Medizinrecht

Corona-Pandemie, Maskenpflicht für Geimpfte

Aktenzeichen  25 NE 21.1879

Datum:
27.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22550
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayIfSMV § 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, sämtliche Regelungen der Dreizehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (13. BayIfSMV vom 5. Juni 2021, BayMBl. 2021 Nr. 384) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 14. Juli 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 497), die mit Ablauf des 28. Juli 2021 außer Kraft tritt (§ 29 13. BayIfSMV) vorläufig außer Vollzug zu setzen, soweit er durch sie verpflichtet wird, eine Mund-Nase-Bedeckung (MNB) im Sinne von § 3 BayIfSMV zu tragen.
Zur Begründung seines Antrags macht er geltend, er sei vollständig geimpft. Trotz der derzeit niedrigen 7-Tage-Indzidenz werde von Seiten der Politik bereits jetzt pauschal avisiert, dass die Maskenpflicht noch bis mindestens zum Winter 2021/22 bleiben werde. Das Bundesverfassungsgericht habe klargestellt, dass die Schutzmaßnahmen adressatenabhängig seien. Schon jetzt seien Geimpfte und Genesene durch § 28c IfSG und entsprechende Landesverordnungen im Hinblick auf den Zutritt zu bestimmten Betrieben und Einrichtungen privilegiert. Die 13. BayIfSMV enthalte daher die Vermutung, dass eine geimpfte Person nicht infektiös sei. Auch das Robert Koch-Institut (RKI) gehe von einer deutlich verminderten Ansteckungsgefahr durch Geimpfte aus. Insofern gebe es keinen Grund, Geimpfte mit einer Maskenpflicht zu belegen, zumal für ungeimpfte Personen nach wie vor eine Maskenpflicht gelte, wodurch auch Dritte geschützt seien. Durch entsprechende “Privilegien” für Geimpfte werde auch die Impfbereitschaft gefördert. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei geboten, weil die Maskenpflicht den Antragsteller schwer, tiefgreifend und irreversibel in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit beeinträchtige.
Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte.
II.
Der Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung der in der 13. BayIfSMV vorgesehenen Regelungen zur Verpflichtung, eine MNB zu tragen (Maskenpflicht i.S.v. § 3 13. BayIfSMV), hat keinen Erfolg. Der Senat legt den Antrag im wohlverstandenen Interesse des Antragstellers in diesem Sinne aus, da er ansonsten auf eine unzulässige Normergänzung gerichtet wäre, die nicht Gegenstand eines (vorläufigen) Normenkontrollverfahrens sein kann (BayVGH, B.v. 8.6.2020 – 20 NE 20.1316 – BeckRS 2020, 12008 – Rn. 14 m.w.N.).
Dabei kann dahinstehen, ob § 28c IfSG i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung – SchAusnahmV, der ausdrücklich bestimmt, dass Schutzvorschriften von Bund und Ländern, die ein Gebot vorsehen, eine MNB, einen Mund-Nasen-Schutz oder eine Atemschutzmaske zu tragen, unberührt bleiben, nach Art. 31 GG eine Sperrwirkung gegenüber Landesregelungen entfaltet (offengelassen in BayVerfGH, E.v. 28.6.2021 – Vf. 73-VII-20 – juris Rn. 24 a.E.), was zur Folge hätte, dass der vorliegende Antrag vom Antragsgegner im Ergebnis eine bundesrechtswidrige Ausgestaltung der Verordnung verlangen würde und damit unzulässig wäre. Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.
Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache hat unter Anwendung des geltenden Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (I.) bei summarischer Prüfung keine durchgreifenden Aussichten auf Erfolg (II.).
I. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen oder noch zu erhebenden Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – NVwZ-RR 2019, 993 – juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann.
Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12).
Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – juris Rn. 12; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 106).
II. Nach diesen Maßstäben sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache bei der nur möglichen, aber ausreichenden summarischen Prüfung (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 14) voraussichtlich nicht gegeben.
1. Der Senat geht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren davon aus, dass die in der 13. BayIfSMV verankerten Regelungen zur Maskenpflicht mit § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG (Verpflichtung zum Tragen einer MNB) eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage haben (BayVGH, B.v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris Rn. 24 ff.). Jedenfalls bei der gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine durchgreifenden Bedenken dahingehend, dass die vorgenannten Bestimmungen eine ausreichende Verordnungsermächtigung für die durch sie erfolgenden Grundrechtseingriffe darstellen und sie insbesondere auch dem Wesentlichkeitsgrundsatz und dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechen.
2. Die angegriffenen Regelungen sind voraussichtlich materiell rechtmäßig, weil sie mit der Ermächtigungsgrundlage in Einklang stehen und sich bei summarischer Prüfung nicht als unverhältnismäßig erweisen.
Zur Begründung kann zunächst auf die bisherige Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verwiesen werden. Anträge auf vorläufige Außervollzugsetzung der Maskenpflicht hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zuletzt etwa mit Beschlüssen vom 12. Juli 2021 (Az. 25 NE 21.1755), 5. Juli 2021 (Az. 25 NE 21.1779), 22. Juni 2021 (Az. 25 NE 21.1654), 10. Mai 2021 (Az. 20 NE 21.1328), 4. Mai 2021 (Az. 20 NE 21.1119, BeckRS 2021, 10013), 16. März 2021 (Az. 20 NE 21.627 – BeckRS 2021, 4746), 15. Februar 2021 (Az. 20 NE 21.411 – juris), 29. Januar 2021 (Az. 20 NE 21.201 – BeckRS 2021, 791), 28. Januar 2021 (Az. 20 NE 21.136 – BeckRS 2021, 970), 7. September 2020 (Az. 20 NE 20.1981 – BeckRS 2020, 21962), 8. Dezember 2020 (Az. 20 CE 20.2875 – BeckRS 2020, 34824) und 3. Dezember 2020 (Az. 20 CE 20.2809 – BeckRS 2020, 34848) abgelehnt.
Die vom Verordnungsgeber getroffene Gefährdungsprognose ist auch gegenwärtig nicht zu beanstanden. Im Zeitpunkt des Erlasses der 13. BayIfSMV wie auch der Entscheidung des Senats liegen die Voraussetzungen des § 28a Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 und 7 IfSG vor und wird die angegriffene Regelung den besonderen Anforderungen nach § 28a Abs. 3 Satz 11 IfSG gerecht.
a) Der Deutsche Bundestag hat die in § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG vorgesehene Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite mit Blick auf das Corona-Virus SARS-CoV-2 erstmals am 25. März 2020 getroffen (BT-PlPr 19/154, 19169C). Er hat diese Feststellung seither auch nicht – wie in § 5 Abs. 1 IfSG vorgesehen – aufgehoben und diese Aufhebung im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht, sondern am 18. November 2020, am 4. März 2021 und zuletzt am 11. Juni 2021 den Fortbestand einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG für weitere drei Monate festgestellt (vgl. BT-Drs. 19/24387; Annahme des Entschließungsantrags BT-Drs. 19/27196; Annahme des Entschließungsantrags BT-Drs. 19/30398).
b) Nach der aktuellen Risikobewertung des RKI (v. 16.7.2021, https:// www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html), dessen Expertise der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht beimessen darf (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 – NJW 2020, 1427 – juris Rn. 13; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 16), wird die Gefährdung für die Gesundheit der nicht vollständig geimpften Bevölkerung in Deutschland, insbesondere aufgrund der Verbreitung einiger besorgniserregender SARS-CoV-2 Varianten sowie der noch nicht ausreichend hohen Impfquote, insgesamt weiterhin als hoch, für vollständig Geimpfte als moderat eingeschätzt, wobei Menschen mit chronischen Erkrankungen und vulnerable Bevölkerungsgruppen besonders betroffen sind. Nach einem Anstieg der Fälle im ersten Quartal 2021 gingen die 7-Tage-Inzidenzen und Fallzahlen sowohl im Bundesgebiet als auch in Bayern seit Ende April deutlich zurück, um zuletzt auf niedrigem Niveau wieder anzusteigen; die landesweite 7-Tage-Inzidenz liegt in Bayern aktuell bei 13,2 (https://experience.arcgis.com/experience/478220a4c454480e823b17327b2bf1d4/page/page_0/Germany). Der (bundesweite) 7-Tage-R-Wert liegt um 1,10 (Täglicher Lagebericht des RKI zur Corona-Virus-Krankheit-2019 (COVID-19), Stand: 26.7.2021, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Jul_2021/2021-07-26-de.pdf? blob=publicationFile). Die COVID-19-Fallzahlen auf Intensivstationen sind seit Ende April wieder rückläufig. Schwere Erkrankungen an COVID-19, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, betreffen aber inzwischen zunehmend Menschen unter 60 Jahren, wobei die Therapie schwerer Krankheitsverläufe komplex ist und sich erst wenige Therapieansätze in klinischen Studien als wirksam erwiesen haben (RKI, Risikobewertung v. 16.7.2021, a.a.O.). In Bayern haben bis zum 26. Juli 2021 rund 58,7% der Bevölkerung eine Erstimpfung und 47,0% den vollständigen Impfschutz erhalten (Impfquotenmonitoring des RKI, https://www.rki.de/SharedDocs/Bilder/InfAZ/neuartiges_Coronavirus/Impfquotenmonitoring_BL.png; jsessionid=B6B23A1780269EAE6136DDEA415228AF.internet062? blob=poster& v=192). Damit liegt die Impfquote noch deutlich von einer sog. Herdenimmunität entfernt (mehr als 80% vollständig Geimpfte, vgl. https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-rki-geimpfte-spahn-100.html).
Soweit der Antragsteller auf das sinkende Infektionsrisiko verweist, ist dem entgegenzuhalten, dass nach der seit dem 29. März 2021 geltenden Fassung des § 28a IfSG (BGBl. 2021 I S. 370) bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen absehbare Änderungen des Infektionsgeschehens durch ansteckendere, das Gesundheitssystem stärker belastende Virusvarianten zu berücksichtigen sind (§ 28a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 IfSG). Die Dynamik der Verbreitung einiger Varianten von SARS-CoV-2 (aktuell B.1.1.7 (Alpha), B.1.351 (Beta), P.1 (Gamma) und B.1.617.2 (Delta)), die als besorgniserregende Varianten bezeichnet werden, wird in Deutschland systematisch analysiert. Die Variante Delta wird inzwischen in 74% der Stichproben nachgewiesen und hat sich damit gegenüber den anderen Varianten durchgesetzt (vgl. hierzu den Bericht des RKI zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutschland v. 14.7.2021, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/DESH/Bericht_VOC_2021-07-14.pdf? blob=publicationFile). Alle Impfstoffe, die zurzeit in Deutschland zur Verfügung stehen, schützen nach derzeitigen Erkenntnissen bei vollständiger Impfung auch vor einer Erkrankung durch die Variante B.1.617.2 (Delta). Die bisher vorliegenden Daten zeigen allerdings, dass nach Erhalt von nur einer von zwei Impfstoffdosen die Schutzwirkung gegenüber der Delta-Variante (B1.617.2) im Vergleich zur Alpha-Variante (B.1.1.7) leicht verringert ist. Zudem liegen Daten vor, die auf eine erhöhte Übertragbarkeit der Varianten und potenziell schwerere Krankheitsverläufe hinweisen. Demzufolge muss mit einem erneuten Anstieg der Infektionszahlen in den nächsten Wochen gerechnet werden und kann die Verbreitung neuer Varianten zu einer schnellen Zunahme der Fallzahlen und der Verschlechterung der Lage beitragen, solange keine hinreichende Impfquote erreicht ist (RKI, Risikobewertung, a.a.O.). Dies hat sich etwa bei der Ausbreitung der Delta-Mutation seit Mai 2021 in England gezeigt, wo zu diesem Zeitpunkt bereits ca. 30% der Bevölkerung den vollständigen Impfschutz erhalten hatten und wo der Anteil der Delta-Variante an den Gesamtinfektionen rund 90% beträgt. In Großbritannien ist die 7-Tage-Inzidenz nunmehr erneut auf einen Stand von weit mehr als 370 (Stand 27.7.2021, vgl. https://www.corona-in-zahlen.de/weltweit/vereinigtes%20k%C3%B6nigreich/) angestiegen (bei einer Quote vollständig geimpfter Personen von nunmehr über 50%), wobei auch die Zahl der Hospitalisierungen wieder zugenommen hat und wegen der Priorisierung älterer Bevölkerungsgruppen bei der Impfung vor allem Personen unter 50 Jahren betroffen sind. Das RKI empfiehlt daher auch in der derzeitigen Lage niedriger Inzidenzen, die Abstands- und Hygienemaßnahmen beizubehalten und insbesondere in geschlossenen Räumen einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, bis alle, für die ein Impfschutz zugelassen ist, ein Impfangebot erhalten konnten (RKI, Pressekonferenz am 18.6.2021, abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v=guPlPAMVmgk).
Vor diesem Hintergrund, namentlich der drohenden weiteren Ausbreitung von leichter übertragbaren und wohl schwerere Krankheitsverläufe verursachenden Varianten und des insbesondere in der Gruppe der Jugendlichen, aber auch unter den jungen Erwachsenen mit Vorerkrankungen noch nicht hinreichenden Impffortschritts, spricht aus ex-ante-Sicht vieles dafür, dass die Maskenpflicht nach wie vor verhältnismäßig ist. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die vom Bundesgesetzgeber in § 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG vorgezeichneten Grundannahmen des Verordnungsgebers zur Schutzwirkung und Erforderlichkeit der Maskenpflicht nicht mehr vom Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers gedeckt wären.
c) Es besteht nach Auffassung des Senats derzeit auch kein Grund, dies für vollständig geimpfte Personen anders zu beurteilen. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof (E.v. 28.6.2021 – Vf. 73-VII-20 – juris Rn. 22 ff.) hat hierzu ausgeführt:
“Die angegriffenen Vorschriften beziehen sich, soweit sie nicht ohnehin die Geimpften und Genesenen im Sinn des § 2 Nrn. 2 und 4 SchAusnahmV von ihrem Anwendungsbereich ausnehmen, durchweg auf Lebensbereiche, in denen es zu unvorhergesehenen Kontakten einer größeren Zahl von Menschen kommen kann, nämlich auf Begegnungs- und Verkehrsflächen (§ 3 Abs. 4 13. BayIfSMV), Versammlungen in geschlossenen Räumen (§ 9 Abs. 2 13. BayIfSMV), Freizeiteinrichtungen (§ 13 13. BayIfSMV), Handels- und Dienstleistungsbetriebe (§ 14 13. BayIfSMV), Gaststätten (§ 15 13. BayIfSMV) und Beherbergungsbetriebe (§ 16 13. BayIfSMV). Die für die dortigen Besucher, Teilnehmer oder Kunden aus Gründen des Infektionsschutzes geltenden Beschränkungen (Maskenpflicht, Mindestabstand im öffentlichen Raum, Kontaktdatenerhebung) besitzen eine relativ geringe grundrechtliche Eingriffsintensität. Die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften ließe sich von den dafür verantwortlichen Inhabern oder Veranstaltern nur schwer kontrollieren, wenn es dabei maßgebend auf den Status als Geimpfter oder Genesener ankäme (vgl. die Begründung zur COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung, BR-Drs. 347/21 S. 7). Das Gleiche wäre zu erwarten, wenn die nach § 13 Abs. 4 13. BayIfSMV grundsätzlich geschlossenen Bordellbetriebe, Clubs, Diskotheken, sonstigen Vergnügungsstätten und vergleichbaren Freizeiteinrichtungen nur für asymptomatische Personen mit einem Impf- oder Genesenennachweis geöffnet würden. Schon diese Praktikabilitätserwägungen dürften angesichts der dem Normgeber bei Massenerscheinungen zustehenden Befugnis zum Erlass generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen (vgl. VerfGH vom 22.3.2021 – Vf. 23-VII-21 – juris Rn. 39 m. w. N.) ausreichen, um die Einbeziehung der Geimpften und Genesenen als ein zur Erreichung des Normzwecks geeignetes und erforderliches Mittel anzusehen.
b) Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass von geimpften oder genesenen Personen gar keine relevante Gefährdung mehr ausginge, sodass sie gleichsam als “Nichtstörer” zur Gefahrenvorsorge herangezogen würden. Nach der in der Begründung zur COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung zitierten Bewertung des Robert Koch-Instituts vom 31. März 2021 liegt die Effektivität der Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 gegen alle Infektionen bei fast allen Studien im Bereich von 80 bis 90% nach vollständiger Immunisierung. Bei den trotz Impfung positiv getesteten Personen zeigen die vorliegenden Daten zudem eine signifikant geringere Viruslast und eine im Durchschnitt um eine Woche verkürzte Dauer eines Virusnachweises. Bei den genesenen Personen wurde für die Dauer von mindestens sechs Monaten ein Schutz vor einer moderaten oder schweren COVID-19-Erkrankung von 92% bzw. ein Schutz vor jeglicher Infektion von 83 bis 90% berechnet (BR-Drs. 347/21 S. 8). Diese Zahlen erlauben zwar den Schluss, dass das Risiko einer Übertragung des Coronavirus SARS-CoV-2 nach einer Impfung und nach einer natürlichen Infektion nach gegenwärtigem Kenntnisstand in dem Maß reduziert ist, dass geimpfte und genesene Personen bei der Epidemiologie, also insbesondere der Weiterverbreitung von COVID-19, keine “wesentliche Rolle” mehr spielen (BR-Drs. 347/21 a. a. O.). Auch das Robert Koch-Institut geht jedoch davon aus, dass das insoweit noch bestehende Risiko durch weitere Vorgaben wie z. B. durch Einhaltung der AHA+L Regeln (Abstand halten, Hygiene beachten, Alltagsmaske tragen, Lüften) zusätzlich reduziert werden kann (BR-Drs. 347/21, S. 8 f.).
Die auf Erleichterungen für Geimpfte und Genesene abzielende bundesrechtliche COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung stellt demgemäß ausdrücklich klar, dass die bestehenden Maskenpflichten, Abstandsgebote im öffentlichen Raum und Vorgaben in Hygiene- und Schutzkonzepten von der Verordnung unberührt bleiben (§ 1 Abs. 2 SchAusnahmV). Dies wird u. a. damit begründet, dass solche bevölkerungsbasierten, nicht an das persönliche Risiko angepassten Schutzmaßnahmen ihre Wirkung nur entfalten, wenn sie in der Bevölkerung sehr breit akzeptiert und umgesetzt werden. Da auch von geimpften oder genesenen Personen Restrisiken einer Infektion ausgehen könnten, erscheine es gerechtfertigt, dass sie die gesamtgesellschaftlichen Maßnahmen mittrügen, um den großen Mehrwert für die Gesundheit aller zu ermöglichen, der sich durch die gemeinsame Umsetzung der Maßnahmen ergebe (BR-Drs. 347/21 S. 12). Diese Erwägungen können auch zur Rechtfertigung der angegriffenen landesrechtlichen Vorschriften herangezogen werden. (…)
d) (…) Der deutliche Rückgang der Infektionszahlen in den letzten Wochen und die damit korrespondierende geringere Zahl stationär behandelter COVID-19-Patienten, die neben anderen Faktoren wesentlich auf die sich fortlaufend erhöhende Impfquote zurückzuführen sein dürften, zwingen den Verordnungsgeber nicht dazu, die bereits geimpften oder genesenen Personen von jeder Mitwirkung bei der weiteren Eindämmung des Infektionsgeschehens zu befreien. (…) Dass den Angehörigen der besonders gefährdeten Gruppen mittlerweile fast durchgehend ein Impfangebot gemacht wurde und daher insoweit nur noch ein statistisch stark verringertes Risiko einer schweren Erkrankung oder des Todes besteht, hindert den Verordnungsgeber schon angesichts der mit den neu aufgetretenen Virusvarianten verbundenen Gefahren nicht daran, auch in Zeiten niedriger Inzidenzwerte an allgemeinen, den Einzelnen wenig belastenden Vorsorgemaßnahmen festzuhalten, die eine Übertragung des Virus zumindest erschweren. Ob in anderen Bundesländern für Geimpfte und Genesene weitergehende Ausnahmen und Befreiungen von Schutzmaßnahmen vorgesehen sind als in Bayern, ist dabei entgegen der Auffassung des Antragstellers auch unter Gleichheitsgesichtspunkten (Art. 118 Abs. 1 BV) nicht von Bedeutung, da sich der Gleichheitssatz immer nur an denselben Normgeber richten kann (vgl. VerfGH vom 25.2.2013 VerfGHE 66, 6 Rn. 80; vom 16.1.2018 BayVBl 2018, 483 Rn. 29 m. w. N.).”
Dem hat der Senat auch unter Berücksichtigung des weiteren Prüfungsmaßstabs im Normenkontrollverfahren und der vorliegenden Antragsbegründung nichts hinzuzufügen.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Da die angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 28. Juli 2021 außer Kraft tritt (§ 29 13. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren nach Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 nicht angebracht ist.
C. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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