Kosten- und Gebührenrecht

Verbindung von Verfahren

Aktenzeichen  M 21 M 17.6033

Datum:
16.2.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 43612
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 64, § 93 S. 1, § 151, § 162 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, § 165
ZPO § 59

 

Leitsatz

Die Entscheidung des Gerichts, von einer Verbindung getrennter Verfahren abzusehen oder verbundene Verfahren zu trennen, ist nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil der einzelne Kläger dadurch nicht in den Genuss des Vorteils kommt, den er unter Prozesskostengesichtspunkten durch die Zusammenrechnung mehrerer Ansprüche in einem verbundenen Verfahren möglicherweise haben würde. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtsgebührenfreien Erinnerungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Wegen der Sachverhaltsdarstellung wird zunächst auf das zwischen denselben Beteiligten ergangene Urteil vom 26. Juni 2017 (Az. M 21 K 16.5866) Bezug genommen, mit dem die Kammer die Klage des Antragstellers auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Vornahme einer Zeitgutschrift im Umfang von 40 Arbeitsstunden auf dem Arbeitskonto des Antragstellers abgewiesen hat.
Der Antragsteller war mit diesem Verfahren Angehöriger einer Gruppe von 26 Beamtinnen und Beamten der Beklagten, welche kurz vor dem Ablauf des Jahres 2016 mit einem dem Grunde nach gleichartigen, hinsichtlich des Umfangs der jeweils begehrten Zeitgutschrift aber individuell unterschiedlichen Begehren Klage erhoben hatten. In einigen Fällen waren außerdem oder stattdessen Hilfsanträge auf Zahlung von konkret aus der gutzuschreibenden Stundenzahl errechneten Abgeltungszahlungen gestellt worden. Die Verfahrenskosten aus einem in der Regel auf 5.000,00 € festgesetzten Streitwert wurden in allen Fällen den jeweiligen Klägern, so auch dem Antragsteller auferlegt. Die Urteile ergingen aufgrund einer einzigen mündlichen Verhandlung, in der die 26 Klageverfahren gemäß § 93 Satz 1 VwGO zur gemeinsamen Verhandlung, aber nicht Entscheidung miteinander verbunden worden waren.
Zuletzt am 21. September 2017 beantragte die Antragsgegnerin durch ihre Bevollmächtigten die Festsetzung ihrer außergerichtlichen Kosten in Höhe von 805,02 €.
Mit der Bevollmächtigten des Antragstellers (DGB R. GmbH) am 15. November 2017 zugestelltem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6. November 2017 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin auf den genannten Betrag nebst Zinsen ab 3. August 2017 fest.
Hiergegen beantragte der Antragsteller durch seine nunmehrige Bevollmächtigte am 28. November 2017 die Entscheidung des Gerichts. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, die Festsetzung der Verfahrens- und Terminsgebühren (§ 2, § 13 RVG, Nr. 3100, Nr. 3104 VV) für jedes einzelne Verfahren sei unzulässig. Die betreffenden Gebühren dürften für alle 26 Verfahren nur einmal festgesetzt werden, denn der Aufwand für die Durchführung des Verfahrens und der mündlichen Verhandlung sei insgesamt auch nur einmal entstanden. Die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin hätten in allen Verfahren gleichlautende Schriftsätze eingereicht, in allen Verfahren sei der gleiche Streitgegenstand verhandelt worden. Wenn sich wie hier eine Beklagtenpartei in der gleichen Sache mehrerer Kläger von einem einzigen Bevollmächtigten vertreten lasse, könne nichts anderes gelten als bei der Vertretung mehrerer Streitgenossen durch einen Bevollmächtigten.
Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie am 28. November 2017 dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
II.
Der gemäß § 165, § 151 VwGO statthafte Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) ist nicht begründet.
Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6. November 2017 ist rechtmäßig.
In der Serie von 26 weitgehend gleichförmigen Klagen, zu der auch das vorliegende Verfahren gehört, wurden die Verfahrenskosten nach § 154 Abs. 1 VwGO der jeweiligen Klagepartei und damit auch dem Antragsteller auferlegt. Im vorliegenden Fall ist diese Kostengrundentscheidung durch den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Februar 2018 (Az. 6 ZB 17.1875), mit dem der Antrag des Antragstellers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts abgelehnt wurde, rechtskräftig geworden. Dabei wurde auch die seitens des Verwaltungsgerichts vorgenommene Streitwertfestsetzung – in Höhe des Auffangwerts nach § 52 Abs. 2 GKG – übernommen und bestätigt.
Daraus folgt, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens, so auch der Antragsteller, der Antragsgegnerin aus dem genannten Streitwert die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten haben (§ 162 Abs. 1 VwGO). Dabei sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO „stets“ erstattungsfähig. Insoweit ist in der Rechtsprechung zugunsten der Antragsgegnerin (Bundesrepublik Deutschland), welche hier gesetzlich – gemäß § 2 Abs. 3 Satz 4 PostPersRG – durch die D. P. AG als Postnachfolgeunternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft vertreten ist, geklärt, dass sie sich – ebenso wie grundsätzlich auch juristische Personen des öffentlichen Rechts – im Rechtsstreit durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen kann (vgl. BayVGH vom 26.02.2002 – 3 C 01.1685 juris). Dazu ist sie selbst vor dem Hintergrund befugt, dass nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. OVG Münster vom 17.04.1997 – 12 B 595/97 juris; BayVGH vom 01.04.1998 – 3 CE 97.2597 – NJW 1999, 442) in beamtenrechtlichen Streitigkeiten auch Bedienstete der Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost mit der Befähigung zum Richteramt die Prozessvertretung der Beklagten übernehmen könnten. Die durch die anwaltliche Vertretung einer „Behörde“ entstehenden Kosten sind – im Hinblick auf das nach den obigen Ausführungen auch für Postnachfolgeunternehmen noch geltende „Behördenprivileg“ des § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO allenfalls dann ausnahmsweise nicht erstattungsfähig, wenn die Vertretung gegen Treu und Glauben verstößt, weil sie offensichtlich nutzlos und nur dazu angetan ist, dem Prozessgegner in rechtsmissbräuchlicher Absicht Kosten zu verursachen (BayVGH vom 26.02.2002, a.a.O.; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, zu § 162, Rn. 8a; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, zu § 162, Rn. 10, jeweils m.w.N.).
Diese Voraussetzungen konnte die Kammer nicht bejahen. Zwar hat sie, wie der im Ausgangsverfahren einheitlich durch die DGB R. GmbH vertretenen Klagepartei bekannt ist, mit Schreiben vom 18. Januar 2017 an die Beklagtenseite appelliert, von der nach den obigen Grundsätzen bestehenden Möglichkeit, sich in allen 26 Verfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen, keinen Gebrauch zu machen und ihr bestehendes Behördenprivileg auszuüben, die Bestellung eines Rechtsanwalts in einem von ihr zu bestimmenden Musterverfahren fände dagegen die Unterstützung des Gerichts. Als rechtsmissbräuchlich im obigen Sinne beanstandet werden konnte das Festhalten der Beklagtenseite an der Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts in jedem Einzelfall jedoch nicht. Zum einen war im vorbereitenden Verfahren für das Verwaltungsgericht keineswegs erkennbar oder gar offensichtlich, dass den Klagen nur gleichförmige Sachverhalte zugrunde liegen würden. So war im Einzelfall nicht bekannt, was Kläger zur Wahrung und Verfolgung ihrer Ansprüche früher schon unternommen hatten. Auch waren Kläger vereinzelt während des Verfahrens in den Ruhestand getreten. Zudem konnte nicht die Mehrzahl von 26 individuellen Klägern hinsichtlich des ihnen zu verschaffenden Missbrauchsschutzes als einheitlicher Prozessgegner behandelt werden. Die Kläger hatten sich vielmehr, anstatt von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, gemäß § 64 VwGO, § 59 ZPO „als Streitgenossen gemeinschaftlich“ zu klagen, aus freien Stücken dazu entschlossen, einzeln Klage zu erheben. Der Bevollmächtigten des Antragstellers ist auch nachdrücklich darin zu widersprechen, dass der Aufwand für die Bearbeitung der Klagen nur einmal entstanden sei. Zwar konnten tatsächlich Rationalisierungseffekte erzielt werden, insbesondere konnten alle Klagen aufgrund nur einer mündlichen Verhandlung erledigt werden, jedoch ist durch die getrennte Aktenführung und individuelle Prüfung jeder einzelnen Klage dennoch ein ganz erheblicher Mehraufwand gegenüber einem einheitlichen Verfahren entstanden und dieser setzt sich erkennbar bis in die Gegenwart fort.
Schließlich hatte der Antragsteller auch keinen Anspruch darauf, dass das Gericht durch prozessgestaltende Maßnahmen, insbesondere die hier in Betracht kommende Verbindung und Trennung von Verfahren nach § 93 Satz 1 VwGO, zu seinen Gunsten auf eine Senkung der Verfahrenskosten hinwirkte. Insoweit ist in der Rechtsprechung geklärt, dass eine im Übrigen sachlich begründete Entscheidung des Gerichts, von einer Verbindung getrennter Verfahren abzusehen oder verbundene Verfahren zu trennen, nicht etwa deshalb ermessensfehlerhaft ist, weil der einzelne Kläger dadurch nicht in den Genuss des Vorteils kommt, den er unter Prozesskostengesichtspunkten durch die Zusammenrechnung mehrerer Ansprüche in einem verbundenen Verfahren möglicherweise haben würde; maßgeblich sind dabei die Verhältnisse des Einzelfalls (BVerwG vom 02.07.1981 – 4 B 75.81, 4 B 76.81 Buchholz 310 § 93 VwGO Nr. 5; BVerfG vom 27.03.1980 – 2 BvR 316/80 BVerfGE 54, 39 = NJW 1980, 1511 = DVBl 1980, 833).
Im vorliegenden Fall hat die Kammer aus sachlichen Gründen davon abgesehen, die Verfahren nach § 93 Satz 1 VwGO zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung zu verbinden. Nur dies hätte bewirkt, dass die zuvor selbständigen Verfahren nunmehr ein einziges (mit subjektiver Klagehäufung) gebildet hätten, sodass vorbehaltlich einer späteren Trennung eine einheitliche Entscheidung mit einem einheitlichen Kostenausspruch ergangen und ein einheitlicher, aus dem Wert der einzelnen ursprünglich selbständigen Klagen addierter Verfahrensstreitwert festgesetzt worden wäre, aus dem die nach der Verbindung entstandenen Gerichts- und Anwaltsgebühren zu berechnen gewesen wären. Dazu konnte sich die Kammer aus zwei wesentlichen Gründen nicht entschließen: Zum einen hielt sie es für das kleinere Übel, die getrennte Aktenführung, welche die Kläger durch die Erhebung von 26 getrennten Klagen bis dahin selbst verursacht hatten und die bereits zu einem erheblichen Verwaltungsmehraufwand verglichen mit einem einheitlichen Verfahren in Streitgenossenschaft geführt hatte, unter verarbeitungstechnischer Nutzbarmachung dieses Aufwandes mit getrennten, nur in wenigen Formulierungen voneinander abweichenden Urteilen bis zur Erledigung der Streitsachen beizubehalten, anstatt ein einheitliches Urteil zu erlassen, welches neben dem Rubrum durch die jeweils individuell gestellten Anträge sehr unübersichtlich und womöglich auch fehleranfällig geworden wäre. Zum andern war die Kammer – anders als bei Verfahrenseinleitung im Dezember 2016 im Monat Juni 2017 vorübergehend mit vier Richtern besetzt, was für einen Teil der zu entscheidenden Verfahren nach der mit Beschluss vom 1. Juni 2017 geänderten kammerinternen Geschäftsverteilung einen abweichenden Spruchkörper zur Folge hatte (vgl. Sitzungsprotokoll S. 4). Dies hätte einer Verbindung aller Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zwingend entgegengestanden. Die Alternative – der Erlass zweier Urteile durch die beiden nach dem Prinzip des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) bestimmten Spruchkörper wiederum hätte zwar den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprochen, aber zu einem erheblichen (und aus der Sicht der Betroffenen willkürlich erscheinenden) Missverhältnis der auf die einzelnen Kläger kostenrechtlich entfallenden Kopfteile geführt.
Dies vor Augen hat die Kammer die Streitsachen nur zu gemeinsamer Verhandlung verbunden. Insoweit ist geklärt, dass eine solche Verfahrensweise, die aus Gründen der Prozessökonomie nahe liegt, wenn wie hier eine Mehrzahl von Klägern in gleichgelagerten Sachverhalten mit entsprechend gleichartigen Rechtsfragen Rechtsschutz begehren, nicht unzulässig ist, aber nicht die Wirkungen einer echten Verfahrensverbindung nach § 93 Satz 1 VwGO entfaltet; die Verfahren bleiben vielmehr unabhängig davon, ob die Verbindung formlos vorgenommen oder förmlich beschlossen worden ist – weiterhin selbständig (BayVGH vom 17.04.2007 – 4 C 07.659 – BayVBl 2008, 30 = NVwZ-RR 2008, 504; ebenso OVG Lüneburg vom 22.01.2010 – 1 OA 246/09 – NVwZ-RR 2010, 540; a.A.: VGH Mannheim vom 17.08.2006 – 3 S 1425/06 – NVwz-RR 2006, 855). Verbindet das Verwaltungsgericht wie hier nach Aufruf der Sache Verfahren (nur) zur gemeinsamen Verhandlung, so errechnet sich daher die Terminsgebühr für die anwaltliche Vertretung in dieser Verhandlung nach den jeweiligen (Einzel-)Streitwerten, nicht anteilig nach deren Summe (BayVGH, a.a.O.). Denn die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG für die Vertretung in einem Verhandlungstermin entsteht bereits dann, wenn dieser Termin durch Aufruf der Sache beginnt und der Rechtsanwalt zu diesem Zeitpunkt vertretungsbereit anwesend ist (BVerwG vom 11.02.2010 – 9 KSt 3.10 – NJW 2010, 1391 = Buchholz 363 § 2 RVG Nr. 3).
Da der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss auch sonst nicht zu beanstanden ist, war der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
Das Erinnerungsverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG). Eine Streitwertfestsetzung ist deshalb nicht erforderlich.


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