IT- und Medienrecht

Rundfunkbeitrag für den privaten Bereich – Anfechtung des Widerspruchsbescheides

Aktenzeichen  M 6 K 15.4518

Datum:
6.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Rundfunkbeitragsstaatsvertrag
GG GG Art. 100
VwGO VwGO § 79 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2

 

Leitsatz

1 Die Erhebung von Rundfunkbeiträgen von Inhabern einer Wohnung ist nach der grundlegenden Entscheidung des BVerwG (BeckRS 2016, 45859) rechtmäßig und verstößt insbesondere nicht gegen die Verfassung. Deshalb kommt auch eine Richtervorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG nicht in Betracht. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die isolierte Anfechtung des auf einen Rundfunkbeitragsbescheid ergehenden Widerspruchsbescheides ist nicht statthaft, weil in ihm weder eine erstmalige noch eine zusätzliche selbstständige Beschwer liegt (§ 79 VwGO). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Juli 2016 entschieden werden, obwohl der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Denn der Kläger wurde zur mündlichen Verhandlung form- und fristgerecht geladen sowie im Ladungsanschreiben vom … Juni 2016 darauf hingewiesen, dass auch im Fall seines Nichterscheinens ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -).
Einer Entscheidung steht auch der Befangenheitsantrag des Klägers vom … März 2016 nicht entgegen, da über diesen vorab durch Beschluss vom 27. April 2016 entschieden worden ist. Einen erneuten Befangenheitsantrag hat der Kläger nicht gestellt, sondern mit seinem Schreiben vom … Juni 2016 allenfalls angekündigt.
Über den „Antrag“ des Klägers, „die Nichtzuständigkeit/Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts begründet zu klären“, war nicht vorab zu entscheiden. Angesichts der Klagebegründung und den weiteren Ausführungen des Klägers in seinem Schriftsatz vom … Januar 2016 war der Antrag gemäß § 88 VwGO als (bloße) Rechtswegrüge bzw. Anregung zur Richtervorlage nach Art. 100 GG auszulegen. Gemäß § 17 a Abs. 3 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG – hat zwar das Gericht vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtswegs rügt. Die §§ 17 ff GVG gelten jedoch nicht im Verhältnis zwischen Fachgerichtsbarkeit und Verfassungsgerichtsbarkeit (Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl. 2014, § 41/§§ 17-17b GVG, Rn. 7). Über die Rechtswegfrage ist daher nur inzident im Rahmen der (hilfsweise) gestellten Anträge zu entscheiden. Auch wenn der Kläger seinen „Antrag“ als (bloße) Anregung verstanden wissen will, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vereinbarkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags mit dem Grundgesetz, insbesondere dessen Art. 5, einzuholen (vgl. Art. 100 GG), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht kommt gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nur in Betracht, wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es für die Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält, mithin von dessen Verfassungswidrigkeit überzeugt ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das erkennende Gericht geht vielmehr davon aus, dass der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag keinen durchgreifenden rechtlichen, auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Das hat nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 13. Mai 2014 und der für Bayern grundlegenden Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Mai 2014 (Vf. 8-VII-12 und Vf. 24-VII-12) nunmehr auch das Bundesverwaltungsgericht mit mehreren Urteilen vom 18. März 2016 bestätigt (BVerwG 6 C 6.15 u. a.). Danach ist der Rundfunkbeitrag eine rundfunkspezifische nichtsteuerliche Abgabe, die in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für das Rundfunkrecht fällt (amtlicher Leitsatz Nr. 1). Die vorrangige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch den Rundfunkbeitrag trägt der Programmfreiheit des Rundfunks und dem Verfassungsgebot eines die Vielfalt sichernden Programms angemessen Rechnung (amtlicher Leitsatz Nr. 2). Der Rundfunkbeitrag stellt die Gegenleistung für den Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit dar. Dieser Vorteil kann Wohnungsinhabern individuell zugerechnet werden, weil Wohnungen nahezu vollständig mit Rundfunkempfangsgeräten ausgestattet sind (amtlicher Leitsatz Nr. 3). Die Ersetzung der gerätebezogenen Rundfunkgebühr durch den wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrag war wegen des drohenden strukturellen Defizits der Gebührenerhebung zulässig, um die Belastungsgleichheit der Rundfunkteilnehmer zu wahren (amtlicher Leitsatz Nr. 4). Die Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangt nicht, Wohnungsinhaber, die bewusst auf eine Rundfunkempfangsmöglichkeit verzichten, von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien (amtlicher Leitsatz Nr. 5). Die Anknüpfung des Rundfunkbeitrags an die Wohnung benachteiligt die alleinigen Inhaber einer Wohnung nicht gleichheitswidrig gegenüber Personen, die zusammen mit anderen in einer Wohnung leben. (amtlicher Leitsatz Nr. 6). Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht kommt für die Kammer nach all dem nicht in Betracht.
Die Klage bleibt ohne Erfolg.
Soweit der Kläger „hilfsweise“ beantragt, den Widerspruchsbescheid des Beklagten aufzuheben, ist sein Begehren angesichts der eindeutigen Bezeichnung des Klagegegenstands („Hier: Widerspruchsbescheid“) und seiner Klagebegründung dahingehend auszulegen, dass er für den Fall, dass der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht eröffnet ist, die Aufhebung (allein) des Widerspruchsbescheids vom 7. September 2015 begehrt. Für das so verstandene Begehren des Klägers ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Das Begehren des Klägers beurteilt sich nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV – und damit nach Normen des öffentlichen Rechts. Allein die Berufung auf die Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags, insbesondere die Verletzung von Art. 5 GG, macht den Rechtsstreit nicht zu einer Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art. Über den Hilfsantrag war daher zu entscheiden.
Die Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid vom 7. September 2015 ist jedoch unzulässig, weil die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 bzw. § 79 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind. Der Widerspruchsbescheid wies die gegen die Bescheide vom 1. Juni 2014 und 1. Juni 2015 mit Schreiben vom … Juni 2014 bzw. … Juni 2015 erhobenen Widersprüche als zulässig, aber unbegründet zurück. Darin liegt weder eine erstmalige Beschwer im Sinne des § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO noch eine zusätzliche selbstständige Beschwer im Sinne des § 79 Abs. 2 VwGO.
Soweit der Kläger beantragt, „Forderungen aus Zwangsbeiträgen wegen Verfassungswidrigkeit für nichtig zu erklären“, ist der Antrag des Klägers gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass er (vorbeugend) die Unterlassung der Erhebung bzw. Festsetzung von Rundfunkbeiträgen gegen ihn begehrt. Für eine derartige Klage ist auch der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Allein die Berufung auf die angebliche Verfassungswidrigkeit der Rundfunkbeitrag macht die Streitigkeit auch insoweit nicht zu einer solchen verfassungsrechtlicher Art.
Eine derart verstandene Klage ist jedoch unzulässig, da es insoweit am hierfür erforderlichen besonderen Rechtsschutzinteresse fehlt. Vorbeugenden Rechtsschutz kann nur in Anspruch nehmen, wer hierfür ein besonderes Bedürfnis geltend machen kann. Ein derartiges besonderes Rechtsschutzinteresse ist hier weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Kläger ist vielmehr auf den grundsätzlich als angemessen und ausreichend anzusehenden nachträglichen Rechtsschutz zu verweisen. Ungeachtet seiner verfassungsrechtlichen Bedenken, die das erkennende Gericht aus den oben genannten Gründen nicht teilt, ist es ihm zuzumuten, gegen künftige Festsetzungsbescheide mittels Widerspruch und ggf. auch Klage vorzugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung – ZPO -.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf Euro 387,82 festgesetzt.
Gründe:
Für den als Rechtswegrüge bzw. Anregung zur Richtervorlage ausgelegten Antrag war kein gesonderter Streitwert festzusetzen, da diesem keine selbstständige Bedeutung zukommt (vgl. § 39 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in Verbindung mit Nr. 1.1.1 Streitwertkatalog).
Soweit der Kläger die Aufhebung des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 7. September 2015 begehrt, setzt das Gericht den Streitwert gemäß § 52 Abs. 1 und 3 Satz 1 GKG auf Euro 177,82 fest. Das entspricht dem vom Beklagten mit dem zugrundeliegenden Bescheiden vom 1. Juni 2014 und 1. Juni 2015 eingeforderten Betrag.
Soweit der Kläger die Unterlassung künftiger Festsetzungsbescheide begehrt, setzt das Gericht den Streitwert entsprechend dem Rechtsgedanken des § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG auf den einfachen Jahresbetrag des gegenwärtig monatlich zu entrichtenden Rundfunkbeitrags in Höhe von Euro 210,- (12 x Euro 17,50) fest.
Gemäß § 39 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 1.1.1 Streitwertkatalog waren die einzelnen Werte zu addieren, so dass sich insgesamt ein Streitwert in Höhe von Euro 387,82 errechnet.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes Euro 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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