Medizinrecht

Ausnahmegenehmigung, Verwaltungsgerichte, Dienstleistungen, Einstweilige Anordnung, Verordnungsgeber, Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis, Antragsgegner, Einstweiliger Rechtsschutz, Antragstellers, Vorwegnahme der Hauptsache, Anordnungsanspruch, Festsetzung des Streitwerts, Streitwertbeschwerde, Streitwertanhebung, Streitwertkatalog, Effektiver Rechtsschutz, Planwidrige Regelungslücke, Summarische Prüfung, Untersagung des Betriebs, Prozeßkostenhilfeverfahren

Aktenzeichen  RN 5 E 21.323

Datum:
3.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 4104
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayIfSMV § 13 Abs. 1 der 11.
BayIfSMV § 27 Abs. 2 der 11.
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
VwGO § 123

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt eine Ausnahmegenehmigung für die Öffnung seiner Gaststätte.
Der Antragsteller betreibt eine Gaststätte unter der Bezeichnung „…“ in der … in … Nach § 13 Abs. 1 der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmeverordnung – 11. BaylfSMV – vom 15. Dezember 2020 (BayMBI. 2020, Nr. 737), zuletzt geändert am 24.2.2021 (BayMBl. 149) sind Gastronomiebetriebe jeder Art einschließlich Betriebskantinen vorbehaltlich der Abs. 2 und 3 untersagt. Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 der 11. BayIfSMV sind die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken zulässig. Ein Verzehr vor Ort ist bei der Abgabe von Speisen und Getränken untersagt, § 13 Abs. 2 Satz 2 der 11. BayIfSMV.
Mit Bescheiden vom 12.2.2021 und 9.2.2021 der IHK für München und Oberbayern wurde dem Antragsteller Novemberhilfe i.H.v. 8.026,69 Euro und Dezemberhilfe i.H.v. 9.454,30 Euro bewilligt.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 24.2.2021, bei Gericht eingegangen am 25.2.2021, ließ der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz ersuchen.
Zur Begründung ließ der Antragsteller vortragen, dass die vorläufige Außervollzugsetzung von den die Gastronomie betreffenden Regelungen der aktuellen 11. BayIfSMV begehrt werde. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Betrieb der Gastronomie. Die Anspruchsgrundlage ergebe sich aus einer entsprechenden analogen Anwendung der Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 der BaylfSMV. Die Voraussetzungen einer Analogie würden vorliegen. Es bestehe eine planwidrige Regelungslücke sowie eine vergleichbare Interessenlage. Die Planwidrigkeit der Regelungslücke ergebe sich daraus, dass § 13 Abs. 1 BaylfSMV keine dem Ausnahmetatbestand des § 12 Abs. 1 Satz 2 BaylfSMV vergleichbare Regelung vorsehe. Die zulässige Abgabe von Speisen und Getränken aus § 13 Abs. 2 BaylfSMV stelle schon keine vergleichbare Ausnahmeregelung dar, weil die Öffnung des Betriebes gleichwohl untersagt bleibe, sodass eine Bewirtung von Gästen gar nicht möglich sei. Die vergleichbare Interessenlage liege dadurch vor, dass die Betriebe, die unter § 13 Abs. 1 BaylfSMV fallen würden, ihren Betrieb ebenso unter den genannten Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 bis 4 BaylfSMV betreiben könnten. Die Hygieneanforderungen habe der Antragsteller bereits in einem Konzept nicht nur nach den allgemeinen Regelungen des § 1 BaylfSMV umgesetzt. Die auf die Verordnung gestützte Schließung in § 13 Abs. 1 der 11. BaylfSMV sei damit rechtswidrig. Eine Versagung der begehrten Öffnung würde letztlich auch dem grundgesetzlich verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) widersprechen. Insbesondere liege ein ungerechtfertigter Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und ein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach Art. 14 Abs. 1 GG vor. Das Verbot der Öffnung des Betriebs gemäß § 13 Abs. 1 der 11. BaylfSMV stelle eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG dar. Im Vergleich zu den Dienstleistungsbetrieben ausweislich § 12 Abs. 1 der 11. BaylfSMV dürften die Betriebe nach § 13 Abs. 1 der 11. BaylfSMV ihren Betrieb nicht öffnen. Für die Friseurbetriebe sei ebenfalls bereits eine Öffnung ab dem 1.3.2021 beschlossen worden. Darin liege eine Ungleichbehandlung. Diese sei nicht verhältnismäßig, sondern erfolge vielmehr willkürlich, eine gerechtfertigte Differenzierung bestehe bereits nicht.
Er ließ beantragen,
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller die Öffnung seiner Gasstätte ab dem 01.03.2021 per Ausnahmegenehmigung zu gewähren; hilfsweise unter Anordnung verschärfter Hygienemaßnahmen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
Zur Begründung trug die Antragsgegnerin vor, dass ein Anordnungsanspruch nicht vorliege. Die Regelung des § 13 der 11. BayIfSMV enthalte keine Erlaubnis- oder Befreiungsvorbehalt, sodass sich die begehrte Ausnahmegenehmigung auf Öffnung der Gaststätte im Einzelfall nur auf § 27 Abs. 2 Satz 1 der 11. BayIfSMV stützen könnte. Der Antragsteller habe bislang keine Ausnahmegenehmigung zur Öffnung der Gaststätte bei hiesiger Kreisverwaltungsbehörde beantragt und folglich sei auch keine Verfügung ergangen. Hinsichtlich des Antrags nach § 123 VwGO fehle es insoweit an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Eine planwidrige Regelungslücke liege nicht vor. Der Gesetzgeber habe nicht vergessen, ein Ausnahmetatbestand für die Untersagung des Gastronomiebetriebes vorzusehen. Wie die aktuellen Erklärungen der Politik ersehen lassen würden, habe man sich bewusst dazu entschieden, gezielt nur bestimmte Bereiche des Handels und der Dienstleistungen wieder zuzulassen. Eine zu den ab 1. März zugelassenen Handels- und Dienstleistungsbetrieben vergleichbare Lage der Gastronomie liege nicht vor. Insbesondere im Vergleich mit Friseurbetrieben liege (auch bei Einhaltung von Hygienemaßnahmen) keine Vergleichbarkeit in Bezug auf die infektionsschutzrechtliche Bedenklichkeit vor, ebenso sei keine Vergleichbarkeit gegeben in Bezug auf die eine bevorzugte Öffnung rechtfertigende Bedeutung der Wirtschaftszweige für die Allgemeinheit. Die Öffnung der ab 1. März zulässigen Dienstleistungsbetriebe rechtfertige sich zudem nach einer Interessenabwägung damit, dass ein gesteigertes Bedürfnis der Allgemeinheit an diesen Dienstleistungen bestehe. Die Versagung der Öffnung von Gastronomiebetrieben sei nicht unverhältnismäßig. Die Untersagung des Betriebes diene dem Schutz der überragend wichtigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit. Wirtschaftliche Interessen hätten dahinter grundsätzlich zurückzutreten. Für die Zeit bis zur Wiedereröffnung der Gastronomie gebe es zum einen die Möglichkeit, Einnahmen über den Verkauf von Essen zum Mitnehmen zu erzielen, zum anderen würden gerade im Bereich der Gastronomie erhebliche Wirtschaftshilfen gewährt werden. Was die Gastronomie in Bayern betreffe, hätten durch das Wirtschaftsministerium und die IHK bis zum 12.2.2021 insgesamt weit über 1 Milliarde Euro an Unterstützung an die bayerischen Gastwirtinnen und Gastwirte sowie die Tourismus- und Hotelbranche ausbezahlt werden können. Soweit der Antragsteller vortrage, dass in seinem individuellen Fall eine Existenzgefährdung gegeben sei, sei schon nichts Genaueres dazu vorgetragen, inwieweit ein direkter Zusammenhang mit der coronabedingten Betriebsschließung bestehe. Unter Berücksichtigung der vorgetragenen Zahlen errechne sich für den Antragsteller ein Höchstminusbetrag im Vergleich zu den üblichen Umsätzen in Höhe von 3270,71 Euro. Die laufenden Betriebskosten seien nach eigenen Angaben des Antragstellers abgedeckt, wenn auch nur deshalb, weil er Zahlungsverpflichtungen stunden bzw. reduzieren habe können. Eine berücksichtigungsfähige Existenzgefährdung sei nicht zu erkennen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 26.2.2021 wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass das Gericht nach Auslegung seines Antrags (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) davon ausgehe, dass der Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutz ausschließlich die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die Öffnung seiner Gaststätte begehre. Sofern der Antragsteller mit seinem Antrag das Ziel verfolge, § 13 Abs. 2 der 11. BayIfSMV vorläufig außer Vollzug zu setzen, so wäre ein solches Begehr mittels eines Antrags nach § 47 Abs. 6 VwGO an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu richten. Mit Schreiben vom 26.2.2021 ließ der Antragsteller mitteilen, dass sich der Antrag ausschließlich auf eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung im einstweiligen Rechtsschutz richte.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 1.3.2021 wurde der Antragsteller daraufhin gewiesen, dass dem Antragsteller wohl das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis mangels einem bei der Stadt Landshut zuvor gestellten Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung fehlen dürfte.
Mit einem auf den 1.3.2021 datierten Schreiben stellte der Antragsteller einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung bei der Stadt Landshut. Über den Antrag wurde noch nicht entschieden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat mangels Begründetheit keine Aussicht auf Erfolg. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahren zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Unstatthaft und damit unzulässig ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 5 VwGO, wenn vorläufiger Rechtsschutz nach den § 80 und 80a VwGO zu suchen ist, wenn also in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft ist.
Ferner ist der Antrag auf Erlass auch nur dann zulässig, wenn sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) geltend gemacht sind, d.h. nach dem Vortrag des Antragstellers muss das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes zumindest als möglich erscheinen. Diese Voraussetzung entspricht somit der Klagebefugnis im Hauptsacheverfahren.
Begründet ist ein Antrag, wenn Anordnungsanspruch und -grund zudem glaubhaft gemacht sind, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 1 und 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO). Dies ist dann der Fall, wenn aufgrund einer summarischen Prüfung das Vorliegen der Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Satz 1 oder 2 VwGO überwiegend wahrscheinlich ist (BayVGH, B. v. 16.8.2010 – 11 CE 10.262 – juris Rn. 20 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123, Rn. 23).
Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend darf das Gericht dabei grundsätzlich nur die zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes notwendigen Maßnahmen anordnen. Soweit, wie vorliegend, mit der begehrten Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung eine, wenngleich auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, Vorwegnahme der Hauptsache verbunden ist, kann einem Eilantrag nach § 123 Abs. 1 VwGO nur stattgegeben werden, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG dringend erforderlich ist. Dies setzt neben einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache schwere und unzumutbare Nachteile des Antragstellers voraus, die im Falle einer Verweisung auf das Hauptsacheverfahren nachträglich nicht mehr zu beseitigen wären (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123, Rn. 14 m.w.N.). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
1. Das für den Antrag nach § 123 VwGO erforderliche Rechtsschutzbedürfnis liegt vor.
Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, das auch für die Zulässigkeit eines Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderlich ist, ist in der Regel zu verneinen, wenn sich der den Antragsteller vor der Anrufung des Gerichts noch nicht an die zuständige Verwaltungsbehörde gewandt und noch keinen entsprechenden Antrag bei der Behörde gestellt hat (HK-VerwR/Achim Bostedt, 5. Aufl. 2021, VwGO § 123 Rn. 30 m.w.N.; VG Würzburg, B. v. 21.10.2019 – W 10 E 19.1318 – BeckRS 2019, 27189).
Die behördliche Vorbefassung, die auch bei der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zu fordern ist, umfasst als Voraussetzung, um gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu können, grundsätzlich nur die Antragstellung bei der Behörde als solche. Wartet der Antragsteller nicht die für die behördliche Prüfung und Bearbeitung angemessene Zeitspanne ab, bevor er sich an das Verwaltungsgericht wendet, und erfüllt die Behörde sein Auskunftsbegehren alsbald während des gerichtlichen Verfahrens, trägt er im Falle übereinstimmender Erledigung die Kosten. Das Prozessrecht knüpft, wenn die Behörde befasst worden ist, an eine voreilige Inanspruchnahme gerichtlichen (Eil-)Rechtsschutzes nicht die – von der dann ergehenden behördlichen Entscheidung unabhängige – Sanktion der Unzulässigkeit des Antrags. Vielmehr macht die in § 156 VwGO getroffene Kostenregelung für den Fall des sofortigen Anerkenntnisses deutlich, dass der Antragsteller lediglich das Kostenrisiko für eine vorschnelle und im Ergebnis unnötige Befassung des Verwaltungsgerichts trägt (BVerwG, Beschluss vom 11.4.2018 – 6 VR 1/18 – NVwZ 2018, 902).
Ausgehend hiervon ist es ausreichend, dass der Antragsteller den Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung am 1.3.2021, mithin während des gerichtlichen Eilverfahrens, gestellt hat.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Antragsteller hat schon das Bestehen eines Anordnungsanspruchs nicht in dem für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Maß an Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Es lässt sich bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht feststellen, dass der Antragsteller, der eine Ausnahmegenehmigung von der gemäß § 13 Abs. 1 der 11. BayIfSMV angeordneten Untersagung von Gastronomiebetrieben begehrt, gegenüber der Antragsgegnerin einen entsprechenden Anspruch mit Erfolg geltend machen kann. Es handelt sich um keine vom Regelfall der Untersagung von Gastronomiebetrieben abweichende Fallgestaltung, da kein atypischer Sachverhalt vorliegt. Überdies wäre keine Ermessensreduzierung auf Null erkennbar.
a) Gemäß § 13 Abs. 1 der 11. BayIfSMV ist die Öffnung von Gastronomiebetrieben untersagt. Es handelt es sich dabei um eine für Gastronomiebetriebe gegenüber der Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV spezielle Regelung.
Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 der 11. BayIfSMV können von Maßnahmen nach der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung auf Antrag Ausnahmen zugelassen werden, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist.
Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gem. § 27 Abs. 2 Satz 1 der 11. BayIfSMV, die im Ermessen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde steht, setzt aus Sicht der entscheidenden Kammer zunächst voraus, dass ein besonderer Ausnahmefall von der allgemeinen Regelung vorliegt, es sich mithin um einen atypischen Einzelfall handelt, der aufgrund besonders gelagerter Umstände bzw. wenn es damit einhergehend infektionsschutzrechtlich vertretbar ist, eine entspreche Ermessensentscheidung erfordert.
Zwar stellt der Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 1 der 11. BayIfSMV nicht unmittelbar auf das Vorliegen eines atypischen Einzelfalls ab, anders als etwa die Regelung des § 7 Abs. 9 Satz 1 der Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie des Saarlandes, die ausdrücklich einen atypischen Einzelfall fordert. Aus Sicht des Gerichts entspricht es aber dem Wesen eines Ausnahmefalls, dass eine Konstellation vorliegt, die sich vom abstrakt-generellen Regelungszweck der Norm, von der eine Ausnahme begehrt wird, abgrenzt, da sonst nicht zu erkennen wäre, worin eine Ausnahme liegen sollte. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ist letztlich daher für besondere Fallgestaltungen vorgesehen, die von einer Regelung erfasst sind, obwohl diese vom Normgeber bei Betrachtung der maßgeblichen Umstände wohl davon ausgenommen worden wären. Die auftretenden Belastungen können daher auch nur dann eine Ausnahmeentscheidung rechtfertigen, wenn sie über diejenigen Belastungen und Einschränkungen hinausgehen, die der Verordnungsgeber bei Verordnungserlass bereits als zumutbar und verhältnismäßig angesehen hat und von denen nicht alle Regelungsadressaten in gleicher Weise betroffen sind.
Das Erfordernis einer atypischen Fallgestaltung hängt insoweit eng mit dem Merkmal der infektionsschutzrechtlichen Vertretbarkeit zusammen. Denn hier kann nicht die Kreisverwaltungsbehörde ungeachtet der Wertungen des Normgebers eigene Maßstäbe ansetzen, sondern hat zu beachten, was der Verordnungsgeber infektionsschutzrechtlich für vertretbar hält, da andernfalls über das Instrument der Ausnahmegenehmigung die Wertungen des Verordnungsgebers unterlaufen werden könnten (vgl. VG Regensburg, B. v. 24.2.2021 – RO 5 E 21.170 – noch nicht veröffentlicht).
b) Vor diesem Hintergrund ist die Schließung von Gastronomiebetrieben typischerweise und regelhaft mit der Verbotsnorm des § 13 Abs. 1 der 11. BayIfSMV bezweckt.
(1) Es liegt bei dem Antragsteller bereits keine Konstellation vor, die sich vom abstrakt-generellen Regelungszweck des § 13 Abs. 1 der 11. BayIfSMV abgrenzt.
Der Antragsteller hat keine individuellen Umstände glaubhaft gemacht, die das Vorliegen eines atypischen Einzelfalls begründen könnten. Die Ausführungen des Antragstellers beschränken sich zum Beleg seiner Existenzbedrohung im Wesentlichen darauf, dass er infolge der vorzeitigen Schließung im November und Dezember 2020 erhebliche Umsatzeinbußen von insgesamt 20.751,70 Euro erlitten habe, sowie auf ein Missverhältnis von Ausgaben und Einnahmen. Die vorgetragenen Belastungen durch das Verbot des regulären Gaststättenbetriebs gehen jedoch nicht über diejenigen Belastungen und Einschränkungen hinaus, die der Verordnungsgeber bei Verordnungserlass bereits als zumutbar und verhältnismäßig angesehen hat und von denen alle Regelungsadressaten in gleicher Weise betroffen sind. Das Erteilen einer Ausnahmegenehmigung würde eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Gastronomiebetrieben darstellen. Eine individuelle Rechtfertigung für eine solche Ungleichbehandlung hat der Antragsteller nicht dargetan. § 27 Abs. 2 der 11. BayIfSMV dient jedoch der Berücksichtigung individueller Besonderheiten.
Besonders gelagerte Umstände aufgrund des Einwands des Antragstellers, dass die mit Bescheid vom 12.2.2021 bewilligte Novemberhilfe noch nicht in voller Höhe an den Antragsteller ausbezahlt worden sei, sind nicht ersichtlich. Der Einwand des Antragstellers, dass er ein vollumfängliches Schutz- und Hygienekonzept erstellt habe, ist ebenfalls nicht zielführend. Das Vorhandensein sowie die Umsetzung eines Hygiene- und Schutzkonzepts ist gerade zwingende Voraussetzung für alle Handels- und Dienstleitungsbetriebe sowie Märkte, die gem. § 12 der 11. BayIfSMV öffnen dürfen. Ein besonders gelagerter Einzelfall wird dadurch nicht begründet.
(2) Ungeachtet dessen, dass es sich bei der Konstellation des Antragstellers bereits um einen atypischen Ausnahmefall handeln müsste, was – wie dargelegt – nicht der Fall ist, wäre überdies eine infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit erforderlich, § 27 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 der 11. BayIfSMV (vgl. VG Regensburg, B. v. 24.2.2021 – RO 5 E 21.170 – noch nicht veröffentlicht; VG Augsburg, B. v. 20.11.2021 – Au 9 E 21.91 – BeckRS 2021, 1961). Eine solche ist vorliegend nicht gegeben.
Für die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit wäre erforderlich, dass eine Individualausnahme keinen signifikanten Beitrag zum Infektionsgeschehen leistet und dabei wäre auch das Ausmaß des Infektionsgeschehens insgesamt in den Blick zu nehmen (vgl. VG Regensburg, B. v. 24.2.2021 – RO 5 E 21.170 – noch nicht veröffentlicht).
Die Untersagung von Gastronomiebetrieben in § 13 Abs. 1 der 11. BayIfSMV dient in Ansehung der aktuellen Coronavirus-Pandemie dem in § 1 Abs. 1 des der Verordnung zugrundeliegenden Infektionsschutzgesetzes – IfSG – umschriebenen Zweck, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. Ziel der Verordnung ist namentlich der Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit, zu dem der Staat prinzipiell auch kraft seiner grundrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG angehalten ist. Die Untersagung von Gastronomiebetrieben soll die Kontaktreduzierung in einem kontaktintensiven Bereich bezwecken, wobei angesichts des intensiven Infektionsgeschehens eine begrenzte Öffnung unter Beachtung von Schutz- und Hygienekonzepten nicht als ausreichend erachtet wird, was in der gegenwärtigen Lage nicht zu beanstanden ist (vgl. BayVGH, B. v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris Rn. 40). Hieran ändert daher auch das vom Antragsteller vorgelegte Schutz- und Hygienekonzept nichts.
Die Betriebsbeschränkungen beruhen auf der Erwägung, dass ein ganz erheblicher Teil der für das Infektionsgeschehen relevanten sozialen Kontakte von vorneherein verhindert werden muss, und dass diese Verhinderung neben den ganz erheblichen Beschränkungen von Kontakten im privaten Bereich am gemeinwohlverträglichsten durch Verbote und Beschränkungen in den Bereichen Freizeit, Sport und Unterhaltung erreicht werden kann (vgl. OVG Saarland, B. v. 11.2.2021 – Az. 2 B 32/2 – für die dortige Rechtslage). Immer dann, wenn Menschen aufeinandertreffen, besteht das Risiko einer Ansteckung. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die exponentiell verlaufende Verbreitung des besonders leicht im Wege der Tröpfcheninfektion und über Aerosole von Mensch zu Mensch übertragbaren Virus voraussichtlich nur durch eine strikte Minimierung der physischen Kontakte zwischen den Menschen eingedämmt werden kann (vgl. BayVGH, B. v. 15.12.2020 – 20 NE 20.2526 – juris Rn. 17).
Anlass für die aktuelle Verordnung zur Änderung der 11. BayIfSMV vom 12. Dezember 2021, bei der die Untersagung von Gastronomiebetrieben nicht angetastet worden ist, ist ausweislich der entsprechenden Begründung „die Zuspitzung des sich bereits auf sehr hohem Niveau befindlichen Infektionsgeschehens (vgl. Begründung der 11. BayIfSMV vom 15. Dezember 2020, BayMBl. 2020 Nr. 738). Nach dem täglichen Lagebericht des Robert-Koch-Instituts – RKI – vom 1.3. 2021 ist nach wie vor eine hohe Anzahl an Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein (abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2021/2021-03-01-de.pdf? blob=publicationFile; so auch schon im Situationsbericht des RKI vom 21.2.2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Feb_2021/2021-02-21-de.pdf? blob=publicationFile). Nach der aktuellen Risikobewertung des RKI (Stand 12.2.2021, vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html) ist die Dynamik der Verbreitung einiger neuer Varianten („Variants of concern“, VOC) von SARS-CoV-2 besorgniserregend. Insbesondere die zunächst in Großbritannien beschriebene Variante B.1.1.7 scheine eine deutlich höhere Übertragbarkeit zu besitzen, erste wissenschaftliche Daten würden zudem auf eine erhöhte Fallsterblichkeit hindeuten. Für die südafrikanische VOC B.1.351 und die brasilianische VOC P.1 werde eine verringerte Wirkung neutralisierender Antikörper diskutiert, wodurch die Immunität gegenüber diesen Varianten schwächer ausgeprägt sein könnte bei Personen, die an der ursprünglichen SARS-CoV-2-Variante erkrankt gewesen seien. Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) habe die Risikoeinstufung für die Einschleppung und gemeinschaftliche Ausbreitung der VOC am 21.1.2021 von „hoch“ auf „sehr hoch“ geändert und warnt vor einer mit einer verstärkten Ausbreitung einhergehenden Erhöhung der Hospitalisierungs- und Sterberaten in allen Altersgruppen, insbesondere aber bei älteren Menschen und Personen mit Vorerkrankungen. Die Zahl der COVID-19-Patienten, die in bayerischen Krankenhäusern behandelt werden müssen, nehme seit Anfang Januar 2021 kontinuierlich ab. Dennoch zeige sich insbesondere auf den Intensivstationen weiterhin eine hohe Auslastung. Dies rühre in erster Linie daher, dass aufgeschobene Operationen, die aber nunmehr dringend notwendig seien, durchgeführt werden müssten. Während am 28.10.2020 noch 660 freie Intensivbetten mit der Möglichkeit zur invasiven Beatmung in Bayern verfügbar gewesen seien, seien es aktuell (Stand 24.2.2021) lediglich 383 freie Betten. Einzelne Krankenhäuser und Leitstellen würden weiterhin melden, dass in ihrem Einzugsgebiet nur noch wenige Intensivbetten mit invasiver Beatmungsmöglichkeit zur Verfügung ständen. Anders als in der ersten Welle im Frühjahr 2020 sei auch die Zahl der COVID-19-Patienten auf den Allgemeinpflegestationen in den Krankenhäusern weiterhin auf hohem Niveau, wenn auch abnehmend im Vergleich zur Situation im Dezember 2020 bzw. Januar 2021. Am 28.10. 2020 seien es 869 Patienten gewesen, die wegen einer SARS-CoV-2-Infektion im Krankenhaus auf einer Normalstation behandelt werden hätten müssen; am 24. Februar 2021 seien es 1.551 Patienten gewesen. Die Krankenhäuser würden weiterhin von einer verstärkten personellen Belastung berichten. Es sei daher von entscheidender Bedeutung, die Übertragung und Ausbreitung von SARS-CoV-2 so gering wie möglich zu halten und Ausbrüche zu verhindern, um Belastungsspitzen im Gesundheitswesen zu vermeiden (vgl. Begründung der Verordnung zur Änderung der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 24. Februar 2021; BayMBl. 2021 Nr. 150; S.2, siehe auch Begründung der 11. BayIfSMV vom 15. Dezember 2020, BayMBl. 2020 Nr. 738).
Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass es keine hinreichend fundierten Erkenntnisse hinsichtlich gesteigerter Infektionsrisiken in den in § 13 der 11. BayIfSMV genannten Betrieben geben würde, so mag dies zwar im Ausgangspunkt zutreffend sein. Gleichwohl sind die Ursachen für den bundesweiten Anstieg der Infektionen nach bisherigem Kenntnisstand diffus, wobei Häufungen im Zusammenhang mit dem Freizeitverhalten der Menschen zu beobachten waren. In den meisten Fällen ist die genaue Infektionsquelle jedoch nicht bekannt. Damit kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass auch Gastronomiebetriebe zum Infektionsgeschehen beitragen (vgl. BVerfG, B. v. 11.11.2020 – 1 BvR 2530/20 – juris Rn. 15).
Auch aus der vergleichsweise niedrigen 7-Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohner in Landshut Stadt (Wert: 47,68, Stand 2.3.2021, abrufbar unter https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektionsschutz/infektionskrankheiten_a_z/coronavirus/karte_coronavirus/) kann nicht die Rechtfertigung für eine Ausnahmegenehmigung hergeleitet werden. Sollten die bestehenden Regelungen durch die Entwicklung des Infektionsgeschehens nicht mehr gerechtfertigt sein, würde dies vom Verordnungsgeber zu berücksichtigen sein oder aber die Kreisverwaltungsbehörde müsste ggf. in Anwendung des § 26 der 11. BayIfSMV reagieren. Die Antragsgegnerin hat hier jedoch nachvollziehbar dargelegt, dass die Voraussetzungen für eine erleichternde Abweichung von den Bestimmungen der Verordnung nach § 26 der 11. BayIfSMV nicht vorliegen (vgl. Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 2.3.2021, S. 2).
Es kann daher in Bezug auf die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit i.S.d. § 27 Abs. 2 Satz 1 der 11. BayIfSMV nicht davon ausgegangen werden, dass eine Individualausnahme keinen signifikanten Beitrag zum Infektionsgeschehen leisten würde.
c) Ungeachtet dessen, dass bereits nicht von einer atypischen Situation auszugehen ist, ist zu sehen, dass die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 der 11. BayIfSMV im Ermessen der Antragsgegnerin läge. Eine Genehmigung käme nur dann in Betracht, wenn eine sogenannte Ermessensreduzierung auf Null vorliegen würde, wonach eine andere Entscheidung der Behörde als die Erteilung der gewünschten Genehmigung ermessensfehlerhaft und somit rechtswidrig wäre. Diese Voraussetzungen liegen im Fall des Antragstellers auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten Umsatzeinbußen und des vorgelegten Schutz- und Hygienekonzepts nicht vor.
Dem Verordnungsgeber steht bei der Festlegung der zu beschließenden Maßnahmen eine weite Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsprärogative zu. Unabhängig von der Frage, ob Gastronomiebetriebe, Fitnessstudios und viele andere Freizeiteinrichtungen trotz umgesetzter Hygienemaßnahmen jeweils im Einzelfall konkret betrachtet das Infektionsgeschehen signifikant beeinflussen, ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung des Verordnungsgebers, bestimmte Lebensbereiche und damit zusammenhängende Betriebe stark einzuschränken, auf einem Gesamtkonzept beruht (vgl. BVerfG, B. v. 11.11.2020 – 1 BvR 2530/20 – juris Rn. 16; VerfG Brandenburg, B. v. 11.12.2020 – 21/20 EA – juris Rn. 19).
Ob Betriebsschließungen in der konkreten Situation im entscheidungserheblichen Zeitpunkt eine angemessene Schutzmaßnahme darstellen, hat der Verordnungsgeber nach § 32 IfSG zu entscheiden. Dieser hat in einer dokumentierten Entscheidung die besonders gewichtigen infektiologischen Erfordernisse mit sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit nach § 28a Abs. 6 IfSG abzuwägen. Dabei dürfte es sich um eine prognostische Abwägungsentscheidung handeln, welche dem Verordnungsgeber einen Beurteilungsspielraum eröffnet, der gerichtlich nur begrenzt überprüfbar ist (BayVGH, B. v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris Rn. 25). Der gerichtlichen Kontrolle unterliegt allerdings die Frage, ob der Verordnungsgeber von sachlichen Erwägungen ausgegangen ist. Hierbei kommt der Begründung der Verordnung nach § 28a Abs. 5 IfSG besondere Bedeutung zu. Insoweit enthält die Begründung der 11. BayIfSMV (BayMBl. 2020 Nr. 738 S. 5) lediglich Anhaltspunkte, dass der Verordnungsgeber angesichts der dramatischen Situation der Reduzierung der Kontakte einen unbedingten Vorrang einräumen wollte. Bei der Verlängerung der Maßnahmen, zuletzt mit Verordnung vom 12. Februar 2021, ging der Verordnungsgeber davon aus, dass die Schließung der (nicht privilegierten) Einzelhandelsbetriebe und der Gastronomie mit Blick auf das aktuelle Infektionsgeschehen fortgeführt werden muss (vgl. BayMBl. 2021 Nr. 113 S. 1). (vgl. zum Ganzen BayVGH, B. v. 15.2.2021 – 20 NE 21.406 – juris Rn. 28).
Diese Einschätzung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt (noch) nicht zu beanstanden. Angesichts des weiterhin angespannten Infektionsgeschehens sowie der gravierenden Auswirkungen im Fall einer (konkret drohenden) Überlastung des Gesundheitssystems stehen die wirtschaftlichen Folgen für die Betreiber derzeit nicht außer Verhältnis zu Gewicht und Dringlichkeit der die Maßnahmen rechtfertigenden Gründe (vgl. BayVGH, B. v. 15.2.2021 – 20 NE 21.406 – juris Rn. 29). Vor diesem Hintergrund begegnet die Entscheidung des Verordnungsgebers, Gastronomiebetriebe – vorbehaltlich der zulässigen Abgabe von Speisen und Getränken – zeitlich befristet zu untersagen, keinen durchgreifenden Bedenken (vgl. VG Augsburg, B. v. 5.2.2021 – Au 9 E 21.178 – noch nicht veröffentlicht; siehe auch BVerfG, B. v. 11.11.2020 – 1 BvR 2520 – juris Rn. 11 zum Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG durch die Untersagung des Gastronomiebetriebs als Infektionsschutzmaßnahme). § 13 Abs. 1 der 11. BayIfSMV steht nach alldem im Einklang mit dem Gesamtkonzept des Verordnungsgebers, freizeitbezogene Aktivitäten weitgehend zu untersagen, um damit nicht zwingend erforderliche physische Kontakte zu verhindern und das Infektionsgeschehen abzuschwächen (vgl. BayVGH, B. v. 15.12.2020 – 20 NE 20.2526 – juris Rn. 17).
Die aufgezeigte pandemische Situation zugrunde gelegt, ergibt auch die Folgenabwägung zwischen den betroffenen Schutzgütern des Antragstellers – insbesondere seinem Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung (Art. 12 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG – mit dem Schutzgut Leben und Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dass die vom Antragsteller dargelegten wirtschaftlichen Folgen derzeit hinter den Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen zurücktreten müssen (vgl. BVerfG, B. v. 11.11.2020 – BvR 2530/20 – Rn 12 ff.; BayVerfGH, E. v. 16.11.2020 – Vf. 90-VII-20 – BeckRS 2020, 31088 – Rn. 4; BayVGH, B. v. 25. 11.2020 – 20 NE 20.2588 – juris Rn. 16).
d) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt nach summarischer Prüfung ebenfalls nicht vor.
Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Normgeber nicht jede Differenzierung; solche bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (BVerfG, B. v. 18.7.2019 – 1 BvL 1/18 u.a. – NJW 2019, 3054 – juris Rn. 94; B.v. 7.2.2012 – 1 BvL 14/07 – BVerfGE 130, 240 – juris Rn. 40 ff.; BayVGH, B. v. 22.2.2021 – 20 NE 21.395 – juris 19 ff.; B. v. 15.2. 2021 – 20 NE 21.406 – juris Rn. 31).
Der BayVGH (B. v. 22.2.2021 – 20 NE 21.395 – juris 19 ff) führt insbesondere im Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Infektionsgeschehen folgendes aus:
„Bei der Ordnung von Massenerscheinungen, die sich – wie das gegenwärtige weltweite Infektionsgeschehen – auf eine Vielzahl von Lebensbereichen auswirken, ist der Normgeber berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, B. v. 19.11.2019 – 2 BvL 22/14 u.a. – BVerfGE 152, 274 – juris Rn. 102). Unebenheiten, Friktionen und Mängel sowie gewisse Benachteiligungen in besonders gelagerten Einzelfällen, die sich im Zusammenhang mit Differenzierungen ergeben, müssen in Kauf genommen werden, solange sich für das insgesamt gefundene Regelungsergebnis ein plausibler, sachlich vertretbarer Grund anführen lässt. Dies gilt in besonderer Weise bei Auftreten neuartiger Gefahrenlagen und Entwicklungen, die ein schnelles gesetzgeberisches Eingreifen erforderlich machen, für die es bisher aber an zuverlässigen Erfahrungen fehlt (BayVerfGH, E. v. vom 21.10.2020 – Vf. 26-VII-20 – juris Rn. 24 m.w.N.).“
Der Gesetzgeber hat in § 28 Abs. 6 Satz 3 IfSG den Infektionsschutzbehörden bei bereichsspezifischen Differenzierungen – wie bereits dargelegt – in einem Gesamtkonzept einen Gestaltungsspielraum eingeräumt. Einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, können von den Schutzmaßnahmen ausgenommen werden, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nicht zwingend erforderlich ist. Wichtige Gründe des Gemeinwohls können solche Ausnahmen rechtfertigen; insbesondere können die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten berücksichtigt werden (vgl. BayVGH, B. v. 15.2. 2021 – 20 NE 21.406 – juris Rn. 32).
Ausgehend von diesen Maßstäben erweist sich die Ungleichbehandlung der geschlossenen Gastronomiebetrieben mit den von dem Antragsteller angeführten Vergleichsgruppen, die zum 1.3.2021 öffnen dürfen, nach summarischer Prüfung nicht als sach- oder gleichheitswidrig. Die Entscheidung des Verordnungsgebers, die vom Antragsteller explizit angesprochenen Friseurbetriebe ab dem 1.3.2021 unter Hygieneauflagen zu öffnen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 der 11. BayIfSMV), stellt eine Entscheidung im Rahmen seines Ermessensspielraums dar und erscheint nicht willkürlich. Wie die Antragsgegnerin zutreffend ausführt, steht bei dem Besuch einer Gaststätte gerade nicht nur das Versorgungsinteresse mit einer Ware oder einer Dienstleistung – wie dies beispielsweise bei Friseuren der Fall ist – im Vordergrund; dieses wird auch schon durch das zulässige Abholen von Speisen und Getränken bedient, § 13 Abs. 2 Satz 1 der 11. BayIfSMV. In diesem Zusammenhang wird auch auf Begründung der Änderung des § 12 Abs. 2 der 11. BayIfSMV vom 24. Februar 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 150) Bezug genommen:
„Die Änderung von § 12 Abs. 2, die rechtstechnisch durch eine Änderung der Verordnung zur Änderung der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 12.2.2021 (BayMBl. Nr. 112) umgesetzt wird, ermöglicht neben den Friseurdienstleistungen im hygienisch oder pflegerisch erforderlichen Umfang die Öffnung der nichtmedizinischen Fuß-, Hand-, Nagel- und Gesichtspflege. Für die Kunden gilt dabei FFP2-Maskenpflicht, für das Personal die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske im Rahmen der arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen. Die FFP2-Maskenpflicht entfällt nur insoweit, als die Art der Leistung sie nicht zulässt. Darüber hinaus hat eine Steuerung des Zutritts durch vorherige Terminreservierung zu erfolgen. Eine vollständige Zulassung der Dienstleistungen mit körperlicher Nähe zum Kunden kommt vor dem Hintergrund des nach wie vor bestehenden erheblichen Infektionsgeschehens nicht in Betracht. Die Beschränkung auf Friseursalons und andere Dienstleistungen, die zum Zwecke der Körperhygiene und -pflege erforderlich sind, berücksichtigt den Grundsatz der Umsicht und Vorsicht. Ermöglicht werden daher nur diejenigen Dienstleistungen, bei denen wegen der bereits seit längerem bestehenden Schließung ein hoher und dringender Bedarf aus Gründen der Körperhygiene und -pflege entstanden ist und auf die erhebliche Teile der Bevölkerung, insbesondere auch ältere Menschen, angewiesen sind. Dementsprechend ist es auch im Verhältnis zu anderen Dienstleistungen mit körperlicher Nähe zum Kunden gerechtfertigt, im Zuge einer von Umsicht und Vorsicht geprägten Öffnung in einem ersten Schritt zunächst diese Dienstleistungen wieder zu ermöglichen.“
Die Bestimmungen der Änderungsverordnung dienen ersten Öffnungsschritten im Rahmen der von der Staatsregierung verfolgten Strategie der Vorsicht und Umsicht in Abwägung mit notwendigen Bedürfnissen der Bevölkerung (vgl. Begründung der Verordnung zur Änderung der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 24. Februar 2021, BayMBl. 2021 Nr. 150). Dass Gastronomiebetriebe nicht zu den ersten Betrieben gehören, die von den Öffnungsschritten erfasst werden, muss angesichts der geschilderten Risiken in Kauf genommen werden, da sich für das insgesamt gefundene Regelungsergebnis ein plausibler, sachlich vertretbarer Grund anführen lässt.
Das Gericht verschließt sich dabei nicht der Erkenntnis, dass das Verbot des regulären Gaststättenbetriebs den Antragsteller, wie auch eine Vielzahl weiterer Gastronomen im Land hart treffen und konkret existenzbedrohend wirken kann. Angesichts der oben dargestellten Gefahrenlage und unter Berücksichtigung des Einschätzungsspielraums des Verordnungsgebers überwiegt dies das Interesse am Schutz von Leben und Gesundheit durch die vorliegend angegriffenen befristeten Maßnahmen jedoch hier nicht.
e) Überdies ist auch zu berücksichtigen, dass eine Öffnung der Gaststätte des Antragstellers die grundsätzliche Untersagung in § 13 Abs. 1 der 11. BayIfSMV tangiert. Für diese Fallkonstellation wäre wohl § 27 Abs. 2 Satz 2 der 11. BayIfSMV zu beachten (vgl. VG Augsburg, B. v. 5.2.2021 – Au 9 E 21.178 – noch nicht veröffentlicht). Danach dürfen Ausnahmegenehmigungen, die einen generellen Personenkreis oder allgemeine Fallkonstellationen betreffen, unter den Voraussetzungen des Satzes 1 nur im Einvernehmen mit der zuständigen Regierung erteilt werden. Ein Einvernehmen der Regierung wurde bislang nicht erteilt.
f) Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine analoge Anwendung von § 12 Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV berufen.
Es fehlt vorliegend schon an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Verordnungsgeber hat für jede Art der Gastronomiebetriebe in § 13 der 11. BayIfSMV ausdrückliche Regelungen vorgesehen.
Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Verordnungsgeber dabei unbewusst übersehen hat, eine dem Ausnahmetatbestand des § 12 Abs. 1 Satz 2 BaylfSMV vergleichbaren Regelung für Gastronomiebetriebe zu schaffen. Insbesondere enthält § 13 Abs. 2 Satz 1 der 11. BaylfSMV eine Ausnahmeregelung für Gastronomiebetriebe dergestalt, dass die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken zulässig ist. Eine weitere Ausnahmeregelung für nicht öffentlich zugängliche Betriebskantinen ist in § 13 Abs. 3 Satz 2 der 11. BaylfSMV vorgesehen. Der Betrieb solcher Betriebskantinen ist zulässig, wenn der Verzehr von Speisen und Getränken vor Ort für die Betriebsabläufe zwingend erforderlich ist (Nr. 1), ein Mindestabstand von 1,5 m zwischen allen Gästen, die nicht zu demselben Hausstand gehören, gewährleistet ist (Nr. 2) und der Betreiber ein Schutz- und Hygienekonzept ausgearbeitet hat (Nr. 3).
Dass der Verordnungsgeber hier sein Ermessen dahingehend ausgeübt hat, wegen dem Ziel der Kontaktreduzierung im Freizeitbereich nicht für jede Art von Gastronomiebetrieben eine Öffnung unter bestimmten Voraussetzungen zuzulassen, führt zu keiner Regelungslücke.
g) Da es bereits – wie ausgeführt – an einem Anordnungsanspruch fehlt, muss über die Frage, ob der Antragsteller einen Anordnungsgrund geltend gemacht hat, nicht mehr entschieden werden.
3. Nachdem der Hauptantrag abzulehnen war, war über den Hilfsantrag zu entscheiden. Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet, da der Antragsteller einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat.
Der Antragsteller begehrt die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die Öffnung seiner Gaststätte, hilfsweise unter Anordnung verschärfter Hygienemaßnahmen.
Wie bereits ausgeführt hat der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BayIfSMV nicht glaubhaft machen können. Aus den Regelungen in § 12 der 11. BayIfSMV ergibt sich, dass eine Öffnung der Gaststätte ohnehin nur bei der Umsetzung von Schutz- und Hygienemaßnahmen zulässig wäre. Das Vorliegen eines Schutz- und Hygienekonzeptes bzw. verschärfte Hygienemaßnahmen begründen keinen atypischen Einzelfall, der die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung rechtfertigen könnte (vgl. unter b). Aus der systematischen Auslegung des § 13 der 11. BayIfSMV in der Zusammenschau mit den in § 12 der 11. BayIfSMV aufgeführten Schutz- und Hygienemaßnahmen (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 4, Satz 5, Satz 6, Absatz 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 2, Satz 3, Abs. 4 Satz 3, Satz 4) ergibt sich, dass der Verordnungsgeber bewusst geregelt hat, wer unter welchen Schutz- und Hygienemaßnahmen öffnen darf. Hätte der Verordnungsgeber gewollt, dass Gastronomiebetriebe unter – im Vergleich zu den in § 12 der 11. BayIfSMV vorausgesetzten – verschärften Hygienebedingungen öffnen können, so hätte er diese bereits in § 12 der 11. BayIfSMV aufnehmen können.
Der Antrag ist nach alldem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz i. V. m. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Angesichts der Vorwegnahme der Hauptsache erachtet es das Gericht für sachgerecht, den Streitwert auf die Höhe des für ein Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben und insgesamt damit einen Streitwert in Höhe von 5.000 € festzusetzen.


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