Kosten- und Gebührenrecht

Keine Entschädigung für Verdienstausfall bei selbstständiger Tätigkeit von allenfalls geringem zeitlichem Umfang

Aktenzeichen  L 15 SF 208/15

Datum:
18.2.2016
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
JVEG JVEG § 4 Abs. 3, § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 7, § 19, § 20, § 22
EStG EStG § 9 Abs. 3 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Um den Entschädigungsanspruch für Verdienstausfall bei einem selbstständig Tätigen nicht ins Leere laufen zu lassen, darf das Gericht an die Beweisführung eines selbstständig tätigen Antragstellers und seine eigene Überzeugungsbildung keine zu hohen Anforderungen stellen. (amtlicher Leitsatz)
2. Kann nur von einer nicht regelmäßig oder nur mit zeitlich reduziertem Aufwand ausgeübten selbstständigen Tätigkeit ausgegangen werden, wird ein Anspruch auf Entschädigung für Verdienstausfall regelmäßig scheitern. Es ist dann eine Entschädigung wegen Zeitversäumnis zu gewähren. (amtlicher Leitsatz)
3. Bei Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 257, EUR in einem Jahr kann nicht von einer regelmäßig ausgeübten selbstständigen Tätigkeit, die eine Entschädigung für Verdienstausfall begründen würde, ausgegangen werden. (amtlicher Leitsatz)
4. Bei einer nur gering ausgeprägten selbstständigen Tätigkeit kommt eine Entschädigung für Kosten eines Vertreters nicht in Betracht. (amtlicher Leitsatz)
5. Kosten für eine Kinderbetreuung sind für die Zeit der objektiv erforderlichen gerichtsterminsbedingten Abwesenheitszeit zu erstatten. (amtlicher Leitsatz)
6 Fahrkosten werden nicht nur für die kürzeste Strecke, sondern grundsätzlich auch für die schnellste, obgleich längere Strecke ersetzt. Weitere Ausnahmen kommen dann in Betracht, wenn die höheren Kosten durch besondere Umstände gerechtfertigt sind. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 10. Dezember 2014 wird dahingehend abgeändert, dass die Entschädigung für das Erscheinen beim Gerichtstermin am 26. Februar 2014 auf 123,95 €, festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.
Streitig ist die Höhe der Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädiungsgesetz (JVEG) für das Erscheinen der Beschwerdeführerin bei einem Gerichtstermin.
In dem beim Sozialgericht (SG) Regensburg unter dem Aktenzeichen S 16 AL 239/13 geführten Klageverfahren wurde die Antragstellerin und jetzige Beschwerdeführerin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) als Zeugin für eine mündliche Verhandlung am 26.02.2014 in Regensburg geladen. Die Beschwerdeführerin nahm an der auf 12.15 Uhr terminierten mündlichen Verhandlung teil, die von 13.10 Uhr bis 13.30 Uhr dauerte.
Am 01.03.2014 beantragte sie die Entschädigung wegen des Termins der mündlichen Verhandlung. Sie gab dabei Folgendes an: Sie sei um 8.00 Uhr von zuhause weggefahren und um 16.00 Uhr wieder zurückgekommen. Die Fahrtstrecke mit dem PKW habe insgesamt 80 km betragen. Zudem habe sie ein Ticket des RVV für 2,20 € erworben. Weiter machte sie Zehrkosten in Höhe von 9,80 € unter Vorlage einer entsprechenden Quittung geltend. Ihr sei für die Zeit von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr ein Verdienstausfall als selbstständige Näherin entstanden, wobei sie für diese Tätigkeit einen Stundensatz von 15,- € angab. Zudem teilte sie mit, dass sie für 8 Stunden eine Aushilfe für ihre Änderungsschneiderei und ebenso für 8 Stunden eine weitere Person für Kinderbetreuung beschäftigt habe. Beiden Aushilfskräften habe sie 15,- € in der Stunde, also jeweils 120 €, gezahlt.
Die Kostenbeamtin des SG setzte mit Schreiben vom 17.04.2014 eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 104,70 € (Entschädigung für Verdienstausfall von 5,5 Stunden – von 10.00 Uhr bis 15.30 Uhr – und von 20,- €, Fahrtkosten für die von der Beschwerdeführerin angegebenen 80 km sowie 2,20 € für das Ticket des RVV) fest.
Auf den anschließend von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Entschädigung hat der Kostenrichter des SG mit Beschluss vom 10.12.2014 die Entschädigung wie zuvor die Kostenbeamtin auf 104,70 € festgesetzt. In den Gründen des Beschlusses ist erläutert worden, dass bei Berücksichtigung einer (mehr als) angemessenen Fahrt- und Wartezeit eine zeitliche Entschädigung von 5,5 Stunden nicht zu beanstanden sei. Eine weitere Entschädigung wegen Zeitversäumnis bei der Haushaltsführung (Kinderbetreuung und Kochen) könne nicht gewährt werden, da der Beschwerdeführerin bereits ein mehr als angemessener Verdienstausfall für ihre selbstständige Tätigkeit bewilligt worden sei. Ein Nebeneinander von zwei Entschädigungstatbeständen sei durch das JVEG nicht vorgesehen. Als Fahrtkostenersatz würden der Beschwerdeführerin für die beantragten 80 km 20,- € gewährt. Zehrkosten stünden ihr nicht zu, da die erforderliche Abwesenheitsdauer vom Wohnort nicht mindestens 8 Stunden betragen habe.
Dagegen hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 26.01.2015 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und diese wie folgt begründet:
Die Kinderbetreuungskosten seien zu erstatten, da sie im Wohnhaus die Änderungsschneiderei untergebracht habe und das Kleinkind während der Arbeit beaufsichtige. Dies sei wegen des Gerichtstermins nicht möglich gewesen. Eine Kinderbetreuung benötige sie, weil sie ein Kleinkind nicht zum Gericht mitnehmen könne. Die Aushilfe in der Änderungsschneiderei könne nicht zugleich die Kinderbetreuung übernehmen. Zehrkosten seien entstanden, weil sie während der Mittagszeit im Gericht gewesen sei.
Auf Nachfrage des Senats hat die Beschwerdeführerin am 13.07.2015 eine Quittung vom 26.02.2014 über Kosten der Kinderbetreuung durch Frau C. M. in Höhe von insgesamt 120,- € (8 Stunden zu 15,- €) und eine weitere Quittung vom selben Tag von Frau M. E. über die Kosten der Aushilfe in der Änderungsschneiderei über 120,- € vorgelegt.
Der Senat hat die Akten des SG sowohl in der Kostensache als auch zum Klageverfahren beigezogen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 4 Abs. 3 JVEG zulässig, aber nur in geringem Umfang begründet. Der Beschwerdeführerin steht eine Entschädigung in Höhe von 123,95 € und nicht nur von 104,70 €, wie dies noch das SG festgestellt hat, zu.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde ist nicht – wie das SG am Ende des Beschlusses ausgeführt hat – wegen Nichterreichens des Beschwerdewerts gemäß § 4 Abs. 3 JVEG unzulässig. Vielmehr ist der Beschwerdewert erreicht.
Eine Beschwerde gegen die erstinstanzliche Festsetzung der Entschädigung ist nur dann zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- € übersteigt oder wenn sie das SG aufgrund grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Der Wert des Beschwerdegegenstands ist die Differenz zwischen dem von einem Beschwerdeführer angestrebten Betrag und der erfolgten Festsetzung des Gerichts (vgl. Beschlüsse des Senats vom 03.08.2012, Az.: L 15 SF 139/12 B NZB, und vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E).
Bei einer wie hier auf 104,70 € festgesetzten Entschädigung muss der angestrebte Betrag daher über 304,70 € liegen, um den für die Zulässigkeit der Beschwerde erforderlichen Beschwerdewert zu erreichen. Dies ist vorliegend der Fall.
Unter Zugrundelegung und vollständiger Übernahme der Angaben der Beschwerdeführerin im Entschädigungsantrag vom 01.03.2014, die die Grundlage für den von ihr angestrebten Entschädigungsbetrag darstellen, ergibt sich eine beantragte Entschädigung von 392,- € (Verdienstausfallentschädigung in Höhe von 120,- €, Kosten für die Aushilfe in der Änderungsschneiderei in Höhe von 120,- €, Kosten für Kinderbetreuung in Höhe von 120,- €, Fahrtkosten (für 80 km) in Höhe von 20,- €, Zehrkosten in Höhe von 9,80 €, RVV-Ticket in Höhe von 2,20 €). Die Beschwerde ist damit zulässig.
2. Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren
Im Rahmen der Beschwerdeentscheidung sind vom Beschwerdegericht alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie der Beschwerdeführer aufgegriffen hat oder nicht (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13; LSG Thüringen, Beschluss vom 05.03.2012, Az.: L 6 SF 1854/11 B – m. w. N.). Das Beschwerdegericht ist eine neue Tatsacheninstanz, die in vollem Umfang anstelle des Erstgerichts zu entscheiden hat (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 18; Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, § 4 JVEG, Rdnr. 28).
3. Fahrtkosten
Der Beschwerdeführerin sind antragsgemäß Fahrtkosten gemäß § 5 JVEG in Höhe von insgesamt 22,20 € zu erstatten.
Der Gesetzgeber hat mit § 5 JVEG dem Zeugen bzw. Beteiligten ein Wahlrecht eröffnet, ob er mit öffentlichen Verkehrsmitteln (§ 5 Abs. 1 JVEG) oder mit dem Kraftfahrzeug (§ 5 Abs. 2 JVEG) zum gerichtlich festgesetzten Termin anreist. Der Fahrtkostenersatz folgt der getroffenen Wahl des Beförderungsmittels. Wählt der Zeuge bzw. Beteiligte (für einen Teil der Strecke) die Anreise mit dem Kraftfahrzeug, werden ihm gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG für jeden gefahrenen Kilometer 0,25 € ersetzt. Reist ein Zeuge bzw. Beteiligter (einen Teil der Strecke) mit einem öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmittel an, werden ihm gemäß § 5 Abs. 1 JVEG die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks ersetzt.
Zu entschädigen sind die objektiv erforderlichen Fahrtkosten. Was objektiv erforderlich ist, ist unter Berücksichtigung der im gesamten Kostenrecht geltenden Kostenminimierungspflicht zu ermitteln. Dabei geht der Senat in ständiger Rechtsprechung und in großzügigerer Auslegung, als sie teilweise von anderen Gerichten zugrunde gelegt wird, davon aus, dass nicht nur die Kosten für die kürzeste Strecke (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 27.09.2005, Az.: L 6 SF 408/05), sondern grundsätzlich auch die Kosten für die schnellste, obgleich längere Strecke zu ersetzen sind. Weitere Ausnahmen kommen dann in Betracht, wenn die höheren Kosten durch besondere Umstände gerechtfertigt sind (z. B. Unzumutbarkeit der kürzesten bzw. schnellsten Strecke oder Umwege durch Straßensperrungen) (vgl. Beschluss des Senats vom 02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12).
Die Ermittlungen zur Streckenlänge können unter Zuhilfenahme der im Internet jedermann zugänglichen Routenplaner vorgenommen werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Beschluss des Senats vom 14.05.2014, Az.: L 15 SF 122/13).
Macht ein Antragsteller keine Angaben zur gefahrenen Strecke oder ist seine Streckenangabe nicht nur geringfügig höher als die Entfernung, wie sie sich bei Zuhilfenahme der Routenplaner im Internet ergibt, ist dem Fahrtkostenersatz grundsätzlich die dem Routenplaner zu entnehmende Streckenlänge zur schnellsten Route ohne einen Toleranzaufschlag zugrunde zu legen (vgl. Beschluss des Senats vom 21.10.2015, Az.: L 15 RF 38/15). Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht die kürzeste Strecke mit einem nur geringen zeitlichen Mehraufwand verbunden ist, so dass ein wirtschaftlich denkender Reisender, der die Kosten selbst tragen müsste, wegen der Mehrkosten nicht die schnellste, sondern die kürzeste Strecke wählen würde.
Bei insgesamt von der Beschwerdeführerin angegebenen und plausiblen 80 km Fahrtstrecke und einer Entschädigung gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG in Höhe von 0,25 € für jeden gefahrenen Kilometer errechnet sich ein Fahrtkostenersatz von 20,- €. Für die im Übrigen mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahrene Strecke sind die von der Beschwerdeführerin durch Vorlage der Fahrkarte nachgewiesenen Kosten in Höhe von 2,20 € zu erstatten.
Insgesamt errechnet sich daher ein Fahrtkostenersatz von 22,20 €.
4. Entschädigung für Verdienstausfall
Der Beschwerdeführerin steht eine Entschädigung für Verdienstausfall gemäß § 22 JVEG nicht zu, da nicht nachgewiesen ist, dass sie infolge des Gerichtstermins überhaupt einen Verdienstausfall erlitten hat.
In seiner Grundsatzentscheidung vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, hat sich der Senat umfassend mit der Frage der Entschädigung für Verdienstausfall auseinander gesetzt. Er hat dabei – kurz zusammen gefasst – folgende Kernaussagen getroffen:
– Um das Tatbestandsmerkmal des Verdienstausfalls im Sinn des § 22 JVEG bejahen zu können, bedarf es (nur) des Nachweises, dass überhaupt ein solcher Ausfall entstanden ist, nicht aber in welcher Höhe.
– Dieser Nachweis ist im Vollbeweis zu führen, da das JVEG keine Beweiserleichterung enthält.
– Dieser Beweismaßstab gilt sowohl bei abhängig beschäftigten als auch bei selbstständig tätigen Anspruchstellern. Wegen der bei letzterer Berufsgruppe wesensmäßig vorliegenden Nachweisschwierigkeit ist durch das Gericht im Rahmen der ihm obliegenden freien Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 SGG aber sicher zu stellen, dass der gesetzlich vorgesehene Anspruch auf Entschädigung für Verdienstausfall nicht faktisch leer läuft.
– Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Verdienstausfall entstanden ist, ist die Beurteilung am Tag des Gerichtstermins, der den Entschädigungsanspruch nach dem JVEG zur Folge hat. Spätere Entwicklungen bleiben bei der Festsetzung der Entschädigung unberücksichtigt.
– Zu entschädigen ist die nach objektiven Maßstäben zu ermittelnde „gesamte Dauer der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten“, nicht mehr wie früher unter Geltung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen die „versäumte Arbeitszeit“. Die konkret ausgefallene Arbeitszeit ist daher nicht zu ermitteln; eine fiktive Mittagspause kann nicht in Abzug gebracht werden (vgl. auch Beschluss des Senats vom 06.12.2013, Az.: L 15 SF 39/13).
An diesen Grundsätzen hat sich auch im hier zu entscheidenden Fall die Beantwortung der Frage zu orientieren, ob und wenn ja in welcher Höhe der Beschwerdeführerin eine Entschädigung für Verdienstausfall zu gewähren ist.
Bei Würdigung sämtlicher Umstände ist der Nachweis, dass durch den Gerichtstermin überhaupt ein Verdienstausfall entstanden ist, nicht geführt.
Bei der Überzeugungsbildung, ob ein Verdienstausfall an sich, d. h. unabhängig von der konkreten Höhe, eingetreten ist, dürfen die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kostenrichter nicht nur im Sinn der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie (Leitgedanke der Rechtsprechung des Senats, vgl. z. B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B, vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12, vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, vom 03.11.2014, Az.: L 15 SF 254/12, vom 04.11.2014, Az.: L 15 SF 198/14, vom 14.01.2015, Az.: L 15 SF 239/12 B, vom 10.03.2015, Az.: L 15 RF 5/15, vom 11.05.2015, Az.: L 15 RF 14/15, und vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E), sondern insbesondere auch um zu vermeiden, dass die gesetzliche Regelung des § 22 JVEG für Selbstständige ins Leere läuft, nicht überspannt werden (vgl. Beschluss des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11). Gleichwohl können unbelegte Angaben zu einer selbstständigen Tätigkeit und einem behaupteten Verdienstausfall nicht völlig ungeprüft oder ohne Plausibilitätsprüfung einer Entschädigung zugrunde gelegt werden. Vielmehr muss – im Rahmen der niederschwelligen Prüfpflichten – nachgewiesen sein, dass die selbstständige Tätigkeit von einer gewissen Nachhaltigkeit und Regelmäßigkeit ist (vgl. Landgericht – LG – Stendal, Beschluss vom 20.11.2008, Az.: 23 O 515/07). Denn wenn ein Selbstständiger nur mit deutlich reduziertem zeitlichem Einsatz seiner Tätigkeit nachgeht, wird er oft in der Lage sein, sich die Arbeitszeit frei einzuteilen. Daraus ergibt sich die durchaus nicht fernliegende Möglichkeit, dass er durch den Gerichtstermin überhaupt keinen Verdienstausfall erleidet, weil er die von ihm im Rahmen der beruflichen Tätigkeit zu erbringenden Arbeiten an einem anderen Tag erledigen kann und wegen des Gerichtstermins überhaupt keinen Auftrag ablehnen muss (vgl. Beschluss des Senats vom 08.04.2015, Az.: L 15 SF 387/13; LG Rostock, Beschluss vom 15.11.2002, Az.: 2 T 23/01). Diese nicht fernliegende Möglichkeit, dass durch den Gerichtstermin überhaupt kein Verdienstausfall eingetreten ist, steht dem im Vollbeweis zu erbringenden Nachweis eines Verdienstausfalls entgegen. Denn Vollbeweis bedeutet, dass die zu beweisende Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein muss (vgl. Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderliche Tatsache mit absoluter Gewissheit feststeht. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsache zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R), d. h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 1/92).
Kann daher nur von einer nicht regelmäßig oder nur mit zeitlich reduziertem Aufwand ausgeübten selbstständigen Tätigkeit ausgegangen werden, wird ein Anspruch auf Entschädigung für Verdienstausfall regelmäßig scheitern (vgl. Bayer. LSG, Beschluss vom 28.07.1998, Az.: L 19 RJ 257/95.Ko; Beschlüsse des Senats vom 02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12, und vom 22.10.2015, Az.: L 15 RF 24/15). Daraus folgt beispielsweise, dass eine Entschädigung für Verdienstausfall ausgeschlossen sein dürfte, wenn Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bezogen werden, da der Bezug von Leistungen nach dem SGB II – von seltenen Ausnahmefällen abgesehen – Beleg für die fehlende Regelmäßigkeit und Nachhaltigkeit der selbstständigen Tätigkeit ist; dies gilt jedenfalls bei Leistungsbezug nach dem SGB II in Höhe des Regelsatzes (vgl. Beschlüsse des Senats vom 08.04.2015, Az.: L 15 SF 387/13, und vom 16.04.2015, Az.: L 15 SF 330/14).
Im vorliegenden Fall steht der Annahme eines im Vollbeweis nachgewiesenen Verdienstausfalls entgegen, dass die Beschwerdeführerin im Jahr 2014 aus der von ihr ausgeübten selbstständigen Tätigkeit als Änderungsschneiderin nur Einkünfte in Höhe von 257,- € bezogen hat. Daraus lässt sich der Rückschluss ziehen, dass die Beschwerdeführerin im Jahr 2014 keiner relevanten selbstständigen Tätigkeit nachgegangen ist. Darauf, dass die von der Beschwerdeführerin angegebene Tätigkeit als selbstständige Änderungsschneiderin nur von geringem Umfang gewesen sein kann, sprechen auch die Angaben der Beschwerdeführerin im Antrag vom 01.03.2014 zu ihrem Stundensatz von 15,- €. Ausgehend von der Richtigkeit dieser Angabe kann der zeitliche Umfang dieser selbstständigen Tätigkeit nur gering ausgeprägt gewesen sein; anders wäre der dem Einkommenssteuerbescheid zu entnehmende minimale Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit nicht zu erklären (vgl. auch Beschlüsse des Senats vom 16.04.2015, Az.: L 15 SF 330/14, und vom 22.10.2015, Az.: L 15 RF 24/15).
Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat noch auf folgende zwei Gesichtspunkte hin:
– Sofern das SG noch – anders als der Senat jetzt – von einem Verdienstausfall ausgegangen ist, ist dies bei Zugrundelegung der dem SG bekannten Tatsachen und bei Beachtung der in der Rechtsprechung des Kostensenats postulierten niederschwelligen Prüfpflichten nachvollziehbar und zutreffend gewesen. Im Beschwerdeverfahren haben sich jedoch aufgrund des Hinweises des Bezirksrevisors im Schreiben vom 13.11.2015 gewichtige Zweifel an den Angaben der Beschwerdeführerin ergeben, die sich dann durch die Angaben im Einkommenssteuerbescheid für 2014 bestätigt haben.
– Dass einer Entschädigung für Verdienstausfall grundsätzlich auch die Tatsache entgegenstehen würde, dass von der Beschwerdeführerin zur Vermeidung eines Verdienstausfalls eine Vertretung beschäftigt worden ist und die Kosten dafür dem Gericht in Rechnung gestellt werden, bedarf mangels Entscheidungserheblichkeit keiner weiteren Erläuterung.
5. Entschädigung für Zeitversäumnis
Der Beschwerdeführerin steht aber eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Sinn des § 20 JVEG in Höhe von 19,25 € zu.
5.1. Ob der Entschädigung für Zeitversäumnis
Eine Entschädigung für Zeitversäumnis wird regelmäßig dann zu erbringen sein, wenn weder ein Verdienstausfall noch Nachteile bei der Haushaltsführung geltend gemacht werden können. Denn bei dieser Entschädigung für sonstige Nachteile ist es nicht erforderlich, dass dem Berechtigten geldwerte Vorteile entgehen (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 20, Rdnr. 4). Zudem besteht mit § 20 letzter Halbsatz JVEG eine widerlegbare gesetzliche Vermutung dahingehend, dass ein Nachteil erstanden ist.
Mit der Frage, wann die gesetzliche Vermutung als widerlegt zu betrachten ist, hat sich der Senat eingehend in seinem Grundsatzbeschluss vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, auseinander gesetzt. Danach ist lediglich dann, wenn einem Antragsteller „ersichtlich“ kein Nachteil entstanden ist, eine Entschädigung für Zeitversäumnis nicht zu leisten. Davon, dass ersichtlich kein Nachteil entstanden ist, ist dann auszugehen, wenn sich aus den eigenen Angaben des Antragstellers ergibt, dass er die Zeit nicht anderweitig sinnvoll verwendet hätte, oder wenn es offensichtlich ist, dass ein Nachteil nicht eingetreten ist. Von ersterem ist dann auszugehen, wenn ein Antragsteller im Antrag nichts angibt, was auf eine Zeitversäumnis hindeutet und nicht einmal durch Ankreuzen der entsprechenden Stelle im Antragsformular zu erkennen gibt, dass ihm eine Zeitversäumnis entstanden ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E). Ob der Nichteintritt eines Nachteils aus anderen Gründen ersichtlich, d. h. offensichtlich erkennbar ist, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten sind dabei angesichts der gesetzlichen Vermutung nur sehr gering (vgl. Beschluss des Senats vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11). Denn mit der Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 20 JVEG wird auch der Verlust von Freizeit entschädigt, wobei die Verwendung von Freizeit sehr vielgestaltig ist und im Belieben des Einzelnen steht. Eine Beurteilung der Wertigkeit der Freizeitgestaltung steht dem Kostenbeamten genauso wie dem Kostenrichter nicht zu.
Dadurch, dass die Beschwerdeführerin eine Entschädigung für Verdienstausfall beantragt hat (, die ihr aber nicht zugesprochen werden kann), kann ihr nicht unterstellt werden, dass sie die Zeit nicht anderweitig sinnvoll verwendet hätte, so dass ihr die nachrangig zustehende Entschädigung für Zeitversäumnis, die sie nicht explizit beantragt hat, zuzusprechen ist (vgl. Beschlüsse des Senats vom 24.04.2013, Az.: L 15 SF 62/13, vom 14.05.2014, Az.: L 15 SF 122/13, und vom 14.09.2015, Az.: L 15 RF 25/15; zur vergleichbaren Situation wie hier, dass Entschädigung für Verdienstausfall beantragt wird, ein Verdienstausfall aber nicht nachgewiesen ist: vgl. Beschluss des Senats vom 18.11.2013, Az.: L 15 SF 121/11 – m. w. N.). Ihr kann nicht entgegen gehalten werden, dass sie nicht explizit eine Entschädigung für Zeitversäumnis geltend gemacht hat. Denn dies ist darauf zurückzuführen, dass sie eine finanziell höherwertige Entschädigung für Verdienstausfall beantragt hat.
5.2. Zu entschädigende Zeitdauer
Es ist eine Entschädigung für 5,5 Stunden zu gewähren.
Die Dauer der zu entschädigenden Zeit ergibt sich aus § 19 Abs. 2 JVEG. Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 JVEG ist die „gesamte Dauer der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten“ zu berücksichtigen. Diese Regelung gilt für alle nach Zeit zu bemessenden Entschädigungstatbestände.
Die Notwendigkeit der Dauer der Heranziehung ist – wie auch sonst bei der Bemessung der Entschädigung – nach objektiven Kriterien zu ermitteln (vgl. zur Fahrtstrecke: Beschluss des Senats vom 02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12; zu Verpflegungskosten: Beschluss des Senats vom 01.08.2012, Az.: L 15 SF 277/10; zur Begleitperson: Beschluss des Senats vom 02.11.2012, Az.: L 15 SF 82/12). Dabei ist auch die im gesamten Kostenrecht geltende Kostenminimierungspflicht zu beachten (vgl. Beschluss des Senats vom 02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12). Dies darf aber nicht dazu führen, dass nur die retrospektiv ermittelte unverzichtbare Abwesenheitszeit entschädigt wird. Vielmehr ist auch zu berücksichtigen, ob die tatsächlich vorliegende Abwesenheitszeit nicht aus nachvollziehbaren Gründen länger war als die unverzichtbare Zeit (vgl. Beschlüsse des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, und vom 15.05.2014, Az.: L 15 SF 118/14). So hat beispielsweise der Zeuge bzw. Beteiligte bei der Anfahrt zum Gericht gewisse Unsicherheitsfaktoren (z. B. Staugefahr) zu berücksichtigen. Ein vernünftig denkender Zeuge bzw. Beteiligter wird zudem ein gewisses Zeitpolster einkalkulieren, so dass er eine rechtzeitige Ankunft, die insbesondere auch im Interesse des ladenden Gerichts liegt, nicht gefährdet. Gegebenenfalls benötigt ein Beteiligter vor dem Termin auch noch etwas Zeit, um den Fall mit seinem Bevollmächtigten zu besprechen. Bei entsprechend langer Abwesenheit von zu Hause oder der Arbeitsstelle kann es auch erforderlich sein, dass der Zeuge bzw. Beteiligte eine Pause macht, um sich für die weitere Fahrt zu stärken. Da hier bei Berücksichtigung der spezifischen Einzelfallumstände zahlreiche Konstellationen denkbar sind, die eine etwas längere Zeit begründen, dürfen im Sinn der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie an die Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kostenrichter keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (Leitgedanke der Rechtsprechung des Kostensenats, vgl. dazu die oben bei Ziff. 4. angeführte Rechtsprechung). Sofern die vom Zeugen bzw. Beteiligten angegebene Zeit nicht lebensfremd erscheint, wird sie daher regelmäßig der Entschädigung zugrunde zu legen sein (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 15.05.2014, Az.: L 15 SF 118/14).
Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 JVEG wird die letzte bereits begonnene Stunde voll gerechnet, wenn insgesamt mehr als 30 Minuten auf die Heranziehung entfallen; anderenfalls beträgt die Entschädigung die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags.
Begrenzt ist die Dauer gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 JVEG auf 10 Stunden je Tag.
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin eine Abwesenheitszeit von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr, also von 8 Stunden angegeben. Auch bei der gebotenen großzügigen Betrachtungsweise und einem für 12.15 Uhr geladenen Gerichtstermin, dessen Beginn sich um 55 Minuten verzögert hat, kann diese Zeitdauer nicht mehr als objektiv erforderlich betrachtet werden, zumal sich aus dem Routenplaner nur eine Fahrtzeit von einfach knapp einer Stunde ergibt. Es kann daher bei für die Beschwerdeführerin ausgesprochen großzügiger Betrachtung und Berücksichtigung dessen, dass die Beschwerdeführerin für die Fahrt zum SG auf öffentliche Verkehrsmittel umgestiegen ist, allenfalls eine gerichtsterminsbedingte Abwesenheit von insgesamt 5,5 Stunden zugrunde gelegt werden, wie dies auch das SG getan hat.
5.3. Ergebnis bei der Entschädigung für Zeitversäumnis
Bei einem gemäß § 20 JVEG zugrunde zu legenden Stundensatz von 3,50 € ergibt sich bei einer zu entschädigenden Zeitdauer von 5,5 Stunden eine Entschädigung für Zeitversäumnis in Höhe von 19,25 €.
6. Erstattung von Kosten für eine Vertretung in der Änderungsschneiderei der Beschwerdeführerin
Der Beschwerdeführerin sind die geltend gemachten Kosten für die Beschäftigung einer Vertretung in ihrer Schneiderei in Höhe von 120,- € nicht zu erstatten.
Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 7 Abs. 1 JVEG kann ein Zeuge bzw. Beteiligter den Ersatz von Kosten für eine Vertretung als sonstige Aufwendung verlangen. § 7 Abs. 1 JVEG lautet wie folgt:
„Auch die in den §§ 5, 6 und 12 nicht besonders genannten baren Auslagen werden ersetzt, soweit sie notwendig sind. Dies gilt insbesondere für die Kosten notwendiger Vertretungen und notwendiger Begleitpersonen.“
Die Prüfung orientiert sich an der Prüfung der Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Begleitung zu einem Gerichtstermin (zu letzterem vgl. Beschlüsse des Senats vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B, vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, und vom 09.12.2014, Az.: L 15 SF 313/14).
6.1. Voraussetzungen für die Erstattung von Kosten für eine Vertretung – Allgemeines
Die Entschädigung setzt zunächst den Nachweis voraus, dass überhaupt Kosten („bare Auslagen“) für die Vertretung entstanden sind (s. unten Ziff. 6.2.). Berücksichtigungs- und damit erstattungsfähig sind diese Kosten dann, wenn sowohl die Notwendigkeit der Vertretung (s. unten Ziff. 6.3.) als auch die Notwendigkeit der tatsächlich entstandenen Kosten nachgewiesen sind. Es wird daher auch von einer doppelten Notwendigkeitsprüfung gesprochen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, und vom 21.10.2015, Az.: L 15 RF 38/15; LSG Niedersachsen, Beschluss vom 06.01.2000, Az.: L 4 B 240/99 SF).
Die Notwendigkeit der Vertretung und der dafür entstandenen Kosten ist – wie auch sonst bei der Bemessung der Entschädigung – nach objektiven Kriterien zu ermitteln (ständige Rspr., vgl. z. B. Beschluss des Senats vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E – m. w. N.).
Die Frage der Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit ist eine Tatfrage und im Zweifelsfall vom Gericht nach freiem Ermessen zu entscheiden (ständige Rspr., vgl. z. B. Beschlüsse des Senats vom 20.07.2009, Az.: L 15 SF 152/09, und vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B; Thüringer LSG, Beschluss vom 02.04.2007, Az.: L 6 B 116/06 SF; vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 7, Rdnr. 15).
Die entstandenen Kosten sowie die doppelte Notwendigkeit müssen, den allgemeinen Grundsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren folgend, im Vollbeweis (zu diesem Begriff vgl. oben Ziff. 4.) nachgewiesen sein.
6.2. Für die Vertretung entstandene Kosten
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin die ihr entstandenen Kosten durch die Vorlage einer Quittung der Vertreterin Frau E. vom 26.02.2014 über den Erhalt von 120,- € nachgewiesen.
Anhaltspunkte dafür, dass die Quittung nur zum Schein ausgestellt worden wäre, um einen möglichst hohen Entschädigungsanspruch geltend machen zu können, kann der Senat bei Berücksichtigung seines die gesamte Rechtsprechung zum JVEG durchziehenden Leitgedankens, wonach im Sinn der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie an die Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kostenrichter keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (Leitgedanke der Rechtsprechung des Kostensenats, vgl. dazu die oben bei Ziff. 4. angeführte Rechtsprechung), nicht erkennen (vgl. auch Beschluss des Senats 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E).
6.3. Notwendigkeit der Vertretung
Angesichts der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen hat sich der Senat nicht die Überzeugung davon verschaffen können, dass eine Vertretung in der Änderungsschneiderei der Beschwerdeführerin objektiv erforderlich war. Auf einen Vertrauensschutz kann sich die Beschwerdeführerin nicht berufen.
Die Zweifel des Senats, die einem Nachweis der Notwendigkeit der Vertretung im Sinn des Vollbeweises entgegenstehen, ergeben sich aus der von der Beschwerdeführerin durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheids für 2014 dargelegten Einkommenssituation. Daraus ergibt sich, dass die von der Beschwerdeführerin ausgeübte selbstständige Tätigkeit als Änderungsschneiderin nur von geringem Ausmaß gewesen sein kann (s. dazu näher oben Ziff. 4.). Die gering ausgeprägte selbstständige Tätigkeit legt es nahe, dass es der Beschwerdeführerin ohne Probleme möglich gewesen wäre, den Tag des Gerichtstermins von Arbeiten im Rahmen ihrer selbstständigen Tätigkeit freizuhalten. Es bestehen daher nicht unerhebliche Zweifel daran, dass es objektiv erforderlich gewesen ist, für diesen Tag eine Vertreterin in der Änderungsschneiderei zu beschäftigen.
Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat daraufhin, dass kein Anhaltspunkt für einen Vertrauenstatbestand hinsichtlich der Vertretungskosten ersichtlich ist.
7. Kinderbetreuungskosten
Der Beschwerdeführerin sind Kosten der Kinderbetreuung für 5,5 Stunden in Höhe von 82,50 € zu erstatten.
Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 7 Abs. 1 JVEG sind einem Zeugen bzw. Beteiligten im JVEG nicht besonders genannte angefallene Kosten zu ersetzen, wenn sie notwendig gewesen sind.
Die Prüfung orientiert sich an der Prüfung der Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Begleitung zu einem Gerichtstermin (zu letzterem vgl. Beschlüsse des Senats vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B, vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, und vom 09.12.2014, Az.: L 15 SF 313/14) und folgt daher den gleichen Grundsätzen, wie sie bei der Beurteilung der Frage, ob eine Vertretung im Beruf erforderlich war (vgl. oben Ziff. 6.), zugrunde zu legen sind.
Nicht entgegen steht einer Entschädigung wegen der für die Kinderbetreuung entstandenen Kosten, dass der Beschwerdeführerin eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht. Denn ein pauschales Verbot eines Nebeneinanders von zwei Entschädigungstatbeständen, wie sie vorliegend im Raum stehen, enthält das JVEG nicht. Vielmehr wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob ein Nebeneinander plausibel ist oder nicht. Insofern – darauf weist der Senat nur am Rande hin, ohne dass dies hier entscheidungsrelevant wäre – kann es im besonders gelagerten Einzelfall durchaus auch möglich sein, dass neben einer Entschädigung für Verdienstausfall auch Kosten für eine Kinderbetreuung erstattungsfähig sind – nämlich dann, wenn es nachvollziehbar ist, dass ohne den Gerichtstermin gleichzeitig einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen und das Kind betreut worden wäre.
7.1. Voraussetzungen für die Erstattung von Kosten für eine Kinderbetreuung – Allgemeines
Die Entschädigung setzt zunächst den Nachweis voraus, dass überhaupt Kosten („bare Auslagen“) für die Vertretung entstanden sind (s. unten Ziff. 7.2.). Berücksichtigungs- und damit erstattungsfähig sind diese Kosten dann, wenn sowohl die Notwendigkeit der Vertretung (s. unten Ziff. 7.3.) als auch die Notwendigkeit der tatsächlich entstandenen Kosten (s. unten Ziff. 7.4.) nachgewiesen sind. Es wird daher auch von einer doppelten Notwendigkeitsprüfung gesprochen (vgl. oben Ziff. 6.1.).
Die Notwendigkeit der Vertretung und der dafür entstandenen Kosten ist – wie auch sonst bei der Bemessung der Entschädigung – nach objektiven Kriterien zu ermitteln (vgl. oben Ziff. 6.1.).
Die Frage der Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit ist eine Tatfrage und im Zweifelsfall vom Gericht nach freiem Ermessen zu entscheiden (vgl. oben Ziff. 6.1.)
Die entstandenen Kosten sowie die doppelte Notwendigkeit müssen im Vollbeweis nachgewiesen sein (vgl. oben Ziff. 6.1.).
7.2. Für die Kinderbetreuung entstandene Kosten
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin die ihr entstandenen Kosten durch die Vorlage einer Quittung von Frau M. vom 26.02.2014 über den Erhalt von 120,- € nachgewiesen.
Anhaltspunkte dafür, dass die Quittung nur zum Schein ausgestellt worden wäre, um einen möglichst hohen Entschädigungsanspruch geltend machen zu können, kann der Senat bei Berücksichtigung seines die gesamte Rechtsprechung zum JVEG durchziehenden Leitgedankens, wonach aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und Handhabbarkeit die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kostenrichter nicht überspannt werden dürfen (vgl. z. B. Beschluss des Senats vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E), nicht erkennen (vgl. auch Beschluss des Senats 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E).
7.3. Notwendigkeit der Kinderbetreuung
Angesichts der plausiblen Angaben der Beschwerdeführerin hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass die Sicherstellung einer anderweitigen Kinderbetreuung durch die Beschwerdeführerin objektiv erforderlich war. Bei zwei betreuungsbedürftigen Kindern mit 3 und 11 Jahren, die ansonsten von der Beschwerdeführerin parallel neben ihrer zeitlich eingeschränkten selbstständigen Tätigkeit (s. oben Ziff. 4) betreut werden, hat die Beschwerdeführerin für den Tag des Gerichtstermins eine anderweitige Betreuung sicherstellen müssen. Mit Blick auf die geringen Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter folgt der Senat den Angaben der Beschwerdeführerin, dass nur eine kostenpflichtige Betreuung in Betracht gekommen ist, zumal der angegebenen Stundensatz von 15,- € in einem solchen Fall nicht fernliegend ist.
7.4. Notwendigkeit der für die Kinderbetreuung entstandenen Kosten
Für den Senat ist nur eine objektive Notwendigkeit für eine Zeit der Betreuung von 5,5 Stunden (vgl. oben Ziff. 5.2 – zur objektiv notwendigen gerichtsterminsbedingten Abwesenheitszeit) und damit von Kinderbetreuungskosten in Höhe von 82,50 € nachgewiesen. Diese Zeit ist auch bei der Entschädigung für die Kinderbetreuungskosten zugrunde zu legen, da aus der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Quittung ersichtlich ist, dass die Kinderbetreuung nach Stundenzahl abgerechnet worden ist. Im Übrigen ergibt sich auch aus einem weiteren Verfahren der Beschwerdeführerin beim Senat, dass die Kinderbetreuung durch Frau M. stundenweise abgerechnet wird. Denn in diesem anderen Verfahren hat die Beschwerdeführerin eine Quittung über 6 Stunden vorgelegt, was beweist, dass von der Beschwerdeführerin jeweils nur die Zeit der tatsächlich erfolgten Kinderbetreuung bezahlt werden muss.
7.5. Ergebnis bei der Entschädigung für Kosten der Kinderbetreuung
Es errechnet sich daher eine Entschädigung für 5,5 Stunden zu je 15,- € und damit von insgesamt 82,50 €.
8. Tagegeld (Zehrkosten)
Der Beschwerdeführerin ist keine Entschädigung für die von ihr geltend gemachten Zehrkosten zu gewähren. Ein Anspruch auf Entschädigung für Aufwand gemäß § 6 Abs. 1 JVEG (Tagegeld) besteht nicht.
Mit dem Tagegeld sind die weiteren Kosten pauschal abgedeckt, die infolge einer längeren Abwesenheitszeit vom Wohnort oder der Arbeitsstelle entstehen. Davon umfasst sind insbesondere die Kosten für Verpflegung. Zehr- oder Verpflegungskosten sind als allgemeiner Aufwand im Sinne von § 6 Abs. 1 JVEG erstattungsfähig, wenn sie infolge des gerichtlich angesetzten Termins objektiv notwendig sind. Aus dem Verweis in § 6 Abs. 1 letzter Halbsatz JVEG auf das Tagegeld im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 i. V. m. § 9 Abs. 4a Satz 3 Einkommenssteuergesetz (EStG) wird deutlich, wann und in welcher Höhe Verpflegungskosten in Form einer Zehrkostenpauschale als notwendiger allgemeiner Aufwand zu erstatten sind. Bei einer Abwesenheit von mehr als acht bis unter 24 Stunden am Kalendertag ist seit dem 01.01.2014 infolge der Neufassung des § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 3 EStG ein Pauschalbetrag von 12,- € anzusetzen.
Eine durch den Gerichtstermin objektiv erforderlich gewordene Abwesenheit von dieser Mindestdauer ist mit 5,5 Stunden im vorliegenden Fall nicht gegeben, so dass eine Entschädigung für Aufwand in Form von Tagegeld nicht in Betracht kommt.
Der Beschwerdeführerin steht daher für das Erscheinen beim Gerichtstermin am 26.02.2014 eine Entschädigung von insgesamt 123,95 €, nicht aber in Höhe von 392,- €, wie dies ihrem Begehren entspricht, zu.
Die Beschwerdeführerin hat daher mit ihrer Beschwerde nur geringen Erfolg.
Das Bayer. LSG hat gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben