Medizinrecht

Beihilfe, Zweifache Abrechnung der GOZ-Nr. 2197 in derselben Sitzung am selben Zahn, Analogberechnung, Abrechnung einer CHX-Lackierung, Schwellenwertüberschreitung, Individuelles Charakterisieren sowie Farbgebung durch Bemalen von Zahnersatz

Aktenzeichen  M 17 K 19.1475

Datum:
27.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 14038
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBhV § 6
GOZ § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 1
GOZ-Nr. 2197
GOZ-Nr. 65
GOZ-Nr. 2430a

 

Leitsatz

Tenor

I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
II. Unter teilweise Aufhebung des Bescheids vom 3. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. März 2019 wird die Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine weitere Beihilfe in Höhe von 15,12 € zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens hat die Klägerin 9/10 und die Beklagte 1/10 zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage, insofern noch über sie zu entscheiden war, hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Klage ist schon teilweise unzulässig; der zulässige Teil der Klage ist nur teilweise begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe in einem Umfang von 15,12 € (§ 113 Abs. 5 VwGO). Insofern ist der Bescheid vom 3. Januar 2019 und der Widerspruchsbescheid vom 11. März 2019 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Übrigen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung weitere Beihilfe. Insofern sind die Bescheide rechtmäßig und verletzten die Klägerin daher nicht ihren Rechten.
Über die Klage konnte nach übereinstimmender Erklärung der Beteiligten durch die Berichterstatterin und im schriftlichen Verfahren nach § 101 Abs. 2 VwGO entschieden werden.
I.
Hinsichtlich der Gewährung einer Beihilfe in Höhe von 85,42 € war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Die Klägerin erklärte mit Schriftsatz vom 2. Mai 2021 unter Ziffer 3, dass „die streitgegenständlichen Steigerungssätze für die GOZ-Ziffern 2197 und 2210 […] nicht weiterverfolgt“ werden. Diese Erklärung ist dahin auszulegen, dass die Klage insofern zurückgenommen wird. Die Rücknahmeerklärung bezieht sich dabei auf die GOZ-Nr. 2210, Region 44 vom 27. November 2018 und die GOZ-Nr. 2197, Region 44 vom 27. November 2018. Hinsichtlich der GOZ-Nr. 2210 wurde die Klage in Höhe von 79,28 € (70 v.H. von 113,25 € [Rechnungsbetrag von 330,31 € abzüglich des bereits als beihilfefähig anerkannten Betrages von 217,06 €]), hinsichtlich der GOZ-Nr. 2197 in Höhe von 6,14 € (70 v.H. von 8,77 € [Rechnungsbetrag von 25,59 € abzüglich des bereits als beihilfefähig anerkannten Betrages von 16,82 €]) zurückgenommen.
Die Erklärung kann nicht dahin ausgelegt werden, dass die Klage auch hinsichtlich der GOZ-Nr. 2197, Region 25 vom 20. November 2018 zurückgenommen wird. Diese streitgegenständliche GOZ-Nr. wurde mit dem Faktor 2,3 und damit ohne Schwellenwertüberschreitung in Rechnung gestellt. Die Beklagte lehnte die Erstattung insofern auch nicht mit Blick auf eine Schwellenwertüberschreitung, sondern mit Blick auf die zusätzliche GOZ-Nr. 2197, Region 25 vom 20. November 2018 ab.
II.
Im Übrigen ist die Klage als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage statthaft, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Denn bei einer verständigen Würdigung des klägerischen Begehrens gem. § 88 VwGO zielt der Antrag der Klägerin auf den Erlass konkret bezifferter Leistungsbescheide ab, sodass der auf Verurteilung zur Zahlung gerichtete Klageantrag entsprechend als Antrag auf Erlass eines Verwaltungsaktes auszulegen ist.
Der Höhe nach begehrt die Klägerin bei Klageerhebung „die beantragte Beihilfe“. Zwar stellt die Klägerin in ihrem Klageantrag auf einen Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2019 und den zugrundeliegenden Bescheid ab. Jedoch war der Klageschrift der Widerspruchsbescheid vom 11. März 2019 beigelegt. Der Antrag ist daher dahin auszulegen, dass die Klägerin in Bezug auf die dem Widerspruchsbescheid vom 11. März 2019 zugrundeliegende Rechnung vom … 2018 die Gewährung weitere Beihilfe gewährt.
Unter Berücksichtigung des im Beihilfe- und Widerspruchsbescheids berechneten Selbstbehalts in Höhe von 213,51 €, worauf 149,46 € auf die Beihilfe entfallen, und die Klagerücknahme in Höhe von 85,42 €, ist der klägerische Antrag nunmehr als Antrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 64,04 € auszulegen.
III.
Insofern über die Klage noch zu entscheiden war, ist sie teilweise unzulässig. Das klägerische Begehren, die Beklagte zur Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 64,04 € zu verpflichten, ist in Höhe von 13,78 € mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.
Für jedes Rechtsschutzbegehren muss ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis vorliegen (BVerfG, Beschluss vom 19.10.1982 – 1 BvL 55/80 – BVerfGE 61, 126 (135)). Das Rechtsschutzbedürfnis liegt vor, wenn der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtschutzes hat. Hiervon ist grundsätzlich auszugehen. Das Vorhandensein des für jedes Gesuch um gerichtlichen Rechtsschutz erforderlichen Interesses an der Erlangung dieses Rechtsschutzes folgt bei Leistungsklagen (einschließlich der verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsklage) in aller Regel bereits aus dem Umstand, dass der Kläger einen auf Leistung an sich selbst gerichteten, bislang nicht erfüllten Anspruch geltend macht (BVerwG, Urt. v. 17.01.1989 – 9 C 44.87 – juris Rn. 9). Einer Klage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn die begehrte Leistung bereits erbracht wurde (vgl. BayVGH, U.v. 15.3.2004 – 12 CE 04.230 – juris Rn. 2).
Hier hat die Beklagte den Anspruch der Klägerin teilweise bereits erfüllt. In Höhe von 13,78 € hat die Beklagte der Klägerin eine weitere Beihilfe durch Kontogutschrift gewährt.
In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass die Beklagte die Beihilfe für die CHX-Lackierung mit Blick auf GOZ-Nr. 1020 analog gewährt hat und die Klägerin insofern keine Teilerledigterklärung abgegeben hat, sondern eine Erstattung mit Blick auf GOZ-Nr. 2340 analog begehrt. Gegenstand des Verpflichtungsbegehrens ist die Verpflichtung zur Gewährung einer weiteren Beihilfe, unabhängig von den konkret anzuwendenden GOZ-Nummern.
Die Klägerin hat von einer teilweisen Erledigterklärung ausdrücklich abgesehen.
IV.
Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr, vgl. statt aller BVerwG, U.v. 2.4.2014 – 5 C 40.12 – NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 9). Für die hier vorgenommene zahnärztliche Untersuchung und Behandlung entstehen Aufwendungen mit jeder Inanspruchnahme des Arztes.
Bei den streitgegenständlichen Behandlungen am 20. und 27. November 2018 bestimmt sich die Beihilfefähigkeit daher nach § 80 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Juni 2017 (BGBl. I S. 1570), und der Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung – BBhV) vom 13. Februar 2009 (BGBl. I S. 326), zuletzt geändert durch Verordnung vom 24. Juli 2017 (BGBl. I S. 1232, ber. 2019 S. 46).
V.
Die zulässige Klage auf Verpflichtung zur Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 50,26 € ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 15,12 €. Im Übrigen hat die Klägerin keinen Anspruch und die Klage ist unbegründet. Die vorgenommenen Kürzungen der beihilfefähigen Aufwendungen erfolgten in diesem Umfang zurecht.
Aufwendungen sind gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV grundsätzlich nur beihilfefähig, wenn diese notwendig und wirtschaftlich angemessen sind. Wirtschaftlich angemessen sind dabei Aufwendungen für ärztliche Leistungen, wenn sie sich innerhalb des in der einschlägigen Gebührenordnung vorgesehenen Gebührenrahmens halten, § 6 Abs. 3 Satz 1 BBhV. Auf den behandelnden Zahnarzt findet die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) bzw. die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), soweit die GOÄ den Zahnärzten nach § 6 Abs. 2 GOZ zugänglich ist, Anwendung. Die abgerechneten Leistungen für die Behandlung am … … 2018 stehen mit den Bestimmungen der GOZ nicht vollständig in Einklang.
1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 15,12 €, da die Kürzungen der Beklagten in Bezug auf den vierfachen Ansatz der GOZ-Nr. 65 zu Unrecht erfolgten. Die Klägerin hat nicht nur einen Anspruch auf die bereits erfolgte Anerkennung des 2,3-fachen Steigerungssatzes. Vielmehr ist die GOZ-Nr. 65 jeweils mit dem 3,5-fachen Steigerungssatz beihilfefähig. Unter Anrechnung der insofern bereits geleisteten Beihilfe in Höhe von 28,98 € (70 v.H. von 4 x 10,35 €) ergibt sich ein Anspruch auf weitere Beihilfeleistungen in Höhe von 15,12 € ([70 v.H. von 4 x 15,75 €] abzüglich 28,98 €).
a) Nach § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ und § 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ bildet für Leistungen nach dem Gebührenverzeichnis der GOZ und – abgesehen von den Ausnahmen in § 5 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 4 GOÄ – der GOÄ der 2,3-fache Gebührensatz die nach Schwierigkeit und Zeitaufwand durchschnittliche Leistung ab. Für die in den Abschnitten A, E und O genannten Leistungen nach dem Gebührenverzeichnis der GOÄ bildet nach §§ 5 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 4 GOÄ der 1,8-fache Gebührensatz die nach Schwierigkeit und Zeitaufwand durchschnittliche Leistung ab. Ein Überschreiten dieses Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten, das heißt die Schwierigkeit und der Zeitaufwand der einzelnen Leistung sowie die Umstände bei der Ausführung, dies rechtfertigen. Bemessungskriterien, die bereits in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt worden sind, haben hierbei außer Betracht zu bleiben (§ 5 Abs. 2 Satz 3 GOZ und § 5 Abs. 2 Satz 3 GOÄ).
Ziffer 6.3.4 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Bundesbeihilfeverordnung vom 26. Juni 2017, GMBl. 2017, Nr. 31-33, S. 530 (BBhVVwV) führt hierzu aus, dass die Schwellenwertüberschreitung rechtfertigende Umstände in der Regel nur gegeben sein können, wenn die einzelne Leistung aus bestimmten Gründen besonders schwierig war, einen außergewöhnlichen Zeitaufwand beanspruchte oder wegen anderer besonderer Umstände bei der Ausführung erheblich über das gewöhnliche Maß hinausging und diese Umstände nicht bereits in der Leistungsbeschreibung des Gebührenverzeichnisses berücksichtigt sind (§ 5 Ab. 2 Satz 3 GOÄ/GOZ).
Wenn die berechnete Gebühr das 1,8- bzw. 2,3-fache des Gebührensatzes überschreitet, ist dies auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen. Auf Verlangen ist die Begründung näher zu erläutern (§ 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 GOZ; § 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 GOÄ). Ein Nachschieben von gänzlich neuen Gründen ist nicht zulässig (VG München, U.v. 1.8.2018 – M 17 K 17.5384 – juris Rn. 48). §§ 10 Abs. 3 Satz 2 GOZ und 12 Abs. 3 Satz 2 GOÄ sehen lediglich eine nähere Erläuterung der bereits in der Rechnung vorgebrachten schriftlichen Begründung für die Schwellenwertüberschreitung vor, nicht jedoch eine Ergänzung der Begründung um neue, bislang nicht vorgetragene Gründe, die eine Besonderheit des jeweiligen Behandlungsfalls rechtfertigen sollen. Unzulässig sind damit verspätet vorgebrachte neue Erwägungen, die in der bisherigen, in der Rechnung enthaltenen Begründung keine Stütze finden. Zulässig sind nur solche Erwägungen, die an die bereits vorhandene Rechnungsbegründung ansetzen. Würde man zulassen, dass die behandelnden Ärzte zeitlich unbegrenzt solange neue Gründe für die vorgenommene Erhöhung des Gebührensatzes über den 2,3-fachen Satz hinaus anführen können, bis irgendwann eine insoweit tragfähige Begründung gefunden ist, liefe das darauf hinaus, dass eine abschließende Beurteilung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen immer wieder herausgeschoben würde. Für die Beihilfestellen wäre es auch praktisch nicht handhabbar, bei jeder nachträglich neu vorgebrachten Begründung ihren Beihilfebescheid wieder abändern zu müssen.
Zwar ist dem Arzt bei der Bestimmung des Steigerungsfaktors durch § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ und § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ ein gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbares Ermessen eingeräumt (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 14.12.2011 – 5 LA 237/10 – juris Rn. 21). Dieses besteht jedoch nur auf der Rechtsfolgenseite. Das Vorliegen von „Besonderheiten“ im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 GOZ und § 5 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 GOÄ auf der Tatbestandsseite unterliegt dagegen der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit (BVerwG, U.v. 17.2.1994 – 2 C 10/92 – juris Rn. 21).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 17.2.1994 – 2 C 10/92 – juris Rn. 22) müssen Besonderheiten in diesem Sinn gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der Mehrzahl der Behandlungsfälle, aufgetreten sein. Eine in jeder Hinsicht durchschnittliche Art und Weise der Behandlung kann ein Überschreiten des 2,3-fachen Gebührensatzes (Schwellenwert) nicht rechtfertigen. Die Vorschrift hat Ausnahmecharakter und ist dementsprechend eng auszulegen. Diesem Ausnahmecharakter widerspräche es, wenn schon eine vom Arzt allgemein oder häufig, jedenfalls nicht nur bei einzelnen Patienten wegen in ihrer Person liegender Schwierigkeiten, angewandte Verfahrensweise bei einer Ausführung einer im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistung das Überschreiten des Schwellenwerts rechtfertigen würde. Erforderlich ist somit eine gerade in der Person des Betroffenen liegende Besonderheit. Der den Ausschlag für die Schwellenwertüberschreitung gebende vermehrte Aufwand muss auf eine beim betreffenden Patienten bestehende außergewöhnliche Konstitution zurückzuführen sein; rein verfahrensbezogene Besonderheiten genügen dagegen nicht (vgl. BayVGH, B.v. 15.04.2011 – 14 ZB 10.1544 – juris Rn. 4; VG des Saarlandes, U.v. 26.05.2017 – 6 K 468/16 – juris Rn. 21; VG Stuttgart, U.v. 03.01.2012 – 12 K 2580/11 – juris Rn. 37; VG München, U.v. 23.05.2013 – M 17 K 12.59 – juris Rn. 37). Zwar sollte es nicht so sein, dass der Arzt bzw. Zahnarzt für die Begründung der Schwellenwertüberschreitung mehr Zeit aufwenden muss als für die eigentliche Behandlung. Ausführliche ärztliche Berichte oder gar Gutachten können daher nicht verlangt werden. Allerdings muss sich aus der gegebenen Begründung entnehmen lassen, weshalb bei dem Patienten eine von der Masse der behandelnden Fälle abweichende Besonderheit vorlag und insbesondere, worin denn diese Besonderheit bestand (VG Hannover, GB v. 7.12.2009 – 13 A 2981/09 – juris Rn. 165). Die Begründung darf dabei nicht allgemein gehalten sein, sondern muss genügend Anhaltspunkte für einen Vergleich enthalten, bei dem deutlich wird, dass die Behandlungsschritte einen ungewöhnlich hohen Schwierigkeitsgrad aufwiesen, der deutlich über demjenigen lag, der durch die Regelspanne abgegolten wird (VG des Saarlandes, U.v. 26.5.2017 – 6 K 468/16 – juris Rn. 21). Allein wertende Schlussfolgerungen genügen grundsätzlich nicht, die Begründung muss auch einen nachvollziehbaren Tatsachenkern enthalten (vgl. OVG NRW, U. v. 3.12.1999 – 12 A 2889/99 – juris Rn. 41). Hierbei ist auch zu beachten, dass die Begründung allein vom behandelnden Arzt selbst gegeben werden kann. Die Klagepartei ist dazu als Adressat der Begründung weder berechtigt noch im Stande (VG Stuttgart, U.v. 21.9.2009 – 12 K 6383/07 – juris Rn. 64).
b) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist die vierfache Schwellenwertüberschreitung der GOZ-Nr. 65 gerechtfertigt. Der behandelnde Zahnarzt begründet die Schwellenwertüberschreitung in der Rechnung mit „Erschwerende Umstände sowie erhöhter Schwierigkeitsgrad, aufgrund anatomisch schwer zugängiger Bereich sowie aufgrund zusätzlicher Maßnahmen zur Trockenlegung.
Inhalt der GOZ-Nr. 65 hat die optisch-elektronische Abformung einschließlich vorbereitender Maßnahmen, einfache digitale Bissregistrierung und Archivierung, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich zum Gegenstand. Hierbei werden zugängliche Ausschnitte des Mund- und Kieferbereichs in einer festgelegten Reihenfolge mittels Kamera oder Scanner digital erfasst (CAD/CAM). So entstehen dreidimensionale Aufnahmen, die vergrößert auf einen Bildschirm am Behandlungsstuhl übertragen werden (vgl. https://www.medikompass.de/goz-0065.php, zuletzt abgerufen am 14.5.2021). Ein zusätzlicher Aufwand, der über eine Schwellenwertüberschreitung abgebildet werden kann, ist eine Erschwernis bei der Trockenlegung (Kommentar der Bundeszahnärztekammer, Gebührenordnung für Zahnärzte, Stand: Januar 2021, Anm. zu GOZ-Nr. 65). Eine derartige individuelle, patientenbezogene Begründung gibt der behandelnde Zahnarzt hier in der streitgegenständlichen Rechnung ab. Indem er ausführt, dass erschwerende Umstände sowie erhöhter Schwierigkeitsgrad aufgrund zusätzlicher Maßnahmen zur Trockenlegung bei der Behandlung vorlagen, bringt er hinreichend zum Ausdruck, dass die Trockenlegung bei der Klägerin nicht dem Standard entsprach. Vielmehr gab es solch erschwerende Umstände, die zusätzliche Maßnahmen bedingten. Soweit die Beklagte meint, Erschwernisse „zur“ Trockenlegung seien nicht mit Erschwernissen „bei der“ Trockenlegung gleichzusetzen, sondern vielmehr im Vorfeld der Trockenlegung anzusetzen, vermag dies nicht zu überzeugen. Wie das Verwaltungsgericht Stuttgart insofern zutreffend ausführt (VG Stuttgart, U.v. 17.1.2020 – 16 K 1909/19 – Urteilsabdruck S. 9 (n.V.)), handelt es sich hierbei um Synonyme, die in gleicher Weise solche Erschwernisse zum Gegenstand haben, die während des Trocknungsprozesses vorliegen. Hinzu kommt, dass es sich bei der Aufzählung im Kommentar der Bundeszahnärztekammer nicht einen Gesetzeswortlaut handelt, sondern um die Ansicht der Kommentatoren, wann zusätzlicher Aufwand vorliegt. Diese Aufzählung wird von diesen nicht als abschließend angesehen („u.v.m.“).
Ob die daneben angeführte Begründung „aufgrund anatomisch schwer zugängiger Bereich“ eine Schwellenwertüberschreitung rechtfertigt, kann daher dahinstehen. Die Beklagte weist insofern zutreffend darauf hin, dass sich in der Rechnung keine patientenbezogene Ausführung dazu findet, in welcher Hinsicht es sich um einen anatomisch schwer zugängigen Bereich handelte. Vielmehr kann die GOZ-Nr. 65, wie hier auch geschehen, viermal, nämlich einmal pro Kieferhälfte abgerechnet werden. Worin die anatomische Besonderheit bestanden haben soll, wird nicht angedeutet (vgl. zur Begründung „anatomische Gegebenheiten“ als floskelhaft und unsubstanziiert VG Düsseldorf, U.v. 13.12.2016 – 26 K 7220/15 – juris Rn. 70). Auch eine denkbare, aber ohnehin nicht in der Rechnung enthaltene Erschwerung mit Blick auf eine zahnärztliche Behandlung im naturgemäß schwer zugänglichen, hinteren Mundbereich genügt für eine Schwellenwertüberschreitung nicht (vgl. VG München Urt. v. 25.2.2019 – 17 K 18.494 – juris Rn. 66).
2. Die Kürzung der Beklagten in Bezug auf die GOZ-Nr. 2179, Region 25, Faktor 2,3 vom 20. November 2018 erfolgte zurecht. Die zweifache Abrechnung der GOZ-Nr. 2197, Region 25 am 20. November 2018 entspricht nicht der GOZ.
Nach der Leistungslegende des Gebührenverzeichnisses der GOZ umfasst diese Gebührenzimmer die adhäsive Befestigung (plastischer Aufbau, Stift, Inlay, Krone, Teilkrone, Veneer etc.). Die adhäsive Befestigung wird erreicht durch die physikalisch-chemische Vorbereitung der Kontaktflächen und die Anwendung des Adhäsivsystems im Mund des Patienten (Schmelz, Dentin und/oder Wurzeldentin, Aufbaumaterial, Wurzelkanalfüllmaterial, Aufbauten, Mesostrukturen an Implantaten etc.). Die GOZ-Nr. 2179 dient hierbei der Abgeltung des intraoral erforderlichen zahnärztlichen Mehraufwandes gegenüber einer konventionellen Klebung (Kommentar der Bundeszahnärztekammer, Gebührenordnung für Zahnärzte, Stand: Januar 2021, Anm. zu GOZ-Nr. 2179). Die GOZ-Nr. 2197 ist nur einmal je Sitzung und Zahn berechnungsfähig.
Dies ergibt sich bereits aus der Leistungsbeschreibung der Gebührenziffer, denn hier werden im Klammerzusatz die adhäsiv zu befestigenden Gegenstände kumulativ aufgezählt. Diese Auslegung spiegelt sich auch in der amtlichen Begründung des Kabinettsbeschlusses der Bundesregierung vom 21. September 2011 wider, wonach ein denkbar höherer Aufwand bei adhäsiver Befestigung mehrerer Teile im Rahmen des Aufbaus eines Zahnes einzelfallbezogen bei der Bemessung des Honorars im Gebührenrahmen berücksichtigt werden kann (vgl. Kommentierung der PKV zur Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ), Stand: 27.1.2021, Anm. zu GOZ-Nr. 2179, S. 49). Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf die Kommentarliteratur die Auffassung vertritt, dass die zahn- und sitzungsgleiche Mehrfachberechnung der GOZ-Nr. 2197 bei mehreren selbstständigen Leistungen möglich sei (vgl. Kommentar der Bundeszahnärztekammer, Gebührenordnung für Zahnärzte, Stand: Januar 2021, Anm. zu GOZ-Nr. 2179), folgt das Gericht dieser nicht. Die Kommentierung vertritt ihre Auffassung ohne Bezugnahme auf andere Quellen oder Auseinandersetzung mit der amtlichen Begründung.
Aus diesem Grund begegnet das Vorgehen der Beklagten, die GOZ-Nr. 2197 mit dem Faktor 2,3 am 20. November 2018 zu streichen und nur die GOZ-Nr. 2179 mit dem Faktor 3,5 anzuerkennen, keinen Bedenken. Mit der (anerkannten) Schwellenwertüberschreitung wird, entsprechend der amtlichen Begründung, abgebildet, dass die adhäsive Befestigung mehrerer Gegenstände, im Rahmen der Aufbaufüllung und im Rahmen der Eingliederung der Krone, erfolgte.
3. Die Kürzungen der Beklagten in Bezug auf GOZ-Nr. 2430a erfolgte zurecht. Die CHX-Lackierungen wurden von der Beklagten zutreffend unter Zugrundelegung der GOZ-Nr. 1020a als beihilfefähig anerkannt. Ein Anspruch auf weitere Beihilfeleistungen besteht nicht.
Nach § 6 Abs. 1 GOZ können selbstständige zahnärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses der GOZ berechnet werden. Eine CHX-Lackierung ist analog GOZ-Nr. 1020 und nicht analog GOZ-Nr. 2430 abzurechnen.
An die Einschätzung des Verwaltungsgericht Stuttgart zur Abrechenbarkeit gemäß GOZ-Nr. 2430a im Rahmen der Kassenleistungen ist die entscheidende Berichterstatterin im Rahmen der Beihilfe nicht gebunden. Während am Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart die Klägerin und die Postbeamtenkasse als Beklagte beteiligt waren, ist im hiesigen Verfahren die Bundesrepublik Deutschland beklagt. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht Stuttgart seine im Verfahren 16 K 1909/19 in Bezug auf die Abrechnung einer CHX-Lackierung nach GOZ-Nr. 2430a vertretene Rechtsauffassung mit Urteil vom 28. April 2020 ausdrücklich aufgegeben (VG Stuttgart, U.v. 28.4.2020 – 16 K 6702/19 – Entscheidungsabdruck S. 8 f. (n.V.)).
Das Aufbringen eines CHX-Lacks entspricht dem Leistungsinhalt der GOZ-Nr. 1020, da ein CHX-Lack, auch wenn er kein Flourid enthält, sich nicht grundlegend von einem Flourid-Lack unterscheidet. Der Zweck von Fluoridierungsmaßnahmen und dem Aufbringen eines CHX-Lackes ist bei beiden Maßnahmen vergleichbar, da sie im Wesentlichen die Kariesvorbeugung sowie die Behandlung von Initialkaries beinhalten. Die Applikation von fluoridhaltigen Medikamenten in Form von Lacken oder Gelen auf die Zahnoberfläche dient zur Schmelzhärtung und/oder Vorbeugung gegen Karies. Beide Behandlungen werden mithin zur Behandlung und Vorbeugung von Karies eingesetzt, da sie antimikrobiell wirken. Auch die Anwendungsweise ist vergleichbar, denn sowohl Fluoride als auch das CHX-Lacke können als Lack aufgebracht werden. Hinsichtlich dieses Aspektes zeigt sich zudem deutlich, dass eine Analogie zu der Gebührenziffer GOZ-2430 auch deshalb ausscheidet, weil die Anwendungsweise bei dem Aufbringen von CHX-Lacken nicht mit einer medikamentösen Einlage im Sinne der Ziffer GOZ-2430 vergleichbar ist. Während der CHX-Lack mittels Applikator oder Pinsel und in Zahnzwischenräumen mit Zahnseide aufgebracht werden kann, werden im Rahmen einer medikamentösen Einlage im Sinne der GOZ-Nr. 2430 Calciumhydroxidpasten mit spiralförmigen, flexiblen Instrumenten maschinell oder mit Hilfe von Papierspitzen in die Kanäle eingebracht. Schließlich ist auch die Wirkungsweise von Fluorid- und CHX-Lacken vergleichbar (zum Ganzen VGH BW, B.v. 27.11.2020 – 2 S 1742/20 – juris Rn. 13 ff.).
4. Auch die Kürzungen in Bezug auf das „Individuelle Charaktersieren sowie Farbgebung durch Bemalen“ erfolgten zurecht.
Hierbei handelt es sich nicht um eine notwendige Aufwendung i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV. Aufwendungen sind notwendig, wenn Danach sind Aufwendungen dem Grund nach notwendig, wenn sie für eine medizinisch gebotene Behandlung entstanden sind, die der Wiedererlangung der Gesundheit, der Besserung oder Linderung von Leiden sowie der Beseitigung oder zum Ausgleich körperlicher Beeinträchtigungen dient. Entsprechend dem Zweck der Beihilfengewährung müssen die Leiden und körperlichen Beeinträchtigungen Krankheitswert besitzen. Die Behandlung muss darauf gerichtet sein, die Krankheit zu therapieren. Zusätzliche Maßnahmen, die für sich genommen nicht die Heilung des Leidens herbeiführen können, können als notwendig gelten, wenn sie die Vermeidung oder Minimierung von mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Behandlungsrisiken und Folgeleiden bezwecken (BVerwG, B.v. 30.9.2011 – 2 B 66/11 – juris Rn. 11). Die Kosten lediglich nützlicher, aber nicht notwendiger Behandlungen muss der Beihilfeberechtigte hingegen aus eigenen Mitteln bestreiten. Maßgebend ist, ob die Maßnahme im Einzelfall objektiv medizinisch notwendig war (VG Regensburg, U.v. 9.3.2021 – RO 12 K 20.690 – juris Rn. 25).
Anders als die Klägerin meint, ist also eine „Optimalversorgung“ von der Beihilfeverordnung gerade nicht vorgesehen.
Beim „Individuellen Charakterisieren sowie Farbgebung durch Bemalen“ handelt es sich um eine überdurchschnittliche zahntechnische Leistung, die über das Maß des Notwendigen und Angemessenen hinausgeht. Bei Aufwendungen für besondere individuelle Zahngestaltung, Charakterisierung, besondere Farbauswahl und Farbgebung, Bemalen und Bleaching handelt es sich um Aufwendungen, die nicht der medizinischen Notwendigkeit geschuldet sind, sondern (nur) der ästhetischen Gestaltung dienen, etwa der Anpassung der Farbe von prothetischen Zähnen an die Farbe der individuellen Zähne des Patienten (vgl. VG Freiburg, U.v. 22.5.17 – 6 K 823/15 – juris Rn. 35). Die von der Klägerin im Widerspruchsverfahren genannten Entscheidungen verschiedener Zivilgerichte rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Insbesondere ging es hierbei um eine Erstattungspflicht privater Krankenversicherungen, teilweise unter Berücksichtigung individueller Versicherungsbedingungen.
VI.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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