Medizinrecht

Anerkennung der Beihilfefähigkeit einer psychotherapeutischen Behandlung (Verhaltenstherapie)

Aktenzeichen  B 5 K 16.432

Datum:
22.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 142318
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 96 Abs. 2 S. 1, Abs. 5 S. 1, S. 2 Nr. 2
BayBhV § 7 Abs. 1 S. 1, § 8 S. 1 Nr. 2, § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, § 11, § 12 Abs. 4-7

 

Leitsatz

1. Die Ermächtigungsnorm des Art. 96 Abs. 5 BayBG ist nicht abschließend. Neben der Bestimmung der Art der Aufwendungen kann auch die Durchführung der Therapieart an Mindestanforderungen in der Person des Behandelnden geknüpft werden, um eine effektive Behandlung durch einen zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung und Einhaltung der Qualitätsstandards befähigten Leistungserbringer zu garantieren. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Festlegung der ihrer Art nach notwendigen Aufwendungen zur Gewährleistung einer effektiven Behandlung kann an die Erbringung durch besonders ausgebildete und qualifizierte Berufsgruppen geknüpft werden (Parallelentscheidung VG Bayreuth BeckRS 2017, 142320). (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Über die Klage kann mit Einverständnis der Parteien nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
2. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der Beihilfefähigkeit der beantragten Verhaltenstherapie. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 15. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 12. Mai 2016 ist deshalb rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Gemäß Art. 96 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) werden Beihilfeleistungen zu den nachgewiesenen medizinisch notwendigen und angemessenen Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Pflegefällen und zur Gesundheitsvorsorge des Beamten bzw. der Beamtin sowie berücksichtigungsfähiger Angehöriger nach Maßgabe der aufgrund von Art. 96 Abs. 5 Satz 1 BayBG erlassenen Rechtsverordnung (Bayerische Beihilfeverordnung – BayBhV) gewährt. Aufwendungen der beihilfeberechtigten Personen sowie ihrer berücksichtigungsfähigen Angehörigen (§§ 2, 3 BayBhV) in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und sonstigen Fällen sind beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig und der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV). Gemäß § 8 Satz 1 Nr. 2 BayBhV sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für ambulante psychotherapeutische Leistungen mittels wissenschaftlich anerkannter Verfahren nach den Abschnitten B und G des Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) nach Maßgabe der §§ 9 bis 13 BayBhV. Nach § 9 Abs. 2 BayBhV sind Aufwendungen für psychotherapeutische Behandlungen, die zu den wissenschaftlich anerkannten Verfahren gehören und nach den Abschnitten B und G der Anlage zur Gebührenordnung für Ärzte abgerechnet werden, beihilfefähig, wenn sie der Feststellung, Heilung oder Linderung von seelischen Krankheiten nach § 9 Abs. 1 BayBhV dienen, bei denen Psychotherapie indiziert ist (Nr. 1), nach einer biographischen Analyse oder Verhaltensanalyse und gegebenenfalls nach höchstens fünf, bei analytischer Psychotherapie bis zu acht probatorischen Sitzungen, die Voraussetzungen für einen Behandlungserfolg gegeben sind (Nr. 2) und die Festsetzungsstelle vor Beginn bzw. Verlängerung der Behandlung die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen auf Grund eines auf einem pseudonymisierten Bericht der Therapeutin bzw. des Therapeuten beruhenden vertrauensärztlichen Gutachtens zur Notwendigkeit und zu Art und Umfang der Behandlung anerkannt hat (Nr. 3). Darüber hinaus ist Voraussetzung für die (Vor-)Anerkennung der Beihilfefähigkeit einer Verhaltenstherapie, dass diese – wie sich aus § 9 Abs. 1 und 2 sowie aus § 12 Abs. 4 bis 7 BayBhV ergibt – durch einen ärztlichen Psychotherapeuten (Abs. 4), Psychologischen Psychotherapeuten mit Approbation nach § 2 PsychThG und entsprechender vertiefter Ausbildung einer nach dem Psychotherapeutengesetz geregelten Ausbildung (Abs. 5) bzw. mit einer Ausbildung, die vor dem Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes erworben wurde (Abs. 6) oder einen Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie (Abs. 7) erbracht werden.
Gemessen daran, hat der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung der Beihilfefähigkeit der beantragten Verhaltenstherapie bei dem vom Kläger ausgewählten Behandler, weil der Beklagte zu Recht die Anerkennung der Beihilfefähigkeit der begehrten Verhaltenstherapie abgelehnt hat. Diese Entscheidung ist nicht zu beanstanden, weil der konsultierte Therapeut nicht über die notwendige Qualifikation verfügt. Bei dieser Einschätzung stützt sich das Gericht auf folgende Erwägungen: Die Festsetzungsstelle hat vor Beginn der Behandlung die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die beantragte Psychotherapie bei dem Behandelnden … gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 3 BayBhV abgelehnt. Damit fehlt eine sachlich-rechtliche Anspruchsvoraussetzung für die Beihilfegewährung, denn das Voranerkennungsverfahren bei psychotherapeutischen Behandlungen ist nicht nur ein bloßes Ordnungserfordernis (vgl. VG München, U.v. 26.10.2006 – M 17 K 05.3170 – juris – zur inhaltlich entsprechenden Regelung der BhV). Die vorherige Anerkennung soll sicherstellen, dass die Notwendigkeit der psychotherapeutischen Behandlung und die Notwendigkeit und Angemessenheit der durch sie bedingten Aufwendungen bereits vor ihrer Durchführung eingehend geprüft und die erforderlichen Feststellungen rechtzeitig getroffen werden können. Zugleich soll damit erreicht werden, dass einerseits die Bewilligungsbehörde über die auf sie zukommenden Belastungen aus der Gewährung der Beihilfe für psychotherapeutische Behandlungen unterrichtet ist und dass andererseits der Beihilfeberechtigte bei Antritt der Behandlung weiß, ob und in welcher Höhe er mit Beihilfe rechnen kann. Damit wird ihm die Möglichkeit gegeben, eventuell eine andere Art der Ausführung zu wählen. Vor diesem Hintergrund wird eine solche Voranerkennungspflicht grundsätzlich für zulässig gehalten (BVerwG, B.v. 2.4.1990 – 2 B 10/90 – juris). Da es sich bei psychischen Erkrankungen zum einen um sehr komplexe Krankheitsbilder handelt, die sich deutlich von sonstigen somatischen Erkrankungen unterscheiden, zum anderen aber auch z.T. lange Therapiezeiträume und damit teure Behandlungen erfordern, erfolgt die Anerkennung grundsätzlich nur auf der Basis der Bewertung neutraler Gutachter. Im Rahmen dieses Voranerkennungsverfahrens sind gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 BayBhV Gutachterinnen bzw. Gutachter, die nach § 26 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie (Psychotherapie-Richtlinie) vom 19. Februar 2009 (BAnz 2009 S. 1399), zuletzt geändert am 18. April 2013 (BAnz AT 18. Juni 2013 B 6) bestellt sind, mit der Erstellung des Gutachtens zu beauftragen. Neben den fachlichen Voraussetzungen überprüft die Gutachterin bzw. der Gutachter, inwieweit die Qualifikation des Therapeuten den Beihilfevorgaben entspricht.
Diese Anforderungen erfüllt der Behandler vorliegend nicht. Bei der Beantragung der ambulanten psychotherapeutischen Behandlung mit Antrag vom 30. Juni 2015 (Bl. 1 – 6 d. Beiakte) konnte ein vertrauensärztliches Gutachten nicht in Auftrag gegeben werden, da der klägerische Antrag nicht formgerecht erstellt war. § 9 Abs. 2 Nr. 3 BayBhV sieht vor, dass die Erstellung des Gutachtens auf Grundlage eines pseudonymisierten Berichts des Therapeuten zu erfolgen hat. Dieses Verfahren ist durch die Verwaltungsvorschriften zu § 9 Abs. 2 BayBhV konkretisiert. Zu diesem Zweck hat der Beihilfeberechtigte gemäß Nr. 1.1 der VV zu § 9 Abs. 2 BayBhV der Festsetzungsstelle das Formblatt 1 ausgefüllt vorzulegen. Außerdem muss er den behandelnden Therapeuten ersuchen, auf Formblatt 2 einen Bericht für den Gutachter zu erstellen. Der Therapeut hat gemäß Nr. 1.3 der VV zu § 9 Abs. 2 BayBhV das ausgefüllte Formblatt in einem verschlossenen, als vertrauliche Arztsache gekennzeichneten Umschlag der Festsetzungsstelle zur Weiterleitung an den Gutachter zu übermitteln. Der erste Antrag vom 30. Juni 2015 (Bl. 1 – 6 d. Beiakte) war nicht anonymisiert gestellt, Angaben zur Art der Therapieart fehlten und ein ausführlicher Bericht an den Gutachter war weder pseudonymisiert noch in einem verschlossenen Briefumschlag. Der mit dem Widerspruch eingereichte neue Antrag vom 6. April 2016 (Bl. 12 – 21 d. Beiakte) war zwar formgerecht gestellt. Auch wenn im Fall des Klägers aufgrund weiter bestehender Zweifel hinsichtlich der Qualifikation des gewählten Therapeuten, von einer Weiterleitung des Antrags mit den zugehörigen Unterlagen abgesehen wurde, so leitete die Beihilfeselle aber dennoch den zeitgleich gestellten Antrag der Ehefrau des Klägers auf Anerkennung der Beihilfefähigkeit für eine Verhaltenstherapie bei demselben Behandler an den Gutachter weiter. Dass zeitgleich keine zweite inhaltsgleiche Weiterleitung für den Kläger erfolgte, ist unschädlich und wurde nicht moniert. Die im Fall der Ehefrau des Klägers zur Stellungnahme nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Gutachterin Dr. … kam in ihrem Schreiben vom 10. Mai 2016 (Bl. 27 d. Beiakte) zu dem Ergebnis, dass die fachlichen Voraussetzungen für den Behandelnden nicht erfüllt sind und eine Bewilligung der beantragten Verhaltenstherapie nicht empfohlen werden kann. Aus diesem Grund war auch nach Nr. 2.3 Satz 3 der VV zu § 9 Abs. 2 BayBhV die sonst nach Nr. 2 der VV zu § 9 Abs. 2 BayBhV im Rahmen des Widerspruchsverfahrens praktizierte Vorlage an einen Obergutachter nicht einzuholen. Denn die psychotherapeutische Behandlung wurde auf Grund der Stellungnahme der Gutachterin abgelehnt, weil der Therapeut die in § 11 Abs. 4 bis 7 und § 12 Abs. 4 bis 7 aufgeführten Voraussetzungen nicht erfüllt.
Diese Beschränkung der Beihilfefähigkeit auf bestimmte Behandler nach § 12 Abs. 4 bis 7 BayBhV ist nicht zu beanstanden, da es dieser nicht an einer gesetzlichen Ermächtigung mangelt. Die Ermächtigung zur Regelung des Inhalts und Umfangs der beihilfefähigen Aufwendungen nach Art. 96 Abs. 5 Satz 1 BayBG umfasst neben der Art der psychotherapeutischen Behandlungen auch die Personen, durch die diese erbracht werden.
Nach der Formulierung in der Ermächtigungsgrundlage des Art. 96 Abs. 5 Satz 1 BayBG können in der Verordnung hinsichtlich des Kreises der beihilfeberechtigten Personen und der berücksichtigungsfähigen Angehörigen, des Inhalts und Umfangs der Beihilfen sowie des Verfahrens der Beihilfegewährung Bestimmungen getroffen werden. Die Ermächtigungsnorm des Art. 96 Abs. 5 BayBG ist nicht abschließend. Wie die Formulierung „insbesondere“ zeigt, hat der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber in Art. 96 Abs. 5 Satz 2 BayBG lediglich Regelbeispiele für die in Satz 1 normierten möglichen Regelungsbereiche (Kreis der beihilfeberechtigten Personen und der berücksichtigungsfähigen Angehörigen, Inhalt und Umfang der Beihilfen sowie Verfahren der Beihilfegewährung) vorgegeben. Eine Zusammenschau der in Art. 96 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BayBG hinsichtlich des Inhalts und Umfangs der Beihilfen exemplarisch näher aufgelisteten Regelungsmöglichkeiten ergibt, dass neben der Bestimmung der Art der Aufwendungen auch die Durchführung der Therapieart an Mindestanforderungen in der Person des Behandelnden geknüpft werden kann, um eine effektive Behandlung durch einen zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung und Einhaltung der Qualitätsstandards befähigten Leistungserbringer zu garantieren. Die Möglichkeit nach Art. 96 Abs. Satz 2 Nr. 2 BayBG, Bestimmungen hinsichtlich des Inhalts und Umfangs der Beihilfen über die Einführung von Höchstgrenzen (lit. a), über die Beschränkung auf bestimmte Indikationen (lit. b) und über die Beschränkung oder den Ausschluss für Untersuchungen und Behandlungen nach wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methoden (lit. c) zu treffen, zeigt, dass den nicht abschließend aufgelisteten Regelungsbeispielen der Zweck immanent ist, durch entsprechende Festlegungen möglicherweise ineffektive Behandlungen auszuschließen. Aus dem Zusammenspiel dieser Regelungsmöglichkeiten sowie ihres immanenten Zwecks folgt, dass gemäß einer zwangsläufig generalisierenden und typisierenden Betrachtung die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für psychotherapeutische Behandlungen psychischer Erkrankungen – damit regelmäßig komplexer Krankheitsbilder – auf Indikationen und anerkannte Methoden beschränkt werden kann. Dieses Beschränkung kann dergestalt erfolgen, dass neben der Therapieform auch hinsichtlich der diese durchführenden Person bestimmte Qualitätsanforderungen geknüpft werden können, so dass aufgrund der Befähigung des Leistungserbringers zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung und der Einhaltung von Qualitätsstandards die Effektivität der Behandlung ermöglicht und die Voraussetzungen für einen Behandlungserfolg von vornherein gegeben sind. Der Verordnungsgeber darf dabei generalisierend und typisierend die tätig werdenden Personen anhand von Berufsgruppen, die besondere Qualitätsanforderungen erfüllen, beschränken.
Da dem Verordnungsgeber in dem von der gesetzlichen Ermächtigungsnorm abgesteckten Rahmen ein Gestaltungsspielraum zukommt, kommt es auch nicht darauf an, ob der Verordnungsgeber die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen hat, sondern lediglich ob jene äußersten Grenzen gewahrt sind und er sich nicht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen. Nach Sinn und Zweck fügt sich die Regelung des § 12 BayBhV, die Beihilfefähigkeit einer Verhaltenstherapie an Qualifikationsvoraussetzungen des Behandelnden zu knüpfen, in das Regelungsregime des Art. 96 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 lit. c BayBG, der ineffektive Behandlungen verhindern soll, ein. Nach Sinn und Zweck sind die Grenzen der Ermächtigungsgrundlage gewahrt. Sachfremde Erwägungen sind nicht ersichtlich.
Auch darauf, ob eine vergleichbare Qualifikation des konsultierten Behandlers vorliegt, kommt es nicht an. Da es sich bei psychischen Erkrankungen regelmäßig um komplexe Erkrankungsbilder handelt, hat der Verordnungsgeber in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die Aufwendungen für psychotherapeutische Behandlungen sowohl hinsichtlich der Therapieformen als auch hinsichtlich der tätig werdenden Berufsgruppen beschränkt. Zum einen erfüllen die aufgezählten Berufsgruppen dabei besondere Qualitätsanforderungen im Hinblick auf ihre Ausbildung, da sie zur Ausübung ihres Berufes eines Studiums sowie der Approbation bedürfen. Demgegenüber muss sich ein Heilpraktiker wie der konsultierte Behandler (Bl. 14 d. Beiakte) lediglich einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten durch das Gesundheitsamt stellen. Diese ungleiche heilberufliche Qualifikation der unterschiedlichen Berufsgruppen darf der Verordnungsgeber generalisierend und typisierend berücksichtigen (vgl. BVerwG, B.v. 3.3.1989 – 2 NB 1/88 – juris Rn. 8; VGH BW, U.v. 27.7.2004 – 4 S 1853/03 – juris Rn. 17; VG Augsburg, U.v. 26.1.2011 – Au 2 K 10.1309 – juris Rn. 13ff.).
Zum anderen sollen durch diese Festlegung ineffektive Behandlungen ausgeschlossen werden. Der Gesetzgeber ist insoweit zu einer typisierenden Betrachtung anhand der Berufsbezeichnungen und der zur Führung dieser Bezeichnungen berechtigenden Ausbildungen ohne Rücksicht auf etwaige besondere individuelle Kenntnisse und Fähigkeiten des behandelnden Therapeuten befugt. Ein Abgehen von diesen Anforderungen im Einzelfall ist demnach nicht möglich. Die Aufgabenerfüllung durch die Beihilfestellen würde in nicht vertretbarer Weise erschwert, wenn sich die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen im Einzelfall erst dadurch klären ließe, dass ein eingeschalteter Sachverständiger die Befähigung des Leistungserbringers zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung und Einhaltung der Qualitätsstandards überprüft (vgl. VG München, U.v. 8.12.2011 – M 17 K 11.1786 – juris Rn. 21).
Damit kann gerade die Festlegung der ihrer Art nach notwendigen Aufwendungen zur Gewährleistung einer effektiven Behandlung an die Erbringung durch besonders ausgebildete und qualifizierte Berufsgruppen geknüpft werden.
Durch den Ausschluss von bestimmten Behandlern von der Beihilfefähigkeit im Bereich der psychotherapeutischen Leistungen ist auch die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht nicht verletzt, da diese keine lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen verlangt (vgl. BVerfG, B.v. 7.11.2002 – 2 BvR 1053/98 – juris Rn. 29), sondern nur, dass der Beamte nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenvorsorge nicht absichern kann. Dies ist hier nicht der Fall. Denn die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für eine notwendige psychotherapeutische Behandlung wird nicht vollständig ausgeschlossen, sondern lediglich auf die Inanspruchnahme bestimmter Berufsgruppen beschränkt (vgl. BVerwG, B.v. 3.3.1989 – 2 NB 1/88 – juris Rn. 9; VG Augsburg, U.v. 26.1.2011 – Au 2 K 10.1309 – juris Rn. 13 ff.)
Der konsultierte Therapeut verfügt für die beantragte Verhaltenstherapie nicht über die erforderlichen Qualifikationsvoraussetzungen des § 12 Abs. 4 bis 7 BayBhV. Der konsultierte Behandelnde ist weder ärztlicher Psychotherapeut im Sinne des § 12 Abs. 4 BayBhV noch nach § 12 Abs. 5 BayBhV psychologischer Psychotherapeut mit einer Approbation nach § 2 PsychThG oder mit Approbation nach § 12 PsychThG mit entsprechenden weiteren Voraussetzungen gemäß § 12 Abs. 6 BayBhV, noch ist § 12 Abs. 7 BayBhV einschlägig.
Nach den Angaben in dem geänderten Antrag vom 6. April 2016 (Bl. 12 – 15 d. Beiakte) verfügt der konsultierte Behandler zwar als Psychologischer Psychotherapeut über eine durch eine staatliche Prüfung abgeschlossene „vertiefte Ausbildung“ gem. § 8 Abs. 1 PsychThG und entsprechend § 11 und § 12 BayBhV. In dem Antrag ist angegeben, dass eine vertiefte Ausbildung für das Behandlungsverfahren der Verhaltenstherapie bei Erwachsenen durch den Deutschen Verband für Verhaltenstherapie als anerkannte Ausbildungsstätte gem. § 6 PsychThG vorliegt (Bl. 13 d. Beiakte). Weiter finden sich die Angaben „KV-Zulassung-nein“ (Bl. 14 d. Beiakte) sowie „Verhaltenstherapie, NLP“ sowohl als vertiefte Ausbildung im Sinne von § 12 PsychThG i.V.m. § 11 Abs. 6 und § 12 Abs. 6 BayBhV als auch als abgeschlossene Zusatzausbildung an einem anerkannten psychotherapeutischen Ausbildungsinstitut bei „EAP, Wien Schulungsübergreifender Dachverband für Psychotherapie, DVP Mainz“ (Bl. 14 d. Beiakte).
Nachgewiesen sind jedoch lediglich die Verleihung des akademischen Grades „Diplom-Pädagoge“ mit Diplom-Hauptprüfung im Studienschwerpunkt „Sozialpädagogik und Sozialarbeit“ am 9. Oktober 1981 durch die Universität Bamberg, die Trainerausbildung in Neuro-Linguistic-Programming und Befähigung, NLP-Ausbildungskurse selbstständig zu leiten, mit Zertifikat vom 4. April 1990, die Erlaubnis vom 17. Januar 1994 zur Ausübung der Heilkunde durch nichtärztliche Psychotherapeuten auf dem Gebiet der Psychotherapie (Vollzug des Gesetzes über die Heilkunde ohne Bestallung) durch die Stadt Coburg (Bl. 14 d. Akte), ein Kinesiologie-Intensivkurs vom 27. Dezember 1995 bis 6. Januar 1996, die Zusatzausbildung in integrativer EMDR-Arbeit am 22. Juni 2005 sowie „the european certificate of psychotherapy (ECP)“ der european association for psychotherapy (EAP), (Bl. 23 d. Beiakte). Auch wenn das Zertifikat des EAP auf Empfehlung des Deutschen Dachverbands für Psychotherapie und mit Zustimmung des „European Training Standards Committee“ als Bestätigung eines Trainings in Psychotherapie erging, ist dies kein Nachweis für eine Erfüllung der in § 12 BayBhV genannten Ausbildungsanforderungen. Ausweislich der Homepage des EAP und DVP über die Kriterien zur Verleihung des ECP sind weder Studium noch Approbation für das ECP erforderlich. Als Heilpraktiker und Diplom-Pädagoge mit diversen genannten Zusatzausbildungen erfüllt der konsultierte Behandler nicht die Anforderungen des § 12 BayBhV hinsichtlich der geforderten Ausbildung mit Studium, Approbation und darauf aufbauender Weiterbildung.
Zwar können Diplom-Psychologen, die psychotherapeutische Leistungen anbieten und über keine aktuelle Kassenzulassung verfügen, sowie Behandler mit anderen Ausgangsqualifikationen dem Grunde nach ebenfalls psychotherapeutische Leistungen anbieten. Voraussetzung hierfür ist eine Berufszulassung nach § 1 des Heilpraktikergesetzes. Die beihilferechtliche Anerkennung von ambulanten psychotherapeutischen Leistungen des genannten Personenkreises sowie Heilpraktikern ist jedoch ausgeschlossen (Mildenberger, Beihilferecht, BBhV § 18a Anm. 4 Abs. 12).
Auch der klägerische Einwand, dass die Voranerkennung und die Einschränkung der Auswahl des Behandlers eine unzulässige Beschränkung des Klägers seien, trägt nicht. Der klägerische Einwand der Unzulässigkeit der Aufbürdung des Kostenrisikos auf den Versorgungsempfänger für die zur Erstellung eines anonymisierten Berichtes des Therapeuten im Voranerkennungsverfahren zwingende eingehende Befassung und ersten Behandlungen bzw. Befunderhebungen, trägt nicht. Die Voranerkennung ist – wie oben dargelegt – bei Beginn einer Verhaltenstherapie notwendige Voraussetzung der Beihilfengewährung, die der Durchführung eines Gutachterverfahrens bedarf, § 9 Abs. 2 Nr. 3 BayBhV. Nur so ist gewährleistet, dass der zur Begründung der rechtlichen Entscheidung über die Beihilfefähigkeit erforderliche medizinische Sachverstand zur Verfügung steht. Die Voranerkennung dient der Feststellung der Notwendigkeit der psychotherapeutischen Behandlung, der Notwendigkeit und Angemessenheit der durch sie bedingten Aufwendungen sowie der Möglichkeit eines Behandlungserfolgs.
Vor allem sind jedoch bei der Pflicht zur Durchführung des Voranerkennungsverfahrens die Aufwendungen für höchstens fünf probatorische Sitzungen einschließlich des Erstellens der Verhaltensanalyse beihilfefähig, auch dann, wenn überhaupt keine Voranerkennung beantragt wird oder sich die psychotherapeutische Anwendung als nicht notwendig erweist (Mildenberger, Beihilferecht, BBhV § 18a Anm. 7 Abs. 8, § 20 Anm. 7 Abs. 3, auf den Mildenberger Beihilferecht BayBhV in § 12 Anm. 4 und § 9 Anm. 7 Abs. 4 verweist). Der Versorgungsempfänger trägt somit kein Kostenrisiko.
Die Beihilfefähigkeit für eine regelmäßig schwierig zu diagnostizierende, langwierige und kostenträchtige Psychotherapie im Interesse der gleichmäßigen Behandlung aller Beamten von der Überprüfung durch einen unabhängigen Fachgutachter und vorheriger Anerkennung abhängig zu machen, begegnet wie dargelegt keinen durchgreifenden Bedenken.
Ebensowenig gefährden das Gutachterverfahren sowie die Beschränkung der Beihilfefähigkeit auf die Leistungserbringung durch bestimmte Personengruppen das Recht auf freie Arzt- und Behandlerwahl des Klägers. Es liegt ersichtlich außerhalb der Intention der beihilferechtlichen Regelung, auf den berechtigten Personenkreis hinsichtlich der Wahl des Arztes Einfluss auszuüben. Es steht im Belieben des Klägers, einen Therapeuten aufzusuchen, der die Kriterien des § 12 Abs. 4 bis 7 BayBhV erfüllt oder sich an einen Therapeuten zu wenden, dessen Leistungserbringung mangels Vorliegens der Anforderungen des § 12 Abs. 4 bis 7 BayhBhV nicht beihilfefähig ist. Ebenso ist die Wahl in beiden Personengruppen frei. Nach klägerischen Belieben kann die Behandlung durch den derzeit konsultierten Therapeuten ohne beihilfefähige Erstattung aufgenommen oder fortgesetzt werden oder ein anderer Therapeut seiner Wahl aus einer der beiden Personengruppen aufgesucht werden (vgl. VG Bayreuth, E.v. 18.9.1996 – B 5 K 95.498 – juris Rn. 19, 20).
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht.


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