Kosten- und Gebührenrecht

Erfolgreiche Streitwertbeschwerde – Rechtswidrige Trennung von Verfahren

Aktenzeichen  7 C 19.1154

Datum:
8.7.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15178
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 88, § 93
GKG § 66 Abs. 1, § 68 Abs. 3 S. 2

 

Leitsatz

Gemäß § 93 S. 2 VwGO kann das Gericht eine Verfahrenstrennung anordnen, wenn in einem Verfahren mehrere Ansprüche erhoben werden. Für die Trennung müssen sachliche Gründe der ökonomischeren Verfahrensgestaltung sprechen. Ein sachlicher Grund fehlt regelmäßig, wenn das abgetrennte Verfahren absehbar weder zusätzlichen Streitstoff aufweist, noch ein deutlich geringerer Verfahrensaufwand zu erwarten ist, als er ohne Trennung bestanden hätte. (Rn. 7) (red. LS Alexander Tauchert)

Verfahrensgang

M 6 K 19.1749 2019-05-09 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

Nummer III des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 9. Mai 2019 wird aufgehoben.

Gründe

I.
Der Kläger wandte sich mit seiner Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 1. Februar 2019, mit dem dieser rückständige Rundfunkbeiträge in Höhe von 157,50 Euro sowie einen Säumniszuschlag in Höhe von 8,- Euro festgesetzt hat. Er beantragte, (1.) den Festsetzungsbescheid des Beklagten, datiert auf 1. Februar 2019, eingegangen am 13. Februar 2019, für nichtig zu erklären, da er einen falschen Zeitraum enthalte, (2.) alle zukünftigen Bescheide, die Zahlungen ab einschließlich September 2018 beinhalten, für ungültig zu erklären, (3.) der Beklagte möge erklären, wieso ein Schreiben, datiert auf den 1. Februar 2019, bei der Klägerseite erst am 13. Februar 2019 ankomme. Zur Begründung legte er die Bestätigung und Mitteilung seiner Abmeldung im Wohnort B. vor, erklärte zu Nummer 2., zukünftige Prozesse in diese Sache vermeiden zu wollen und bat das Gericht bei Beantwortung der Frage, warum Schreiben des Beklagten stets so spät bei ihm ankämen, um Unterstützung.
In Erwiderung dieser Klage räumte der Beklagte ein, bei Bearbeitung des Beitragskontos des Klägers dessen Abmeldung bezüglich seines Wohnorts in B. verspätet berücksichtigt zu haben. Er entschuldigte sich beim Kläger, half der Klage durch Aufhebungsbescheid in Bezug auf die für den Zeitraum 09.2018 bis 12.2018 geforderten Rundfunkbeiträge ab und stimmte einer Erledigungserklärung des Klägers insoweit vorab zu. Das Beitragskonto des Klägers weise nun noch einen Rückstand in Höhe von 95,50 Euro auf. „Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ wies der Beklagte auch darauf hin, dass in einem Massenverfahren wie dem Einzug von Rundfunkbeiträgen nicht jeder Brief sofort nach seiner Erstellung zur Post gebracht werden könne, sondern dass dies in Tranchen erfolge. Im Übrigen sei die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht „empfahl“ dem Kläger daraufhin „dringend, den Rechtsstreit insgesamt zu beenden, indem er ihn innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens teilweise für erledigt erkläre und im Übrigen die Klage zurücknehme“. Anderenfalls habe er mit Klageabweisung und erheblichen weiteren Kosten zu rechnen. Der Kläger antwortete innerhalb der ihm gesetzten Frist, er „erkläre den Rechtsstreit, wie empfohlen, für beendet“. Daraufhin trennte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. April 2019 das Verfahren „soweit der Kläger beantragt hat, alle künftigen Bescheide des Beklagten, die Zahlungen ab einschließlich September 2018 beinhalten (Klageantrag Nr. 2), sowie den Beklagten zur Abgabe einer Erklärung zu verurteilen, warum ein auf den 1. Februar 2019 datiertes Schreiben beim Kläger erst am 19. Februar 2019 angekommen ist“, ab und führte es unter dem Aktenzeichen M 6 K 19.1749 fort, weil der Kläger insoweit sein Rechtsmittel nicht zurückgenommen habe. Mit weiterem Beschluss vom 15. April 2019 stellte das Verwaltungsgericht das ursprüngliche Verfahren Az. M 6 K 19.823 ein, erlegte dem Beklagten die Kosten auf und setzte insoweit einen Streitwert von 165,50 Euro fest.
Dem umgehend eingelegten „Widerspruch“ des Klägers gegen die teilweise Fortsetzung des Rechtsstreits, den er für beendet erklärt habe, begegnete das Gericht mit dem Hinweis, der Kläger erhalte Gelegenheit, in diesem Verfahren Klagerücknahme bis zwei Wochen nach Zustellung dieses Schreibens zu erklären, auf diese Weise könne der Rechtsstreit ohne Weiteres beendet werden. Auf die mit Schreiben vom 2. Mai 2019 erklärte Klagerücknahme stellte das Verwaltungsgericht auch das Verfahren Az. M 6 K 19.1749 mit Beschluss vom 9. Mai 2019 ein, erlegte dem Kläger die Kosten des Verfahrens auf und setzte den Streitwert auf 5.630 Euro fest.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner unter dem 31. Mai 2019 erhobenen Streitwertbeschwerde. Die Entscheidung des Gerichts, das von ihm für beendet erklärte Klageverfahren Az. M 6 K 19.823 teilweise fortzusetzen, sei für ihn nicht nachvollziehbar.
II.
Die zulässige Streitwertbeschwerde, über die gemäß § 68 Abs. 1, § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG die Berichterstatterin als Einzelrichterin entscheidet, ist begründet. Die Festsetzung des Streitwerts auf 5.630,- Euro in Nummer III des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 9. Mai 2019 ist bedingt durch die zuvor durch Gerichtsbeschluss erfolgte und nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Verfahrenstrennung. Um die Folgen dieser unrichtigen Sachbehandlung zu beseitigen, ist der in dem ansonsten rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren ergangene Streitwertbeschluss auf die entsprechende Beschwerde des Klägers hin aufzuheben (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 17.2.1972 – VIII C 84.70 – juris; BayVGH, B.v. 8.1.1979 – 68 XV 75; zu einer Verfahrenstrennung „ohne verständigen Grund und ohne Rücksicht auf die damit verbundene Kostenfolge“ siehe auch OVG NRW B.v. 13.9.1977 – juris).
Die rechtlichen Voraussetzungen zur prozessualen Trennung des vom Kläger im vorliegenden Rechtsstreit verfolgten Begehrens in zwei verschiedene Verfahren waren nicht gegeben. Gemäß § 93 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine Verfahrenstrennung anordnen, wenn in einem Verfahren mehrere Ansprüche erhoben werden. Für die Trennung müssen sachliche Gründe der ökonomischeren Verfahrensgestaltung sprechen. Ein sachlicher Grund fehlt regelmäßig, wenn das abgetrennte Verfahren absehbar weder zusätzlichen Streitstoff aufweist, noch ein deutlich geringerer Verfahrensaufwand zu erwarten ist, als er ohne Trennung bestanden hätte (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 93 Rn. 8). Gemessen daran fehlt es hier sowohl an einem sachlichen Grund, der die Verfahrenstrennung rechtfertigen könnte, als auch – im Hinblick auf das von Amts wegen zu ermittelnde und erkennbare Rechtsschutzziel des Klägers (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 88 Rn. 8) – an mehreren geltend gemachten Ansprüchen.
Ausweislich der Gründe des Beschlusses vom 15. April 2019 hat das Gericht die Verfahren getrennt, weil die Parteien das Verfahren im Hinblick auf den Klageantrag Nr. 1 übereinstimmend für erledigt erklärt hätten, der Kläger jedoch seine beiden weiteren Klageanträge trotz gerichtlichen Hinweises vom 28. März 2019 nicht zurückgenommen habe. Abgesehen davon, dass ersteres schon deshalb nicht der Fall ist, weil der Kläger mit dem Klageantrag Nr. 1 beantragt hat, den (gesamten) Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 1. Februar 2019 für nichtig zu erklären, der Beklagte dem Klagebegehren jedoch nur im Hinblick auf die für den Zeitraum 09.2018 bis 12.2018 festgesetzten Rundfunkbeiträge abgeholfen, lediglich insoweit einer zu erwartenden Erledigungserklärung des Klägers vorab zugestimmt und ausdrücklich erklärt hat, es sei nun noch ein Betrag in Höhe von 95,50 Euro offen, trifft auch letzteres nicht zu. Denn der Kläger hat – insoweit der Wortwahl des gerichtlichen Hinweises vom 28. März 2019 folgend – den Rechtsstreit mit Schreiben vom 12. April 2019 „wie empfohlen“, d.h. insgesamt, für beendet erklärt. Ein sachlicher, aus Gründen der Verfahrensökonomie für eine Trennung des Verfahrens sprechender Grund lag angesichts dessen nicht vor. Dass der Kläger als rechtlicher Laie bei seiner Erklärung nicht im streng juristischen Sinne zwischen einer Erledigung und einer Rücknahme seines Rechtsmittels unterschieden hat, ändert an dem insoweit eindeutigen Gehalt dieser Erklärung nichts, zumal das Gericht selbst die Erklärung im Hinblick auf die angeblich bezüglich des Klageantrags Nr. 1 vorliegende Erledigung, die vom Kläger ebenfalls nicht als solche bezeichnet worden war, offenbar als ausreichend erachtet hat. Auch der – sinngemäße – Hinweis des Klägers im Schreiben vom 12. April 2019, er halte die Ausführungen des Beklagten hinsichtlich der Umstände bei der Bearbeitung von Massenverfahren nicht für ausreichend (überzeugend) und biete diesem aufgrund seiner eigenen technischen Sachkenntnis gerne kostenpflichtige Unterstützung an, liegt zwar (ebenso wie sein diesem Schreiben beigefügter, ersichtlich unbehelflicher Kostenfestsetzungsantrag) deutlich neben der Sache, lässt aber nicht den Schluss zu, der Kläger habe nicht die vom Gericht gewünschte, verfahrensbeendende Erklärung abgegeben bzw. abgeben wollen.
Im Übrigen fehlt es auch an mehreren geltend gemachten, selbständigen Ansprüchen. Getrennt werden können nur verschiedene Streitgegenstände, nicht jedoch verschiedene rechtliche Begründungen für denselben Streitgegenstand (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 93 Rn. 7). Im vorliegenden Fall hat der anwaltlich nicht vertretene Kläger zwar in seiner Klageschrift vom 21. Februar 2019 drei als solche bezeichnete und nummerierte Anträge gestellt. Allerdings lassen bereits deren ersichtlich um eine juristische Struktur bemühte, jedoch laienhafte Darstellung und Formulierung sowie die vorgelegte melderechtliche Bestätigung der Gemeinde B. erkennen, dass es ihm im Wesentlichen um eine in Antrag 1 zum Ausdruck gebrachte Anfechtung der vom Beklagten tatsächlich zu Unrecht weiterhin festgesetzten Rundfunkbeiträge für seine frühere Wohnung in B. und eine entsprechende Begründung ging. Die übrigen gestellten Anträge sind angesichts dessen entweder ersichtlich rechtlich überflüssig (Antrag 2) oder erschöpfen sich in einer Kritik am tatsächlichen Gebaren des Beklagten im Hinblick auf die bei ihm bestehenden Postlaufzeiten (Antrag 3). Vor diesem Hintergrund ergibt die in einem solchen Fall mangelnder rechtlicher Vertretung in besonderem Maß gebotene (vgl. § 88 VwGO) Auslegung der Klageanträge im Hinblick auf das mit ihnen erstrebte Rechtsschutzziel (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 88 Rn. 8 f.), dass der Kläger tatsächlich (nur) eine Anfechtungsklage im Hinblick auf den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 1. Februar 2019 erheben wollte und deshalb auch lediglich in Bezug auf diese ein Streitwert festzusetzen ist.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren ist nach § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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