Kosten- und Gebührenrecht

Beschwerdefrist bei übereinstimmender Erledigungserklärung der Hauptsache

Aktenzeichen  9 C 20.1536

Datum:
10.9.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24823
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 63 Abs. 3 S. 2, § 68 Abs. 1 S. 1
VwGO § 161 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Für die Frage, wann die sechsmonatige Frist zur Einlegung einer Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts beginnt, kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses des Streitwertfestsetzungsbeschlusses, sondern auf den der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache bzw. der anderweitigen Erledigung des Verfahrens – hier der übereinstimmenden Erledigungserklärung – an.  (Rn. 4 – 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Maßgeblich für den Wert des Beschwerdegegenstands im Sinne des § 68 Abs. 1 S. 1 GKG ist der Differenzbetrag zwischen der entstandenen und voraussichtlich noch entstehenden Gesamtvergütung (Gebühren und Auslagen), die sich für den beschwerdeführenden Rechtsanwalt aus der bisherigen Festsetzung ergibt, und der entstandenen und voraussichtlichen Gesamtvergütung, die sich nach dem behaupteten und mit der Beschwerde erstrebten Wert ergibt. (Rn. 8 – 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 17 S 19.419 2019-11-20 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

Die Beschwerde wird verworfen.

Gründe

Die von den Bevollmächtigten der Antragstellerin in eigenem Namen eingelegte Beschwerde (§ 68 Abs. 1 GKG, § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG), mit der eine Heraufsetzung des vom Verwaltungsgericht unter Nr. 3. des Beschlusses vom 20. November 2019 festgesetzten Streitwerts von 2.500 Euro begehrt wird, ist unzulässig.
Über die Beschwerde entscheidet nach § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG der Berichterstatter als Einzelrichter.
1. Die Beschwerde ist verfristet.
Nach § 68 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG ist die Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwertes innerhalb von sechs Monaten einzulegen, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Die Frist beginnt auch dann, wenn sich das gesamte Verfahren anders als durch den Eintritt der Rechtskraft in der Hauptsache erledigt hat. Dies ist der Fall, wenn beide Parteien die Hauptsache – hier nach § 161 Abs. 2 VwGO – übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Die 6-Monatsfrist beginnt dann mit der Wirksamkeit der Erledigungserklärungen, also mit dem Eingang der letzten Erklärung bei Gericht (BayVGH, B.v. 7.12.2020 – 20 C 10.2748 – juris Rn. 2; BayLSG, B.v. 3.3.2010 – L 2 U 274/09 B – juris Rn. 12; HessVGH, B.v. 18.5.2017 – 6 E 355/17 – juris Rn. 5; Toussaint in Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 50. Aufl. 2020, § 63 GKG Rn. 83; vgl. auch BVerwG, B.v. 1.10.1990 – 4 NB 17.90 – juris Rn. 6 zur Klagerücknahme). Denn mit Zugang der letzten Erklärung bei Gericht (vgl. BVerwG, B.v. 30.11.1999 – 5 B 214.99 – juris Rn. 4; Oestreich in Oestreich/Hellstab/Trenkle, GKG – FamGKG, Stand Juni 2020, § 68 Rn. 24) wird im Falle übereinstimmender Erledigungserklärungen die Rechtshängigkeit unmittelbar beendet (vgl. Clausig in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Jan. 2020, § 161 Rn. 17; Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 161 Rn. 71; R.P. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 161 Rn. 15).
Der Gesetzeswortlaut stellt insoweit eindeutig auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache bzw. der anderweitigen Erledigung des Verfahrens und nicht auf den Zeitpunkt der Streitwertfestsetzung durch das Gericht ab. Dies dient dem gesetzgeberischen Ziel, das Verfahren in angemessenem zeitlichen Rahmen endgültig abzuschließen (vgl. BT-Drs. 7/2016 S. 74), zumal der gerichtliche Einstellungsbeschluss im Falle übereinstimmender Erledigungserklärungen nur deklaratorisch wirkt (vgl. BVerwG, B.v. 7.8.1998 – 4 B 75.98 – juris Rn. 3). Es kommt damit nicht auf eine eventuelle spätere Streitwertfestsetzung durch das Gericht an (Oestreich in Oestreich/Hellstab/Trenkle, a.a.O., § 68 Rn. 24). Dies entspricht auch der systematischen Auslegung. Denn wenn das Gericht den Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG gesetzten Frist festsetzt, läuft die Beschwerdefrist nach § 68 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 GKG ausnahmsweise noch einen Monat nach der förmlichen Zustellung oder formlosen Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses. Insofern wird gegebenenfalls eine Fristverlängerung gewährt, die sich aber auf den Beginn der Frist nicht auswirkt (HessVGH, B.v. 18.5.2017 – 6 E 355/17 – juris Rn. 8).
Hier wurde das Verfahren am 15. November 2019 beendet, da zu diesem Zeitpunkt die zustimmende Erledigungserklärung des Antragsgegners auf die Erledigungserklärung der Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 4. November 2019 mit Schriftsatz vom 12. November 2019 bei Gericht einging. Da die Erledigungserklärungen im Hauptsacheverfahren und im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zum gleichen Zeitpunkt beim Verwaltungsgericht eingingen, kommt es auch nicht auf die Frage an, ob auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf die Beendigung des Hauptsacheverfahrens abzustellen ist (vgl. BayVGH, B.v. 7.10.2013 – 9 C 13.1246 – juris Rn. 2; a.A. Trenkle in Oestreich/Hellstab/Trenkle, a.a.O., § 63 Rn. 45).
Die 6-Monatsfrist des § 68 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG begann damit am 16. November 2019 zu laufen und endete am 15. Mai 2020 (§§ 186 ff. BGB). Die Beschwerde der Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 20. Mai 2020 ist damit verfristet. Wiedereinsetzungsgründe (vgl. § 68 Abs. 2 GKG) sind weder vorgetragen noch ersichtlich; eine Änderung von Amts wegen gemäß § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG kommt nach Fristablauf nicht mehr in Betracht.
2. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht.
Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG findet gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Abs. 2 GKG), die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt. Maßgeblich ist der Differenzbetrag zwischen der entstandenen und voraussichtlich noch entstehenden Gesamtvergütung (Gebühren und Auslagen), die sich für den beschwerdeführenden Rechtsanwalt aus der bisherigen Festsetzung ergibt, und der entstandenen und voraussichtlichen Gesamtvergütung, die sich nach dem behaupteten und mit der Beschwerde erstrebten Wert ergibt (vgl. BayVGH, B.v. 19.11.2018 – 10 C 18.2059 – juris Rn. 4). Hier sind allein die Rechtsanwaltsgebühren maßgebend, weil die Kosten nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. November 2019 jeweils zur Hälfte vom Antragsgegner und der Beigeladenen zu tragen sind und es um eine Beschwerde der Bevollmächtigten der Antragsgegnerin in eigenem Recht geht.
Die Bevollmächtigte der Antragstellerin begehrt im Hauptsacheverfahren eine Heraufsetzung des vom Verwaltungsgericht unter Nr. 3 des Beschlusses vom 20. November 2019 mit 5.000 Euro festgesetzten Streitwerts auf 7.500 Euro; gegen die nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs vorgesehene Festsetzung des Streitwertes in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwertes wendet sich die Beschwerde nicht. Damit ist hier eine Anhebung des Streitwertes von 2.500 Euro auf 3.750 Euro zugrunde zu legen, so dass sich bei einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Anl. 1 Nr. 3100) – unabhängig von einer eventuellen Auslagenpauschale – ein den Beschwerdewert nicht übersteigender Differenzbetrag von 66,30 Euro netto ergibt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. Anl. 2: 201 Euro bei einem Streitwert von 2.500 Euro bzw. 252 Euro bei einem Streitwert von 3.750 Euro). Dieser Differenzbetrag erreicht auch unabhängig vom maßgeblichen Mehrwertsteuersatz (§ 12 UStG bzw. Art. 3 Nr. 3 2. Corona-SteuerhilfeG v. 29.6.2020) den Beschwerdewert in Höhe von 200 Euro unter keinen Umständen.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 2 GKG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben