Medizinrecht

Beschwerde, Dienstposten, Bescheid, Antragsteller, Dienstpflichtverletzung, Bundeswehr, Dienststelle, Akteneinsicht, Begutachtung, Soldaten, Umfang, Anordnung, Feststellung, Verwendung, weitere Beschwerde, gerichtliche Entscheidung, Kosten des Verfahrens

Aktenzeichen  S 2 BLa 4/20

Datum:
25.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44310
Gerichtsart:
Truppendienstgericht Süd
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 9. Januar 2020 wird als unzulässig verworfen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der 1962 geborene Antragsteller ist Berufssoldat, seine Dienstzeit endet planmäßig mit Ablauf des 31. März 2024. Er ist Wissenschaftsoffizier im Institut xx der Bundeswehr (InstXXBw) in München, jedoch seit 30. Mai 2021 vorläufig des Dienstes enthoben.
Mit Schreiben vom 15. Januar 2019, das an die Kommandeurin der XYakademie der Bundeswehr (Kdr’in XYAkBw) gerichtet war und dort am Folgetag einging, erhob der Antragsteller Beschwerde gegen den Leiter (Ltr) InstXXBw, Oberstarzt Prof. Dr. T.
Zugrunde liege folgender Sachverhalt: Er solle sich am 22. Januar 2019 zu einer mehrtägigen klinischen Untersuchung zur Feststellung der Dienstfähigkeit („BA 90/5“) im Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) einfinden. Dies sei ihm mündlich durch jenen Oberstarzt befohlen worden, der dies auf eine Begutachtungsanordnung vom 16. November 2017 gestützt habe. Letztere sei grundlos erfolgt, da er sehr wenige Krankheitstage habe und bis auf Urlaub regulär im Dienst gewesen sei. Eigentlicher Grund sei das weiterhin starke Spannungsverhältnis der Institutsleitung (Ltr Oberstarzt Prof. [Dr.] T, stellvertretender Ltr Oberstarzt Prof. [Dr.] W) ihm gegenüber. Deren Ziel sei es, ihn aus der Bundeswehr zu entfernen bzw. ihm auf anderem Wege Schaden zuzufügen. Ihm sei Ende 2015 von Oberstarzt Prof. [Dr.] T Funktion und Stellung im Institut entzogen worden. Er habe alle Zugangskarten abgeben müssen und sei in ein entferntes Büro in einer anderen Kaserne umgesetzt worden. Nach dem Abschlussgespräch zur Begutachtung am 9. Januar 2018 hätte formal ein positives Begutachtungsergebnis erstellt werden müssen; er habe jedoch über Monate hinweg keine positive Ergebnismitteilung erhalten. Eine vollständige Kopie seiner Gesundheitsakte (G-Akte) sei ihm vom Ltr der Arztgruppe Allgemeinmedizin (ArztGrp AllMed) (des Sanitätsversorgungszentrums [SanVersZ]) verweigert worden. Erst am 10. Januar 2019 habe er eine vollständige Kopie erhalten und dabei eine massive Lagekonstruktion durch seinen Disziplinarvorgesetzten, Oberstarzt Prof. [Dr.] T, festgestellt. Es bestehe bereits seit 10. August 2017 eine negative Einflussnahme von dessen Seite auf die Ärzte des SanVersZ. Jener habe diese Ärzte nachweislich mittels verzerrter bzw. falscher Informationen über ihn manipuliert und stark gegen ihn aktiviert. Am 18. Januar 2018 habe ein Gespräch zwischen Oberstarzt Prof. [Dr.] T, dem Ltr ArztGrp AllgMed und der begutachtenden Ärztin stattgefunden. Daraus hätten negative Befunde über ihn resultiert, die vom Ltr ArztGrp AllgMed unterschrieben worden seien, der ihn gar nicht untersucht habe. Hiervon habe er bis zum 10. Januar 2019 nichts gewusst.
Der Antragsteller betrachtete das Verhalten von Oberstarzt Prof. [Dr.] T ihm gegenüber als „bewusste und starke Dienstpflichtverletzung“. Er bat um Ermittlung dieses Falles und um künftige Unterbindung derartiger Vorgehensweisen gegen ihn.
Die Kdr’in XYAkBw, Generalstabsarzt (GenStArzt) Dr. K, unterteilte die Beschwerde in zwei Beschwerdegegenstände – einen truppendienstlichen Anteil betreffend Oberstarzt Prof. Dr. T einerseits, für den sie zuständig sei, und einen heilfürsorgerechtlichen andererseits betreffend Oberfeldarzt (OFArzt) Dr. S (damalig Ltr ArztGrp AllgMed SanVersZ), der durch das Kommando X (Kdo X) zu bescheiden sei.
Mit Bescheid vom 17. April 2019, dem Antragsteller ausgehändigt am 23. April 2019, wies sie den Beschwerdeanteil, für den sie sich zuständig sah, zurück.
Als hauptsächlichen Beschwerdegegenstand sah sie den an den Antragsteller gerichteten Befehl von Oberstarzt Prof. Dr. T an, sich am 22. Januar 2019 zu einer mehrtägigen klinischen Untersuchung im BwKrhs Ulm einzufinden. Dieser Befehl sei rechtmäßig gewesen. Ein Fehlverhalten des Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers liege nicht vor. Ursächlich für die Untersuchung seien dessen Zweifel an der Dienstfähigkeit des Antragstellers gewesen, die im Kommunikationsverhalten gegenüber der Institutsleitung des InstXXBw begründet gewesen sei. Im Zusammenhang mit der anstehenden Untersuchung hätten auch Gespräche zwischen Oberstarzt Prof. Dr. T und OFArzt Dr. S stattgefunden. Dabei sei es um die Frage gegangen, wie der Antragsteller im InstXXBw eingesetzt sei, welche Tätigkeiten er ausführe und wie die allgemeine Sicherheitslage des Personals im Umgang mit eingestuften Materialien sei. Keineswegs sei es um medizinische Fragen zur Gesundheit des Antragstellers gegangen, was sich schon wegen der ärztlichen Schweigepflicht verbiete. Durch das SanVersZ seien dem Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers lediglich mitgeteilt worden, dass die Bewertung dessen Dienstfähigkeit eine mehrtätige fachärztliche Untersuchung im BwKrhs erfordere. Jener sei zudem darum gebeten worden, sicherzustellen, dass der Antragsteller sich zum abgesprochenen Termin dort einfinde, da ein vorheriger Termin von ihm nicht wahrgenommen worden sei.
Gemäß Zentraler Dienstvorschrift (ZDv) A-830/1 („Grundlage der ärztlichen Begutachtung“) könnten die nächsten Disziplinarvorgesetzten eine Begutachtung beauftragen, wenn sie Zweifel an der Dienstfähigkeit eines Untergebenen für den gegenwärtigen Dienstposten oder eine Tätigkeit hätten. Jener veranlasse dazu eine Begutachtung mittels „SanFormBl 90/5“. Gegebenenfalls habe er hierzu dem für die Behandlung zuständigen SanVersZ Mitteilungen in Bezug auf die Tätigkeit und besonders zu berücksichtige Aspekte im dienstlichen Alltag des zu begutachtenden Soldaten zu machen. Diese Begutachtung habe nicht das Ziel, einen Soldaten aus der Bundeswehr zu entfernen, sondern zu prüfen, inwieweit aus gesundheitlichen Gründen eine weitere Verwendung – gegebenenfalls mit Einschränkungen – auf dem aktuellen Dienstposten möglich sei oder ob gegebenenfalls eine Verwendung auf einem anderen Dienstposten notwendig werde.
Im dienstaufsichtlichen Teil äußerte die Kdr’in XYAkBw, dass sie dem Vorwurf der negativen Einflussnahme des Oberstarztes Prof. Dr. T auf die Ärzte des SanVersZ trotz Zeitablaufs gemäß § 6 der Wehrbeschwerdeordnung (WBO) nachgegangen sei und sich keine Hinweise ergeben hätten, die den Vorwurf bestätigten.
Der Kommandeur Kdo X, GenStArzt Dr. K., wies in seinem dreißigseitigen Beschwerdebescheid vom 15. Juli 2019, in dem er im Kern andere, ebenfalls gegen OFArzt Dr. S gerichtete Beschwerdebegehren beschied und den oben gennnten Teil miteinbezog, die Beschwerde im Hinblick auf den in Rede stehenden Beschwerdeteil zurück.
Dieser „Gesamtbescheid“ wurde dem Antragsteller am 30. Juli 2019 zugestellt. Er ist mittlerweile bestandskräftig.
Gegen den Bescheid der Kdr’in XYAkBw erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 10. Mai 2019 weitere Beschwerde.
Darin stellte er heraus, dass sich seine Erstbeschwerde gegen das (vermeintliche) Fehlverhalten von Oberstarzt Prof. Dr. T richte. Der zentrale Punkt sei dessen negative Einflussnahme auf die Ärzte im SanVersZ gegen ihn. Eine Verfristung sehe er nicht; es sei in der WBO verankert, dass die Frist zur Einlegung der Beschwerde mit dem Zeitpunkt zu laufen beginne, zu dem der Beschwerdeführer Kenntnis von dem Beschwerdeanlass habe.
Mit Bescheid vom 22. Januar 2021, dem Antragsteller zugestellt am 19. Februar 2021, wies der Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr (InspSan), Generaloberstabsarzt Dr. B, die weitere Beschwerde als unbegründet zurück.
Dabei machte er deutlich, dass die Erstbeschwerde als unzulässig hätte zurückgewiesen werden müssen, da die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 WBO nicht erfüllt gewesen seien (mit Hinweis auf eine Stelle im WBO-Kommentar von Dau/Scheuren). Sie sei nicht innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat nach Erteilung des mündlichen Befehls seines Disziplinarvorgesetzten am 31. Oktober 2018 ergangen, auf den allein sich die Erstbeschwerde aufgrund der Daten beziehen könne. Aus diesem Grund sei die weitere Beschwerde bereits unbegründet. Es folgten Ausführungen dazu, dass der Antragsteller den ursprünglich für Herbst 2018 vereinbarten Termin für eine Untersuchung im BwKrhs nicht wahrgenommen habe und dass eine Begutachtung ungeachtet der geringen Anzahl an Fehltagen wegen einer möglichen Erkrankung (auffälliges, dysfunktionales Kommunikationsverhalten) angezeigt gewesen sei.
Bezüglich des behaupteten Fehlverhaltens seitens des Oberstarztes Prof. Dr. T hielt der InspSan die Beschwerde im Hinblick auf die Kenntnisnahme der G-Akte durch den Antragsteller am 10. Januar 2018 zwar für zulässig, aber unbegründet. Der Vorwurf habe sich nach seinen Ermittlungen nicht bestätigt. Es seien überwiegend Rückfragen durch jenen Oberstarzt im SanVersZ getätigt worden, was eine durchaus gängige Praxis sei. Es habe keine negative Einflussnahme festgestellt werden können.
Bereits mit Schreiben vom 9. Januar 2020, bei Gericht eingegangen am Folgetag, hatte der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Hinblick auf ein (vermeintliches) Fehlverhalten seines Disziplinarvorgesetzten wegen Verletzung der Kameradschafts-, Fürsorge- und Wahrheitspflicht und negativer Einmischung in eine laufende medizinische Behandlung gestellt.
Er nahm Bezug auf zum Teil überschneidende Beschwerdevorgänge (Az: S 7 BLa 02/19 und S 7 BLa 03/19).
Zum Verständnis schilderte er ausführlich die Vorgeschichte des seit Jahren bestehenden Spannungsverhältnisses und Konfliktes der Dienststellenleitung ihm gegenüber, (im Zeitpunkt des Schreibens) aktuelle Maßnahmen der Dienststellenleitung gegen ihn sowie eine zusammenfassende Darstellung. Zu letztem Punkt führte er aus, dass es im Kern um eine negative Einflussnahme seines Disziplinarvorgesetzten (Oberstarzt Prof. Dr. T) seit Mai 2017 auf eine medizinische Begutachtung, auf Truppenärzte und insbesondere den Ltr ArztGrp AllgMed des für ihn zuständigen SanVersZ (OFArzt Dr. S) gehe. Dies führte er näher aus.
Auf Nachfrage des Vorsitzenden der 2. Kammer des Truppendienstgerichts Süd zum Umfang des Antragsgegenstandes äußerte der Antragsteller in seinem ausführlichen Schreiben vom 13. Juni 2021 insbesondere, dass sich seine Beschwerde vom 15. Januar 2019 gegen die Kontakte seines Disziplinarvorgesetzten mit dem SanVersZ richte, wovon er erst durch die Akteneinsicht in seine G-Akte am 10. Januar 2019 erfahren habe. Dessen Ziel sei es, eine medizinische Begutachtung von ihm – dem Antragsteller – in Sinne des Disziplinarvorgesetzten durchzuführen, ihn zu genehmigungspflichtigen Untersuchungen zu zwingen und parallel die Neutralität der begutachtenden Ärzte zu nehmen.
Der Antragsteller betrachtet es als pflichtwidrig, dass sein Disziplinarvorgesetzter Kontakt zum SanVersZ hergestellt, dort unzutreffende Äußerungen über ihn verbreitet und dabei wesentliche Aspekte nicht mitgeteilt habe. Das führte er weiter aus.
Die Zweiteilung seiner Beschwerde sei nicht in seinem Interesse gewesen; sie habe seinen eigentlichen Beschwerdeanlass „verwaschen“ und den beschwerdebearbeitenden Stellen ermöglicht, einen Teil seiner Beschwerde gar nicht zu bearbeiten. Es sei von beiden Beschwerdestellen unterlassen worden, auf die von ihm vorgetragenen belastenden Aspekte einzugehen. Insoweit betrachte er die geführten Ermittlungen als unzureichend und einseitig. Das erläuterte er näher.
Abschließend äußerte er, dass er erreichen wolle, dass die andauernden Kontakte seines Disziplinarvorgesetzten zu dem SanVersZ untersagt würden und festgestellt werde, dass dies pflichtwidrig sei. Außerdem wolle er erreichen, dass die beteiligten Ärzte (Ltr ArztGrp AllgMed und Truppenärztin) nicht pflichtgemäß gehandelt hätten, die unzutreffenden Aussagen des (Disziplinar-) Vorgesetzten zu überprüfen, sondern diese ungeprüft übernommen hätten. Weil sein Disziplinarvorgesetzter seinen Kontakt zum jetzigen Ltr SanVersZ (Oberstarzt W) ausgebaut habe, seine Vorgehensweise fortsetze und mittlere ein Dienstunfähigkeitsverfahren gegen ihn eingeleitet habe. Er habe ein berechtigtes Interesse, feststellen zu lassen, dass dessen Vorgehen unzulässig gewesen sei und nicht hätte geschehen dürfen. Er wolle auch feststellen lassen, dass dieses Eingreifen zu Einseitigkeit, fehlender Neutralität des beteiligten Personals des SanVersZ führen könne. Er wolle das vorliegende Verfahren auch als Grundlage verwenden können, um gegen das laufende Dienstunfähigkeitsverfahren vorgehen zu können.
Der Antragsteller betonte zuletzt, dass er selbstverständlich zur Durchführung von medizinischen Begutachtungen bereit sei; aber diese sollten nicht auf unzutreffenden Äußerungen eines befangenen Disziplinarvorgesetzten basieren und nicht von beeinflussten Ärzten durchgeführt werden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensund Beschwerdeakte Bezug genommen.Antragsgegenstand ist – entgegen der Bewertung der Beschwerdestellen, insbesondere der Kdr’in XYAkBw, und anders, als der Antragsteller in seiner Stellungnahme vom 13. Juni 2021 annimmt – lediglich das vermeintliche Fehlverhalten des Ltr InstXXBw, des Oberstarztes Prof. Dr. T, in Bezug auf dessen Kontakt zu Ärzten des SanVersZ im Zusammenhang mit der damaligen Überprüfung der Dienst- und Verwendungsfähigkeit des Antragstellers.
Insbesondere dessen (mündlicher) Befehl zur Begutachtung des Antragstellers – Gleiches gälte für einen schriftlichen Befehl dazu – ist hingegen nicht Gegenstand des Antrags auf gerichtliche Entscheidung.
Was Gegenstand eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung ist, bestimmt sich allein nach dem Inhalt der Erstbeschwerde, soweit es im Rahmen einer weiteren Beschwerde nicht zu einer Einschränkung durch den (späteren) Antragsteller selbst gekommen ist. Zur Klärung des Umfangs der Erstbeschwerde ist deren Beschwerdegegenstand nach objektiven Gesichtspunkten auszulegen. Bei Zweifeln über den Umfang ist die Ansicht des späteren Antragstellers maßgebend, soweit diese einen objektiven Anknüpfungspunkt in der Erstbeschwerde findet. Eine Änderung des Beschwerdegegenstands, insbesondere eine Erweiterung, ist nach Erhebung der Erstbeschwerde rechtlich nicht möglich (Bundesverwaltungsgericht, z.B. Beschluss vom 25. Februar 2016 – 1 WB 6.15 – Rn. 33).
Nach diesen Grundsätzen kommt die Truppendienstkammer (im Folgenden: Kammer) zu dem vorgenannten Umfang des Antragsgegenstandes.
Entscheidend dafür ist, dass der Antragsteller in seiner Erstbeschwerde vom 15. Januar 2019 in der fett gedruckten Überschrift allein eine Beschwerde „gegen OTA Prof. T, Leiter des InstXXBw“ anführte und im Eingangssatz nach der Anrede die Formulierung gebrauchte „…hiermit beschwere ich mich gegen meinen Disziplinarvorgesetzten Ltr InstXXBw OTA Prof. T“.
Erst in dem anschließend geschilderten Sachverhalt, der den Hintergrund erhellen sollte, kamen andere Soldaten, teils in ihrer Funktion, teils mit Dienstgrad und Namen benannt, zur Sprache. Auch der dort genannte Befehl von Oberstarzt Prof. Dr. T als Anordnung der Begutachtung diente nach Verständnis eines objektiven Betrachters lediglich zur Erläuterung des Kontextes. Auf Seite 2 seiner Beschwerdeschrift machte der Antragsteller deutlich, dass der Antragsgegenstand im vorliegenden Verfahren – auch zeitlich im Hinblick auf die Wahrung der Einmonatsfrist der Beschwerde nach Kenntnis des Beschwerdeanlasses – allein mit den Erkenntnissen zu tun hat, die er aus der Einsichtnahme in seine G-Akte erhielt. Dabei geht es ausschließlich um eine vom Antragsteller wahrgenommene negative Einflussnahme von Oberstarzt Prof. Dr. T auf Ärzte des SanVersZ im Zusammenhang mit seiner Begutachtung. Das kommt auch im vorletzten Absatz der Erstbeschwerde zum Ausdruck, in dem der Antragsteller Folgendes formulierte: „Ich betrachte das [zuvor geschilderte] Verhalten von meinem Disziplinarvorgesetzten OTA Prof. T mir gegenüber als bewusste und starke Dienstpflichtverletzung seinerseits und sehe diese in keinster Weise als angemessen für einen Offizier und insbesondere für einen Arzt“, sowie im letzten Absatz, in dem der Antragsteller die Kdr’in XYAkBw – als nächste Disziplinarvorgesetzte des in Rede stehenden Oberstarztes – um Ermittlung bat und um zukünftige Unterbindung derartiger Vorgehensweisen gegen ihn.
Der Antragsteller äußerte, das Auslegungsergebnis stützend, in seiner weiteren Beschwerde vom 10. Juni 2019, dass sich seine Erstbeschwerde (nur) gegen das von ihm angenommene Fehlverhalten seines Disziplinarvorgesetzten richte. Er schrieb weiter: „Der zentrale Punkt hierin ist die negative Einflussnahme auf die Ärzte des SanVersZ gegen mich seitens meines Disziplinarvorgesetzten.“.
In seiner vom Vorsitzenden der 2. Kammer des Truppendienstgerichts Süd erbetenen Stellungnahme zum Umfang des Antragsgegenstandes vom 13. Juni 2021 äußerte der Antragsteller eindeutig: „Die Beschwerde vom 15.01.2019 richtet sich gegen die Kontakte des Disziplinarvorgesetzten mit dem SanVersZ.“ Der Umstand, dass er im Anschluss dazu verschiedene Anträge – vor allem auf Feststellung – formulierte, die weit darüber hinausgehen, ändert an der Festlegung des Antragsgegenstandes nichts. Diese Anträge sind nach dem oben Gesagten für die Kammer rechtlich irrelevant, soweit sie über den ursprünglichen Gegenstand der Erstbeschwerde hinausgehen.
Der so auszulegende Antrag auf Entscheidung des Truppendienstgerichts ist unzulässig. Denn er ist nicht statthaft. Es fehlt an dem notwendigen Maßnahmecharakter i.S.d. § 17 Abs. 3 WBO.
Der Begriff der Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift setzt dabei nach Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z.B. Beschluss vom 14. Dezember 2017 – 1 WB 10.17 – Rn. 19) eine dem öffentlichen Recht zugehörige Handlung eines Vorgesetzten oder einer Dienststelle der Bundeswehr voraus, die im Verhältnis der Überund Unterordnung getroffen oder erbeten wird; dabei kommt es nicht darauf an, ob sie auch auf die Herbeiführung von Rechtswirkungen abzielt.
Soweit vom Antragsteller eine disziplinare Überprüfung des verfahrensgegenständlichen Verhaltens von Oberstarzt Prof. Dr. T gewünscht ist, endet jene auf der Ebene der weiteren Beschwerde. Denn sie enthält keinen Maßnahmecharakter. Es handelt sich von der Rechtsnatur her vielmehr um eine Kameradenbeschwerde, auch wenn sie ein Verhalten eines Vorgesetzten zum Gegenstand hat. Dabei steht eine disziplinare Überprüfung im Rahmen eines einfachen oder gerichtlichen Disziplinarverfahrens im Vordergrund, da es sich bei einer Kameradenbeschwerde um die Anzeige eines Dienstvergehens handelt. Die Beschwerdestelle knüpft nach Konzeption der WBO lediglich an das Ergebnis des vorgenannten Verfahrens an und unterrichtet den Beschwerdeführer darüber, ob eine Disziplinarmaßnahme verhängt oder davon abgesehen wurde (vgl. § 13 Abs. 2 WBO, gegebenenfalls i.V.m. § 16 Abs. 4 WBO).
Auch soweit der Antragsteller eine negative Einflussnahme von Oberstarzt Prof. Dr. T auf Ärzte des SanVersZ durch falsche oder verzerrte Informationen sieht, ist insoweit ein Maßnahmecharakter abzulehnen. Dies aus folgenden Gründen:
Wie angeführt, ist für eine Maßnahme grundsätzlich eine dem Über- und Unterordnungsverhältnis zugehörige Handlung eines Vorgesetzten oder einer Dienststelle der Bundeswehr erforderlich. Danach wäre der Maßnahmecharakter hier abzulehnen, da sich die behauptete Falschinformation des Oberstarztes Prof. Dr. T gegenüber Ärzten des SanVersZ auf einer Gleichordnungsebene ereignet hätte.
Allerdings hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 27. November 2014 (1 WB 61.13 – Rn. 20) in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass Merkmal einer Maßnahme in diesem Sinne unter anderem (auch) sei, dass sie unmittelbar gegen den Soldaten gerichtet ist oder – obwohl an andere Soldaten gerichtet – in Form einer Rechtsverletzung oder eines Pflichtenverstoßes in seine Rechtssphäre hineinwirkt. Überlegungen, Bewertungen, Stellungnahmen oder Zwischenentscheidungen, die lediglich der Vorbereitung von truppendienstlichen Maßnahmen oder Personalmaßnahmen dienen, sind hingegen als Elemente innerdienstlicher Willens- und Meinungsbildung noch keine die Rechte eines Soldaten unmittelbar berührenden Maßnahmen; sie sind infolgedessen einer selbständigen gerichtlichen Nachprüfung nicht zugänglich.
Insoweit kann zunächst von einem Hereinwirken in Rechte des Antragstellers ausgegangen werden, soweit die Behauptung der Falschinformation wahr wäre. Ein Maßnahmecharakter ist aber im Ergebnis abzulehnen, da es sich bei der beanstandeten Handlung wertungsmäßig um eine einer vorbereitenden Maßnahme gleichzustellende Tat handelt. Denn der Antragsteller zielte bei einer Gesamtbetrachtung nicht isoliert auf eine Falschinformation ab, sondern darauf, dass jene zu einer unkorrekten „Endmaßnahme“ – hier zu einem falschen Begutachtungsergebnis – geführt habe. Hierdurch wird deutlich, dass der beanstandete Akt erst im Vorfeld einer späteren Maßnahme liegt und damit eine Art Vorbereitungscharakter – im atypischen und negativen Sinn – aufweist. Bezöge man derartige Akte in eine Überprüfung ein, überdehnte man den die gerichtliche Überprüfbarkeit. Wie die oben angeführte Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung erkennen lässt, ist Kennzeichen des gerichtlichen Rechtsschutzes nach § 17 WBO vielmehr, dem Antragsteller allein die Anfechtbarkeit des jeweils in Rede stehenden Endergebnisses zu ermöglichen und nicht unselbständige Zwischenschritte auf dem Weg dorthin.
Der Antrag war deshalb mangels Vorliegens einer Maßnahme als unzulässig zu verwerfen.
III.
Die Kammer hat dem Antragsteller keine Kosten des Verfahrens auferlegt, da nach ihrer Ansicht die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht vorlagen.
IV.
Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen, weil keine der Voraussetzungen des § 22a Abs. 2 WBO gegeben ist.


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