Medizinrecht

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (erfolgreich), Anordnung einer allgemeinen amtsärztlichen Untersuchung, Zulässigkeit bejaht, falsche Rechtsgrundlage der Anordnung

Aktenzeichen  M 5 E 21.5858

Datum:
16.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 39961
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1
BayBG Art. 65 Abs. 2 S. 1
BeamtStG § 35

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Antragstellerin wird vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss eines (noch durchzuführenden) Hauptsacheverfahrens von der Verpflichtung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung freigestellt.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, als verbeamtete Amtstierärztin in Diensten der Antragsgegnerin stehend, wendet sich gegen die Anordnung einer allgemeinen amtsärztlichen Untersuchung.
Im August 2021 informierte die Antragsgegnerin die Amtstierärztinnen und Amtstierärzte darüber, dass diese aufgrund eines coronabedingten Personalengpasses ab September 2021 für Dienste am Schlachthof M* … verpflichtend eingeteilt würden. Die Amtstierärztinnen und Amtstierärzte sollten für die zeitlich begrenzte Dauer des Engpasses den Personalmangel an amtlichen Fachassistenten kompensieren und deren Tätigkeit ausüben. Dies umfasst insbesondere Fleischhygienekontrollen im Bereich der Schweine- und Rinderschlachtung.
Mit E-Mail vom … August 2021 informierte die Antragsgegnerin über den organisatorischen Ablauf und wies darauf hin, dass das Vorliegen von gesundheitlichen Einschränkungen gegebenenfalls durch einen Amtsarzt / eine Amtsärztin beurteilt werden müsse.
Unter Vorlage eines ärztlichen Attestes vom … Juli 2021 teilte die Antragstellerin mit, dass sie die Tätigkeit im Schlachthof aus gesundheitlichen Gründen bis auf weiteres nicht ausführen könne.
Mit Schreiben vom … Oktober 2021 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin darüber, dass sie das Referat für Gesundheit und Umwelt beauftragt habe, die Antragstellerin zu einer amtsärztlichen Untersuchung einzuladen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das vorgelegte Attest Zweifel an der Dienstfähigkeit der Antragstellerin begründe und zur Klärung eine amtsärztliche Untersuchung notwendig sei. Da medizinische Hintergründe nicht näher bekannt seien, werde zunächst eine allgemeine amtsärztliche Untersuchung durchgeführt, bei der die Krankengeschichte erfragt werde, in der Regel eine körperliche Untersuchung stattfinde und ggfs. weitere technische Untersuchungen veranlasst würden. Soweit aus ärztlicher Sicht erforderlich, werde zusätzlich eine Begutachtung auf anderen medizinischen Fachgebieten durchgeführt. Bei der Untersuchung solle der Gesundheitszustand überprüft werden. Dabei solle auch festgestellt werden, ob und welche Leistungseinschränkungen vorliegen und wie sich diese ggfs. auf die Dienstfähigkeit auswirken würden. Weiter solle geklärt werden, ob und ggfs. welche ärztlichen Behandlungen, Therapiemaßnahmen oder Maßnahmen der Dienstherrin möglicherweise zur Wiederherstellung der Gesundheit führen könnten. Im weiteren werden die konkreten medizinischen Fragen, die amtsärztlich geklärt werden sollen, aufgelistet.
Mit E-Mail vom … Oktober 2021 reichte die Antragstellerin ein weiteres Attest ein, in dem ihr aufgrund ihrer Vorerkrankungen ein erhöhtes Gesundheitsrisiko für einen schweren Covid-19-Verlauf (Risikogruppe 2) attestiert wird.
Das Referat für Gesundheit und Umwelt teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom … Oktober 2021 den … November 2021 (8:00 Uhr) als Untersuchungstermin mit.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin forderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom *. November 2021 auf, von der beabsichtigten amtsärztlichen Untersuchung Abstand zu nehmen und das Gesundheitsreferat hiervon zu unterrichten. Die Zweifel an der Dienstfähigkeit der Antragstellerin seien nicht gerechtfertigt. Zum einen habe die Antragstellerin zwischenzeitlich ein weiteres Attest vorgelegt, welches das Attest vom … Juli 2021 konkretisiere. Zum anderen stelle die Tätigkeit im Schlachthof keine amtsangemessene Tätigkeit dar.
Mit Schreiben vom … November 2021 teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie an der Untersuchungsanordnung vom … Oktober 2021 festhalte. Es sei weiterhin zweifelhaft, ob die Antragstellerin aus gesundheitlichen Gründen in der Lage sei, die Dienstpflichten ihres abstrakt-funktionellen Amtes zu erfüllen. Nach der aktuellen Tätigkeitsbeschreibung für die Amtstierärzte und Amtstierärztinnen würde zu deren Aufgaben u.a. die Überwachung der amtlichen Tierärzte und Tierärztinnen im Bereich der Schlachtung sowie die Schlachttieruntersuchung/Lebendbeschau der Rinder- bzw. Schweineschlachtung gehören. Laut der vorgelegten Atteste könne die Antragstellerin die geforderten Tätigkeiten im Schlachthof nicht ausführen, sodass die von der Antragstellerin vorgetragenen Leistungseinschränkungen Zweifel an der Dienstfähigkeit begründen würden. Die Tätigkeit im Schlachthof sei auch amtsangemessen.
Mit Schriftsatz vom 10. November 2021, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin für diese beim Bayerischen Verwaltungsgericht München beantragt,
der Antragsgegnerin aufzugeben, die Antragstellerin vorläufig von der Verpflichtung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung freizustellen.
Der Antrag sei zulässig. Die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Es existiere keine spätere Sachentscheidung, gegen die die Antragstellerin gerichtlich vorgehen könnte. Die Anordnung sei zwar unter Berufung auf die Art. 65 ff. Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) erfolgt, aus der Anordnung gehe jedoch hervor, dass die Antragstellerin die hausärztlichen Stellungnahmen kritisch hinterfrage und diesbezüglich eine amtsärztliche Klärung wünsche. Zudem greife der Ausnahmetatbestand des § 44 a S. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO, da die Einleitung eines Disziplinarverfahrens bei Nichtbefolgung der Untersuchungsanordnung in Betracht komme. Ein Anordnungsanspruch bestehe, da die Untersuchungsanordnung rechtswidrig sei. Die Untersuchungsanordnung verstoße hinsichtlich Art und Umfang der amtsärztlichen Untersuchung gegen die Vorgaben der Rechtsprechung. Die Begründung sei nicht ausreichend, da die Antragsgegnerin nicht berücksichtigt habe, dass die in dem Attest vom … Juli 2021 getroffenen Feststellungen durch das Attest vom … Oktober 2021 konkretisiert worden seien. Die Antragstellerin habe auf § 5 Dienstanweisung Corona Bezug genommen, wonach eine ärztliche Bescheinigung über die Einschränkungen vorzulegen sei. Zudem sei vorliegend ein anderweitiger Einsatz möglich und werde auch durchgeführt. Die Antragsgegnerin habe missachtet, dass vorrangig Präventionsmaßnahmen durchzuführen seien. Die Tätigkeit im Schlachthof sei nicht amtsangemessen. Auch der aktualisierten Arbeitsplatzbeschreibung könne nicht entnommen werden, dass Amtstierärzte und Amtstierärztinnen die Schlachttieruntersuchung geschweige denn die Fleischbeschau durchzuführen hätten. Ein Anordnungsgrund bestehe, da der Antragstellerin für den Fall der Nichtwahrnehmung des Termins die Einleitung eines Disziplinarverfahrens drohe.
Mit Telefax vom 11. November 2021 hat die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei bereits unzulässig. Im Übrigen sei er unbegründet, da die Untersuchungsanordnung rechtmäßig sei. Nach den vorgelegten Attesten habe die Antragstellerin davon ausgehen müssen, dass die Antragstellerin dienstunfähig sei. Es hätten sich erhebliche Zweifel aufgedrängt, dass die Antragstellerin die ihr zugewiesenen Tätigkeiten entsprechend der Tätigkeitsbeschreibung für Amtstierärzte und Amtstierärztinnen nicht ausüben könne. Aus der aktuellen Tätigkeitsbeschreibung ergebe sich, dass auch Tätigkeiten im Schlachthof zu den arbeitsplatzspezifischen Aufgaben der Amtstierärzte und Amtstierärztinnen gehören würden. Darüber hinaus sichere die Antragsgegnerin zu, dass bis zu einer Entscheidung über den Antrag kein Disziplinarverfahren gegen die Antragstellerin eingeleitet werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zulässig und begründet.
1. Der Antrag ist statthaft, weil es sich bei der Anordnung gegenüber einer Beamtin, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, mangels unmittelbarer Rechtswirkung nach außen nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), sondern um eine gemischt dienstlich-persönliche Weisung handelt. Die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes richtet sich daher nach § 123 VwGO (vgl. OVG RhPf, B.v. 29.10.2020 – 2 B 11161/20 – DVBl 2021, 891, juris Rn. 6).
Der Zulässigkeit des Eilantrags steht vorliegend nicht § 44a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entgegen. Nach dieser Vorschrift können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden (Satz 1); dies gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen (Satz 2).
Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5/18 – BVerwGE 165, 65, juris Rn. 19 ff.), wonach § 44a Satz 1 VwGO bei Eilanträgen gegen Anordnungen amtsärztlicher Untersuchungen eingreift, ist auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar. Zwar wird die Untersuchungsanordnung vorliegend auf die Art. 65 ff. des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) gestützt, im Vordergrund steht hier jedoch nicht die Feststellung der Dienstunfähigkeit der Antragstellerin. Vielmehr steht vor allem die Einsatzmöglichkeit der Antragstellerin im Schlachthof in Frage. Dementsprechend ist auch die Einleitung eines Ruhestandsversetzungsverfahrens nicht beabsichtigt. Dies ergibt sich aus dem Anordnungsschreiben vom … Oktober 2021. Danach soll insbesondere festgestellt werden, ob und welche Leistungseinschränkungen bei der Antragstellerin vorliegen.
Darüber hinaus stellt die Anordnung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, zwar eine behördliche Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO dar. In der hier maßgeblichen Fallkonstellation existiert jedoch keine spätere Sachentscheidung, gegen die die Antragstellerin gerichtlich vorgehen und in deren Rahmen sie sich auf die geltend gemachte Rechtswidrigkeit der Untersuchungsanordnung berufen könnte. Denn sollte der Amtsarzt bzw. die Amtsärztin – entgegen der Einschätzung des Hausarztes – von der Einsatzfähigkeit der Antragstellerin im Schlachthof ausgehen, wäre diese von Gesetzes wegen zur Verrichtung ihres Dienstes verpflichtet. Die vorliegende Konstellation unterscheidet sich daher maßgeblich von dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall, sodass der Antrag hier zulässig ist (vgl. OVG RhPf, B.v. 29.10.2020 – 2 B 11161/20 – DVBl 2021, 891, juris Rn. 7). Ansonsten wäre keine Gewährung von effektivem Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz/GG) möglich, insbesondere mit Blick auf die disziplinarrechtlichen Folgen einer Nichtbefolgung einer Untersuchungsanordnung (vgl. OVG RhPf, B.v. 29.10.2020, a.a.O., juris Rn. 12 f.).
2. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, das heißt ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, das heißt, die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Antragstellerin hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
3. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
a) Dem steht nicht entgegen, dass der Untersuchungstermin am … November 2021 bereits verstrichen ist. Denn die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin noch nicht (vorläufig) von der weiteren Befolgenspflicht freigestellt. Der Antragstellerin gegenüber könnte also gegenwärtig jederzeit ein neuer Untersuchungstermin festgesetzt werden.
b) Auch eine Erledigung ist durch das Verstreichen des Termins nicht eingetreten, da die grundlegende Anordnung vom … Oktober 2021 streitbefangen ist, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2013 – 3 CE 11.2345 – juris Rn. 18 – zur Weisung, sich einer stationären Behandlung zu unterziehen).
4. Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
a) Die Untersuchungsanordnung vom … Oktober 2021 erweist sich schon deshalb als rechtswidrig, da sie auf eine falsche Rechtsgrundlage gestützt ist. Nach der in der Anordnung angegebenen Rechtsgrundlage des Art. 65 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) ist der Beamte verpflichtet, sich nach Weisung des oder der Dienstvorgesetzten ärztlich untersuchen zu lassen, wenn Zweifel über die Dienstunfähigkeit bestehen (Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG). Die Maßnahme dient der Feststellung der Dienstunfähigkeit (Baßlsperger in: Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Juni 2021, BayBG, Art. 65 Rn. 6). Voraussetzung der Untersuchungsanordnung ist, dass sich Zweifel hinsichtlich der Dienstfähigkeit des Beamten ergeben und dass die Versetzung in den Ruhestand erwogen wird (Baßlsperger in: Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Juni 2021, BayBG, Art. 65 Rn. 6b m.w.N.).
Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin die Untersuchung der Antragstellerin zu diesem Zwecke angeordnet hätte, sind nicht ersichtlich. Vielmehr heißt es in der Untersuchungsanordnung vom … Oktober 2021, es solle festgestellt werden, ob und welche Leistungseinschränkungen vorliegen und wie sich diese ggfs. auf die Dienstfähigkeit auswirken. Unter anderem soll medizinisch geklärt werden, ob die Beamtin gesundheitlich in der Lage ist, die Tätigkeiten ihres derzeit zugewiesenen Dienstpostens vollständig auszuüben und welche Tätigkeiten derzeit nicht ausgeübt werden können. Darüber hinaus soll geklärt werden, ob Hilfsmittel zur Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit bzw. ggf. zur Beseitigung welcher Leistungseinschränkungen beitragen können. Vorliegend steht die Dienstfähigkeit der Antragstellerin hinsichtlich eines bestimmten Teilbereichs ihrer Tätigkeit – der Arbeit im Schlachthof – in Frage, nicht jedoch die Dienstfähigkeit an sich. Mit E-Mail vom *. August 2021 (Anlage ASt 2) hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, dass das Vorliegen gesundheitlicher Einschränkungen, die den konkreten Einsatz am Schlachthof ausschließen, ggfs. durch Amtsärzte / Amtsärztinnen beurteilt werden müssen. Aus diesem Grund ist die amtsärztliche Untersuchung schließlich auch angeordnet worden. Auch die von der Antragstellerin vorgelegten Atteste beziehen sich allein auf die Tätigkeit im Schlachthof und können keine Zweifel an der generellen Dienstfähigkeit der Antragstellerin begründen.
Erwägt der Dienstherr – wie hier – nicht die Versetzung des Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit, sondern soll durch die (amtsärztliche) Untersuchung die weitere Verwendungsmöglichkeit des Beamten geklärt werden, kommen § 26 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG), Art. 65 BayBG als Rechtsgrundlage für die Untersuchungsaufforderung nicht in Betracht (vgl. auch BVerwG, B.v. 23.10.1979 – 1 WB 149.78 – BVerwGE 63, 278 ff., juris Rn. 36 f. zu § 44 Abs. 3 und 4 des Soldatengesetzes/SG; OVG RhPf, B.v. 29.10.2020 – 2 B 11161/20 – DVBl 2021, 891, juris Rn. 18).
Grundlage für die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung bei Zweifeln an der Dienstfähigkeit eines Beamten, die noch nicht im Hinblick auf eine erwogene Versetzung in den Ruhestand angeordnet wird, ist vielmehr die in § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG verankerte Folgepflicht des Beamten (vgl. VG Wiesbaden, B.v. 30.9.2020 – 3 L 1061/20.WI – juris Rn. 22, zu § 62 BBG; OVG RhPf, B.v. 29.10.2020 – 2 B 11161/20 – DVBl 2021, 89, juris Rn. 18). Die Verpflichtung des Beamten, an der für die Durchführung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes erforderlichen Klärung seines eigenen Gesundheitszustandes mitzuwirken, ergibt sich aus der besonderen, dem Beamtenverhältnis innewohnenden Treuepflicht (BVerwG, B.v. 23.10.1980 – 2 A 4.78 – juris Rn. 25 m.w.N.).
Eine nachträgliche Auswechselung der in der Untersuchungsanordnung vom … Oktober 2021 angegebenen Rechtsgrundlage kommt vorliegend nicht in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat der Dienstherr schon im Zeitpunkt der Weisung sämtliche Gründe anzugeben, die zur Untersuchungsanordnung geführt haben. Genügt die Anordnung einer ärztlichen Begutachtung nicht den an sie zu stellenden Anforderungen, kann dieser Mangel nicht nachträglich im Behördenoder Gerichtsverfahren „geheilt“ werden (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17.10 – juris Rn. 21). Dies gilt nicht nur mit Blick auf die Darlegung der für die Zweifel an der Dienstfähigkeit maßgeblichen Umstände, sondern auch für die Offenlegung der einschlägigen Rechtsgrundlage. Die Behörde darf weder nach der Überlegung vorgehen, der Betroffene werde schon wissen, „worum es gehe“ (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17.10 – juris Rn. 20), noch darf sie den Beamten darüber im Unklaren lassen, „wozu“ die Untersuchung durchgeführt werden soll. Gerade mit Blick auf die regelmäßig nicht unerheblichen finanziellen Auswirkungen einer Zurruhesetzung wird es für den betroffenen Beamten von Bedeutung sein, ob mit der Untersuchung „nur“ die weitere Verwendungsmöglichkeit geklärt werden soll, oder ob der Dienstherr eine Versetzung in den Ruhestand erwägt. Dem Adressaten der Weisung ist daher nicht zuzumuten, bei einer Diskrepanz zwischen der angegebenen Rechtsgrundlage und der Begründung der Weisung die mutmaßliche Intention des Dienstherrn zu ermitteln.
b) Darüber hinaus sind die von der Antragstellerin vorgelegten Atteste auch nicht geeignet, Zweifel an ihrer Dienstfähigkeit zu begründen. Zweifel an der Dienstfähigkeit liegen vor, wenn hinreichend gewichtige tatsächliche Umstände vorliegen, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, der betreffende Beamte sei dienstunfähig (BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 2 C 68/11 – BVerwGE 146, 347 ff., juris Rn. 19). Ob die Zweifel berechtigt oder begründet sind, soll durch die Untersuchung geklärt werden. Eine auf das Amt im abstrakt-funktionellen Sinn bezogene Dienstunfähigkeit muss jedoch naheliegend sein (Baßlsperger in: Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Juni 2021, BayBG, Art. 65 Rn. 6b). Die von der Antragstellerin vorgelegten Atteste beziehen sich lediglich auf einen bestimmten Teilbereich der Tätigkeit der Antragstellerin nämlich der Tätigkeit im Schlachthof. Daraus können jedoch Zweifel an der Dienstfähigkeit der Antragstellerin an sich nicht begründet werden.
c) Ob der Einsatz der Antragstellerin am Schlachthof amtsangemessen ist, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens und kann daher dahingestellt bleiben.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
6. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG), wobei im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nur die Hälfte des Wertes eines Hauptsacheverfahrens festzusetzen ist.


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