IT- und Medienrecht

Schadensersatz, Kaufvertrag, Fahrzeug, Schadensersatzanspruch, Prospekthaftung, Kaufpreis, Prospekt, Kapitalanlage, Annahmeverzug, Emissionsprospekt, Pkw, Anfechtung, Software, Sachmangel, Zug um Zug, Kosten des Rechtsstreits, Interesse der Allgemeinheit

Aktenzeichen  22 O 8/19

Datum:
28.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 42092
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Aschaffenburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 75.087,99 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet und hat daher keinen Erfolg.
I.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1) der in Ziffer 1. geltend gemachte Anspruch auf Zahlung in Höhe von 75.087,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.08.2021 Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs gegen die Zahlung eine Nutzungsentschädigung nicht zu.
Der Anspruch ergibt sich zum einen nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB, da der Kläger den Kaufvertrag nicht wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten hat. Zudem ergibt sich ein Anspruch auch nicht aus dem erklärten Rücktritt nach §§ 346, 433, 434, 437, 323 BGB.
1. Eine Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB kommt nicht in Betracht. Die Beklagte zu 1) hat unstreitig als Händlerin den Kläger im Rahmen des Abschlusses des Kaufvertrages nicht selbst getäuscht. Darüber hinaus kommt auch eine Zurechnung einer etwaigen arglistigen Täuschung der Beklagten zu 2) nach § 123 Abs. 2 BGB nicht in Betracht.
Bei Vorliegen einer arglistigen Täuschung durch die Beklagte zu 2) wäre diese Dritte i.S.d. § 123 Abs. 2 S. 1 BGB, sodass eine Anfechtung der Willenserklärung des Klägers im Rahmen des Kaufvertragsabschlusses mit der Beklagten zu 1) nur dann dieser gegenüber anfechtbar ist, wenn die Beklagte zu 1) die Täuschung kannte oder kennen musste.
Dritter i.S.d. § 123 Abs. 2 BGB ist nur derjenige, der am Geschäft unbeteiligt ist. Dritte können danach nur diejenigen sein, die unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dem Kreis des Erklärungsempfängers zuzurechnen sind. Wer dagegen „im Lager“ des Erklärungsempfängers steht, ist im Zweifel nicht Dritter i.S.d. § 123 Abs. 2 BGB (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl., § 123 Rn. 13). Im Verhältnis Fahrzeughersteller und Vertragshändler ist im Regelfall der Hersteller nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers. Eine etwaige arglistige Täuschung durch den Fahrzeughersteller kann dem Vertragshändler daher regelmäßig nur unter den Voraussetzungen des § 123 Abs. 2 BGB zugerechnet werden (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 28.09.2017, Az.: 1 O 307/17; NJW-RR 2018, 54-56).
Die Beklagte zu 1) ist eine unabhängige Händlerin, die Fahrzeuge der Marke Porsche vertreibt. Sie schließt als Vertragshändlerin alle Geschäfte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ab. Die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) sind gesellschaftsrechtlich nicht verknüpft. Die Beklagte zu 1) steht damit nicht „im Lager“ der Beklagten zu 2) und ist somit als Dritte i.S.d. § 123 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen.
Tatsachen dafür, dass die Beklagte zu 1) Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis von einer etwaigen Manipulation des Motors gehabt hätte, hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt.
Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB gegen die Beklagte zu 1) ist somit nicht gegeben.
2. Der in Ziffer 1. geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus den §§ 346, 433, 434, 437 Nr. 2, 323 BGB bzw. aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281, 433, 434, 437, 440 BGB. Die Mängelgewährleistungsrechte sind bereits verjährt, §§ 438 Abs. 1 Nr. 3, 214 Abs. 1 BGB. Der Kläger ist nicht wirksam vom Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug zurückgetreten, da das Rücktrittsrecht bereits verfristet war, § 438 Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 218 Abs. 1 BGB.
a) Das Rücktrittsrecht des Klägers als Käufer aus §§ 437 Nr. 2, 323 BGB war im Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts bereits verfristet gemäß § 438 Abs. 4 S. 1 i.V. m. § 218 Abs. 1 BGB.
Gemäß § 438 Abs. 4 S. 1 BGB wird für das in § 437 BGB bezeichneten Rücktrittsrecht der § 218 BGB für anwendbar erklärt. Nach § 218 Abs. 1 S. 1 BGB ist der Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. Die Verjährung der Mängelansprüche aus § 437 Nr. 1 und Nr. 3 BGB ist in § 438 Abs. 1 und Abs. 2 BGB geregelt. Die Verjährungsfrist beträgt nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB zwei Jahre. Sie beginnt gemäß § 438 Abs. 2 BGB mit der Ablieferung der Sache.
Die Beklagte zu 1) hat im Schriftsatz vom 03.06.2019 (Bl. 607 ff. d.A.) die Einrede der Verjährung erhoben.
Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde am 28.10.2014 an die Firma Kapraun Prüfdienst, deren alleiniger Inhaber der Kläger war, übergeben (vgl. Anlage K 31, Bl. 593 f. d. A.). Damit begann gemäß § 187 Abs. 1 BGB die Verjährungsfrist der Mängelgewährleistungsrechte nach § 438 Abs. 2 BGB am 29.10.2014 und endete gemäß § 188 Abs. 2 BGB am 28.10.2016.
Die Rücktrittserklärung bzw. die Geltendmachung von Schadensersatz erfolgte jedoch erst am 23.07.2018 (vgl. Anlage K 32, Bl. 589 ff. d. A.). Zu diesem Zeitpunkt waren die Mängelgewährleistungsrechte bereits verfristet, so dass nach § 218 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 438 Abs. 4 S. 1 BGB die Erklärung des Rücktritts nicht wirksam ist.
b) Ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281, 433, 434, 437, 440 BGB besteht ebenfalls aufgrund der Verjährung der Mängelgewährleistungsansprüche nicht, §§ 438 Abs. 1 Nr. 3, 214 Abs. 1 BGB.
3. Der Anspruch ergibt sich schließlich weder aus den §§ 311, 241 Abs. 2 BGB noch aus einer Nichtigkeit des Kaufvertrages aus § 134 BGB i.V.m. § 27 Abs. 1 EG-FGV.
a) Zunächst ergibt sich der geltend gemachte Anspruch nicht aus einer vorvertraglichen Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) gemäß §§ 311, 241 Abs. 2 BGB. Eine Haftung der Beklagten zu 1) nach den Grundsätzen des Rechtsinstituts der Prospekthaftung scheidet bereits aus Rechtsgründen aus.
Als Prospekthaftung bezeichnet man die Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit von Werbeschriften („Prospekten“), mit denen bei dem Publikum für Kapitalanlagen der unterschiedlichsten Art geworben wird (MüKoBGB/Emmerich, 8. Aufl., § 311 Rn. 141).
Das OLG München führt in seinem Urteil vom 04.12.2019, Az. 3 U 3051/19 Rn. 37 (m.w.N.) aus: „Grundlage der Prospekthaftung ist, dass für den interessierten Anleger der Emissionsprospekt oftmals die einzige Informationsquelle darstellt. Der Prospekt muss daher alle Angaben enthalten, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind. Nur wenn diese Angaben vollständig und richtig sind, hat der Interessent die Möglichkeit, seine Entscheidung frei von Fehlvorstellungen zu treffen, die auf mangelhafte Sachinformation zurückzuführen sind. Andere Informationsquellen sind dem Interessenten regelmäßig nicht zugänglich. Nur unter der Voraussetzung, dass die durch den Prospekt vermittelte Information vollständig und richtig ist, kann der Kunde die ihm angebotene Kapitalanlage objektiv beurteilen und sein Anlagerisiko, das ihm ohnehin verbleibt, richtig einschätzen. Diese beim Erwerb von Kapitalanlagen wie Fondsbeteiligungen regelmäßig gegebene Interessenlage lässt sich auf den Kauf eines Pkw nicht übertragen. Der interessierte Käufer eines Fahrzeuges hat mit entsprechenden Veröffentlichungen unabhängiger Publikationen im Internet oder in der herkömmlichen Presse die Möglichkeit, sich aus dritten Quellen ausführlich zu informieren. Die Vorstellungen eines neuen Fahrzeugs oder auch nur des neuen Modells eines Fahrzeugs wird heute von Test- und Fahrberichten umfassend begleitet, aus welchen jedem Kaufinteressenten eine Information möglich ist. Auch besteht jederzeit die Möglichkeit einer Testfahrt. Die Annahme einer Vergleichbarkeit kann auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass es sich hier um solche Umstände handelt, die nicht bei einer Testfahrt, sondern nur bei umfassenden Tests festgestellt werden können. Die gerade durch Fachzeitschriften vorgenommenen Tests erfassen auch diesen Bereich.“
Auch ein Fall der Prospekthaftung im weiteren Sinne aus § 311 Abs. 2, Abs. 3 BGB ist nicht gegeben. Diese Haftung aus c.i.c. setzt die Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens voraus. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Beklagte zu 1) eine besondere Vertrauensposition inne hatte.
b) Der Kaufvertrag ist nicht nichtig gemäß § 134 BGB i.V.m. § 27 Abs. 1 EG-FGV.
Das OLG Stuttgart führt hierzu in seinem Beschluss vom 01.08.2018, Az. 12 U 179/17; BeckRS 2018, 27492 (m.w.N.) aus: „Entgegen dem Vortrag des Klägers ist zunächst nicht ersichtlich, dass die ausgestellte Übereinstimmungsbescheinigung ungültig ist und damit nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 EG-FGV überhaupt ein Verstoß gegen diese Vorschrift vorliegt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger den Pkw im europäischen Inland nicht mehr im Straßenverkehr verwenden darf. Selbst wenn der Hersteller des Fahrzeugs bei der Ausstellung dieser Bescheinigung gegen diese europarechtliche Vorschrift verstoßen haben sollte, könnte dies nicht zur Nichtigkeit des Kaufvertrages gemäß § 134 BGB führen. Denn den Kaufvertrag hat der Kläger nicht mit dem Hersteller, sondern mit dem – hier beklagten – Autohaus geschlossen. Ein etwaiges Verschulden des Herstellers wäre der Beklagten auch nicht gemäß § 278 BGB. Der Hersteller der Kaufsache ist nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seinen Kunden verkauft (…).“
c) Dem Kläger steht somit gegen die Beklagte zu 1) der in Ziffer 1. geltend gemachte Anspruch nicht zu. Mangels Bestehen der Hauptforderung ist auch der Zinsanspruch aus §§ 288, 286, 291 BGB nicht gegeben.
II.
Der in Ziffer 2. gegen die Beklagte zu 2) erhobene Feststellungsantrag ist bereits unzulässig.
Der Antrag festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei zu 2) das streitgegenständliche Fahrzeug dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstand einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betriebsstraßenverkehr ist zu unbestimmt und damit unzulässig. Diesem Antrag fehlt es bereits an einer bestimmten Bezeichnung des zum Ersatz verpflichtenden Ereignisses. Er lässt nicht erkennen, aufgrund welcher konkreten Manipulation eine Schadensersatzpflicht festgestellt werden soll (vgl. OLG München, Hinweisbeschluss vom 12.06.2018, Az.: 8 O 3169/17).
Auch eine Feststellungsklage muss den Anforderungen des § 253 ZPO genügen. Insbesondere muss der Klageantrag gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt sein, um den Umfang der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft festzustellen. Die erforderliche Bestimmtheit verlangt, dass das festzustellende Rechtsverhältnis genau bezeichnet wird. Es genügt, wenn der Kläger die rechtsbegründenden Tatsachen näher angibt. Soweit es sich um einen Schadensersatzanspruch handelt, ist eine bestimmte Bezeichnung des zum Ersatz verpflichtenden Ereignisses erforderlich (vgl. BGH, NJW 1983, 2247 m.w.N.).
Der Klageantrag in Ziffer 2 ist dahingehend, dass die Beklagtenpartei das streitgegenständliche Fahrzeug beeinflusst hat, so dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstand einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr, ist gemessen an diesen Grundsätzen zu unbestimmt, weil er offen lässt, aufgrund welcher konkreten Manipulation eine Schadensersatzpflicht festgestellt werden soll.
III.
Der hilfsweise in Ziffer 2. geltend gemachte Klageantrag ist ebenfalls unzulässig, da das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nicht gegeben ist. Ein solches liegt dann vor, wenn dem Recht oder die Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das Feststellungsurteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. MüKo-ZPO/ Becker-Eberhard, 5. Aufl., § 256 Rn. 39). Wenn eine Klage auf Leistung dem Kläger zumutbar und auch möglich ist, so wird im Interesse der endgültigen Klärung des Streitstoffes in einem Prozess das abstrakte Feststellungsinteresse regelmäßig fehlen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 256 Rn. 7a).
Legt man die Anspruchsgrundlagen zugrunde, auf die sich der Kläger beruft, könnte der Kläger seine Ansprüche beziffern und per Leistungsklage verfolgen, nämlich indem klageweise die Erstattung des Kaufpreises abzüglich der gezogenen Nutzungen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Pkw begehrt werden würde. Weitere von der Beklagten zu 2) zu erstattenden, vom Kläger noch nicht bezifferbaren Schadenspositionen ergeben sich aus dem Klagevorbringen nicht, jedenfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit.
IV.
Auch für den höchst hilfsweise gestellten Antrag in Ziffer 2. fehlt das erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers nach § 256 Abs. 2 ZPO. Dies gilt ebenso für die Feststellungsanträge in der höchst, höchst hilfsweise geltend gemachten Ziffer 2b) sowie der hierzu hilfsweise und höchst hilfsweise geltend gemachten Ziffern 2b).
Der Kläger könnte die behaupteten Schadenspositionen bereits zum jetzigen Zeitpunkt beziffern.
V.
Der höchst, höchst hilfsweise gestellte Antrag in Ziffer 2a) ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 2) kein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 75.087,99 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.08.2018 Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs gegen Zahlung einer Nutzungsentschädigung zu.
1. Ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2) ergibt sich nicht aus §§ 826, 31 BGB. Ein solcher Anspruch scheitert daran, dass der Kläger nicht ausreichend dargelegt hat, inwieweit eine Kenntnis der Organe von einer etwaigen „Schummelsoftware“ vorliegt. Der Kläger hat mit Klageschrift vom 22.01.2019 vorgetragen, dass bei der Größe des Unternehmens davon auszugehen sei, dass Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand im Hinblick auf die wesentlichen Vorgänge und Entscheidungen bestehen und es daher fernliegend sei, dass der Beklagten zu 2) das Inverkehrbringen von gesetzeswidrigen Fahrzeugen verborgen geblieben sei. Auch sei der Umstand, dass der Motor von der Audi AG zugekauft wurde unerheblich, weil sie sich letztlich hinreichende Kenntnis über die Funktionsfähigkeit des Motors verschafft habe.
Eine hinreichende Konkretisierung der Kenntnis der Beklagten zu 2) vermag das Gericht in diesem Vortrag nicht zu erkennen. Es liegt eine andere Situation als bei einer gegen den Hersteller des Motors gerichteten Klage vor. Während bei einer Klage gegen den Hersteller eine sekundäre Darlegungslast des Herstellers zu den Abläufen und der Kenntnis von Organen angenommen werden kann, ist eine solche Kenntnis vorliegend bei Einbau zugekaufter Teile nicht zu unterstellen. Es obliegt daher im vorliegenden Fall dem Kläger konkreten Vortrag in Bezug auf die Kenntnis der Organe von einer Abschalteinrichtung zu bringen. Die hat der Kläger nicht getan. Es wurde lediglich pauschal darauf verwiesen, dass die Beklagte zu 2) Kenntnis gehabt haben müsse, weil dies bei einem Unternehmen von dem der Beklagten zu 2) aus organisatorischen Gründen der Fall sein würde.
2. Ein Anspruch folgt auch nicht aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 31 BGB i.V. m. 263 StGB. Der Kläger hat bereits nicht ausreichend dargetan, inwieweit eine Täuschung des Klägers zum Abschluss des Kaufvertrages geführt haben soll.
Eine Täuschung seitens der Beklagten zu 2) durch aktives Tun im Sinne des § 263 StGB ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist ein hinreichend substantiierter Vortrag der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klagepartei dazu, durch welche konkrete Handlung (z. B. Werbung, Prospekte, etc.) der Beklagten zu 2) eine Täuschung erfolgt sein soll, nicht zu erkennen. Hinreichender Vortrag in Bezug auf eine Täuschung im Sinne des § 263 StGB seitens der Beklagten zu 2) durch Unterlassen liegt ebenfalls nicht vor. Der Kläger hat nicht dargelegt, inwiefern eine durch die Beklagte zu 2) schuldhaft unterlassene Aufklärung zum Abschluss des Kaufvertrags geführt haben soll.
3. Schließlich ergibt sich der Zahlungsanspruch ebenfalls nicht aus §§ 311 Abs. 2, Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB. Eine Haftung aus den Grundsätzen der Prospekthaftung scheidet aus Rechtsgründen aus (s.o.).
Im Übrigen ergibt sich der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht aus §§ 823 Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV. Den Vorschriften der EG-FGV kommt bereits kein Individual- bzw. Individualvermögensschutz zu (vgl. LG Marburg, Urteil vom 02.03.2017, Az.: 5 O 49/16; Beschluss des OLG München vom 22.02.2018, Az.: 27 U 2827/17).
Eine Norm ist als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB anzusehen, wenn sie nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben. Andererseits soll der Anwendungsbereich von Schutzgesetzen nicht ausufern. Deshalb reicht es nicht aus, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm als ihr Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen (BGH, EuGH-Vorlage vom 09. April 2015, Az. VII ZR 36/14, Rn. 20). Bei Vorschriften, die – wie hier die Regelungen der EG-FGV – Richtlinien umsetzen, kommt es nach der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung insoweit maßgeblich auf den Inhalt und Zweck der Richtlinie – hier der RL 2007/46/EG – an (vgl. BGH, EuGH-Vorlage vom 09. April 2015 – VII ZR 36/14 -, Rn. 23, juris). Den Erwägungsgründen (2), (4) und (23) zufolge bezweckt die RL 2007/46/EG die Verwirklichung sowie das Funktionieren des Binnenmarkts und verfolgt das Ziel der Vollendung des Binnenmarktes durch die Einführung eines verbindlichen Systems gemeinschaftlicher Typgenehmigungen für alle Fahrzeugklassen. Darüber hinaus sollen die technischen Anforderungen in Rechtsakten harmonisiert und spezifiziert werden, wobei die Rechtsakte vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielen (Erwägungsgrund 2. der Richtlinie). Einen konkreten Hinweis dafür, dass der Richtliniengeber darüber hinaus den Schutz des einzelnen Fahrzeugerwerbers bzw. -besitzers gegen Vermögensbeeinträchtigungen im Blick hatte, lässt sich den Erwägungsgründen der Richtlinie hingegen nicht entnehmen. In der Begründung des nationalen Gesetzgebers zur EG-FGV (Seite 36 der BR-Drucks. 190/09) wird dementsprechend ebenfalls darauf verwiesen, dass die Rahmenrichtlinie 2007/46/EG, zu deren Umsetzung die EG-FGV veranlasst ist, dem Abbau von Handelshemmnissen sowie der Verwirklichung des Binnenmarktes der Gemeinschaft dienen und die EG-FGV darüber hinaus zur Rechtsvereinfachung und zum Bürokratieabbau beitragen soll (vgl. LG Braunschweig, Urteil vom 10. Januar 2018 – 3 O 622/17 -, Rn. 36, juris). Damit kann hinsichtlich der Regelungen der EG-FGV das Vorliegen eines Schutzgesetzes im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB nicht angenommen werden, so dass bereits aus diesem Grund streitgegenständlich § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 27, 26, 6 EG-FGV als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch ausscheidet.
4. Schließlich ergibt sich ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2) nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Vorschriften zum Qualitätsmanagementsystems oder i.V.m. Vorschriften des UWG.
5. Dem Kläger steht somit der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2) nicht zu. Damit ist auch die Zinsforderung aus §§ 288, 286, 291 BGB nicht gegeben.
VI.
Mangels bestehender Rücknahmeverpflichtung der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2), befinden sich die Beklagten nicht im Annahmeverzug gemäß §§ 293 ff. BGB, so dass der Klageantrag in den Ziffer 3. und der höchst, höchst hilfsweise gestellte Antrag in Ziffer 2c) unbegründet sind.
VII.
Der in Ziffer 4. geltend gemachte Anspruch auf Freistellung von den entstandenen außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten besteht ebenfalls nicht, da die Klage insgesamt erfolglos bleibt.
VIII.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 2 ZPO.
IX.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 39, 49 GKG i.V.m 3 ZPO.


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