IT- und Medienrecht

Straßenausbaubeitragsrecht, Anspruch auf Rückerstattung einer Vorauszahlung nach Eigentümerwechsel vor Entstehen der sachlichen Beitragspflicht, bestandskräftiger Vorauszahlungsbescheid, Möglichkeit der fiktiven Abrechnung bis 31.12.2024, Eintritt der Festsetzungsverjährung (verneint)

Aktenzeichen  Au 2 K 21.68

Datum:
6.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 15247
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5 Abs. 5, 19 Abs. 8
AO § 169

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund des Einverständnisses der Parteien hiermit durch den Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 87a Abs. 2, § 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des bestandskräftigen von der Verwaltungsgemeinschaft … im Auftrag des Beklagten erlassenen Vorauszahlungsbescheids vom 6. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … vom 5. Dezember 2014 und Erstattung der geleisteten Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag in Höhe von 1.735,86 EUR. Der Vorauszahlungsbescheid vom 6. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … vom 5. Dezember 2014 ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – nach wie vor – rechtmäßig und stellt damit den Rechtsgrund für das Einbehalten der Vorauszahlung durch den Beklagten dar.
Ein Fall, in dem der streitgegenständliche Vorauszahlungsbescheid deshalb aufzuheben wäre, weil wegen des Ablaufs der Ausschlussfrist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht zwingend ausgeschlossen ist und der – vor Fristablauf erlassene – Vorauszahlungsbescheid keinen Rechtsgrund mehr für das Behaltendürfen der vereinnahmten Vorauszahlung darstellt (BayVGH, U.v. 16.11.2018 – 6 BV 18.445 – juris) liegt nicht vor. Zum einen gelten für das Straßenausbaubeitragsrecht wegen der zum 1. Januar 2018 erfolgten Abschaffung der Möglichkeit zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen spezielle Übergangsvorschriften, die, wie insbesondere Art. 19 Abs. 7 und Abs. 8 KAG, Konstellationen der vorliegenden Art für einen begrenzten Zeitraum regeln (BayVGH, B.v. 7.4.2020 – 6 ZB 19.1904 – BeckRS 2020, 14697 Rn. 6). Zum anderen hat der Vorauszahlungsbescheid vom 6. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … vom 5. Dezember 2014 – anders als in dem vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entschieden Fall – Bestandskraft erlangt.
Auch nach Art. 19 Abs. 8 Satz 1 KAG hat der Kläger keinen Anspruch auf die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids. Danach hebt die Gemeinde Vorauszahlungsbescheide ab dem 1. Januar 2025 auf Antrag auf und erstattet die Vorauszahlungen ab dem 1. Mai 2025 zurück, wenn sie bis zum 31. Dezember 2017 Vorauszahlungen auf den Beitrag für Straßenausbaubeitragsmaßnahmen erhoben hatte, aber der endgültige Beitrag noch nicht festgesetzt wurde. Dies gilt jedoch gemäß Art. 19 Abs. 8 Satz 2 KAG nicht, wenn die Vorteilslage ist bis zum 31. Dezember 2024 entstanden ist und die Gemeinde eine fiktive Abrechnung des endgültigen Beitrags vorgenommen hat (vgl. zur Frage des anzuwendenden Rechts BayVGH, U.v. 27.6.2019 – 6 BV 19.81 – juris Rn. 15). Nach Art. 5 Abs. 5 Satz 2 KAG, der hier gemäß Art. 19 Abs. 7 Satz 5 und Satz 1 KAG in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung zur Anwendung kommt, weil die Vorauszahlung bis zum 31. Dezember 2017 durch Bescheid festgesetzt wurde, ist die Vorauszahlung mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen, auch wenn der Vorauszahlende nicht beitragspflichtig ist. Aufgrund des mit der vollständigen Umsetzung des Bauprogramms und dem Abschluss der Baumaßnahmen verbundenen Eintritts der Vorteilslage an der …straße im Jahr 2012 hat der Beklagte noch bis zum 31. Dezember 2024 die Möglichkeit, eine fiktive Abrechnung des endgültigen Beitrags unter Anrechnung der geleisteten Vorauszahlung vorzunehmen und damit die Entstehung des in Art. 19 Abs. 8 Satz 1 KAG normierten Rückzahlungsanspruchs auszuschließen, es sei denn, die Festsetzungsverjährung für den endgültigen Bescheid war bis zu diesem Zeitpunkt bereits eingetreten (s. hierzu Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand August 2020, Rn. 2203).
Im vorliegenden Fall steht jedoch der Eintritt der Festsetzungsverjährung gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb KAG i.V.m. § 169 AO der fiktiven Abrechnung nicht entgegen, da die sachliche Beitragspflicht und damit der endgültige Straßenausbaubeitrag noch nicht entstanden ist. Dabei kann hier dahinstehen, ob bereits der Umstand, dass u.a. das vorauszahlungspflichtige Grundstück Fl.Nr. … Gemarkung … ebenso wie die …straße gemäß dem Inhalt des Flurbereinigungsbeschlusses der damaligen Direktion für Ländliche Entwicklung … vom 17. September 2003 i.d.F. des Änderungsbeschlusses des Amts für Ländliche Entwicklung … vom 7. Januar 2020 im Verfahrensgebiet des noch nicht abgeschlossen Flurbereinigungsverfahrens „Dorferneuerung …“ liegen (Bl. 87 bis 94 der Gerichtsakte), dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht entgegensteht (s. hierzu z.B. BVerwG, U.v. 5.5.2015 – 9 C 14.14 – BayVBl 2015, 787 betreffend das Umlegungsverfahren nach §§ 45 ff. BauGB; Matloch/Wiens, a.a.O., Rn. 416).
Jedenfalls konnte der endgültige Straßenausbaubeitrag deswegen noch nicht entstehen, weil der umlagefähige Aufwand nicht abschließend feststeht. Die sachliche Beitragspflicht kann erst entstehen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen und feststeht, in welcher Höhe der auf die beitragspflichtigen Grundstücke umzulegende Aufwand angefallen ist. Das ist regelmäßig erst dann der Fall, wenn die letzte, die Baumaßnahmen betreffende Unternehmerrechnung bei der Gemeinde eingeht. Steht noch eine Rechnung aus, kann der Aufwand der Straßenbaumaßnahmen nicht beziffert werden mit der Folge, dass die sachliche Beitragspflicht nicht entsteht und die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist nicht zu laufen beginnt (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 26.1.2006 – 6 ZB 03.385 – juris Rn. 6). Hier steht die Höhe der Ausgleichsleistungen für den im Flurbereinigungsverfahren „Dorferneuerung …“ nach Maßgabe des im Flurbereinigungsplan (§ 58 FlurbG) zu regelnden Grunderwerbs, der gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 ABS zum Abschluss der Ausbaumaßnahme gehört, noch nicht fest, da die nach den Angaben der Flurbereinigungsbehörde für Ende 2021 zu erwartende Bekanntgabe des Flurbereinigungsplans noch nicht erfolgt ist und die nach Eintritt der Bestandskraft des Flurbereinigungsplans gemäß § 61 FlurbG vorgesehene Ausführungsanordnung mit der Regelung des Zeitpunkts der Geltung des neuen Rechtszustands noch nicht erlassen wurde (s. hierzu VG Bayreuth, U.v. 18.12.2002 – B 4 K 01.500 – juris Rn. 28).
Damit konnte hier dahingestellt bleiben, ob ein Rückzahlungsanspruch in Bezug auf eine geleistete Vorauszahlung entstehen kann, wenn eine endgültige Festsetzung des Straßenausbaubeitrags infolge des Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr möglich ist (s. hierzu z.B. BayVGH, B.v. 17.1.2011 – 6 CE 10.2875 – juris Rn. 12 m.w.N.; Matloch/Wiens, a.a.O., Rn. 2180).
Ein Anspruch auf Erstattung der Vorauszahlung aus anderen Gründen im Sinn von Art. 19 Abs. 8 Satz 6 KAG ist weder geltend gemacht, noch sonst erkennbar (z.B. die endgültige Aufgabe der Ausbaumaßnahme).
Da kein Anspruch auf Aufhebung des bestandskräftigen Vorauszahlungsbescheids besteht, kann auch kein Anspruch auf Erstattung der geleisteten Vorauszahlung und ein daraus abgeleiteter Zinsanspruch geltend gemacht werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da kein Grund hierfür gegeben ist (§ 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 VwGO).


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