Medizinrecht

Aufhebung einer Anstellungsgenehmigung wegen fehlender Weiterbildung

Aktenzeichen  L 12 KA 8/19

Datum:
22.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9988
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 73, § 87 Abs. 2a S. 1, § 95, § 101
SGB X § 47, § 48

 

Leitsatz

1. Rechtsgrundlage der Aufhebung einer Anstellungsgenehmigung aus Gründen, die beim Vertragsarzt zur Entziehung der Zulassung nach § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V führen, ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. (Rn. 53)
2. Ist der angestellte Arzt mangels abgeschlossener Weiterbildung nicht berechtigt, fachärztliche Leistungen zu Lasten der GKV zu erbringen, wird der mit der Anstellungsgenehmigung verbundene Versorgungsauftrag nicht erfüllt. Dies berechtigt die Zulassungsgremien zur Aufhebung der Anstellungsgenehmigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft. (Rn. 55 – 65)
1.  Rechtsgrundlage der Aufhebung einer Anstellungsgenehmigung aus Gründen, die beim Vertragsarzt zur Entziehung der Zulassung nach § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V führen, ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. (redaktioneller Leitsatz)
2.  Ist der angestellte Arzt mangels abgeschlossener Weiterbildung nicht berechtigt, fachärztliche Leistungen zu Lasten der GKV zu erbringen, wird der mit der Anstellungsgenehmigung verbundene Versorgungsauftrag nicht erfüllt. Dies berechtigt die Zulassungsgremien zur Aufhebung der Anstellungsgenehmigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft. (Redaktionelle Leitsätze) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 38 KA 962/16 2018-12-19 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgericht München vom 19.12.2018, S 38 KA 962/16, wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 1).
III. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Urteil des Sozialgerichts München sowie der Beschluss des Beklagten vom 04.10.2016 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Die mit Beschluss des ZA vom 16.11.1993 erteilte Anstellungsgenehmigung war rechtswidrig und hätte nicht erteilt werden dürfen. Die Beigeladene zu 8) verfügte nicht über eine abgeschlossene Weiterbildung auf demselben Gebiet wie der Kläger. Die Beschäftigung bei einem für ein bestimmtes Fachgebiet zugelassenen Vertragsarzt war unabhängig von den sonstigen Voraussetzungen nach dem bei Erteilung der Genehmigung geltenden Recht nur zulässig, wenn auch der zur Anstellung vorgesehene Arzt die für dieses Fachgebiet vorgeschriebene Weiterbildung durchlaufen hat und die betreffende Gebietsbezeichnung führen darf (BSG, Urteil vom 19.06.1996 – 6 RKa 84/95). Das BSG hat dazu ausgeführt, dass es mit dem System einer fachlich gegliederten ärztlichen Versorgung nicht zu vereinbaren sei, wenn der für ein bestimmtes Fachgebiet zugelassene Vertragsarzt einen angestellten Arzt beschäftige, der die für dieses Gebiet vorgeschriebene Qualifikation nicht erworben habe. Der angestellte Arzt erfülle unbeschadet seiner arbeitsrechtlichen Stellung in fachlich-medizinischer Hinsicht dieselbe Funktion wie der zugelassene Vertragsarzt, er führe die medizinische Behandlung des Patienten nicht nach Anordnung und unter Aufsicht des Vertragsarztes, sondern selbstständig in eigener Verantwortung durch. Auch die Vorschriften zur vertragsärztlichen Bedarfsplanung seien nur dann sinnvoll zu praktizieren, wenn Praxisinhaber und angestellter Arzt derselben Gebietsgruppe angehören würden. Der angestellte Arzt könne seiner Aufgabenstellung zur bedarfsgerechten Sicherstellung in dem vom Praxisinhaber vertretenen Fachgebiet nicht gerecht werden, wenn er nicht selbst in dem Fachgebiet weitergebildet sei (BSG, a.a.O.).
Eine Rücknahme der somit rechtswidrig erteilten Anstellungsgenehmigung nach § 45 SGB X scheitert aber an der in § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X vorgesehenen Frist von zwei Jahren nach der Bekanntgabe der Entscheidung.
2. Rechtsgrundlage der Entscheidung des Beklagten ist § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
Auch wenn Einigkeit darüber herrscht, dass für die Zulassungsgremien eine Möglichkeit bestehen muss, die für einen bestimmten Arzt/eine bestimmte Ärztin erteilte Anstellungsgenehmigung im Nachhinein wegen gröblicher Pflichtverletzung, Nichtausübung der Tätigkeit oder Wegfall der Eignung zu widerrufen (vgl. BSG, Urteil vom 21.03.2012 – B 6 KA 22/11 R, Rn. 29 für den Fall der Anstellung in einem MVZ nach § 95 Abs. 2 S. 7 SGB V), ist umstritten, welche Rechtsgrundlage dafür anzuwenden ist. Das SGB X bietet mit den §§ 45 – 48 SGB X allgemeine Korrekturvorschriften, die grundsätzlich auch im Vertragsarztrecht anwendbar sind, soweit nicht speziellere Regelungen entgegenstehen (so SG Marburg, Urteil vom 17.01.2014 – S 12 KA 2/13 und Ladurner, Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV, 2017, § 27 Rn. 60 und § 32b Rn. 43). Andererseits ist auch erwogen worden, die spezielleren Vorschriften zur Entziehung vertragsärztlicher Zulassungen nach § 95 Abs. 6 SGB V und § 27 Ärzte-ZV entsprechend anzuwenden, auch wenn es keine ausdrückliche gesetzliche Regelung gibt (Kremer/Wittmann, 3. Aufl. 2018, Rn. 1655; Meschke, in: Bäune/Meschke/Rothfuß, Ärzte-ZV, § 27 Rn. 63 unter Verweis auf § 1 Abs. 3 Ärzte ZV; Schallen, Ärzte-ZV, 9. Aufl. 2018, § 32b Rn. 106). Für den Fall der Verletzung der vertragsärztlichen Fortbildungspflicht im Hinblick auf den angestellten Arzt sieht § 95d Abs. 5 S. 6 SGB V vor, dass die Kassenärztliche Vereinigung einen Antrag auf Widerruf der Genehmigung der Anstellung stellt. Selbst wenn § 95d Abs. 5 S. 6 SGB V eine Zulassung des Widerrufs im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 1 SGB X darstellen würde, setzt die analoge Anwendung von § 95 Abs. 6 SGB V voraus, dass eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, die bei vergleichbarer Interessenlage die entsprechende Anwendung der Rechtsnorm erfordert, d.h. dass eine Beseitigung der Bindungswirkung der erteilten Anstellungsgenehmigung mit Wirkung für die Zukunft nicht nach den bereits bestehenden Regelungen möglich ist. Es sind bereits Zweifel an der Planwidrigkeit der Regelungslücke angebracht, weil trotz fortlaufender Änderungen und Reformen im Vertragsarztrecht keine Regelung zum Widerruf der Genehmigung zur Anstellung eines Arztes erfolgt ist. Auch die Notwendigkeit einer analogen Anwendung ist nicht gegeben, weil die Korrektur für die Zukunft mit den bestehenden Vorschriften des SGB X möglich ist. Eine Korrektur für die Vergangenheit scheidet wegen der statusbegründenden Wirkung der Anstellungsgenehmigung ohnehin aus (LSG Sachsen, Urteil vom 09.12.2015 – L 8 KA 2/13).
a) Ein Widerruf der mit Beschluss des ZA vom 16.11.1993 erteilten Genehmigung zur Anstellung von Frau A. als ganztags beschäftigte Ärztin ist nach §§ 47 Abs. 1 SGB X, 95 Abs. 9 SGB V nicht vorgesehen.
Nach § 47 Abs. 1 SGB X darf ein rechtmäßiger, begünstigender Verwaltungsakt, um den es sich bei der erteilten Anstellungsgenehmigung handelt, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, soweit
1. der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist,
2. mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
Der Widerruf der Anstellungsgenehmigung scheitert nicht daran, dass diese bereits rechtswidrig erteilt worden war. Auch ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann widerrufen werden, wenn sein Adressat sonst bessergestellt würde als derjenige eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes (BSG, Urteil vom 23.03.1988, Az. 3 RK 987 = BSGE 63, 107, 109).
Allerdings ist der Widerruf in der Anstellungsgenehmigung weder vorbehalten worden noch war mit dieser eine Auflage verbunden. Auch ist der Widerruf nicht durch Rechtsvorschrift zugelassen. Allein § 95d Abs. 5 S. 6 SGB V enthält eine Sonderregelung für den Fall des nicht erbrachten Fortbildungsnachweises für einen angestellten Vertragsarzt. § 95d Abs. 5 S. 6 SGB V geht zwar ersichtlich von der Möglichkeit des Widerrufs der Anstellungsgenehmigung aus, stellt aber selbst auch keine Zulassung des Widerrufs durch Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 1 SGB X dar (in diesem Sinne wohl SG Marburg, Urteil vom 17.01.2014 – S 12 KA 2/13).
b) Nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Auch hier steht die Rechtswidrigkeit der erteilten Anstellungsgenehmigung der Aufhebung nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X nicht entgegen (Steinwedel, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand 106. EL September 2019, § 48 SGB X Rn. 7, 25ff.).
Entscheidend ist, dass hinsichtlich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des Ausgangsbescheides im Vergleich zur aktuellen Sach- und Rechtslage eine wesentliche Änderung eingetreten ist mit der Folge, dass der Verwaltungsakt jetzt so nicht mehr erlassen werden dürfte. Bei Verwaltungsakten, die von Anfang an rechtwidrig waren, liegt eine wesentliche Änderung vor, wenn sich – die falsche frühere Subsumtion als richtig unterstellt – jetzt eine andere Rechtsfolge ergäbe (Merten, in: Hauck/Noftz, SGB, 11/18, § 48 SGB X, Rn. 24). Den der vertragsärztlichen Zulassung und Anstellungsgenehmigung nach § 95 SGB V immanenten Besonderheiten kann dadurch Rechnung getragen werden, dass die Tatbestände, die nach § 95 Abs. 6 SGB V zur Zulassungsentziehung führen, als wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X behandelt werden. Damit wird auch der vom Gesetzgeber offenbar vorausgesetzten Korrekturmöglichkeit für eine Anstellungsgenehmigung bei Vorliegen von Gründen nach § 95 Abs. 6 SGB V entsprochen, ohne dass auf die mangels Planwidrigkeit schwer zu begründende analoge Anwendung von § 95 Abs. 5 S. 6 SGB V zurückgegriffen werden muss.
2. Die Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit, bedingt durch die rechtliche Unmöglichkeit zur Erbringung vertragsärztlicher Leistungen durch die Beigeladene zu 8), erfüllt die Voraussetzungen für eine Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 Abs. 6 SGB V und berechtigt damit zum Widerruf der mit Beschluss des ZA vom 16.11.1993 erteilten Anstellungsgenehmigung.
Die Beigeladene zu 8) erbringt nach den vom Kläger bei der Beigeladenen zu 1) eingereichten Abrechnungen seit dem Quartal 1/2014 keine vertragsärztlichen Leistungen. Sofern die Beigeladene zu 8) fachärztliche Leistungen für gesetzlich krankenversicherte Patienten erbringen sollte, die unter der LANR des Klägers bei der Beigeladenen zu 1) abgerechnet würden, wäre dies unbeachtlich, denn die Beigeladene zu 8) ist aus Rechtsgründen nicht berechtigt, ärztliche Leistungen für gesetzlich krankenversicherte Personen innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen.
a) Mit der Anstellungsgenehmigung werden dem zugelassenen Vertragsarzt die vom angestellten Arzt erbrachten Leistungen als persönlich erbrachte Leistungen zugerechnet (§ 15 Abs. 1 S. 2 BMV-Ä). Die Anstellungsgenehmigung ist mit der Erteilung eines Versorgungsauftrages verbunden und wird bedarfsplanungsrechtlich bei einer Vollzeit-Anstellung mit dem Anrechnungsfaktor 1,0 in der Bedarfsplanung berücksichtigt (§ 101 Abs. 1 S. 6 SGB V, §§ 17, 21 Abs. 3, 58 Abs. 2 Bedarfsplanungsrichtlinie-Ärzte). Der zugelassene Vertragsarzt hat die bei ihm angestellten Ärzte zur Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten anzuhalten (Hannes, in: Hauck/Noftz, SGB, 06/17, § 95 SGB V, Rn. 216), zu denen auch die Pflicht zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 Abs. 3 SGB V im Umfang der erteilten Anstellungsgenehmigung gehört. Das bedeutet, dass der zugelassene Vertragsarzt verpflichtet ist, für die Ausfüllung des mit der Anstellungsgenehmigung verbundenen Versorgungsauftrages durch den angestellten Arzt Sorge zu tragen. Hierzu gehört u.a. die Sprechstundenverpflichtung in entsprechender Anwendung von § 17 Abs. 1a BMV-Ä (Altmiks, in: Schiller (Hrsg.), Bundesmantelvertrage Ärzte, 2014, § 17 Rn. 10), nach der die Beigeladene zu 8) für mindestens 20 Stunden Sprechstundenzeit zur Verfügung stehen müsste.
Daraus folgt für den Kläger, dass es in seiner Verantwortung liegt, dass der mit der Anstellungsgenehmigung vom 16.11.1993 übertragene volle Versorgungsauftrag für das nervenärztliche Fachgebiet auch erfüllt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 28.09.2016 – B 6 KA 1/16 – Rn. 30 juris) persönlich nur einen Versorgungsauftrag erfüllen kann und darf. Er ist also rechtlich nicht in der Lage, den mit der Anstellungsgenehmigung vom 16.11.1993 verbundenen Versorgungsauftrag zusätzlich zu dem mit seiner Zulassung erteilten Versorgungsauftrag zu erfüllen.
b) Die Beigeladene zu 8) ist rechtlich nicht mehr in der Lage, den aus der Anstellungsgenehmigung resultierenden Versorgungsauftrag zu erfüllen.
Mit dem EBM2000plus ist zum 01.04.2005 eine strikte Trennung der hausärztlichen und fachärztlichen Versorgung vorgenommen worden. Dies entspricht der aus § 73 Abs. 1 SGB V, § 87 Abs. 2a Satz 1 SGB V (§ 87 Abs. 2a Satz 5 SGB V in der vom 01.01.2004 bis 31.03.2007 geltenden Fassung) resultierenden Vorgabe, dass alle im EBM-Ä aufgeführten Leistungen in Leistungen der hausärztlichen Versorgung und Leistungen der fachärztlichen Versorgung zu gliedern sind und Leistungen der hausärztlichen Versorgung nur von den an der hausärztlichen Versorgungen teilnehmenden Ärzten und Leistungen der fachärztlichen Versorgung nur von den an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten, gegliedert nach Fachgruppen, abgerechnet werden dürfen.
Die Berechtigung zur Abrechnung von Leistungen nach dem EBM-Ä beinhaltet auch deren Berechtigung zur Erbringung der Leistungen innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 09.04.2008 – B 6 KA 40/07). Das bedeutet, dass der Vertragsarzt innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung zur Leistungserbringung nur insoweit berechtigt ist, als er diese nach dem EBM-Ä auch abrechnen kann. Gleiches gilt auch für den angestellten Arzt, auch dieser ist zur Leistungserbringung nur insoweit berechtigt, als er die im EBM-Ä geregelten Abrechnungsvoraussetzungen erfüllt.
Anders als in dem bis zum Quartal 1/2005 geltenden EBM-Ä ist die Abrechnung von arztgruppenspezifischen Leistungen seit dem Quartal 2/2005 nur für diejenigen Vertragsärzte gestattet, in deren Gebiet die jeweilige GOP fällt. Die neurologischen Leistungen nach Abschnitt III.16 EBM-Ä und die psychiatrischen und psychotherapeutischen Leistungen nach Abschnitt III.21 EBM-Ä können nach jeweils Ziffer 1. der Präambel nur von Fachärzten für Neurologie, Nervenheilkunde sowie Neurologie und Psychiatrie berechnet werden. Da die Beigeladene zu 8) die notwendige Weiterbildung für eine dieser Facharztbezeichnungen nicht absolviert hat, ist sie von der Erbringung und Abrechnung dieser Leistungen ausgeschlossen.
Auch die arztgruppenübergreifenden allgemeinen Leistungen können von ihr nicht erbracht und abgerechnet werden. Denn nach der Präambel zu Abschnitt II. ist die Möglichkeit zur Berechnung dieser Leistungen für die in den Präambeln zu einem arztgruppenspezifischen Kapitel genannten Vertragsärzte grundsätzlich nur gegeben, wenn sie in der Präambel des arztgruppenspezifischen Kapitels auch aufgeführt sind. Danach ist für die Erbringung und Abrechnung dieser Leistungen ebenfalls die Facharztanerkennung Voraussetzung.
Gleiches gilt für die arztgruppenübergreifenden speziellen Leistungen, die nach Abrechnungsvoraussetzungen zu den Leistungen des Abschnitts IV. die Facharztanerkennung fordern.
Die Beigeladene zu 8) ist somit mangels einer Facharztanerkennung von der Erbringung sämtlicher Leistungen nach dem EBM-Ä ausgeschlossen und der Kläger ist nicht berechtigt, von der Beigeladenen zu 8) erbrachte Leistungen gegenüber der Beigeladenen zu 1) abzurechnen. Damit ist die Beigeladene zu 8) nicht fähig, den mit der Anstellungsgenehmigung verbundenen Versorgungsauftrag auf nervenärztlichem Fachgebiet zu erfüllen. Daraus ergibt sich zum einen, dass die Genehmigung zur Anstellung der Beigeladenen zu 8) wegen der fehlenden Möglichkeit, Leistungen innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung zur erbringen und den mit der Genehmigung verbundenen Versorgungsauftrag zu erfüllen, zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung des Beklagten nicht mehr hätte erteilt werden dürfen. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse liegt damit vor.
Zum anderen ergibt sich aus der fehlenden Berechtigung zur Leistungserbringung auch die Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit im Sinne des § 95 Abs. 6 S. 1 SGB V. Dem Kläger steht auch keine rechtlich zulässige Möglichkeit offen, bei unveränderter Sachlage den mit der Anstellungsgenehmigung verbundenen weiteren Versorgungsauftrag zu erfüllen.
c) Die von der Klägerseite vorgetragenen Zuarbeiten der Beigeladenen zu 1) umfassen im Wesentlichen delegationsfähige Leistungen nach der Delegations-Vereinbarung (Anlage 24 BMV-Ä), die nicht geeignet sind, den Versorgungsauftrag zu erfüllen. Soweit die Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1) über diesen Bereich delegationsfähiger Leistungen hinausgehen würden, wäre dies von den Regelungen zur Erbringung und Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen nicht mehr gedeckt.
d) Die vom Kläger vorgetragenen Gründe für eine Berücksichtigung von Vertrauensschutz stehen einer Aufhebung der Anstellungsgenehmigung mit Wirkung für die Zukunft nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X nicht entgegen. Die Aufhebung für die Zukunft nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ohne Berücksichtigung von Vertrauensschutzgründen zulässig und im hier zu entscheidenden Fall auch nicht unverhältnismäßig. Die Beigeladene zu 1) hat den Kläger erstmals im Jahr 2009 darauf hingewiesen, dass eine weitere Tätigkeit der Beigeladenen zu 8) im vertragsärztlichen System nicht möglich ist. Der Kläger hatte bis zur Entscheidung des Beklagten im Jahr 2016 über 7 Jahre Zeit, sich durch die Anstellung eines anderen Arztes oder durch die Veranlassung der Weiterbildung der Beigeladenen zu 8) auf diese Rechtslage einzustellen. Wenn er dies in der Überzeugung von einer anderen Rechtslage nicht tut, begründet dies keinen Vertrauensschutz und keine Unverhältnismäßigkeit.
Die vom Kläger vorgetragenen eigenen Interessen an einem Erhalt der Anstellungsgenehmigung führen zu keiner anderen Beurteilung. Das Interesse, Plausibilitätsprüfungen wegen auffälligem Zeitaufwandes nach § 106d Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V wegen des Ansatzes eines Zeitaufwandes für zwei Vertragsärzte zu entgehen, ist nicht schützenswert. Denn wenn die Beigeladene zu 8) mangels abgeschlossener Weiterbildung im Fachgebiet des Klägers nicht berechtigt ist, fachärztliche Leistungen zu erbringen, muss der Kläger allein sämtliche fachärztlichen Leistungen, soweit es sich nicht um delegationsfähige Leistungen handelt, die bereits bei der Vorgabe der Prüfzeiten nach Anlage 3 EBM berücksichtigt werden, erbringen. Soweit hiermit der Zeitaufwand von 12 Stunden pro Tag bzw. 780 Stunden pro Monat nach der § 8 Abs. 4 der Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen nach § 106d Abs. 6 SGB V (Abrechnungsprüfungs-Richtlinien) überschritten wird, steht einer eingehenden Prüfung der Einhaltung der vertragsärztlichen Vorgaben für die Leistungserbringung nichts entgegen.
Die vom Kläger erwarteten Vorteile bei der Honorarverteilung bedingen kein schützenswertes Interesse des Klägers. Wie die Beigeladene zu 1) bereits zutreffend unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 28.09.2016 – B 6 KA 1/16 R – Rn. 30 juris) vorgetragen hat, kann und darf ein Arzt nur einen vollen Versorgungsauftrag erfüllen. Damit kann der Kläger auch im Rahmen der Honorarverteilung keinen Anspruch haben, mit seinem eigenem und dem nicht ausgefüllten Versorgungsauftrag der Beigeladenen zu 8) berücksichtigt zu werden.
Auch die vorgetragene „Einzelkonstellation“ begründet keine andere Beurteilung, da diese allein der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage und der Verfahrensdauer geschuldet ist.
Soweit ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Klägers, der auch nach Aufhebung der Genehmigung zur Anstellung der Beigeladenen zu 8) weiterhin zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt ist, überhaupt vorliegen würde, wäre dieser jedenfalls durch Gemeinwohlbelange wie der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, fachlich gegliederten ärztlichen Versorgung der gesetzlich krankenversicherten Patienten gerechtfertigt.
3. Ein Eingriff in die Grundrechte der Beigeladenen zu 8) liegt nicht vor. Die Beigeladene zu 8) ist durch die Erteilung der Anstellungsgenehmigung und deren Widerruf möglicherweise in ihren persönlichen und beruflichen, nicht aber in ihren rechtlichen Interessen berührt.
Die Möglichkeit zur Anstellung ist als Recht des zugelassenen Praxisinhabers, nicht aber als Recht des anzustellenden Arztes ausgestaltet (BSG, Urteil vom 19.06.1996 – 6 RKa 84/95, und vom 11.12.2013 – B 6 KA 39/12 R). § 32b Ärzte-ZV ist als ausschließliches Recht des Praxisinhabers ausgestaltet, weshalb die Versagung der Anstellungsgenehmigung ebenso wie der Widerruf der Anstellungsgenehmigung keinen Eingriff in die Grundrechte der Beigeladenen zu 8) darstellt (BSG, Urteil vom 19.06.1999 – 6 RKa 84/95). Zu berücksichtigen ist, dass die Beigeladene zu 8) auch ohne die Aufhebung der Genehmigung von jeglicher Erbringung ärztlicher Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen ist und die Aufhebung der Genehmigung zur Anstellung diesen Ausschluss von der Leistungserbringung nur zulassungsrechtlich nachvollzieht. Selbst wenn in der Aufhebung der Genehmigung zur Anstellung der Beigeladenen zu 8) ein Eingriff in die Grundrechte der Beigeladenen zu 8) liegen würde, wäre dieser ebenso wie ein etwaiger Eingriff in Grundrecht des Klägers durch Gemeinwohlbelange wie die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, fachlich gegliederten ärztlichen Versorgung der gesetzlich krankenversicherten Patienten gerechtfertigt.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
III.
Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, welche Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Genehmigung zur Anstellung heranzuziehen ist, nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.


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