IT- und Medienrecht

Unzulässiger Eilantrag gegen eine infektionsschutzrechtliche Allgemeinverfügung („Ausgangssperre anlässlich der Corona-Pandemie“)

Aktenzeichen  B 7 S 20.282

Datum:
20.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51672
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 55a
VwGO § 42 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen eine mit Bekanntmachung des Landratsamts … vom 19.03.2020 mit Allgemeinverfügung verfügte Ausgangssperre anlässlich der „Corona-Pandemie“.
Mit dieser am 19.03.2020 in Kraft getretenen Allgemeinverfügung hat das Landratsamt … folgendes angeordnet:
1. Ab sofort gilt für das Stadtgebiet … und den Ortsteil … des Marktes … in der Verwaltungsgemeinschaft … bis einschließlich 03.04.2020 eine Ausgangssperre. Das Verlassen der häuslichen Unterkunft ohne triftigen Grund wird untersagt.
2. Ausgenommen von diesem Verbot sind die folgenden Ortsteile der Stadt …:
… …
… …
… …
… …
3. Ausgenommen von dem Verbot unter Ziff. 1 sind:
3.1 Hin- und Rückweg zur jeweiligen Arbeitsstätte.
3.2 Einkäufe für den Bedarf des täglichen Lebens
3.3 Besuche von Arztpraxen, Sanitätshäusern, Optikern, Hörgeräteakustikern und Gesundheitspraxen (z.B. Physiotherapieeinrichtungen)
3.4 Apothekenbesuche
3.5 Besuche von Filialen der Deutschen Post
3.6 Tanken an Tankstellen
3.7 Geld abheben bei Banken
3.8 Hilfeleistungen für Bedürftige
3.9 Feuerwehrkräfte und Rettungskräfte auf dem Weg zum Stützpunkt oder Einsatzort
3.10 Notwendiger Lieferverkehr
3.11 Unabdingbare Versorgungen von Haustieren
4. In begründeten Ausnahmefällen kann beim Landratsamt … eine Ausnahme beantragt werden.
Die Allgemeinverfügung werde auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 2 und Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) i.V.m. § 65 Satz 1 der Zuständigkeitsverordnung (ZustV) erlassen.
Der Antragsteller beantragt,
1.die Verfügung des Landratsamts …, dass eine Ausgangssperre verhängt wird, um eine Ansteckung mit dem „Corona Virus“ zu verhindern, wird aufgehoben.
2.Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Die Ausgangssperre sei nicht dazu geeignet, die mögliche Ansteckung von Personen zu verhindern. Grundlage sei hier die Hygieneempfehlung des Robert-Koch-Instituts. Danach sollten die Hände gewaschen werden und man solle einen Abstand von 1,5 m zum Nächsten wahren. Eine derartige Ausgangssperre sei ein weitgehender Eingriff in die Grundrechte der Bürger. Der Eingriff sei nicht gerechtfertigt und damit verfassungswidrig. Dass die Bundesregierung bislang keine solche Ausgangssperre ausgesprochen habe, liege vor allem an einem im Grundgesetz verankerten Recht. Das bereits erwähnte „Recht auf Bewegungsfreiheit“ in Art. 11 Abs. 2 GG regele, dass alle Bundesbürger im Bundesgebiet Freizügigkeit genießen würden. Nur in bestimmten Fällen dürfe dieses Grundrecht eingeschränkt werden, wenn:
– Lebensgrundlage nicht vorhanden.
– Besondere Lasten für die Allgemeinheit.
– Drohende Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung.
– Gefahr durch Seuchen, Naturkatastrophen oder Unglücksfälle.
– Zum Schutz der Jugend vor Verwahrlosung oder Kriminalität.
Die Grundrechte seien bereits im Bereich Versammlungsfreiheit eingeschränkt, da die Landesregierung Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen verbiete. Ebenso verbiete die Regierung die Teilnahme an Gottesdiensten, wobei hier sämtliche religiöse Gruppen angesprochen seien. Diese würden nun per Video übertragen werden. Tatsächlich habe sich der CDU-Kandidat Merz infiziert, wie er nach einer CDU-Parteisitzung angegeben habe. Wahlen in Bayern fänden ohne Probleme statt, einen Tag später gebe es die Ausgangssperre. Der Kläger sei selbst chronisch krank mit einem extrem geschwächten Immunsystem und habe sich an das Gesundheitsamt des Antragsgegners gewandt, um sich testen zu lassen. Der entsprechende Bericht sei auf Facebook und als Lokalreporter veröffentlicht worden. Die dortigen Geschichten seien grotesk. Zusammenfassend sei zu sagen, das Gesundheitsamt sei nicht zuständig, könne nicht testen, der Hausarzt sei nicht zuständig, die (sic!) ev. Kliniken in der … würden nicht testen, sondern man solle gefälligst nach Essen fahren und das Bergmannsheil stelle telefonisch fest, „dass wohl eher eine COPD vorliege, die behandelt werden müsse und man nicht jeden testen könne, dann wird man ja verrückt“. Die Regierung sei mit der Situation komplett überfordert, die Grenzen seien geschlossen, Warenverkehr finde kaum noch statt, es gebe einen Stau von mehr als 60 km auf der A 4 nach Polen mit Wartezeiten von mehr als 18 Stunden und jeder Lkw-Fahrer werde durch die polnische Grenzpolizei auf Corona überprüft. Es gebe weder Nudeln noch Klopapier. Online könne man auch nichts einkaufen, denn wo das Lager leer sei, da sei es halt leer. Auf der anderen Seite würden Flugpassagiere aus dem Iran (wird weiter ausgeführt) nicht kontrolliert und würden einfach so in das Land einreisen. Ebenso gelte dies für Passagiere aus Dubai und Japan. Der Kläger habe am 17.03.2020 den Flughafen in Düsseldorf besucht und nicht eine Station gefunden, wo man sich die Hände hätte desinfizieren können. In den Bussen und Zügen an den Bahnhöfen, egal ob Essen, Köln oder Paderborn und auch nicht in Gelsenkirchen gebe es eine Möglichkeit, sich die Hände zu waschen, abgesehen von den „hoch infektiösen“ Bahnhofstoiletten, die dann auch noch kostenpflichtig seien. Gleiches gelte für Raststätten. Die einzige Möglichkeit, sich die Hände zu desinfizieren, biete die Apotheke im Hauptbahnhof Gelsenkirchen. Allerdings habe der Antragsteller in dem Moment schon sechs Stunden im Zug verbracht, ohne sich irgendwo die Hände waschen zu können. Immerhin seien nun auch die Toiletten in den Regionalzügen defekt. S-Bahnen würden sowieso keine Toilette haben. Im Hauptbahnhof Paderborn sei keine Apotheke, auch nicht in Siegburg, Bonn oder am Flughafen Köln-Bonn. Immerhin gebe es eine Apotheke im Flughafen Düsseldorf, wenn man sie denn finde. Die Maßnahmen der Antragsgegnerin würden ins Leere laufen. Es würden lediglich Grundrechte immer weiter eingeschränkt, ohne dass irgendwo der Nachweis erbracht werde, dass die Maßnahme eine Infizierung mit Corona verhindern könne. „Nur weil das der Österreicher mache, müsse das noch lange nicht der Deutsche wieder einmal nachmachen.“ Weiter wird folgendes genannt: „Art. 8 GG“, „Art. 5 GG“, „Art. 2 GG“, „GG-Kommentar Schmidt/Bleibtreu/Hofmann/Henneke 13. Auflage“.
Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 20.03.2020,
den Antrag abzulehnen.
Auf den Inhalt des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 20.03.2020 wird verwiesen.
Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist trotz des gestellten Sachantrags, der auf die Erhebung einer Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO hindeutet, aufgrund der Überschrift des Schriftsatzes „Eilantrag, Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung“, im Ergebnis als Eilrechtschutzbegehren auszulegen.
Der Antrag ist unzulässig.
1. Der Antrag wurde nicht formwirksam gestellt. Gem. § 55a Abs. 3 Satz 1 VwGO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.
a) Der Antrag wurde nicht formwirksam gem. § 55a Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 VwGO gestellt, weil das durch den Antragsteller als Antragsschrift eingereichte elektronische Dokument nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen ist. Auf dem Prüfvermerk zu dem übersandten Dokument „Eilantrag Ausgangssperre …“ ist in dem zugehörigen Prüfvermerk vom 20.03.2020 unter der Rubrik „Qualifiziert signiert nach ERVB“ nämlich die Angabe „nein“ vermerkt.
b) Der Antrag wurde auch nicht formwirksam gem. § 55a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 VwGO gestellt. Hierzu müsste das elektronische Dokument von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden sein. Die Voraussetzung der Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg ist nicht erfüllt.
Das elektronische Dokument wurde vorliegend ausweislich des Prüfvermerks vom 20.03.2020 „per De-Mail“ versandt. Gem. § 55a Abs. 4 Nr. 1 VwGO ist der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos ein sicherer Übermittlungsweg, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt.
Hierbei gilt, dass eine unwirksame Einreichung des Schriftsatzes (hier: Stellung eines Eilantrages) vorliegt, wenn der Absender das elektronische Dokument in einer nicht absenderbestätigten De-Mail einreicht, etwa indem er sich nicht gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 De-Mail-Gesetz an seinem De-Mail-Konto anmeldet oder die Option absenderbestätigte De-Mail nicht auswählt (Schoch/Schneider/Bier/Ulrich, 37. EL Juli 2019, VwGO § 55a Rn. 82).
Vorliegend liegt keine absenderbestätigte De-Mail vor. In dem Prüfvermerk vom 20.03.2020 ist nämlich vermerkt, dass die Nachricht („Eilantrag Ausgangssperre …“) per De-Mail ohne Absenderbestätigung versandt wurde. Somit ist kein sicherer Übermittlungsweg gegeben und die Antragstellung ist folglich nicht formwirksam.
2. Überdies ist auf Basis des schriftsätzlichen Vortrags davon auszugehen, dass keine Antragsbefugnis des Antragstellers besteht. Antragsbefugt wäre der Antragsteller, wenn er glaubhaft machen würde, durch den Verwaltungsakt (hier: Allgemeinverfügung des Landratsamtes … v. 19.03.2020) in seinen Rechten verletzt zu sein, § 42 Abs. 2 VwGO analog. Eine Rechtsverletzung des Antragstellers durch selbige Allgemeinverfügung ist gerade nicht glaubhaft gemacht. In seinen Ausführungen thematisiert der Antragsteller aus seinem Blickwinkel Erfahrungen und Nachrichtenmeldungen aus unterschiedlichen Orten im Bundesgebiet im Zusammenhang mit der „Corona-Krise“ und nennt hierbei insbesondere mehrfach Städte im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Als eigene Anschrift nennt der Antragsteller ebenfalls eine Anschrift in Nordrhein-Westfalen, nämlich „…“. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller durch die Allgemeinverfügung vom 19.03.2020 selbst betroffen wäre, die sich auf das Stadtgebiet … (mit Ausnahmen) und den Ortsteil … des Marktes … in der Verwaltungsgemeinschaft … (jeweils Landkreis …, Freistaat Bayern) bezieht, sind nicht vorgetragen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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