IT- und Medienrecht

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot für GmbH-Geschäftsführer

Aktenzeichen  7 U 2107/18

Datum:
2.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GmbH-Stpr – 2019, 223
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 138, § 139, § 305c Abs. 2

 

Leitsatz

1 Ein Wettbewerbsverbot ist nach § 138 BGB nichtig, wenn es nicht den berechtigten Geschäften der Gesellschaft dient und es nach Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und wirtschaftliche Tätigkeit des Geschäftsführers unbillig erschwert. Die Höhe der Karenzentschädigung ist kein Kriterium für die vorzunehmende Abwägung. (Rn. 7 – 8) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein zu weit gefasstes Wettbewerbsverbots kann durch gerichtliche Entscheidung auf das zeitlich zulässige Maß verkürzt werden. Eine gegenständliche Beschränkung kommt nicht in Betracht. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 HK O 3431/18 2018-06-19 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 19.06.2018 (Az.: 3 HK O 3431/18) durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 31.8.2018.

Gründe

I.
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung auf noch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
Die Würdigung des Landgerichts ist frei von Rechtsfehlem (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Unter zutreffender Würdigung des Parteivortrags, der Gesamtumstände sowie der vorgelegten Unterlagen hat das Landgericht zu Recht die einstweilige Verfügung vom 8.5.2018, mit welcher dem Verfügungskläger [im folgenden nur noch: Kläger] vorläufig gestattet wurde, ab dem 1.8.2018 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache als Geschäftsführer der Firma … [im folgenden …] tätig zu werden, aufrecht erhalten. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen.
II.
Die hiergegen von Seiten der Verfügungsbeklagten [im folgenden nur noch: Beklagte] vorgebrachten Einwände überzeugen nicht und vermögen ihrem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen. Zu den Berufungsangriffen im einzelnen ist wie folgt Stellung zu nehmen.
1. Der Senat teilt die Einschätzung des Landgerichts, dass ein Verfügungsanspruch aus der Unwirksamkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots in § 10 des Dienstvertrages zwischen den Parteien folgt; der Kläger darf also als Geschäftsführer der … tätig werden. Da ihm die Beklagte dieses Recht bestreitet, hat er ein Interesse an der gerichtlichen Feststellung.
a) Nach dem Wortlaut der genannten Vertragsbestimmung wäre dem Kläger ein Tätigwerden für die … untersagt. Letztlich unstreitig ist die … wie die Beklagte in der Optikbranche tätig und damit ein Konkurrent der Beklagten. Die Versuche des Klägers, die Konkurrenzsituation mit Blick auf unterschiedliche Kundenkreise (Marken- oder Billigkunden) wegzudiskutieren, überzeugen nicht; jedenfalls partielle Überschneidungen zwischen den Geschäftsbereichen der Beklagten und der … liegen vor.
Eine Auslegung der Wettbewerbsklausel, dass die bereits mehr als einjährige Freistellung des Klägers in die Frist des Wettbewerbsverbots einzurechnen wäre (mit der Folge, dass es am 1.8.2018 bereits abgelaufen wäre), kommt nicht in Betracht. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung verletzt eine derartige Auslegung anerkannte Auslegungsgrundsätze, insbesondere das Gebot einer beiderseits interessengerechten Auslegung (vgl. BGH, Urteil vom 4.3.2002 – II ZR 77/00, Rz. 7, 8).
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich möglich. Ihre Wirksamkeit ist aber (nicht an §§ 74 ff. HGB zu messen, sondern) nach § 138 BGB zu beurteilen. Hiernach ist das Wettbewerbsverbot nichtig, wenn es nicht den berechtigten Geschäften der Gesellschaft dient und es nach Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und wirtschaftliche Tätigkeit des Geschäftsführers unbillig erschwert (BGH, Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 229/83, Rz. 9, 12; Urteil vom 4.3.2002 – II ZR 77/00, Rz. 9; Beschluss vom 7.7.2008 – II ZR 81/07, Rz. 3). Dies versteht der Senat dahin, dass sich die Interessen der Gesellschaft in der Reichweite des Verbots widerspiegeln müssen, dass mit anderen Worten ein zu weit gefasstes Verbot nichtig ist.
Kein Kriterium für die vorzunehmende Abwägung ist hingegen die Höhe der Karenzentschädigung. Dies ergibt sich daraus, dass grundsätzlich ein Wettbewerbsverbot auch ohne Karenzentschädigung zulässig wäre (BGH vom 26.3.1984, a.a.O. Rz. 8; Urteil vom 17.2.1992 – II ZR 140/91, Rz. 7; besonders deutlich Urteil vom 28.4.2008 – II ZR 11/07, Rz. 6; Beschluss vom 7.7.2008, a.a.O. Rz. 5).
c) Nach den vorstehenden Grundsätzen ist das Wettbewerbsverbot in § 10 des Vertrages zu weit gefasst und damit nichtig. Denn dem Kläger ist hiernach jede Art von Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen (selbständig, unselbständig oder in sonstiger Weise) verboten. Darunter fällt nach dem Wortlaut zum Beispiel auch eine Tätigkeit als Hausmeister. Diese hätte keinen Bezug zur früheren Tätigkeit des Klägers als Vertriebsvorstand der Beklagten und wird daher durch die Interessen der Beklagten nicht gerechtfertigt (zu einer ähnlichen Konstellation vgl. OLG Hamm, Urteil vom 14.7.2014 – 8 U 131/12, Rz. 61 ff.).
Die Beklagte wendet hiergegen ein, dass die weite Fassung der Klausel deshalb zur Wahrung ihrer Interessen erforderlich sei, weil das Konkurrenzverbot bei einer engeren Fassung (etwa beschränkt auf Organtätigkeit) unschwer dadurch umgangen werden könnte, dass der Kläger bei dem Konkurrenten pro forma in untergeordneter Funktion angestellt wird und faktisch doch sein Insiderwissen aus der Beklagten einbringt. Diese auf den ersten Blick schlüssige Argumentation überzeugt den Senat im Ergebnis nicht.
Denn mit dieser Argumentation könnte man jede beliebige Reichweite eines Wettbewerbsverbots rechtfertigen und damit die gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ad absurdum führen. Umgehungsversuche kann man auch durch noch so geschickte Vertragsgestaltungen nicht ausschließen. Je geringer die Position des Klägers beim Konkurrenten ist, desto schwächer wird das Verhinderungsinteresse der Beklagten und umso stärker schlägt bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung das (durch Art. 12 GG geschützte) Interesse des Klägers, einer von ihm gewünschten Berufstätigkeit nachzugehen, ins Gewicht. Irgendwann überwiegt dieses Interesse auch die Umgehungsgefahr. Beim Hausmeister wäre dieser Punkt sicher erreicht. Damit bleibt es dabei, dass die Klausel zu weit gefasst ist.
Die dargestellte Auffassung stellt die Beklagte hinsichtlich der behaupteten Umgehungsgefahr nicht schutzlos. Denn auch als Hausmeister des Konkurrenten dürfte der Kläger keine Geschäftsgeheimnisse offenbaren, um sich nicht nach § 85 GmbHG strafbar zu machen (vgl. auch BGH vom 26.3.1984, a.a.O. Rz. 13).
d) Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Kläger tatsächlich nicht als Hausmeister, sondern als Organ der … tätig sein möchte. Dieser Befund wäre allerdings nur relevant, wenn eine geltungserhaltende Reduktion des vereinbarten Wettbewerbsverbots (etwa auf das Verbot von Organtätigkeit für Konkurrenten) möglich wäre. Letzteres ist nicht der Fall.
aa) Die Aufrechterhaltung eines zu weit gefassten Wettbewerbsverbots kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter dem Gesichtspunkt der Teilnichtigkeit (§ 139 BGB) im Sinne einer Verkürzung auf das zeitlich zulässige Maß (Urteil vom 8.5.2000 – II ZR 308/98, Rz. 13) und unter Umständen auch im Sinne der Einschränkung des örtlichen Geltungsbereichs in Betracht. Eine Beschränkung scheidet jedoch aus, wenn das Wettbewerbsverbot dem Gegenstand nach das zulässige Maß überschreitet, weil ansonsten der den Gerichten eingeräumte Gestaltungsspielraum überschritten würde (Urteil vom 14.7.1997 – II ZR 238/96, Rz. 9, 10). Nach diesen Grundsätzen scheidet im vorliegenden Fall, in welchem dem Kläger auch untergeordnete Tätigkeit ohne Bezug zu seiner früheren Tätigkeit als Vertriebsvorstand der Beklagten verboten sind, eine geltungserhaltende Reduktion grundsätzlich aus.
bb) Keine andere Beurteilung rechtfertigt die weitgehende salvatorische Klausel unter Ziffer 10 Abs. 6 der Änderungsvereinbarung dem Geschäftsführer-Dienstvertrag zwischen den Parteien (Anlage AS 3), wonach das rechtlich zulässige Maß des Wettbewerbsverbots gelten soll, wenn sich die Unwirksamkeit der Wettbewerbsklausel aus deren Umfang oder zeitlichen Geltung ergibt. Die Existenz der Klausel relativiert zwar die referierte Argumentation des Bundesgerichtshofs mit den Grenzen der richterlichen Gestaltungsmacht, weil die Vertragsparteien der Sache nach ausdrücklich eine Rechtsgestaltung wünschten. Die salvatorische Klausel ist jedoch unwirksam.
Die salvatorische Klausel stellt eine allgemeine Geschäftsbedingung dar. Der Kläger hat erstinstanzlich unwidersprochen vorgetragen, dass die Klausel in den Dienstverträgen aller vier Geschäftsführer der Beklagten enthalten, also zur mehrfachen Verwendung bestimmt war. Die Behauptung der Beklagten, dass über andere Klauseln des gegenständlichen Dienstvertrags (etwa die Behandlung von bei einer Tochter der Beklagten erworbener Versorgungsanwartschaften des Klägers) im einzelnen verhandelt wurde, nimmt der nicht individuell verhandelten Formularklausel nicht die Eigenschaft als allgemeine Geschäftsbedingung (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 305 Rz. 18 m.w.Nachw.). Zwar kann Verhandlungsbereitschaft für die Annahme einer Individualvereinbarung genügen, wenn sie eindeutig und ernsthaft erklärt wurde (Palandt/Grüneberg, a.a.O. Rz. 19, 20). Allein aus der Verhandlung über andere Vertragsbestimmungen musste sich für den Kläger aber Verhandlungsbereitschaft der Beklagten über das Wettbewerbsverbot bzw. die diesbezügliche salvatorische Klausel nicht aufdrängen. Auch aus der Sicht ex post liegt eine entsprechende Verhandlungsbereitschaft der Beklagten fern; wie wichtig das Konkurrenzverbot der Beklagten war, zeigt sich an der Argumentation der Beklagten im vorliegenden Verfahren.
Damit ist die salvatorische Klausel als allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam, da sie gegen das Transparenzgebot des § 305 c Abs. 2 BGB verstößt (BGH, Beschluss vom 5.3.2013 – VIII ZR 137/12, Rz. 3; Palandt/Grüneberg, a.a.O. § 306 Rz. 11). Eine geltungserhaltende Reduktion kann hierauf somit nicht gestützt werden.
cc) Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass eine geltungserhaltende Reduktion der Wettbewerbsklausel auch an den allgemeinen Grundsätzen des AGB-Rechts scheitern würde. Eine solche ist zwar nicht von vorneherein ausgeschlossen, würde aber voraussetzen, dass die Klausel inhaltlich in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil trennbar ist und der verbleibende Rest sprachlich und inhaltlich verständlich bleibt; das ist nur der Fall, wenn der unwirksame Teil der Klausel gestrichen wird, ohne dass der Sinn des anderen Teils darunter leidet, sog. „blue pencil test“ (BGH, Urteil vom 10.1.2012 – III ZR 325/12, Rz. 14; Urteil vom 14.1.2015 – XII ZR 176/13, Rz. 23 ff.). Wenn man die auf Seite 3 des landgerichtlichen Urteils wiedergegebene Wettbewerbsklausel betrachtet, erscheint keine Streichung möglich, die einen inhaltlich zulässigen und sprachlich verständlichen Teil zurücklässt.
2. Der Verfügungsgrund ergibt sich, wie das Landgericht zutreffend ausführt, aus der Tatsache, dass der Kläger zum 1.8.2018 eine Stelle als Geschäftsführer der … antreten konnte und die Beklagte sich dem gegenüber auf das Wettbewerbsverbot berufen hat.
Im Ergebnis zu Unrecht wendet die Berufung der Beklagten ein, dass mit der streitgegenständlichen einstweiligen Verfügung die Hauptsache vorweg genommen werde. Richtig ist zwar, dass bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Befristung des Wettbewerbsverbots von einem Jahr abgelaufen sein wird, so dass ein Obsiegen in der Hauptsache der Beklagten nichts mehr nützen würde. Genauso richtig ist aber umgekehrt, dass auch der Kläger binnen der Jahresfrist eine rechtskräftige Hauptsacheentscheidung wird nicht erstreiten können, so dass er im Falle der Ablehnung der einstweiligen Verfügung unter dem Gesichtspunkt der Vorwegnahme der Hauptsache rechtlos gestellt wäre. Vor diesem Hintergrund kann man dem Kläger, der nach den Ausführungen unter 1. im Hauptsacheverfahren höchst wahrscheinlich obsiegen wird, vorläufigen Rechtsschutz nicht mit dem formalen Argument der Vorwegnahme der Hauptsache versagen.
III.
Der Senat regt daher an, die Berufung zur Meldung weiterer Kosten zurückzunehmen. Im Falle der Rechtsmittelrücknahme ermäßigen sich die zweitinstanzlichen Gerichtsgebühren um die Hälfte.


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