beklagte zu 3) als Händlerin der Beklagten zu 7) im gesamten Zeitraum bundesweit an den Absprachen beteiligt gewesen. Die Beklagte zu 1) hat regional bei Ausschreibungen an Absprachen teilgenommen, nach der Übernahme durch die B.-Gruppe im August 2008 nur noch in Einzelfällen (s. o. I. 3. b)).
Zudem hat innerhalb des Kartells seit dem Jahr 2001 im Bereich Schienen zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 3) und der Vorgängergesellschaft der Beklagten zu 7) eine ergänzende kartellrechtswidrige Vertriebsvereinbarung bestanden, auf deren Grundlage die Beklagte zu 3) Schienen der Beklagten zu 7) veräußert hat. Dies ist jedenfalls bis Mai 2011 praktiziert worden. Ziel ist das Erreichen einer gemeinsamen Führungsposition auf dem Schienenprivatmarkt mit einem Marktanteil von über 90%, das „Halten“ der aktuellen Führungsposition bzw. die Verhinderung eines Anteilsverlustes und die selektive Erhöhung des aktuellen Preisniveaus beziehungsweise Listenpreiserhöhungen gewesen. Spätestens Ende 2007 ist ergänzend zwischen den Beklagten zu 3), 4), 6) und 7) für den Privatmarkt vereinbart worden, dass über die beiden Schienen-Werke der Beklagten zu 6) und 7) eine gezielte Zuweisung von Projekten an die Beklagte zu 3) beziehungsweise an die Beklagte zu 4) erfolgen solle. Damit die Projektverteilung zu keiner Verschiebung der Lieferanteile zwischen der Beklagten zu 3) einerseits und der Beklagten zu 4) andererseits führte, ist Mitte 2008 zudem ein quotaler Verteilungsschlüssel eingeführt worden. Es ist vereinbart worden, dass der Beklagten zu 3) 60% und der Beklagten zu 4) 40% der schienenbezogenen Aufträge zugewiesen werden sollten. Diese Verteilung hat den damaligen Marktverhältnissen entsprochen (Anlage K 16, S. 14/16).
c) Der Beschaffungsvorgang BT 7 ist kartellbefangen.
aa) In sachlicher Hinsicht fügt sich der Beschaffungsvorgang BT 7 in die Kartellabsprache ein. Der Auftragserteilung hat eine nationale Ausschreibung (offenes Verfahren) der Klägerin vom 28. Januar 2005 mit drei unterschiedlichen Vergabenummern zur Beschaffung von Vignolschienen (1.), Schienenbefestigungsmitteln (2.) sowie Weichen und einer Kreuzung (3.) zugrunde gelegen (s. o. I. 5. a) aa)). Auf die Ausschreibung für die Lieferung von Vignolschienen (1.) haben die Kartellaußenseiterin G. GmbH ein Angebot über 295.249,86 €, die Beklagte zu 3) ein Angebot über 299.642,- €, die Beklagte zu 4) ein Angebot über 307.834,- €, die – nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes – an den Kartellabsprachen ebenfalls beteiligte B. E.
GmbH ein Angebot über 309.016,80 € sowie die Beklagte zu 1) ein Angebot über 330.286,- € abgegeben (vgl. Anlagenkonvolut K BT 7a).
Den Zuschlag zur Lieferung von 7.800 Meter Vignolschienen (1.) hat die Kartellaußenseiterin G. GmbH mit dem günstigsten Angebot erhalten. An der Ausschreibung der Klägerin für Vignolschienen haben sich vier Kartellanten und eine Kartellaußenseiterin beteiligt. Es besteht somit in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Beklagte zu 3) bei der streitgegenständlichen Ausschreibung als „Spielführer“ im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens ihren Mitkartellanten den „Nullpreis“ in Höhe von 299.642,- € bzw. Schutzpreise mitgeteilt hat und diese aufgrund der getroffenen Absprache entsprechend höhere Angebote abgegeben haben.
Im Streitfall kommt hinzu, dass nach den bindenden Feststellungen des Bundeskartellamtes die Ausschreibungen, die Gegenstand der Absprachen der Kartellbeteiligten gewesen sind, in der Regel Produktkombinationen mit mehreren Losen (unterschiedliche Schienen nach Güte und Profilart, Weichen, Schwellen) umfasst haben. Bei Ausschreibungen mit mehreren Losen haben sich die jeweiligen Hersteller und Händler hinsichtlich der entsprechenden Produkte abgesprochen. War die Anfrage z. B. „weichenlastig“, ist die Koordinierung über die Weichenwerke gelaufen (vgl. Anlage K 1, Seite 7).
Dieses grundsätzliche Abspracheverhalten bei Produktkombinationen mit mehreren Losen lässt sich zwanglos mit den Beschaffungsvorgängen BT 3 und BT 7 in Einklang bringen. Den Auftragserteilungen vom 8. März 2005 an die Beklagte zu 3) für sieben Weichen zu einem Gesamtnettobetrag von 371.502,25 € (BT 3) sowie an die G. GmbH für 7.800 Meter Vignolschienen zu einem Gesamtnettobetrag von 295.249,86 € (BT 7) hat jeweils die Ausschreibung der Klägerin vom 28. Januar 2005 mit drei unterschiedlichen Vergabenummern zugrunde gelegen (vgl. Anlagen K BT 3a, K BT 7a). Die Beklagte zu 3) hat den Zuschlag für die Lieferung von Weichen erhalten und hinsichtlich der Vignolschienen von den vier an der Ausschreibung teilnehmenden Kartellanten das günstigste Angebot über 299.642,- € abgegeben. Unter Berücksichtigung, dass jedenfalls die Beklagten zu 1) und 2) die Kartellbetroffenheit des Beschaffungsvorgangs BT 3 eingeräumt und an der Ausschreibung zur Lieferung der Vignolschienen (BT 7) insgesamt vier Kartellanten teilgenommen haben, besteht der Beweis des ersten Anscheins, dass auch der Beschaffungsvorgang BT 7 Gegenstand einer von der Beklagten zu 3) als „Spielführer“ koordinierten Absprache der Ausschreibung vom 28. Januar 2005 gewesen ist.
Hierfür spricht zudem die ergänzende Vertriebsvereinbarung aus dem Jahr 2001 zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 3) und der Vorgängergesellschaft der Beklagten zu 7), wonach diese beabsichtigt haben, ihre gemeinsame Führungsposition im Bereich Schienen zu halten und den Marktanteil auf über 90% zu erhöhen. Die Beklagte zu 3) hatte daher ein Interesse, die Absprachen anlässlich der Ausschreibung vom 28. Januar 2005 zu koordinieren und den Zuschlag auch für die Lieferung von Vignolschienen zu erhalten.
bb) Die Beklagten zu 1) bis 3) haben diesen Anscheinsbeweis nicht zu erschüttern vermocht. Insbesondere spricht die Auftragserteilung an eine Kartellaußenseiterin nicht gegen Absprachen unter den Kartellanten, weil diese auf das Angebot der G. GmbH keinen Einfluss ausüben konnten. Auch kommt es nicht darauf an, dass die G. GmbH die an die Klägerin gelieferten Schienen aus dem ostfranzösischen Walzwerk der weiteren Kartellaußenseiterin C. S. A. bezogen hat. Maßgeblich ist für die Kartellbetroffenheit lediglich, dass die an der Ausschreibung teilnehmenden vier Kartellanten untereinander Kartellabsprachen getroffen haben. Hierfür streitet – wie bereits dargelegt – der Beweis des ersten Anscheins.
Da die Beklagte zu 1) nach den bindenden Feststellungen des Bundeskartellamtes auch im Bereich Schienen regional an Absprachen teilgenommen und ihren Firmensitz in München hat, bestehen keine vernünftigen Zweifel, dass sie an der Absprache hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 7, an deren Ausschreibung sie teilgenommen und ein Angebot abgegeben hat, beteiligt gewesen ist. Insoweit ist nicht maßgeblich, dass die Beklagte zu 1) gar keine Schienen hergestellt habe und an der ergänzenden Vertriebsvereinbarung zwischen den Beklagten zu 3) und 7) für den Bereich Schienen mit dem Ziel des Erreichens eines Marktanteils von 90% nicht beteiligt gewesen sei. Diese Vertriebsvereinbarung war lediglich eine Ergänzung zu den Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen beim Vertrieb von Schienen, Weichen und Schwellen, an denen alle Kartellanten – die Beklagte zu 1) regional auch im Bereich Schienen – mitgewirkt haben.
d) Da sich Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen grundsätzlich preissteigernd auswirken, besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die von den teilnehmenden Kartellanten abgegebenen Angebote für die ausgeschriebenen Schienen – auch das Angebot der Beklagten zu 3) in Höhe von netto 299.642,- € – mit einem kartellbedingten Preisaufschlag versehen gewesen sind. Hierfür spricht zudem, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 3) und die Vorgängergesellschaft der Beklagten zu 7) mit der ergänzenden Vertriebsvereinbarung aus dem Jahr 2001 für den Bereich Schienen eine selektive Erhöhung des aktuellen Preisniveaus beziehungsweise Listenpreiserhöhungen beabsichtigt haben.
Soweit die Beklagten zu 1) bis 3) vortragen, das – im Vergleich zum Angebot der Beklagten zu 3) nur geringfügig niedrigere – Angebot der Kartellaußenseiterin G. GmbH in Höhe von 295.249,86 € führe nicht zu einer kartellbedingten Schädigung, da die – gemäß dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten – durchschnittlichen Preise für Vignolschienen im Kartellzeitraum in Höhe von 68,04 €/Meter bzw. im Nachkartellzeitraum in Höhe von 62,41 €/Meter fast doppelt so hoch gewesen seien wie der von der Klägerin an die G. GmbH bezahlte Meterpreis von 34,60 € (vgl. Anlage K 10, Seite 74), haben sie diesen Anscheinsbeweis nicht erschüttert. Denn bei bloßen Durchschnittspreisen bleiben die preisbildenden Faktoren – wie etwa der Stahlpreis – außer Betracht. Die Preise bei konkreten Beschaffungsvorgängen und die im Gutachten genannten Durchschnittspreise dürfen daher nicht miteinander verglichen werden (s. o. I. 3. e) cc) (2)).
e) Im Streitfall besteht auch eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit i. S. d. § 287 Abs. 1 ZPO dafür, dass der Klägerin durch die Auftragserteilung an die Kartellaußenseiterin G. GmbH ein Schaden entstanden ist.
Es kann dahin stehen, ob es grundsätzlich einen Beweis des ersten Anscheins dafür gibt, dass ein Kartell auch Auswirkungen auf die Preise von Kartellaußenseitern hat (sog. „Umbrella-Effekt“ bzw. „umbrella pricing“) und ein solcher Anscheinsbeweis jedenfalls bei erheblicher Marktabdeckung und längerer Dauer eines Kartells besteht (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. November 2016 – 6 U 204/15 Kart (2) -, juris Tz. 67 – Grauzementkartell), oder ob angesichts der ökonomischen Komplexität der Preisbildung keine Vermutung für einen Preisschirmeffekt spricht.
Denn im Streitfall besteht unabhängig von einem Anscheinsbeweis für einen Preisschirmeffekt unter Würdigung aller Umstände und Heranziehung der Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO die für den Erlass eines Grundurteils ausreichende deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Klägerin zumindest irgendein Schaden entstanden ist.
aa) Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Angebot der Beklagten zu 3) in Höhe von netto 299.642,- € – insofern besteht ein Anscheinsbeweis – kartellbedingt überhöht war. Da das Angebot der Kartellaußenseiterin G. GmbH in Höhe von netto 295.249,86 € nur geringfügig (rund 1,5%) günstiger gewesen ist, besteht eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass auch dieses Angebot noch über den Angebotspreisen gelegen hat, die ohne das Kartell und dessen preissteigernde Wirkung von der Beklagten zu 3) und den drei weiteren an der Ausschreibung teilnehmenden Mitkartellanten abgegeben worden wären. In diesem Falle hätte die Klägerin aber nicht der G. GmbH, sondern demjenigen Anbieter den Zuschlag erteilt, der das günstigste Angebot abgegeben hätte. Es besteht im Streitfall eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Angebote der Beklagten zu 3) und der weiteren Kartellanten – das Kartell hinweggedacht – jedenfalls unter 295.249,86 € gelegen hätten und der von der Klägerin tatsächlich bezahlte Preis höher gewesen ist als der insoweit maßgebliche hypothetische Wettbewerbspreis. Nach rund vierjähriger Dauer des Kartells erscheint ein kartellbedingter Preisaufschlag bei den Angeboten der Kartellanten für Vignolschienen von mehr als 1,5% überwiegend wahrscheinlich. Auf einen etwaigen Preisschirmeffekt kommt es daher schon gar nicht an.
bb) Im Übrigen hat sich die Kartellaußenseiterin G. GmbH seit dem Jahr 2001 bundesweit an zahlreichen Ausschreibungen für Schienenlieferungen beteiligt; daher besteht im Streitfall eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass sie im Kartellzeitraum die auf dem Markt erzielbaren Preise beobachtet, das – kartellbedingt – erhöhte Preisniveau für Vignolschienen erkannt und als strategische Reaktion spätestens im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Ausschreibung Anfang 2005 auch ihre eigenen Preise erhöht hat.
(1) Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten zu 3) hat die G. GmbH nicht nur die Klägerin, sondern bundesweit Nahverkehrsunternehmen und andere Abnehmer wie die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG (Angebot vom 6. November 2001, vgl. Anlage FDB 9), SWEG Südwestdeutsche Verkehrs AG (Angebot vom März 2007, vgl. Anlage FDB 9), Stuttgarter Straßenbahnen AG (Angebot vom 12. September 2008, vgl. Anlage FDB 9), Albtal-Verkehrs-Gesellschaft mbH, Braunschweiger Verkehrs GmbH, Elektrische Bahnen der Stadt Bonn und des Rhein-Sieg-Kreises SSB GmbH, Freiburger Verkehrs AG, HzL Hohenzollerische Landesbahn AG, Kasseler Verkehrs-Gesellschaft AG, Kölner Verkehrsbetriebe AG, Rheinbahn AG, Stadtwerke Bonn Verkehrs-GMBH (SWBV) sowie die VBK-Verkehrsbetriebe Karlsruhe mit Schienen beliefert und sich an Ausschreibungen und Vergaben weiterer Verkehrsbetriebe beteiligt (vgl. Seiten 7/8 des Schriftsatzes vom 19. Juli 2017 = Bl. 857/858 d. A.). Sie war also mit den Marktgegebenheiten vertraut.
(2) In München hat sich die G. GmbH im Kartellzeitraum an insgesamt drei Ausschreibungen der Klägerin für die Lieferung von Vignolschienen beteiligt (Beschaffungsvorgänge BT 5, BT 6 und BT 7). Die von ihr abgegebenen Angebote zeigen eine zunehmende Anpassung an das Preisniveau der Kartellanten.
Hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 6 hat sie am 13. September 2001 den Zuschlag zur Lieferung von 386 Tonnen Vignolschienen zu einem Gesamtnettobetrag von 160.424,27 € erhalten. Neben der G. GmbH haben auf die Ausschreibung der Klägerin vom 1. Januar 2001 zur Beschaffung von Vignolschienen auch die Beklagten zu 3) und 4) bzw. deren Rechtsvorgängerinnen Angebote über 184.244,29 € bzw. 186.690,05 € abgegeben (vgl. Anlage K BT 6a). Das Angebot der G. GmbH vom 3. September 2001 hat um rund 14% unter dem Angebot der Beklagten zu 3) gelegen.
Beim streitgegenständlichen Beschaffungsvorgang BT 7 hat die G. GmbH am 23. Februar 2005 ein um rund 1,5% günstigeres Angebot als die Beklagte zu 3) abgegeben und ebenfalls den Zuschlag erhalten.
Hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 5 hat die G. GmbH auf die Ausschreibung der Klägerin vom 12. September 2008 zur Beschaffung von Vignolschienen, an der sich auch die Beklagten zu 3) und 4) beteiligt haben, am 10. Oktober 2008 ein Angebot über 732.830,- € abgegeben. Den Zuschlag für die Lieferung von 405 Tonnen Vignolschienen hat die Beklagte zu 4) zu einem Gesamtnettobetrag von 671.688,- € erhalten, deren Angebot um 61.142,- € (netto) niedriger als das der G. GmbH gewesen ist (vgl. Anlage K BT 5a).
Daraus ergibt sich, dass die G. GmbH auf die drei Ausschreibungen der Klägerin jeweils zur Beschaffung von Vignolschienen zu Beginn des Kartellzeitraums im Jahr 2001 noch ein deutlich günstigeres Angebot, im Jahr 2005 nach rund vierjähriger Dauer des Kartells ein annähernd gleich hohes Angebot und Ende 2008 ein deutlich höheres Angebot als die Beklagten zu 3) und 4) abgegeben hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 3) ist aus diesem Angebotsverhalten der G. GmbH sehr wohl ein Muster zu erkennen. Mit fortschreitender Dauer des Kartells hat sie ihre Preise für Vignolschienen an die der Kartellanten im Jahr 2005 zunächst annähernd angepasst und im Jahr 2008 nochmals deutlich erhöht. Dies lässt den Schluss zu, dass sie – insbesondere aufgrund ihrer bundesweiten Beteiligung an Ausschreibungen und Vergabeverfahren für Schienen – den Markt beobachtet, dabei einen Preisanstieg für Vignolschienen festgestellt und dementsprechend ihre eigenen Preise erhöht hat.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin zur Transparenz der Kartellpreise im Rahmen der Ausschreibungen nicht im Einzelnen vorgetragen hat. Angesichts des flächendeckenden Mitbietens an bundesweiten Ausschreibungen für Schienen kann der G. GmbH die preissteigernde Wirkung des Kartells im Zeitraum von 2001 bis Anfang 2005 nicht verborgen geblieben sein, was sich insbesondere durch ihr Angebotsverhalten im Laufe des Kartellzeitraums bei den Beschaffungsvorgängen BT 5 bis 7 bestätigt.
Im Streitfall kann auch dahin stehen, ob die Beklagten zu 3) bis 7) während des Kartellzeitraumes im Bereich Schienen tatsächlich – wie von der Klägerin behauptet – einen gemeinsamen Marktanteil von 90% erreicht haben. Entgegen dem Vortrag der Klägerin ergibt sich aus den Feststellungen des Bundeskartellamtes zwar nicht, dass die Beklagten zu 3) bis 7) bereits zu Beginn oder zumindest im Laufe des Kartellzeitraumes von 2001 bis 2011 einen gemeinsamen Marktanteil von 90% gehabt hätten. Dies war lediglich das Ziel, das mit der Vertriebsvereinbarung im Jahr 2001 erreicht werden sollte. Dazu, ob dieses Ziel zu irgendeinem Zeitpunkt erreicht worden ist, verhält sich der Bußgeldbescheid gegen die Beklagte zu 3) hingegen nicht. Allerdings ergibt sich aus dem Bußgeldbescheid, dass die Beklagten zu 4), 6) und 7) sowie die Beklagte zu 3) als Händlerin der Beklagten zu 7) im Bereich Schienen im gesamten Zeitraum bundesweit an den Absprachen beteiligt gewesen sind und beabsichtigt haben, zumindest ihre aktuelle Führungsposition zu halten und das Preisniveau selektiv zu erhöhen. Insofern ist davon auszugehen, dass sie auch im Jahr 2005 einen nicht unerheblichen Marktanteil hatten und durch ihr Angebotsverhalten bei Ausschreibungen für Schienen nach rund vierjähriger Dauer des Kartells – wie von ihnen von vornherein beabsichtigt – eine allgemeine Erhöhung des Preisniveaus bewirkt haben, die Kartellaußenseitern wie der G. GmbH, die sich bundesweit an Ausschreibungen für Schienen beteiligt haben, nicht entgangen sein konnte.
Schließlich spricht gegen die Erkennbarkeit des kartellbedingten Preisanstiegs für die Kartellaußenseiterin G. GmbH auch nicht, dass die bundesweit ausgeschriebenen Schienen sowie die einzelnen Ausschreibungen und Beschaffungsvorgänge nicht vollständig homogen gewesen sind. Ungeachtet dessen, dass bei den Ausschreibungen der Klägerin zu den Beschaffungsvorgängen BT 5, BT 6 und BT 7 jeweils die Beschaffung von Vignolschienen inmitten gestanden ist, hat die Beklagte zu 3) in der Berufungserwiderung umfangreich zu den technischen Differenzierungen bei Vignol- und Rillenschienen unter anderem hinsichtlich Profilart, Stahlgüte und Bearbeitung vorgetragen. Die aufgrund unterschiedlicher technischer Eigenschaften von Schienen teilweise bestehende Inhomogenität führt aber nicht dazu, dass die ausgeschriebenen Produkte nicht miteinander vergleichbar gewesen sind und deshalb ein Preisschirmeffekt von vornherein ausgeschlossen gewesen ist. Denn die ausschreibenden Stellen haben bei den einzelnen Beschaffungsvorgängen die konkreten Produktmerkmale in den Ausschreibungsunterlagen jeweils genau festgelegt. Die konkreten Vorgaben in den Ausschreibungen haben es auch Kartellaußenseitern wie der G. GmbH ermöglicht, die Ausschreibung zu bewerten und ihre eigene Preissetzung mit der beobachteten Preisentwicklung – jedenfalls im Bereich Vignolschienen – abzugleichen.
Da es gerade Ziel der Beklagten zu 3) und 7) gewesen ist, das (allgemeine) Preisniveau für Schienen durch die Kartellabsprachen zu erhöhen, haben sie die Preiserhöhung von Kartellaußenseitern wie der G. GmbH auch erwartet; insoweit konnte den Kartellanten ein „umbrella pricing“ von vornherein nicht verborgen bleiben.
f) Die von den Beklagten zu 1) bis 3) erhobenen Einwände der Vorteilsausgleichung sowie des schadensmindernden Mitverschuldens greifen nicht durch (s. o. I. 3. f), g) und h)).
g) Der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten zu 1) bis 3) ist nicht verjährt. Die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist (§ 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB) hat mit Erteilung des Auftrages am 8. März 2005 zu laufen begonnen. Mit Einreichung der Klageschrift am 19. Dezember 2014, die demnächst i. S. d. § 167 ZPO an die Beklagten zu 1) bis 3) zugestellt worden ist, ist die Verjährung rechtzeitig gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden.
2. Die Berufung der Klägerin ist hingegen unbegründet, soweit das Landgericht die Klage gegen die Beklagten zu 1) bis 3) hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 6 abgewiesen hat. Insoweit steht der Klägerin ein Schadensersatzanspruch schon dem Grunde nach nicht zu.
a) Es kann dahin stehen, ob der Beschaffungsvorgang BT 6 – Auftragserteilung für Vignolschienen an die Kartellaußenseiterin G. GmbH vom 13. September 2001 – kartellbefangen ist.
Der Auftragserteilung hat eine nationale Ausschreibung (offenes Verfahren) der Klägerin vom 1. Januar 2001 zur Beschaffung von Vignolschienen zugrunde gelegen. Auf die Ausschreibung haben die Kartellaußenseiterin G. GmbH ein Angebot über 160.424,27 €, die K. G. mbH ein Angebot über 184.244,29 € sowie die Beklagte zu 4) ein Angebot über 186.690,05 € abgegeben (vgl. Anlagenkonvolut K BT 6a).
b) Denn es besteht keine Wahrscheinlichkeit i. S. d. § 287 Abs. 1 ZPO dafür, dass der Klägerin ein Schaden entstanden ist. Preisschirmeffekte entstehen typischerweise erst mit zeitlicher Verzögerung. Ebenso wie binnen eines Jahres nach Beendigung eines Kartells regelmäßig noch mit Nachwirkungen von Kartellabsprachen gerechnet werden muss (vgl. BGH a.a.O., Tz. 84 -ORWI), kann dementsprechend spiegelbildlich im Streitfall erst ein Jahr nach Beginn eines Kartells davon ausgegangen werden, dass sich das Kartell etabliert hat und Kartellaußenseiter von der kartellbedingten Preiserhöhung Kenntnis erlangt haben. Die Klägerin hat nicht dargetan, dass die Marktverhältnisse in der ersten Jahreshälfte 2001 transparent und etwaige kartellbedingt überhöhten Preise für die Kartellaußenseiterin G. GmbH bereits bei Abgabe ihres Angebotes am 3. September 2001 erkennbar gewesen sind und sie deshalb ihrerseits ein höheres Angebot abgegeben hat. Insbesondere hat die Klägerin nicht vorgetragen, dass die G. GmbH bereits vor September 2001 an Ausschreibungen im Bereich Schienen teilgenommen hat und hierdurch einen Anstieg des Preisniveaus erkennen konnte.
Hiergegen spricht auch, dass das Angebot der G. GmbH in Höhe von 160.424,- € um rund 14% und damit erheblich niedriger gewesen ist als die Angebote der Beklagten zu 3) und 4) in Höhe von jeweils rund 185.000,- €. Insoweit kann auch nicht angenommen werden, dass der hypothetische Wettbewerbspreis niedriger als 160.424,- € gewesen wäre. Es erscheint unwahrscheinlich, dass die Kartellanten bereits im ersten Jahr eine kartellbedingte Preiserhöhung in Höhe von rund 15% auf dem Markt durchzusetzen versuchten.
c) Im Übrigen ist die Klageforderung hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 2) auch verjährt, da die Klägerin hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 6 nicht die Einleitung eines Güteverfahrens beantragt hat. Damit ist die zehnjährige Verjährungsfrist nach Ende der Hemmung gemäß § 33 Abs. 5 GWB 2005 i. V. m. § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB am 18. Januar 2014 hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 2) Mitte November 2014 abgelaufen. Die Klage vom 19. Dezember 2014 ist erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erhoben worden und hat daher nicht zu einer erneuten Hemmung der Verjährung geführt (s. o. I. 3. i) ee)).
3. Soweit die Klägerin mit ihrer Berufung beanstandet hat, dass das Landgericht keine Entscheidung über die geltend gemachten Zinsen und Gutachterkosten sowie die beantragte Freistellung von Rechtsanwaltskosten getroffen hat, war hierüber nicht zu entscheiden. Nachdem das Landgericht im Ergänzungsurteil vom 11. Januar 2017 klargestellt hat, dass es im Teilendund -grundurteil vom 27. Juli 2016 hinsichtlich der geltend gemachten Zinsen und Gutachterkosten bewusst keine Entscheidung getroffen habe, da es sich insoweit jeweils nicht um anspruchsbegründende Tatsachen, sondern um Fragen der Höhe des Schadensersatzes handele, hat die Klägerin im zuletzt gestellten Antrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ihre Berufung hinsichtlich der geltend gemachten Zinsen sowie der Gutachter- und Rechtsanwaltskosten nicht mehr weiterverfolgt und insoweit zurückgenommen. Damit bleibt die Entscheidung über diese Schadenspositionen dem Schlussurteil vorbehalten.
III.
Der nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingereichte nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten zu 1) und 2) vom 21. August 2017 (s. o. I. 3. h) cc)) sowie die weiteren Schriftsätze der Parteien bieten keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO).
C.
I.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Satz 1, § 91a Abs. 1 Satz 1, § 516 Abs. 3 Satz 1, § 101 Abs. 1 ZPO.
1. Soweit die Klägerin und die Beklagten zu 4) bis 7) den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, beruht die Kostenentscheidung auf § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO und folgt der mitgeteilten Einigung der Parteien, wonach die Klägerin im Verhältnis zu den Beklagten zu 4) bis 7) die Gerichtskosten zu tragen hat und die außergerichtlichen Kosten gegeneinander aufgehoben werden.
2. Soweit die Klägerin und die Beklagten zu 1) bis 3) den Rechtsstreit hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 5 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war über die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Insoweit waren die Kosten den Beklagten zu 1) bis 3) aufzuerlegen, da die Klage dem Grunde nach hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 5 – Auftragserteilung zur Lieferung von Vignolschienen an die Beklagte zu 4) vom 17. November 2008 – ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses aller Voraussicht nach gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 i. V. m. § 1 GWB 2005, § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG, § 830 Abs. 1, § 840 Abs. 1 BGB gerechtfertigt und die Berufungen der Beklagten zu 1) bis 3) insoweit unbegründet gewesen wären.
a) Der Beschaffungsvorgang BT 5 ist kartellbefangen. In sachlicher Hinsicht fügt sich der Beschaffungsvorgang BT 5 in die Kartellabsprache ein. Der Auftragserteilung hat eine nationale Ausschreibung (offenes Verfahren) der Klägerin vom 12. September 2008 zur Beschaffung von Vignolschienen zugrunde gelegen. Auf die Ausschreibung haben die Beklagte zu 4) ein Angebot über 671.688,- €, die Beklagte zu 3) ein Angebot über 700.790,- € sowie die Kartellaußenseiterin G. GmbH ein Angebot über 732.830,- € abgegeben (vgl. Anlagenkonvolut K BT 5a). Den Zuschlag zur Lieferung von 405 Tonnen Vignolschienen hat die Beklagte zu 4) mit dem günstigsten Angebot erhalten. An der Ausschreibung der Klägerin unter anderem für Vignolschienen haben sich zwei Kartellanten und eine Kartellaußenseiterin beteiligt. Es besteht somit in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Beklagte zu 4) entsprechend der kartellrechtswidrigen Vertriebsvereinbarung im Bereich Schienen aus dem Jahr 2001 und dem Mitte 2008 eingeführten quotalen Verteilungsschlüssel, wonach der Beklagten zu 3) 60% und der Beklagten zu 4) 40% der schienenbezogenen Aufträge zugewiesen werden sollten, hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 5 den Auftrag erhalten sollte und die Beklagte zu 3) zum Schein ein Schutzangebot mit einem höheren Preis abgegeben hat.
Diesen Anscheinsbeweis haben auch die Beklagten zu 1) bis 2) nicht erschüttert. Zwar hat die Beklagte zu 1) im Streitfall gar kein Angebot abgegeben; zudem hat sie nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes nach der Übernahme durch die B.-Gruppe im August 2008 an Absprachen im Bereich Schienen nur noch in Einzelfällen teilgenommen. Dass die Beklagte zu 1) auch nach August 2008 an Nahverkehrsunternehmen Schienen geliefert hat, belegen die von der Beklagten zu 3) vorgelegten Angebote der Beklagten zu 1) vom 30. September 2008 und 6. März 2009 zu vorangegangenen Anfragen der Stuttgarter Straßenbahnen AG. Die Beklagte zu 1) hat nach entsprechenden Auftragserteilungen jeweils Schienen an die Stuttgarter Straßenbahnen AG geliefert (vgl. Anlage FBD 10). Dass die Beklagte zu 1) an der streitgegenständlichen Ausschreibung vom 12. September 2008 nicht teilgenommen hat, spricht schon deshalb nicht gegen eine Beteiligung an einer Absprache mit den Beklagten zu 3) und 4), da nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes die den „Spielführer“ schützenden Kartellanten zum Teil bewusst auf die Abgabe von Angeboten verzichtet haben, so dass der Auftrag an das „vorbestimmte“ Unternehmen gehen konnte.
Da die Beklagte zu 1) nach August 2008 jedenfalls in Einzelfällen an Absprachen im Bereich Schienen teilgenommen hat und das Kartell in sämtlichen Bereichen von Oberbaumaterialien -unter Einbeziehung der Beklagten zu 1) – bis Mai 2011 fortbestanden hat, kommt es auf die konkrete Mitwirkung der Beklagten zu 1) an Einzelabsprachen auch gar nicht an. Die Betroffenheit vom Kartellverstoß setzt nämlich nicht zwingend voraus, dass die einzelnen Beschaffungsvorgänge Gegenstand (neuerlicher) ausdrücklicher Absprachen unter direkter Beteiligung des in Anspruch genommenen Mitkartellanten gewesen sind (vgl. (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. November 2016 – 6 U 204/15 Kart (2) -, juris Tz. 64 – Grauzementkartell). Dies gilt wegen der vom Bundeskartellamt festgestellten Funktionsweise des Kartells insbesondere im Streitfall; denn aufgrund der etablierten Spielregeln hat es häufig keiner ausdrücklichen Einzelfallabsprache bezogen auf ein konkretes Projekt bedurft, weil den Beteiligten ohnehin klar war, welches Unternehmen zum Zuge kommen sollte.
b) Den Anscheinsbeweis der preissteigernden Wirkung des Kartells haben die Beklagten zu 1) bis 3) nicht erschüttert, so dass für den Beschaffungsvorgang BT 5 eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit i. S. d. § 287 Abs. 1 ZPO dafür besteht, dass der Klägerin ein Schaden entstanden ist. Insbesondere handelt es sich bei dem von der Kartellaußenseiterin G. GmbH abgegebenen Angebot über 732.830,- € nicht um den hypothetischen Wettbewerbspreis (s. o. I. 4. b)), zumal dieser die preissteigernde Wirkung des im Zeitpunkt der Ausschreibung vom 12. September 2008 bereits über sieben Jahre andauernden Kartells im Bereich Schienen nicht verborgen geblieben sein konnte (s. o. II. 1. e) bb)).
3. Soweit die Klägerin die Berufung hinsichtlich der streitwerterhöhenden Gutachterkosten zurückgenommen hat, hat sie die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen (§ 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
4. Die Klägerin hat die durch die Nebenintervention verursachten Kosten zu tragen, soweit sie unterlegen ist (§ 101 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Soweit die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Beklagten zu 4) bis 7) aufgrund der mitgeteilten Einigung gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO gegeneinander aufgehoben werden, hat die Nebenintervenientin zu 1) bis 7) ihre Kosten selbst zu tragen (vgl. BGH NJW 2003, 1948, 1949; OLG Köln, MDR 2014, 1107 m. w. N.).
5. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
II.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
III.
Die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die obergerichtlich umstrittene Anwendbarkeit der verjährungshemmenden Vorschrift des § 33 Abs. 5 GWB 2005 auf vor dem 1. Juli 2005 entstandene Kartellschadensersatzansprüche (s. o. B. I. 3. i) bb)) zuzulassen, soweit die Klage hinsichtlich der Beschaffungsvorgänge BT 1 und BT 2 dem Grunde nach gerechtfertigt ist.


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